Kapitel 29 - Der rätselhafte Lehrer

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Herr Tuplantis verkündete die Informationen über die Trennung vom Eulenturm in einer Rede vor dem Abendessen. Bereits diese Nachricht sorgte für heftige Diskussionen im Innenhof und einige kritische Zwischenfragen. Es war deutlich, dass die Unzufriedenheit in der Burg wuchs, während das Sicherheitsgefühl schwand.

Doch die angespannte Lage eskalierte, als der versuchte Ausbruch thematisiert wurde. Der Schulleiter verurteilte den Fluchtversuch scharf und kündigte an, dass die Burg in Zukunft nur noch mit einem Lehrer verlassen werden durfte. Eine Regel, die Jan durchaus nachvollziehen konnte. Er wollte zur Zeit ohnehin nicht nach draußen, wo der Feind jetzt doch so nah schien.
Andere Schüler hingegen schienen nicht ganz so gleichgültig über die neue Maßnahme zu denken wie Jan. Wieder entstand Gemurmel und lautes Rufen. Doch mit einer Frage kam Stille in die aufgebrachte Schülermenge.
»Warum tun Sie denn nichts? Warum greifen Sie den Feind denn nicht an? Warum lassen Sie uns seit Wochen in Lebensgefahr schweben?«

Jan konnte die Stimme niemandem zuordnen. Es war eindeutig ein Junge und es schien so, als säße er am Kesten-Tisch, aber nicht einmal da war er sich wirklich sicher. Was auch er allerdings mitbekam, war, dass der Sprecher einen sensiblen Punkt getroffen hatte.
Die meisten Blicke der Schüler waren nun auf Herrn Tuplantis gerichtet. Viele hatten sich diese Frage wohl gestellt.
Herr Tuplantis ließ davon allerdings nicht aus der Ruhe bringen. Ein mitfühlendes Lächeln zierte sein Gesicht, während er seinen Zauberstab wieder wie ein Mikrofon an den Mund hielt.

»Ihr wollt endlich wieder Normalität, habe ich recht?«, fragte er und ließ seinen Blick über die Schüler schweifen. »Ihr wollt wieder Quidditch spielen, wieder euren Eltern schreiben, wieder die Zeitung lesen, wieder sorglos durch die Wälder von Winterfels streifen.«
Er machte eine seiner Redepausen, um die Schüler über das Gesagte nachdenken zu lassen.

»Glaubt mir, das wollen wir Lehrer auch«, fuhr er dann fort. »Auch wir sehnen uns nach all dem. Aber gerade jetzt in dieser schwierigen Zeit ist es wichtig, zu überlegen wo unsere Prioritäten liegen. Wir Kollegen wollen, dass jeder dieses Schuljahr überlebt. Jeder Schüler, jede Schülerin, jeder Lehrer, jede Lehrerin. Wie können wir das garantieren? Indem wir besonnen bleiben und uns nicht von unseren Widersachern zu unüberlegten Handlungen treiben lassen. Wenn wir jetzt den Feind angreifen, würden wir damit die Sicherheit von uns allen aufs Spiel setzen. Wir wissen nicht, wie wir hinter dem Zauberbann erwartet werden. Aber wir wissen, dass wir hier in der Burg sicher sind. In Lebensgefahr schwebt niemand, solange er innerhalb dieser Mauern bleibt. Daher haben wir entschieden, auf außerhalb zu warten. Wenn eure Eltern weiterhin keine Briefe von euch bekommen, werden sie sich an das Zaubereiministerium wenden und dieses wiederum wird nicht zögern, uns aus dieser misslichen Lage hier zu befreien.«

Jan wusste nicht, ob Herr Tuplantis eigentlich noch etwas sagen wollte, aber der Lärm, der wieder im Innenhof ausbrach, machte dies nahezu unmöglich. Es war ganz eindeutig, dass die Schüler unzufrieden mit der Arbeit ihres Schulleiters waren, zumindest der lauteste Teil von ihnen.
Jan konnte schwere Anschuldigungen aus der Menge heraushören und er fragte sich, was er eigentlich von der ganzen Situation hielt.
»So schlimm ist ja nicht mal die Stimmung im Quidditch-Stadion, wenn das falsche Team gewinnt«, seufzte Levi und sah sich kopfschüttelnd im Innenhof um.
Jan wollte gerade etwas antworten, aber er kam nicht mehr dazu.

»Ruhe!«, rief Herr Tuplantis in einer Stimmlage, die keinen Widerstand duldete. Jan sah erstaunt zu seinem Schulleiter. Es war das erste Mal seit er in Winterfels war, dass Herr Tuplantis um Ruhe rief und sie nicht einfach durch einige kraftvolle Handbewegungen erzielte. Die Lage schien wirklich angespannt zu sein. Als wäre es nicht schlimm genug, dass sie von der Außenwelt getrennt waren, zog sich nun noch ein trennendes Band durch die Schüler und teilte sie in Unterstützer und Gegner von Herrn Tuplantis. Und Jan glaubte, dass sie in dieser Lage eine solche Spaltung am wenigsten gebrauchen konnten.

Am Ende der Woche begannen die Osterferien. Jan war gespannt, wie sich die schulfreie Zeit auf die Stimmung in der Burg auswirken würde. In den letzten Tagen hatte der Junge immer wieder kritische Wortfetzen zu den Plänen des Schulleiters aufgeschnappt. Er selbst hatte keine eindeutige Meinung. Zwar sehnte er sich unfassbar nach all dem, was möglich gewesen war, bevor der Bannzauber errichtet worden war, vor allem nach dem Briefkontakt mit seinen Eltern. Dennoch gefiel ihm Hern Tuplantis' Lösungsansatz, keinen Angriff gegen den unbekannten Feind zu starten, zumindest nicht alleine. Ihm war es lieber, auf eine sichere Lösung des Problems zu warten, als sich zu unüberlegten Risiken drängen zu lassen.
Er hatte das Gefühl, dass seine Freunde das ähnlich sahen wie er. Während Lina ihre Meinung unter spöttischen Kommentaren, wie »Wenn uns das Ministerium nicht befreit, verbringen wir die Sommerferien auch in Winterfels« zu verstecken versuchte, äußerte vor allem Levi sich immer wieder kritisch zu den Gegnern von Tuplantis.

»Schon interessant, wie so eine Krise das Innere der Menschen zeigt«, murmelte er kopfschüttelnd, als er mit Jan durch einen Gang im Erdgeschoss lief.
Wenige Meter vor ihnen redete eine Schülerin aus Furho mit Herrn Jorski und es hörte sich ganz so an, als diskutierte sie mit dem Lehrer, was denn der richtige Umgang mit der Situation wäre.
»Mache dir nicht so viele Sorgen! In Polen wir sagen ›Wer Hoffnung vor sein Wagen spannt, fahrt doppelt so schnell‹«, meinte Herr Jorski gerade, woraufhin die Schülerin wild gestikulierend etwas erwiderte und sich dann umdrehte, um in die andere Richtung zu laufen.

»Sollen wir dem armen Kerl mal etwas Aufmunterndes zusprechen?«, fragte Levi vorsichtig, doch Jan hörte seinem Freund nur mit halber Aufmerksamkeit zu. Viel mehr interessierte ihn das, was er gerade gesehen hatte. Eindeutig war da ein kleines, Papier aus Herrn Jorskis Umhangtasche gefallen. Ohne auf Levi einzugehen wartete er bis der Lehrer sich weit genug entfernt hatte und lief dann auf den Zettel zu. Er hob ihn vorsichtig auf und zeigte Levi das zusammengefaltete Schriftstück.

»Du spionierst schon wieder Herr Jorski hinterher«, stellte der fest und betrachtete das Papier kritisch.
»Das ist doch kein Spionieren«, widersprach Jan. »Ich bin ihm ja nicht absichtlich hinterhergelaufen und habe darauf gewartet, dass ihm ein Zettel aus der Tasche fällt.«
»Dann könnte Lina dich auch erst recht nicht mehr ernst nehmen«, lachte Levi. »Na komm, mach schon auf! Ich bin doch auch interessiert, was auf seinem Einkaufszettel steht.
Vorsichtig faltete Jan das Papier auseinander, so als könnte es jeden Moment zerbrechen. Zu seiner Überraschung war es nur mit wenigen Worten beschrieben.

19:30
obok drugiej szklarni
Jozef M. Wozniak

»Was soll das denn heißen?«, fragte Levi verwundert.
»Schaut ganz nach Polnisch aus«, stellte Jan fest. »Aber die Uhrzeit kann ich auch so lesen. Und den Verfasser ebenfalls.«
»Jozef Wozniak«, überlegte Levi. »Der Name sagt mir irgendetwas.«
»Mir auch. An diesen Mann war Jorskis Brief adressiert, den er angeblich an seine Tochter verschicken wollte.«
»Vielleicht hat er einen Sohn und schreibt ihm auch Briefe. Und bis heute Abend um 19:30 muss er ihm geantwortet haben. Es ist eine Art Erinnerung.«
»Hast du vergessen, dass wir gar keine Briefe schreiben können?«, fragte Jan vorsichtig. »Auch wenn Herr Jorski einen wirklich krassen Uhu hat, glaube ich nicht, dass der durch den Bann fliegen kann.«
Levi sah zerknirscht zu Boden.
»Stimmt da war ja was«, murmelte er.

»Es gibt also nur eine Möglichkeit, was es mit dem Zettel auf sich hat«, schlussfolgerte Jan. »Herr Jorski hat die Nachricht von einem der Belagerer bekommen und will sich heute Abend irgendwo mit ihm treffen. Wo das ist, steht in den polnischen Buchstaben.«
Er wusste nicht recht, ob er sich nun darüber freuen sollte oder nicht. Zum einen würde das bedeuten, dass er das ganze Jahr über recht gehabt hatte. Seine Theorien, für die er immer mal wieder belächelt worden war, waren gar nicht falsch gewesen.
Allerdings bereitete ihm die Vorstellung, dass tatsächlich einer seiner Lehrer mit den Feinden verbündet war, ein ungutes Gefühl. Denn sie brächte die Tatsache mit sich, dass er nirgendwo mehr wirklich sicher war und die Gefahr ihm näher war, als ihm gefiel.

»Du immer und deine Geschichten über den armen Herr Jorski«, lachte Levi. »Wahrscheinlich willst du ihm jetzt nach dem Abendessen folgen und schauen, wohin er um halb acht geht.«
Jan nickte vorsichtig. Das war seine Idee gewesen. Aber Levis Reaktion verunsicherte ihn. Wie könnte er den Zettel nur so gleichgültig abtun? Es ging hier darum, Herrn Jorskis Geheimnis zu lüften und seine wahre Zugehörigkeit ans Licht zu bringen. Diese Chance durften sie sich einfach nicht entgehen lassen.
»Na dann komme ich doch mal mit dir«, sagte Levi da zu Jans großer Erleichterung. »Schließlich bin ich auch gespannt, was es mit ihm auf sich hat.«
Ein Lächeln huschte über Jans Gesicht. Er war unbeschreiblich dankbar dafür, einen Freund wie Levi an seiner Seite zu wissen, der ihn auch unterstützte, wenn er Jans Theorien nicht wirklich glaubte.

Während des Abendessens kam Jan nur schwer auf andere Gedanken. Sein Herz klopfte allein bei der Vorstellung, Herrn Jorski gleich hinterherzuschleichen. Mit der Zeit befürchtete er, dass die Aufregung ihm gleich die Beine lähmen würde und er seinen Plan dann ohnehin über Bord werfen musste. Er und Levi hatten vereinbart, den anderen nicht von ihrem Vorhaben zu erzählen. Schließlich würde ohnehin niemand von ihnen mitkommen. Filio war voll und ganz mit der Verbesserung seiner Maschine beschäftigt und würde sich vermutlich nicht einmal davon abhalten lassen, wenn sie ihn zum Quidditchspiel der Heidelberger Vandalen mitnehmen wollten. Anna wiederum war einfach nicht die Person für solche Abenteuer. Auch wenn Jan sich sicher war, dass sie am meisten Verständnis für ihn und seine Vermutungen hätte, wäre ihre Angst wahrscheinlich größer als die Aufregung von Jan.

Bei Hannes konnte Jan sich sogar vorstellen, dass er mit ihnen kommen würde, aber er hatte ihn seit dem Mittagessen nicht mehr gesehen. Vermutlich war er mal wieder bei seinen Freunden aus Ehura. An die Idee, Lina von seinem Plan zu erzählen, hatte Jan gar nicht erst einen Gedanken verschwendet. Er wusste nur zu gut, wie sie zu seinen Theorien stand. Und leider ließ sich Marina zu sehr von ihr beeinflussen. Auch wenn das lebensfrohe Mädchen mit Sicherheit an einem Vorhaben, wie er und Levi es planten, Interesse hatte, würde sie niemals mitkommen. Sie kannte Linas Meinung und wollte auf keinen Fall einen Keil in ihre Freundschaft treiben.

»Du sagst uns aber, wenn wieder was in die Luft gehen könnte«, fragte Levi gerade Filio, der die Essenszeit genutzt hatte, um von den Verbesserungen an seiner Maschine zu erzählen. »Dann schlafen wir nämlich im Gemeinschaftsraum.«
Die Mundwinkel des Jungen mit der Igelfrisur schossen in die Höhe.
»Wie kommst du denn auf die Idee, etwas könnte in die Luft gehen?«, fragte er mit gespielter Verwunderung. »Diesmal wird alles gut, glaub mir. Ich führe einfach keinen der Zauber selbst aus. Ich habe alles nochmal kontrolliert und festgestellt, dass ich schon die richtigen Zauber ausgesucht hatte, aber einen wohl nicht richtig gemacht habe. Damit das nicht nochmal passiert, macht Anna das diesmal, stimmt's?«
Er drehte sich zu dem eher ruhigen Mädchen um, das leicht anfing zu lächeln und vorsichtig nickte.

Jans Blick allerdings wanderte zum Lehrertisch, wo Herr Jorski sich langsam erhob. Er sah sich unsicher im Raum um und schritt dann die Treppe zu den Haustischen herunter.
Jan warf Levi einen eindringlichen Blick zu, doch der war zu sehr in seine Unterhaltung verwickelt. Gerade hörte er Marina zu, die eine Feier plante, wenn Filios Maschine endlich fertig war.
»Wenn sie zwei Nächte überstanden hat, ohne Zerstörung anzurichten«, korrigierte Lina.

Jan trat Levi vorsichtig gegen sein Schienbein.
»Ah!«, machte Levi laut, woraufhin Jan sich wünschte, den silencio-Zauber besser zu können. »Was war das denn.«
Er sah unter den Tisch, aber als er Jans Fuß entdeckte, schien er sich an ihren Plan zu erinnern.
»Mein Stundenplan«, erzählte Levi daher, als sein Kopf wieder über dem Tisch auftauchte. »Herr Jeffer wollte doch mit mir und Jan reden, wegen der Ritterrüstung, die uns angesprochen hat. Er ist ziemlich verwundert, weil sie doch eigentlich einem Schweigezauber unterstellt ist.«

»Stimmt, meiner ist auch schon ganz warm«, ergänzte Jan und hielt sich mit der Hand an die rechte Hosentasche, in der zwar seit Beginn der Ferien kein Stundenplan mehr war, aber das brauchte ja niemand zu wissen. »Toll, was dieses Teil alles kann.«
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
»19:13 Uhr«, las er mit gespieltem Erschrecken vor. »Wir haben nur noch zwei Minuten Zeit.«

Schnell standen er und Levi auf und verabschiedeten sich eilig von den anderen.
Sie schritten durch den Mittelgang und verließen schließlich durch einen Nebenausgang den Innenhof. Jan sah sich nach links und rechts um, konnte Herrn Jorski allerdings nirgends entdecken.

»Wo ist er nur hin?«, fragte er verwundert.
»Keine Ahnung«, gestand Levi und zog seine Mundwinkel enttäuscht nach oben.
»Dann gehen wir jetzt rechts«, entschied Jan. »Wir können nicht länger überlegen. Herr Jorski könnte schon längst um einige Ecken sein.«
Und so liefen sie in die entschiedene Richtung.

Sie kamen an einigen Klassenräumen der Drittklässler vorbei, passierten einige Lagerräume und gelangten schließlich in den Hauptgang, der aus der Burg hinausführte. Gerade als sie in den Korridor traten, sahen sie, wie die großen Burgtore zufielen. Das letzte, was ihre Augen von draußen erhaschen konnten, war eine etwas kleinwüchsige, schwarzhaarige Gestalt.

»Er ist draußen«, brachte Jan erschrocken hervor.
»Dann sollten wir da auch hin, wenn wir wissen wollen, was er vorhat«, schlussfolgerte Levi. Jan bewunderte den Jungen für seinen kühlen Kopf in Situationen wie dieser.
Levi ging auf das Tor zu und zog an den großen Eisenringen.
Nichts geschah. Die Tür öffnete sich keinen Spalt breit. Kein Knarzen oder Quietschen war zu hören, nur das erschöpfte Keuchen von Levi.
»Die ist mit einem Zauber versehen«, stellte er schließlich fest und versuchte es mit einem »Alohomora«. Noch immer passierte nichts.
»Mit einem ganz speziellen«, ergänzte er. »Hat wahrscheinlich was damit zu tun, dass Schüler nicht mehr ohne Lehrer raus dürfen seit dem Vorfall mit dem Carl.«

Er seufzte. Auch Jan ließ die Schultern hängen. Sein Plan, Herrn Jorski auf frischer Tat zu ertappen, zerplatzte vor seinen Augen und er konnte nichts dagegen tun. Aber Levis Erinnerung an den Vorfall mit dem Carl rief ihm etwas in Erinnerung.
»Wir können durch ein Fenster ausbrechen«, schlug er vor und bemühte sich dabei möglichst überzeugt zu klingen. Gespannt sah er zu Levi und wartete darauf, was sein Freund sagte. Ohne ihn würde er Herrn Jorski nicht hinterherspionieren, seine Angst wäre viel zu groß. Er brauche Levi. Umso erleichterter war er, als der zustimmte.
»Hört sich nach einer Idee an.«

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