02 | Der Anfang einer Reise

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Meine Reise begann damals für mich mit dem Start der Sommerferien.

Die letzten Wochen hatten mir alles an Geduld und Nerven abverlangt, was ich aufzubringen imstande gewesen war:
Das Warten auf die Prüfungsergebnisse. Die sich immer wiederholenden Gespräche um das 'Danach': ‚Was machst du? Wo gehst du hin? Welche Uni?' Und die beißende Gewissheit, dass ich auf all diese Fragen noch keine adäquate Antwort geben konnte.

Doch am schlimmsten von allem war die quälend lange Zeit, in der mein „nun Ex"-Freund mir nicht konkret sagen konnte, ob er mit mir auf den Abi-Ball kommen würde.

Doch ich hatte mir fest vorgenommen, das alles weit hinter mir zu lassen. Zumindest vorerst.

Der Bus der mich an mein Ferienziel brachte, hielt am späten Nachmittag an dem Busbahnhof einer Kleinstadt, und mit mir stiegen knapp ein Dutzend Leute aus. Eine Handvoll verstreute sich sofort in alle Winde, aber sechs weitere Jugendliche zwischen fünfzehn und zwanzig, blieben genau wie ich unschlüssig am Bus stehen.

Ich schulterte meine blaue Wilson Sporttasche und stellte Zelt und Schlafsack zu meinen Füßen ab. Zwei Mädchen, beide etwa siebzehn Jahre alt, die mit mir ausgestiegen waren, winkten einem bunten VW Bus zu, der grade auf den Platz gefahren kam. Der Bus kam quietschend vor uns zum Stehen und zwei der Jugendlichen sprangen vorsorglich zur Seite.

Vom Fahrersitz aus hörte ich ein lautes Lachen. Kurz darauf stieg ein junger Mann, etwa Anfang zwanzig, aus dem Fahrzeug. Er war ein ganzes Stück größer als ich, was bei meinen knapp 1,75 Meter auch nicht allzu schwer war. Er hatte ein freundliches Gesicht und seine braunen Haare waren im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er trug nur lange Badeshorts und ein ausgeblichenes, hellblaues T-Shirt.

Eines der Mädchen, die mit mir im Bus angekommen war, kam auf ihn zugerannt und fiel ihm um den Hals. Sie war groß für ein Mädchen und hatte, wie der Junge auch, braune lange Haare. Allerdings trug das Mädchen ihre offen und sie reichten ihr fast bis zu den Hüften. Sie begrüßten sich herzlich und aufgrund ihrer Ähnlichkeit vermutete ich, dass die beiden Geschwister waren.

Da ich mir sicher war, dass dies das Auto sein musste, welches uns zu dem Surf-Camp abholen würde, nahm ich meine Sachen und ging auf den Wagen zu. Auch die anderen Wartenden hatten sich auf den Weg begeben und der große Fahrer hakte die Namen auf der Liste ab.

„Jakob?", fragte er schließlich und ich hob meinen Arm.
„Jamie ist mir lieber", grinste ich, obwohl ich etwas wehmütig an Carsten dachte, als ich meinen Namen hörte. Er war praktisch der Einzige, der mich im letzten Jahr noch Jakob nennen durfte.
„Also Jamie, rein mit dir", grinste der Fahrer zurück und setzte sich wieder hinter das Steuer. Ich ging zu der Beifahrertür, wo der einzige freie Platz war, und setzte mich in den Wagen. Als ich mich gerade angeschnallt hatte, drehte sich der Fahrer zur Rückbank um.

„Also," sagte er als alle artig zuhörten. „Für die, die noch nicht das Vergnügen hatten mich kennenzulernen: Ich bin Hauke. Ich leite den Fortgeschrittenenkurs und bin auch für vieles andere zuständig, mit dem ich euch jetzt nicht langweilen möchte." Er grinste in die Runde und erntete von jedem ein Lächeln.

„So ist's brav", nickte er zufrieden. "Gute Laune ist doch der Grund, warum wir alle hier sind. Und noch was", setzte er jetzt etwas ernster nach. „Wer sich an meine Schwester Vanessa ran macht, der kann sich auf 'ne Tracht Prügel gefasst machen", sagte er mit einem Blick auf das hübsche Mädchen mit den langen braunen Haaren, die nur die Augen verdrehte und mich, als sie meinen Blick bemerkte, anlächelte.

Wir fuhren los und Hauke unterhielt uns die gesamte Fahrt mit kleinen Anekdoten aus seinem Leben und das der vorangegangenen Surfschüler und erntete dafür immer wieder Gelächter. Er entsprach in allen Zügen so sehr dem Image des Surfers, dass ich schon vermutete, dass genau das auch seine Absicht sein mochte.

Die Straße wurde etwas holpriger und die bunte Blumenkette am Rückspiegel des Wagens baumelte fröhlich hin und her. Als ich die Kette bei ihrem munteren Tanz beobachtete, fiel mir ein Hanfblatt an der Windschutzscheibe auf, das provokativ direkt neben der Abgasplakette klebte. Ich musste grinsen und Hauke sah es wohl aus dem Augenwinkel. „Magst du unsere Dekoration, Jamie?", fragte er interessiert. Ich antwortete nickend: „Vor allem gefällt mir das Auto. Ich möchte auch irgendwann mal einen VW-Bus besitzen."

„Tolles Auto", stimmte Hauke mir zu. „Aber ziemlich schwer zu bekommen im guten Zustand. Und teuer war es", sagte er trübsinnig. „Sowohl in der Anschaffung als auch im Verbrauch. Der Sprit frisst mich noch auf", lachte er, doch es schien ihn gleichermaßen wirklich zu ärgern. Doch ich wollte diese Wahrheit in dem Moment gar nicht hören. „Aber das Lebensgefühl, das der Wagen vermittelt, ist doch unbezahlbar", schwärmte ich deshalb und Haukes Gesicht hellte sich gleich wieder auf. „Das stimmt allerdings", lächelte er und freute sich, dass jemand den wahren Wert des Wagens zu schätzen wusste. 

Als wir ein paar Minuten gefahren waren und die Sonne immer tiefer stand, setzte sich Hauke eine große Sonnenbrille auf und bog in einen kleinen Feldweg ab. Rechts und links blühten die letzten Rapsblüten und tauchten die Welt um uns herum in ein sattes Gelb. Der Weg führte über einen kleinen Hügel und als wir die Spitze erreicht hatten, konnte ich auch schon das Meer sehen, das dunkelblau vor uns lag und in der Abendsonne verführerisch glitzerte.
Verträumt sah ich aus dem Fenster. Für eine Woche hatte ich den Surf-Kurs gebucht und das Wetter versprach einigermaßen gut zu werden. Eine Woche, in denen ich mich erholen konnte vom Abi-Stress und in denen ich weit weg von Carsten und meinem Zuhause war. Und somit weit weg von all meinen Problemen.

Ich kurbelte das Fenster ein Stück herunter und zog die salzig frische Seeluft ein. Die Luft war noch warm und der Wind, der durch das Fenster hereinwehte, spielte mit meinen, in den letzten Monaten lang gewordenen, blondroten Locken. Als Carsten mir kurz vor unserer Trennung gesagt hatte, dass er die langen Haare albern fände und ich wie ein Hippie aussähe, hatte ich kurz überlegt, sie wieder schneiden zu lassen. Doch aus gutem Grund war es mir nun egal geworden, was Carsten dachte und daher trug ich meine Haare nun fast schulterlang und kam mir dabei beinahe wie ein Rebell vor.

Mein Plan für die kommende Woche war denkbar einfach: Ich wollte etwas Neues lernen und mich ablenken und abends todmüde und erschöpft in mein Bett fallen. Und ich wollte Carsten vergessen.

Am Zeltplatz angekommen, luden wir unsere Sachen aus und Hauke zeigte uns die große Wiese, auf der wir unsere Zelte aufstellen sollten. Danach würde es Abendbrot geben, also sollten wir nicht zu spät kommen.
Nachdem ich die freien Plätze in Augenschein genommen hatte, entschied ich mich für einen etwas abgelegenen Platz, neben einem kleinen Busch. Etwas umständlich stellte ich mein Zelt auf und richtete mich dann darin ein. Meine Isomatte legte ich in die Mitte und schob meine Sporttasche an die Seite. Schnell kramte ich noch ein neues Shirt heraus, ehe ich mich auf den Weg zum Abendessen machte.

Tut mir leid, wenn ich dich enttäusche, Liebster, aber ich war damals keineswegs auf der Suche nach der großen Liebe.

Ich wollte am liebsten kein Drama haben; mir keine Gedanken um andere machen müssen; aufpassen, was ich sage, oder verstecken wer ich bin.

Das dies für uns nicht immer einfach war, weißt du selbst am besten. Aber der gute Vorsatz war da.

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