23 - Wolke sieben

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Der Bus fährt brausend hinter mir weiter. Ich presse den Korb voller Schoko-Muffins enger an meinen Körper. Vor mir erhebt sich ein massives, rechteckiges Gebäude. "Feuerwehr – Wache Süd" steht in roter Schrift auf der Wand. Das Tor zu den Feuerwehrautos ist heruntergefahren. Der Platz ist leer.

Hier scheint niemand herumzulungern. Ich schlucke leer und wage es, die Einfahrt zu durchqueren und nach dem Personaleingang zu suchen. Wie kommt man in dieses Gebäude, wenn man keine Feuerwehrfrau ist?

„Hallo? Ist da jemand?", rufe ich nicht besonders laut.

Keine Antwort.

Ich gehe am grossen Tor entlang, bis ich die Ecke des Gebäudes erreiche. Gleich dahinter gibt es eine rote Tür, die etwas schäbig aussieht, aber doch an einen Eingang erinnert. Ich versuche mein Glück und ziehe sie auf.

Eine lange, enge Treppe führt in den ersten Stock. Ein ungutes Gefühl beschleicht mich, als ich die Stufen hochsteige. Theoretisch gesehen begehe ich gerade Hausfriedensbruch und mache mich strafbar. Und das alles wegen eines vermissten Feuerwehrmannes.

„Hallooo-ooo?", sage ich ein zweites Mal, als ich das Obergeschoss erreiche. Unweit von mir befindet sich eine weitere Tür, die leicht angelehnt ist. Daraus höre ich Männerstimmen. Viele Männerstimmen.

Ich werde automatisch nervöser. Wenn Chris wirklich da ist, was werde ich sagen? Wie werde ich erklären, dass ich ihm Muffins gebracht habe? Meine Geburtstagsmuffins, um genau zu sein. Wofür bringe ich ihm die eigentlich? Dafür, dass er mir nicht mehr schreibt?

Plötzlich fühle ich mich doof und ich will schon auf dem Absatz kehrtmachen, da wird die Tür aufgerissen und das schöne Gesicht von Chris erscheint im Türrahmen. Mein Herz bleibt wie auf Kommando stehen.

„Da hat doch jemand geru–", will er sagen, aber er hört mitten im Satz auf zu sprechen, als er mich sieht. Und erkennt.

„Emma? Was machst du hier?", fragt er und kommt ganz aus der Tür. „Alles in Ordnung?

Er trägt ein weisses T-Shirt zu seiner Uniformhose, die ihm locker an der Hüfte liegt. Die Hosenträger hängen seitlich herunter. In seinem Gesicht liegt ein sorgenvoller Ausdruck, der mich überrascht.

„Äh nein, alles gut. Du hast nicht mehr geschrieben", beginne ich und bereue es sofort, das als Erstes gesagt zu haben.

Warum kann ich mich nicht wie ein gottverdammter, normaler Mensch benehmen? Wahrscheinlich habe ich alles mit diesem einen Satz verbockt.

„Oh ...", sagt Chris und kratzt sich dabei verlegen am Hinterkopf, „das ist mir etwas untergegangen. Am Wochenende war Emil bei mir. Da hatte ich keine Zeit, um auf mein Telefon zu schauen. Und dann wurde er auch noch krank und wollte nicht zu seiner Mutter nach Hause, also musste ich Montag und Dienstag auf ihn aufpassen. Tut mir leid. War alles bisschen viel mit der Arbeit."

„Ah", stosse ich aus, denn ich weiss nicht, was ich dazu sagen soll.

Meine Egozentrik ist mir peinlich. Jetzt fühle ich mich schlecht. Dafür, ihn so verteufelt zu haben und ihm fiktive Vorwürfe gemacht zu haben, mich zu vernachlässigen. Dabei hat er bloss seine Vaterpflichten wahrgenommen. Die Sorte von Pflichten, die durchaus wichtiger sind, als sich um mich zu kümmern.

Chris' Blick fällt auf die acht Muffins in meinem Korb. Er runzelt die Stirn. Ich versuche mich weiter zu erklären, ohne die Sache noch unangenehmer zu machen:

„Ich wollte nicht stören. Ich ... ich wollte bloss vorbeischauen und euch meine Geburtstagsmuffins bringen. Die kann ich nicht alle alleine essen, das wäre für meinen Blutzuckerspiegel wirklich nicht gut. Da müsstet ihr dann zu mir nach Hause ausrücken, um mich aus meinem Zuckerkoma zu holen und das wäre absolute Geld- und Zeitverschwendung. Besser ihr rettet alte Menschen über den Zebrastreifen. Oder Hunde aus der Kanalisation."

Ich plappere dummes Zeug, während Chris mich schweigend anschaut.

„Du hast Geburtstag?", fragt er, als ich fürs Atmen kurz aufhöre zu sprechen. Er kommt einen Schritt näher. Ein leichtes Lächeln umspielt seine Lippen.

Ich merke wieder, wie unglaublich attraktiv er ist. Irgendwas an seiner Biologie muss für mich gemacht worden sein, denn ich bin absolut wehrlos gegen diese dunklen Augen.

„Mhm", murmle ich nickend.

„Na dann herzlichen Glückwunsch!", sagt er.

Ehe ich mich versehe, schlingt er die Arme um mich und drückt mich an seine Brust. Sein Körper ist angenehm warm und schon steigt mir der Geruch nach Leder und Rauch in die Nase. Ganz unwillkürlich schliesse ich die Augen, denn ich geniesse seine körperliche Nähe. Es fühlt sich richtig gut an.

„Danke", flüstere ich in seine Schulter.

Oh Mann, er riecht so unglaublich gut! Ich unterdrücke meinen Instinkt, seinen Duft einmal fest durch die Nase einziehen zu wollen.

Er löst sich von mir und zeigt dann auf den Korb voller Muffins.

„Du kommst ehrlich gesagt gerade rechtzeitig. Wir haben Mittagspause und heute hat keiner eine Nachspeise dabei. Die Monster sind hungrig auf Süsses."

Mit einer Handbewegung deutet er mir an, in den Raum hinter ihm einzutreten. Er hält mir die Tür auf, während ich den Saal betrete und augenblicklich von einem männlichen Gejohle empfangen werde. Etwa zehn Kollegen – alles lecker aussehende Männer in Uniform – sitzen um einen Tisch und blicken in unsere Richtung.

„Mensch Chris! Du hast uns nicht gesagt, dass du Frauenbesuch erwartest!", ruft einer.

„Endlich hat der wieder eine am Start! Wurde auch Zeit!", grölt ein anderer.

„Was für eine Schnitte!", ruft ein Dritter.

„Klappe!", unterbricht Chris seine Kollegen und stellt sich vor mich hin. Es wirkt fast ein bisschen wie eine schützende Körperhaltung.

„Was hat die in ihrem Korb?", fragt ein anderer.

„Muffins", antwortet Chris und kaum hat er das gesagt, stürzen die Männer von ihren Stühlen auf uns zu.

Ich weiche erschrocken zwei Schritte zurück, während Chris versucht, seine hungrigen Kollegen in Schach zu halten. Einige drängeln sich vor, rangeln miteinander und schubsen sich gegenseitig weg. Sie sind allesamt etwa so gross wie Chris und ich fühle mich wie ein Zwerg unter Riesen. Mit ihren langen Beinen könnten die mich locker zertrampeln. Ich klammere mich an meinen Muffinkorb.

Plötzlich dröhnt eine tiefe, dominante Stimme durch den Raum. Ich weiss augenblicklich, dass diese Stimme dem Chefkommandanten gehören muss, denn sie verströmt pure Autorität.

„Hey, trampelt sie nicht nieder! Essen fassen können wir auch in aller Ordnung! Wir sind hier nicht im Zirkus!"

Die Männer beruhigen sich und der Chef tritt vor. Ein Hüne mit kurzgeschorenen Haaren und einem fleischigen Gesicht. Die Jungs machen Platz für ihn, sodass er hervortreten kann. Ich komme mir vor, wie an der Wasserstelle in der Sahara. Dieser Chefkommandant ist der Leitlöwe und darf als Erster trinken.

„Hast du die selbst gebacken?", fragt er mich und nimmt sich den grössten Muffin in meinem Korb.

Ich muss laut aufprusten.

„Nein, die wurden mir geschenkt. Chris weiss, dass es keine gute Idee wäre, euch meine selbstgebackenen Muffins anzubieten. Dafür müsste man mich in den Knast stecken. Wegen Vergiftung einer ganzen Feuerwehrmannschaft. Die hier sind aus der Bäckerei."

Es wird gelacht und dann greifen die Kerle zu. Innert zwei Sekunden ist mein Korb leer und die Männer mampfen glücklich ihre Schoko-Muffins. Chris hat keinen genommen. Leider hat es für ihn nicht gereicht, aber er scheint glücklich genug darüber zu sein, dass seine Kollegen was abbekommen haben.

Er steht neben mir, die Arme verschränkt und betrachtet seine Kollegen.

„Ist wirklich nett von dir, dass du extra vorbeigekommen bist. Und das noch an deinem Geburtstag", sagt er. Ich drehe mich zu ihm um, denn irgendwas in seiner Stimme sagt mir, dass er ein bisschen zerknirscht klingt.

„Wenn ich gewusst hätte, dass du heute–", fährt er fort, aber ich unterbreche ihn.

„Oh nein! Mach dir bitte keinen Kopf. Geburtstage sind für mich wie jede anderen Tage auch. Nichts Besonderes."

Das Letzte, was ich will, ist, dass er sich verpflichtet fühlt, mich irgendwie speziell zu behandeln, nur weil ich vor 26 Jahren geboren wurde. Eine Leistung, die nicht ich, sondern meine Mama vollbracht hat.

„Wirklich?", fragt er mich stirnrunzelnd.

Ich zucke mit den Schultern.

„War für mich nur als Kind besonders. Als Erwachsener gewöhnt man sich doch irgendwann an den Gedanken, dass das unbeschwerte Leben vorbei ist. Man will ja nicht jedes Jahr daran erinnert werden, dass man älter wird."

„Na dann. Und ich wollte dir jetzt spontan etwas schenken", sagt er und zieht seine Schultern hoch, „aber wenn die Erwachsene keine Lust darauf hat, dann ..."

„Ein Geschenk?", frage ich viel zu interessiert, dafür, dass ich vor wenigen Sekunden das Gegenteil behauptet habe.

Er zwinkert mir zu. Der Kerl neckt mich gerade absichtlich und ich fresse ihm aus der Hand. Ein schelmisches Grinsen formt sich auf seinem Gesicht.

„Du darfst dir was wünschen! Alles, was du willst!"

Erst kann ich nur schmunzeln, aber dann beginne ich, ernsthaft darüber nachzudenken. Wenn ich tatsächlich einen Wunsch frei hätte, was würde ich wollen?

Ich überlege und da fallen mir so einige Dinge ein, die ich mir von ihm wünschen könnte, die aber nicht unbedingt angebracht wären, wo wir doch mitten unter seinen Kollegen im Speisesaal stehen.

Zu unanständig.

„Hmmm ... alles, was ich will? Da muss ich aber überlegen", denke ich laut und lasse meine Augen durch die Kantine schweifen.

Da fällt mein Blick auf die silberne Stange, die in einer Ecke des Raumes aus dem Boden ragt. Ist das etwa ...? Ohne etwas zu sagen nähere ich mich dem metallischen Gegenstand und beginne breit zu grinsen.

„Ich will die Feuerwehrstange runterrutschen!", nenne ich meinen Geburtstagswunsch. So doof das jetzt auch klingt, aber ich wollte das wirklich schon immer einmal tun!

Chris lacht still in sich hinein und nickt dann. Er stellt sich seitlich hin, während ich vorsichtig das Loch im Boden begutachte, durch welches die Stange die zwei Stockwerke miteinander verbindet. Ich dachte immer, so Feuerwehrstangen seien ein Mythos. Offensichtlich nicht.

„Zeigst du mir, wie das geht?", frage ich ganz lieb und setze meinen unschuldigen Blick auf.

Er schüttelt grinsend den Kopf und denkt sich jetzt sicherlich, was für ein Kindskopf ich bin, aber es ist mir egal. Ich will – nein, ich muss – diese Stange runtersausen.

„Los, zeig's ihr!", grölt hinter uns einer seiner Kollegen. Die restlichen Männer der Kompanie starren uns an, das spüre ich in meinem Rücken. Die kriegen hier wohl nicht so oft Frauenbesuch. Meine Anwesenheit muss deren Testosteron zum Brodeln bringen.

„Wenn die mit der Stange umgehen kann–", will einer sagen, wird aber vom Chef gleich in die Schranken gewiesen.

„Schnauze, Müller!"

Es nützt aber nicht, denn der Kerl mit dem Nachnamen Müller spricht einfach weiter: „– dann ist sie definitiv girlfriend-material!"

Der dumme Witz wird von den anderen Männern mit einem Grunzen und Lachen zur Kenntnis genommen. Chris schüttelt nur den Kopf und zeigt seinen Kollegen den Finger.

„Hör nicht auf die", meint er dann an mich gerichtet. Ich nicke einfach. Die Herren am Esstisch sind mir herzlich egal. Ich habe eh nur Augen für ihn.

„Also. Zeigst du mir, wie ein Feuerwehrmann die Stripperstange runterrutscht?"

„Feuerwehrstange", korrigiert er mich augenzwinkernd.

„Äh ja, Feuerwehrstange." Ich muss kichern und fühle mich schon wieder wie ein Teenie. Was ist nur los mit mir?

„Natürlich. Schau gut zu", sagt er und kaum hat er gesprochen, packt er die Stange und fällt durch das Loch im Boden.

Geschickt landet er auf seinen Beinen im unteren Stock und reibt sich die Hose ab, als hätte er sie sich schmutzig gemacht. Dann legt er seinen Kopf in den Nacken und blickt zu mir hoch. Sein strahlendes Lächeln begrüsst mich, selbst aus dieser Distanz und das wäre mir schon Geburtstagsgeschenk genug.

„Na los! Trau dich!", ruft er hoch. Er winkt mich zu sich.

Ich stehe am Rande des Loches und blicke in den Abgrund. Die silberne Stange vibriert noch immer von Chris' Sprung. Hart schlucke ich, ehe ich meine Finger um das kalte Eisen wickle. Ein letzter Blick nach unten und ich sehe direkt in sein grinsendes Gesicht.

Das gibt mir Mut, komischerweise. Wenn er da unten steht, dann kann mir ja nichts passieren.

„Aufgepasst!", kündige ich meine Ankunft an und rutsche die Stange runter.

Natürlich passiert genau das, was nur mir passieren kann: Meine Finger verlieren den Griff der Stange und ich stürze auf halbem Weg unkontrolliert gen Boden.

„Shit!", entkommt es mir.

Ich bereite mich mental auf den Aufprall vor. Das wird weh tun, denn mein Hintern fliegt voraus – Regeln der einfachen Physik. Wenn ich Pech habe, breche ich mir den Rücken. Das sind mindestens zwei Meter, die ich hier runterfalle. So fest ich kann, kneife ich die Augen zu und spanne meine Muskeln an. Ich falle eine gefühlte Ewigkeit.

Plötzlich geht ein Ruck durch meinen Körper. Für ein paar Sekunden verschlägt es mir den Atem.

Zwei kräftige Arme halten mich. Ich blinzle vorsichtig, traue mich eigentlich gar nicht, die Augen zu öffnen, um das Ausmass meines Sturzes zu sehen. Vielleicht spüre ich die Schmerzen ja noch nicht? Sind meine Beine gebrochen? Ist mein Rücken noch ganz? Irgendwie bin ich recht weich gelandet.

Chris dunkle Schokoladendrops blicken mich entgeistert an, als ich die Lider hebe.

„Hab dich!", keucht er.

„Oh."

Er hat mich aufgefangen und mich vor einer garantierten Paraplegie bewahrt. Er drückt mich an sich und ich muss zugeben, dass sich sein Körper wirklich gut anfühlt.

„Ist das eine neue Technik, die du da grade getestet hast?"

Er lacht und setzt mich auf meine Beine ab, die von der Nahtoderfahrung recht zittern. Meine Knie wackeln, als ich mein eigenes Gleichgewicht wieder finde.

„Ja, ich nenne sie den suizidalen Kartoffelsack-Sturz", sage ich stolz.

Er nickt, die Lippen aufeinandergepresst, als müsse er gleich loslachen. „Elegant ausgeführt, muss ich sagen."

„Danke. Ich übe täglich. Bin Weltmeisterin im Fallen aus höchster Höhe."

Chris fährt sich lachend durch die Haare und sieht dabei so unglaublich sexy aus, dass ich kurz vergesse, zu atmen. Er schüttelt schmunzelnd den Kopf. „Das solltest du dir wirklich abgewöhnen."

„Warum? Du warst ja da und hast mich aufgefangen." Als ich das sage, entgeht mir der kleine Funken, der in seinen Augen aufleuchtet, nicht. Er macht einen Schritt auf mich zu, noch immer diesen Hauch von Sorge im Gesicht.

„Ich kann ja nicht garantieren, dass ich immer da sein werde, wenn du wieder gerettet werden musst", kontert er.

Oh, mein guter Mann.

Eigentlich spiele ich diese Flirtspiele nicht. Nicht bei anderen Männern. Da bin ich so kalt wie ein Eiswürfel, aber bei Chris kann ich nicht anders. Ich. Muss. Mitspielen.

„Ich wüsste da eine Lösung", sage ich langsam und blicke ihn herausfordernd an, in der Hoffnung, dass er meinen ausgelegten Köder frisst.

Chris hebt seine Hand und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht, die sich in meinem Mund verfangen hat. Seine Kaffeebohnen tragen heute eine dunkle Röstung. Er steht so nahe vor mir, dass ich meine, er könnte gleich mein Herz rasen hören. Ich muss den Kopf in den Nacken legen, denn zwei Köpfe grösser ist echt arg gross. Die Hitze steigt mir ins Gesicht, als ich die Bewegung seines Oberkörpers wahrnehme und wie er seinen Kopf zu mir herabsenkt.

„Ahja ...?", flüstert er.

Seine Hand liegt an meiner Wange. Er mustert mich eindringlich, fährt mit seinem Daumen über mein Kinn und meine Lippen, die ich geschlossen halte, aber dann leicht öffnen muss. Ich bin durstig. Durstig nach seinem Mund. Der muss die doppelte Ladung Pheromone ausdünsten, denn ich wäre gerade bereit, alles mit ihm zu tun.

Die Spannung zwischen uns entlädt sich nicht, bleibt bestehen und lässt die Luft knistern. Wenn jetzt jemand in den Raum treten würde, der bekäme gleich einen Elektroschock, so viel erotische Hochspannung hat sich hier drin gebildet.

„Und was wäre die Lösung?", fragt er mich.

Seine Augen schweifen über mein Gesicht, nehmen alles auf, was ihnen in den Weg kommt. Und dann bleiben sie auf meinem Mund hängen.

Unwillkürlich benetze ich mir genau in dem Moment meine Lippen. Der feuchte Film auf meiner Unterlippe muss Chris den Rest gegeben haben, denn er vernichtet den letzten, winzigen Abstand zwischen unseren Gesichtern und küsst mich.

Erst streifen seine Lippen die meinen nur hauchzart, tasten und schmecken die Rundungen meines Lippenkranzes, fahren sachte die Konturen entlang. Blitze jagen durch mich durch, als sich der Druck in der Luft entlädt. Ich werde von der Sanftheit seines Kusses verschluckt und in den Himmel befördert.

Unser Atem vermischt sich zu einem, als er mich mit seiner Zunge erkundet. Mein Kopf fühlt sich leer an. Ich spüre nur, wie sehr mein Herz danach verlangt und wie schön es sich anfühlt, ihm so nahe zu sein. Meine Finger krallen sich in sein weisses T-Shirt, denn ich drohe vor Wohlbehagen umzukippen.

Wie kann ein Mann so ein zärtlicher Küsser sein?

Er führt beide Hände an meine Wangen und hält meinen Kopf behutsam an Ort und Stelle, während sein weicher Mund auf meinem liegt. Mein Körper erhitzt sich, droht unter seinen Berührungen zu verglühen. Ich verstärke meinen Griff um sein Shirt, um ihm zu zeigen, wie sehr es mir gefällt, was er da tut und um zu verhindern, dass er sich jemals wieder von mir löst.

Ich keuche auf, als er seine Lippen dennoch von meinen trennt und seine Hände mich loslassen. Er blickt mich eindringlich an, vergewissert sich, ob es für mich noch in Ordnung ist.

Oh Jesus, ich bin ihm hoffnungslos verfallen.

„Wer hat gesagt, dass du aufhören sollst?", flüstere ich. Unsere Augen finden sich und ich weiss ganz genau, dass er den flehenden Schimmer in meinen erkennt.

Mein Herz pocht mir in den Ohren, während sich die Stille um uns legt. Ich warte seine Reaktion ab, mustere die Mikroausdrücke in seinem Gesicht. Mein Atem geht unregelmässig, als er sich mir nochmal nähert.

„Du willst mehr?", fragt er, dieses verführerische Lächeln tragend, das mich komplett entwaffnet. Ich nicke schnell. Natürlich will ich mehr.

„Es ist schliesslich mein Geburtstag", murmle ich.

Er grinst, zieht mich an der Taille zu sich und küsst mich abermals. Diesmal inniger, fester. Unsere Zungen prallen aufeinander und vergessen sich im Zweikampf. Mir ist so heiss und ich wünschte mir, dass er mir die Kleider vom Leib reisst.

Aber der Mann bleibt anständig. Seine Hände berühren mich nur dort, wo ich es ihm bisher gewährt habe und es gefällt mir, dass er sich nicht einfach alles ungefragt nimmt, als wäre es selbstverständlich. Nein, er bittet mich stumm um Erlaubnis, jeden Zentimeter meines Körpers erkunden zu dürfen.

„Chris", stöhne ich in den Kuss hinein.

Durch seine Grösse scheint mir sein Mund so weit weg von meinem. Ich muss auf meinen Zehenspitzen stehen, um seine Lippen nicht zu verlieren. Mit den Armen halte ich mich an seinem Nacken fest, will ihn näher an mich heranziehen.

Er scheint zu spüren, dass ich mich nach mehr sehne und führt seine Hände an meine Hüfte, fährt mit einer liebevollen Bewegung über meine Rundungen und zeigt mir mit dem leicht erhöhten Druck seiner Fingerspitzen, dass es ihm gefällt, was er spürt.

Wir taumeln rückwärts, bis ich einen Umkleidespind an meinem Rücken spüre. Das Metall der Spindtür kracht laut, denn er drückt mich so fest dagegen. Wir küssen uns leidenschaftlicher, wilder. Unser Keuchen wird lauter.

Mein Unterleib beginnt sich vor Entzücken zusammenzuziehen. Die Erregung brodelt. Chris gibt mir kaum die Zeit zu atmen. Er verschlingt mich förmlich! Seine Lippen suchen sehnsüchtig nach meinen, pressen sich mit einer Begierde auf meine, die ich noch nie verspürt habe. Mit jeder Berührung auf meiner Haut, sei es mit seinen Händen, seinem Mund oder seinem eigenen Körper zeigt er mir, wie sehr er mich gerade will. Wie sehr er für mich brennt.

Und das treibt mich schier in den Wahnsinn.

Das Metall ächzt hörbar in meinem Rücken, sodass ich sicher bin, dass wir hier gerade die Spindtür eindrücken. Da sticht etwas spitz in meinen Rücken und ich jaule auf.

Wenn Chris seinen Mund nicht sofort von meinem gelöst hätte, hätte ich ihm wahrscheinlich die Unterlippe aufgebissen. Ich reibe mir die schmerzende Flanke.

„Alles okay?"

„Irgendwas hat mich gestochen", flüstere ich und ich merke, wie heiser meine Worte klingen, als hätte mir Chris mit seinem Kuss die Sprache verschlagen. Ich blicke hinter mich und erkenne einen Schlüssel, der spitz aus dem Schlüsselloch des Spinds hervorsteht. Das ist es, was mich gepiekst haben muss.

Ich wende mich wieder Chris zu. Mir fällt auf, dass wir beide schwer und viel zu schnell atmen, wir sind von der Aufregung unseres Zusammenprallens vollkommen beflügelt. Sein Brustkorb hebt und senkt sich mit seinen Atemzügen. Am dunklen Schatten in seinen Augen erkenne ich, dass er mehr gewollt hätte, dass er mehr getan hätte, wenn ich nicht abgebrochen hätte. Und ich weiss ganz genau, dass ich es zugelassen hätte, auch wenn das nicht unbedingt schlau gewesen wäre. Bei dem Mann kann ich nicht anders.

„CHRIS!", hören wir plötzlich den Chefkommandanten von oben durch das Loch in der Decke rufen. „Was treibt ihr zwei da unten? Wir haben gesagt, keine Fummelei bei der Arbeit!"

Hat sein Chef uns gerade gesehen?

Ich erstarre, während Chris den Abstand zwischen uns vergrössert. Er blickt mich stumm an, in seinen Augen flackert noch immer der Hunger von eben. Dann löst er seinen lüsternen Blick von mir und legt den Kopf in den Nacken.

„Ich zeige ihr nur unsere Uniformen im Umkleideraum, Chef!", ruft er nach oben zurück. Es klingt nicht gerade überzeugend, was er da sagt.

„Aber nicht ausziehen! Wir haben einen Einsatz in zehn Minuten", kommt die Antwort des Chefs.

„Ja, ich weiss schon."

„Immer einsatzbereit, mein lieber Chris! Selbst bei Frauenbesuch!" Wir hören, wie seine Kollegen oben in der Kantine lachen.

Ich halte mir die Hand an die geschwollenen Lippen. Das Blut strömt durch meinen Körper und ich muss mir Luft zuwedeln. Chris hat mich verdammt heiss gemacht! Ich kriege hier noch Hitzewallungen.

Er wendet sich mir zu und fährt sich mit der Hand durch das volle, dunkelbraune Haar.

„Entschuldige, ich ... ich mache das normalerweise nicht bei der Arbeit. Ich hoffe, du hast ihn da nicht falsch verstanden", meint er und sucht den Augenkontakt, als würde er befürchten, der Seitenhieb seines Vorgesetzten hätte mich getroffen.

„Ah, das. Nein, mach dir keine Gedanken." Ich winke kopfschüttelnd ab. Solche Sticheleien bedeuten mir nichts.

„Ehrlich gesagt ist es das erste Mal, dass ich so ... dass ich so die Kontrolle verliere. Tut mir leid", sagt er und wirkt dabei plötzlich schüchtern. Er blickt zu Boden.

Ich kann nicht anders als zu lächeln, denn damit hat er mir gerade ein Kompliment gemacht. Und mir tausend Hinweise darauf gegeben, dass er mich auch mag. Vor Freude könnte ich aufquietschen wie ein Hundespielzeug, aber ich bleibe ruhig.

„Das muss es dir nicht."

„Bin ich zu weit gegangen?", fragt er weiter und hebt den Blick vorsichtig an, um mir in die Augen zu schauen.

So knuffig, wie er mich anblickt, könnte ich ihn gleich ein zweites Mal anspringen. Sollen der Chef und die ganze Mannschaft uns beim Liebemachen doch zuschauen. Mir egal. Mit Chris sind mir die Meinungen anderer Leute noch unwichtiger geworden, als sie es davor eh schon waren.

„Nein, bist du nicht. Das war ein schönes Geburtstagsgeschenk. Das schönste, was ich seit Langem bekommen habe", flüstere ich. „Danke."

Er schmunzelt und fährt sich mit der Hand über die Bartstoppeln. Schweigend stehen wir da und schwelgen für ein paar Sekunden in den lieblichen Erinnerungen unserer Knutscherei von eben. Noch nie in meinem Leben hat ein Mann das in mir ausgelöst. Diese Träumerei. Dieses sich völlig ineinander verlieren können. Ich bin selbst einfach nur sprachlos und brauche einen Moment, um mich zu fassen.

„Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe. Du musst ja arbeiten." Ich räuspere mich nach ein paar Sekunden.

Er nickt. Mann, wieso nickt er? Die innere Prinzessin in mir hätte sich jetzt gewünscht, dass er sich auf die Knie wirft und mich anfleht, ihn nicht zu verlassen, aber ich befinde mich ja nicht in einer Disney-Romanze, sondern im echten Leben.

„Okay", antwortet er.

Ich richte mir meine Kleidung. Den Puls spüre ich noch immer auf meinen brennenden Lippen, sodass ich mir wünschte, er würde das Feuer in mir doch wieder entfachen. Allerdings muss mein Feuerwehrmann arbeiten und kann sich nicht um die Glut zwischen meinen Beinen kümmern.

Er begleitet mich nach draussen. Wir durchqueren zusammen die Umkleidekabine, in die wir über die Stange gelangt sind und gehen einen langen Gang entlang, der uns zur Garage mit den Feuerwehrautos bringt. Er fährt das Tor hoch.

Die Sonne blendet mich, als ich mich nach draussen auf den grossen Platz begebe.

„Also, bis dann", murmle ich und hebe die Hand, als würde ich ihm zuwinken wollen. Eine andere Form des Abschieds fällt mir in dem Moment nicht ein.

„Bis dann", kommt für meinen Geschmack die recht wortkarge Antwort seinerseits. Er hat die Hände in den Hosentaschen vergraben und blickt zu Boden.

Warum wirkt er jetzt so nachdenklich?

Ich drehe mich um und gehe, bevor es noch unangenehmer wird. Augenblicklich schleichen sich meine Selbstzweifel an. Mag er mich überhaupt? Hat ihm der Kuss gar nichts bedeutet? Mein Gefühl war eher, dass unsere Chemie stimmt. So richtig stimmt! Dieser Kuss war der Beweis dafür, dass wir uns wollen. Oder doch nicht?

Dieser Kuss hat mich auf Wolke sieben befördert und von dieser Wolke will ich eigentlich nicht mehr runter. Hier bleibe ich!

„Wann sehe ich dich wieder?", höre ich ihn hinter mir. Seine Stimme klingt rau.

Erschrocken bleibe ich stehen und drehe mich zu ihm um. Hat er mich das wirklich gerade gefragt? Das Glück strömt durch meinen Körper und am liebsten würde ich gleich meinen Freudentanz vorführen, aber ich glaube, ich lasse das besser noch. Da ich ihm nicht gleich antworte, spricht er weiter.

„Ich weiss ja nicht, wie es dir geht, aber wir sollten das hier", sagt er und deutet mit seiner Hand erst auf sich und dann auf mich, „definitiv wiederholen."

Er schaut mich lange an, dieses schiefe Lächeln ziert seinen Mund und es schmilzt mit gerade alle Gedärme zu einer Suppe zusammen. Eigentlich wirkt er immer so selbstbewusst, aber hier spüre ich seine Vorsicht. Seine Unsicherheit. So, als ob er nichts falsch machen wollen würde. So als wolle er eigentlich nichts überstürzen, selbst wenn es in seinem tiefsten Inneren Purzelbäume schlägt.

„Gerne", antworte ich und sehe, wie ein kleines Licht in seinen Augen aufgeht.


✵✵✵


Tja, was gibt es da noch zu sagen. Sie haben sich gefunden ;-)

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