26 - Teig kneten

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Wir sitzen schon seit einer Weile gesellig am Esstisch und reden. Da Teo so eine Labertasche ist, plaudert er die meiste Zeit. Wir hören ihm gespannt dabei zu, wie er die unglaublich komische Szene schildert, als er kürzlich von einem Chihuahua durch den Park gejagt wurde. Noch nie habe ich so viel gelacht wie an diesem Esstisch. Immer wieder wirft der Dominikaner mit Witzen um sich, dass ich mich fast kugeln muss. Meine Wangen schmerzen und ich bin mir sicher, dass ich morgen um ein paar Falten reicher sein werde.

Auch Chris und Maria geht es so. Die Stimmung ist locker und ungezwungen. Dieses Gefühl ist mir fremd, unter Freunden solche Gespräch zu führen und ein Gläschen zu trinken, doch ich geniesse es in vollen Zügen. Bei Chris und seinen Freunden fühle ich mich richtig wohl.

Der Prosecco steigt mir allmählich zu Kopf. Alkohol auf leerem Magen gemischt mit Zucker und Sprudel ist keine so gute Idee. Nicht, wenn man kaum Zeit für sein Mittagessen hatte, so wie ich. Jetzt habe ich mächtig Hunger und wenn wir noch lange tatenlos dasitzen, wird mein Magen einmal mehr das Balzgebrüll eines männlichen Walrosses demonstrieren.

Chris und Teo befinden sich gerade in einer hitzigen Diskussion darüber, wer von ihnen in der Jugend der grössere Herzensbrecher gewesen war. Während Teo vehement behauptet, er hätte keiner Menschenseele irgendwas gebrochen, zählt ihm Chris alle Mädchennamen auf, deren Herzlein er zerstampft haben soll. Mindestens fünf sind es anscheinend. Diese Zahl wird von Teo allerdings angezweifelt.

Sie debattieren lautstark und fuchteln mit den Händen. Irgendwann wechseln sie ins Spanisch und werfen sich wie die Salven zweier Maschinengewehre im Automatikmodus Vokabeln an die Köpfe.

„Habt ihr euch eigentlich in Venezuela kennengelernt?", frage ich Maria, die schweigend dem Disput der beiden Herren folgt.

Sie lächelt mich an.

Si, in Caracas, meine Stadt", antwortet sie mir.

„Und wie genau–?", will ich fragen, da fällt mir Teo ins Wort. Er muss mit einem Ohr mitgehört haben, während er Chris mit einem Schwall rollender R's überfahren hat. Dass er gleichzeitig zuhören und sprechen kann, wundert mich. Aber ich vermute, dass es eine seiner Barkeeper-Spezialfähigkeiten ist.

„Ich war auf meiner Weltreise. Backpacking durch Südamerika. Da mache ich für einen Monat Halt in Venezuela und lerne die Liebe meines Lebens kennen! In einem kleinen, unscheinbaren Kaffeehäuschen. Sie war die wunderschöne Frau, die mich bedient hat! Mit ihrem Lächeln und süssem Arsch hat sie sofort mein Herz erobert", sagt Teo und hält sich beide Hände ans Herz, um seine Liebe gestikular zu unterstreichen.

„Oh wow, du warst auf Weltreise!", stelle ich beeindruckt fest.

„Das war seine zweite – muss man hinzufügen", mischt sich Chris nun ein, da die Diskussion über gebrochene Mädchenherzen so abrupt beendet wurde. „Seine Erste war durch Nordamerika – mit mir – als wir fünfundzwanzig Jahre alt waren."

Chris und Teo grinsen beide ob der Erinnerung ihres Abenteuers. Ich will mir gar nicht vorstellen, was die beiden in Amerika alles angestellt haben.

„Oha", sage ich. Amerika ist auch einer der vielen Reiseträume meinerseits.

„Warst du schon mal in Amerika?", fragt mich Chris gleich weiter.

Er blickt mich von der Seite an und ich erkenne die Neugierde in seinen Augen, mehr über mich erfahren zu wollen. Allerdings wende ich den Blick ab. Ich drehe das Glas zwischen meinen Fingern und starre auf die kleinen Bläschen, die sich bilden und nach oben flüchten.

„Nein. Ich war noch nie so richtig im Urlaub. Also im Ausland. Nur einmal in Österreich", murmle ich.

Teo knallt beide Hände auf die Tischfläche, was Maria neben ihn aufzucken lässt.

„OH MEIN GOTT! WOW! Was? Wie kann man noch nie gereist sein? Du bist doch über zwanzig, nicht? Die Welt ist geil, Mädchen, da gibt es so viel zu entdecken! Das willst du doch nicht alles verpassen?", ruft er geschockt.

Ich presse die Lippen zusammen und rutsche auf dem Stuhl etwas zurück. Die Verlegenheit kriecht in mir hoch. Selbstverständlich will ich die Welt entdecken. Nur erlaubt es meine finanzielle Situation nicht.

„Naja, wenn ich könnte, würde ich. Aber wir haben uns das nie leisten können. Meine Mutter war alleinerziehend mit zwei Kindern und da lag eine Reise ins Ausland nie wirklich drin. Das einzige Mal, als ich das Land verlassen konnte, war auf unserer Schulreise nach Wien. Die Eltern einer Freundin haben meine Mutter finanziell unterstützen müssen, sodass ich mitkommen konnte. Sonst wäre ich als Einzige meiner Klasse zuhause geblieben. Später, während meines Studiums, lag eine Weltreise auch nicht drin und nun ja ... jetzt bin ich zu arm fürs Reisen. Mein Lohn reicht gerade mal für die Miete und fürs Essen."

Betretene Stille.

Teo beisst sich auf die Lippe und blickt hilfesuchend zu Chris. Er merkt, dass seine Reaktion übertrieben war und er volle Kanne ins Fettnäpfchen getreten ist.

„Nicht alle haben das Privileg, Fernreisen unternehmen zu können", meint Chris und blickt ermahnend zu seinem vorlauten Freund.

Ich starre auf die Holzmaserung des Tisches, denn ich kann sie nicht anblicken. Ihr Mitleid ist das Letzte, was ich sehen will. Armut ist in der Schweiz unsichtbar und wenn man den Leuten gesteht, dass man wenig Geld besitzt oder besass, dann fühlt man, wie die Fremdscham in ihnen hochkriecht. Über Geld spricht man hier nicht. Geld hat man zu haben.

„Mein Vater war spielsüchtig. Hat ganzes Geld verloren. Meine Mutter musste viele Arepas kochen und auf Strasse verkaufen. Wir sind nie gereist. Ich kenne nur Venezuela", traut sich Maria zu sagen, „und die Schweiz."

Ich hebe meinen Kopf. Ihr Blick ist milde und verständnisvoll. Sie scheint nachvollziehen zu können, wie es mir geht. Obwohl ich mir vorstellen kann, dass Armut in Venezuela viel schlimmer sein muss als hier in Zürich, schätze ich ihren Versuch sehr wert, mir gut zureden zu wollen. Sie will mir zeigen, dass ich nicht alleine bin. Dankend nicke ich ihr zu.

Chris erhebt sich von seinem Platz und klopft mit dem Finger auf die Tischplatte.

„Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir mit der Arbeit beginnen. Ihr habt bestimmt Hunger."

Wir sind alle froh, dass er das Thema wechselt. Seinen eindringlichen Blick habe ich die ganze Zeit auf mir gespürt. Vielleicht hat er gemerkt, dass es keine so gute Idee ist, mich daran zu erinnern, dass meine Reiseträume unerfüllt bleiben werden.

Gleichzeitig hoffe ich jedoch, dass er mich jetzt nicht als beschränkte Person abstempelt. Er, der so viel Wert auf Abenteuer und vielfältige Erfahrungen zu legen scheint. Da kann ich leider nicht mithalten. Mein Leben ist grau und langweilig und ich hoffe inständig, dass er mich deswegen nicht weniger attraktiv findet.

Tengo que hacer mi maleta, Chris. Les ayudo en un momentico", entschuldigt sich Maria und läuft die Treppe hoch zurück ins Gästezimmer.

Chris nickt und klatscht in die Hände.

„So. Während Teo die Tomaten schneidet und Maria ihren Koffer packt, widmen wir uns dem Pizzateig. Dem wichtigsten Element der Pizza."

Diese Worte richtet er an mich. Ich erhebe mich von meinem Platz. Der Alkohol hat dazu geführt, dass sich meine Wangen heiss anfühlen. Ich hoffe, sie glühen nicht wie zwei Heizstäbe in eisiger Winternacht. Würde sicherlich gut zum Rot dieses Kleides passen.

„Der Teig ist das Wichtigste? Nicht der Käse?", frage ich neugierig und folge ihm in die Küche.

Er holt eine Glasschüssel aus dem Schrank und stellt sie vor mich hin.

„Nein. Es ist der Teig, der bestimmt wie lecker eine Pizza wird. Der muss richtig luftig sein, aber dennoch knusprig fest gebacken."

Chris dreht sich zu mir um, die Hände vor sich gefaltet, dieser schelmische Ausdruck in den Augen. Ich lege meinen Kopf schief, denn ich ahne Böses. Irgendwas führt er im Schilde und ich bin mir nicht sicher, ob es mir gefallen wird.

„Und du wirst heute dafür verantwortlich sein!", verkündet er breit grinsend.

„WAS?", stosse ich aus. „Nein, Chris, bitte, das kannst du mir nicht antun. Gib mir eine andere Aufgabe. Ich kann zum Beispiel die Waschmaschine füllen oder ausräumen. Oder Staubsaugen. Aber bitte nicht das Wichtigste beim Pizza machen. Du hast doch beim Kochkurs gesehen, dass ich nichts kann! Bitte, das willst du dir und deinen Gästen nicht antun."

Er hört nicht auf mein Flehen, sondern schiebt mich kopfschüttelnd näher an die Station am Tresen, an welcher bereits Mehl, Hefe, Zucker, Öl und Salz stehen.

„Das stimmt gar nicht. Du kannst es. Du musst nur mehr üben. Misch die Zutaten mal zusammen. Wir haben für dich schon alles abgewogen", meint er und deutet mit dem Finger auf die Lebensmittel, welche säuberlich in kleinen Schälchen abgefüllt wurden.

„Hier. Alles in diese Schüssel."

Seufzend ergebe ich mich und ziehe die Glasschüssel näher zu mir heran. Ich und dieser Pizzateig sind dem Untergang geweiht! Das kann nicht gut kommen. Ich habe in meinem Leben weder einen Teig geknetet, noch irgendwas in den Ofen geschoben und gebacken. Und jetzt will mir Chris allen Ernstes die volle Verantwortung für sowas übergeben. Ausgerechnet Pizza! Meine Lieblingsspeise! Wenn ich es verbocke, kriegt heute keiner was zu Essen.

Etwas unsicher blicke ich auf die Zutaten und den Rührlöffel. Chris widmet sich währenddessen seinem besten Freund und erklärt ihm, wie er die Tomaten zu schneiden hat. Mit halbem Ohr höre ich mit und erfahre, dass die Tomaten nur für den Sugo gedacht sind – die Sauce, die auf die Pizza kommt – also muss sich Teo nicht mal anstrengen und die Dinger schön schneiden.

Warum habe nicht ich so eine simple Aufgabe bekommen?

Ich beisse mir konzentriert auf die Zunge, als ich vorsichtig die trockenen Zutaten in die Schüssel gebe und dann das Wasser hinzufüge. Kochen ist was für Alchemisten. Da muss die Mischung der Elemente, die man zusammenrührt, stimmen, sonst passt der Geschmack im Endeffekt nicht oder irgendwas explodiert.

Glücklicherweise hat Chris alles schon für mich abgewogen, denn somit kann ich immerhin das Verhältnis der Zutaten nicht versauen. So kann ich eigentlich gar nichts falsch machen. Chris will wohl, dass ich ein Erfolgserlebnis habe, dieser clevere Fuchs!

Mit dem Löffel beginne ich alles umzurühren, bis Klumpen entstehen und sich so langsam eine zähe, klebrige Masse formt. Chris kommt wieder zu mir. Ich blinzle hilfesuchend zu ihm hoch.

„Bitte. Ich brauche Hilfe", flehe ich, aber er schmunzelt nur. Das hilft mir herzlich wenig.

„Du machst das ganz gut", motiviert er mich. „Das wirst du aber bald nicht mehr mit dem Löffel rühren können. Wenn ich du wäre, würde ich den Teig jetzt mit den Händen kneten."

Ich stöhne wie ein trotziges Kind und lege den Rührlöffel zur Seite. Brav, wie ich bin, gehorche ich, denn ich weiss, wenn ich seinen Anweisungen folge, wird das vielleicht noch was mit der Pizza.

„Und was machst du eigentlich?", frage ich.

Er dreht sich erstaunt zu mir um. „Wie bitte?"

Ich zucke mit den Schultern und beginne den klebrigen Teig fest zu kneten. „Na, Teo macht die Tomaten, ich den Teig. Und du so?"

„Ich bin der Chefkoch. Das heisst, ich kommandiere herum", kommt die Antwort.

„Aha, so wie ich das sehe, wären deine Hände definitiv besser dafür geeignet, diesen Teig zu kneten", kontere ich und zeige ihm, wie die Teigmasse doch für meine winzigen Hände viel zu gross ist.

„Chris kann auch ganz andere Dinge mit seinen Händen kneten!", mischt sich Teo von der Seite ein.

„Ey!", knurrt Chris in Teos Richtung.

Ich muss kichern. Es gefällt mir, dass er ständig von seinem besten Freund auf die Schippe genommen wird.

„Also?", frage ich weiter. „Was bereitet der Chefkoch zu?"

Chris legt den Kopf schief und lässt den Blick über den Tresen schweifen. Er muss eingesehen haben, dass wir hier Gruppenkochen machen und wir in einer egalitären Kochgesellschaft leben. Jeder muss seinen Beitrag leisten, so wird die Verantwortung des Zubereitens auf alle Schultern verteilt.

„Ich hacke die Kräuter", verkündet er dann und stellt sich neben mich hin.

Dieses Teigkneten wird langsam anstrengend. Mir wird warm und ich weiss nicht, ob das an der körperlichen Anstrengung liegt oder einfach an der Tatsache, dass Chris so nahe neben mir steht. Unsere Ellbogen berühren sich fast. Seine alleinige Präsenz lässt mein Herz Purzelbäume schlagen und gewisse Körperteile aufgeregt kribbeln. Ich muss hart schlucken.

In seiner Anwesenheit sollte ich nicht so viel Alkohol trinken, denn da bin ich meinen Hormonen und deren Willen noch mehr ausgeliefert, als in nüchternem Zustand. Die Knutscherei von letztens hat es mir gezeigt. In seinen Händen bin ich willig wie ein rolliges Kätzchen und wenn ich mich zusammenreissen will, dann sollte ich definitiv weniger trinken. Sonst fresse ich ihn noch auf.

Der Teig klebt arg an meinen Fingern. Nachdem mir Chris eine Weile beim Kampf mit den langgezogenen, zähen Teigfäden amüsiert zuschaut, schüttet er mehr Mehl in die Schüssel, um mir endlich zu helfen. Ich muss aufpassen, dass ich Marias Kleid nicht bekleckere. Kein Kinderspiel bei meiner ausgeprägten Tollpatschigkeit.

Es wird still in der Küche. Wir gehen alle unseren Aufgaben nach und sind hoch konzentriert. Neben mir hackt Chris in regelmässigen Schnitten Oregano und Basilikum klein. Ein angenehmer Duft von frischen Kräutern verbreitet sich im Raum.

„Darf ich dich was fragen, Chris?", hauche ich leise.

„Ja klar."

„Warum hast du mich eigentlich im Supermarkt zum Kochkurs eingeladen? Das war ja schon bisschen schnell alles. Ich meine ... du kanntest mich ja überhaupt nicht."

Er hält in der Bewegung inne und blickt mich an. Das war eine Frage, die ich ihm eigentlich schon viel früher hatte stellen wollen, aber irgendwie hatten sich unsere Gespräche immer in eine andere Richtung entwickelt. Jetzt will ich es aber wissen.

„Ehrliche Antwort?", fragt er schmunzelnd, ohne dabei von seinen Kräutern aufzublicken.

„Ja, bitte! Nichts anderes."

Wir merken beide, wie Teo etwas weiter entfernt aufhört seine Tomaten zu schnippeln. Offensichtlich ist der auch an unserem Gespräch interessiert. Der kleine Spion.

„Ich fand dich auf Anhieb sympathisch. Wie du für das eingestanden bist, was du wolltest. Dein zweideutiger Humor übersteigt zwar das ertragbare Mass, aber es gefällt mir. Es gefällt mir, dass du so offensichtlich niemandem gefallen willst. Weisst du, wie ich meine? Du scheinst dich nicht darum zu bemühen. Man soll dich so nehmen, wie du bist. Das hast du an dem Tag deutlich ausgestrahlt."

Ich bin für einen Moment sprachlos und höre auf, den Teig zu kneten. Auf diese Antwort war ich nicht gefasst und wenn ich könnte, würde ich mir jetzt eine Haarsträhne hinters Ohr schieben. Leider liegen meine Hände voller Mehl und Teig in der Schüssel. Ich befeuchte mir meine Lippen, denn mein Hals ist unglaublich trocken geworden.

„Das alles hast du nach den ersten zwei Minuten von mir gedacht?"

„Ja."

Er nickt mit diesem zufriedenen Lächeln im Gesicht. Die Erinnerung an unsere erste richtige Interaktion – mal abgesehen von unserem Treffen in der Schleuse – scheint ihn glücklich zu stimmen.

Seine Menschenkenntnis ist beachtlich. Mir ist es tatsächlich egal, was andere denken – die meiste Zeit zumindest. Dass mich Chris so schnell durchschaut hat, schon damals, als wir uns eigentlich kaum kannten, ist wirklich unglaublich. Als wäre ich ein offenes Buch in seinen Händen. Dieser Mann gefällt mir je länger, desto besser.

„Aber eigentlich liebt er dich nur wegen deinen Kurven, Baby!", gibt Teo seinen unnötigen Senf dazu.

Chris streckt das Messer, mit welchem er kurz zuvor noch die Kräuter gehackt hat, drohend in Teos Richtung.

„Teo, soll ich dir das an die Kehle halten, damit du still bist?"

Der Dominikaner kichert bloss, selbst darüber erfreut, dass er es einmal mehr geschafft hat, seinen besten Freund aus der Reserve zu locken.

„Ich mache ja nur Spass, amigo", sagt er und befördert die geschnittenen Tomaten in den Kochtopf. „So, bin fertig mit meiner Aufgabe. Was kommt als Nächstes?"

Chris blickt prüfend um sich und sucht nach einem weiteren Amt, das er seinem Freund geben kann.

„Geh doch kurz in den Keller und hol mehr Wein. Bitte", beschliesst er dann.

Innerlich seufze ich, denn das bedeutet für mich, dass wir mehr trinken werden und mein Verlangen nach Chris damit nur noch weiter verstärkt wird.

„Für Nachschub wird gesorgt!", ruft Teo sogleich und läuft durch das Wohnzimmer zu einer Tür, die offenbar in den Keller führen muss.

Pfeifend steigt er die Treppe runter und verschwindet im Untergeschoss. Ich frage mich, ob sich dort unten ein riesiger Weinkeller befindet. So wie ich Chris mittlerweile einschätze, hält er viel von gutem Wein. Der hat sicherlich eine ganze Weinsammlung.

„Was trinkt man eigentlich zu Pizza?", frage ich interessiert, während ich mich wieder auf den Teig konzentriere und den mühsam knete.

So allmählich verwandelt sich die klebrige Masse in einen seidenen Ball. Ich hebe den Teig aus der Schüssel und knete ihn nun auf der dunklen Granitfläche. Das ist echt anstrengend. Wenn ich so weitermache, breche ich bald in Schweiss aus. Körperliche Betätigung sollte man einem Büro-Gummi wie mir niemals zumuten.

Chris antwortet mir nicht auf meine Frage. Ich streiche mit dem Handrücken eine lästige Strähne aus dem Gesicht, wohl wissend, dass ich mir wahrscheinlich Mehl ins Gesicht befördert habe. Aber meine Haut juckt, wenn ich mich fokussieren muss. Und ausserdem fühle ich den Prosecco noch immer in meinen Wangen.

Gerade als ich den Kopf zu Chris drehen will, spüre ich seine Aura neben mir. Er ist näher zu mir gerutscht, sodass seine Körperhitze auf meine Flanke strahlt. Ich höre auf, den Teig zu kneten, als ich die Bewegung seines Armes wahrnehme.

Seine Hand legt er auf meine Schulterblätter ab. Lässt sie aber nur einen flüchtigen Moment dort liegen, bloss um dann langsam mein Rückgrat entlangzustreicheln, bis er sie endgültig auf meinem Kreuz platziert. Ein warmer Schauer jagt mir über den Rücken.

„So unter uns", flüstert er. „Dieses Kleid steht dir unglaublich gut."

Gänsehaut breitet sich aus. Wandert von meinem Nacken bis zu meinen Zehenspitzen. Ich will mir überhaupt nicht vorstellen, was seine Stimme sonst noch mit mir anstellen kann.

Vermutlich nutzt er die temporäre Zweisamkeit dazu aus, mit mir auf Tuchfühlung zu gehen. Ungestört. Nur wir zwei und diese unaufhaltbare Anziehungskraft. Ehrlicherweise will ich mich nicht gegen seinen Annäherungsversuch wehren. Mehr Intimität mit Chris? Nur her damit!

Also lasse ich den Pizzateig los und drehe mich zu ihm um, denn ich spüre, dass es das ist, was er will. Dass es das ist, was ich will.

Er steht mir so unglaublich nahe. Sein angenehmer Geruch steigt mir in die Nase. Der Rand des Tresens drückt mir in mein Kreuz und ich muss den Kopf in den Nacken legen, um seinen Augen zu begegnen.

„Danke", murmle ich. „Maria hat es mir geliehen."

Er schweigt und blickt mir einfach ins Gesicht. Mustert mich. Durchdringt die Mauer, die sonst niemand durchschauen kann. Aber Chris kann das. Ich fühle mich von ihm gesehen. Verstanden. Selbst wenn ich nichts sage.

„Sowas trage ich normalerweise nicht. Gewöhn dich also besser nicht da–", beginne ich, aber da küsst er mich schon.

Die Blitze treffen mich urplötzlich. Unerwartet. Erschrocken von der Direktheit seines Kusses, japse ich nach Luft, aber seine Lippen finden meinen Mund zielstrebig, lassen mir kaum Zeit zu atmen. Diese samtig weichen Lippen, dieser zärtliche Mund hüllen mich in Watte, schenken mir Geborgenheit und wärmen die hintersten Kammern meines Herzens.

Chris zieht mich an der Hüfte fester an sich, sodass sich unsere Lenden berühren. Ich grinse in den Kuss hinein, lege meine Arme auf seinen starken Schultern ab, ohne ihn aber mit Mehl zu bekleckern.

Seine Hände erkunden meinen Körper. Stets höflich und vorsichtig, so wie bei unserem ersten Kuss, aber ich spüre, dass sie mutiger geworden sind. Seine Handflächen streichen über meine Taille. Dort liegen sie für einen kurzen Augenblick, bis er sich traut, mich mehr in seine Arme zu schliessen und seine Finger auf meinem Hintern abzulegen.

„Emma", flüstert er. Seine Stimme klingt so voller Begehren.

Ich verkeile meine Arme um seinen Nacken, um ihm zu zeigen, dass es vollkommen in Ordnung ist, mich zu berühren. Chris hat den Freifahrtschein für meinen ganzen Körper längst erhalten. Nur weiss er es noch nicht.

„Du darfst mich anfassen", sage ich, was ihm als Antwort ein spitzbübisches Grinsen entlockt.

Plötzlich spüre ich, wie sich seine Finger in meinen Hintern krallen, den Stoff des Kleides zerknittern, sodass es den Saum hochhebt und meine Oberschenkel entblösst. Mir verschlägt es den Atem. Am Zucken seiner Muskeln merke ich, wie er sich anspannt.

Will er mich etwa hier ausziehen? Wenn ich könnte würde ich meine Hände in seine Haare vergraben, aber leider geht das nicht. Die sind noch immer voller Mehl.

Ehe ich mich versehe, hebt er mich in die Luft.

„Uh!", entkommt es mir.

Ich schlinge ganz automatisch meine Beine um sein Becken. Es ist eine Weile her, seit ich das letzte Mal so aufgehoben wurde. Ich hoffe, Chris bricht unter meinem Gewicht nicht gleich zusammen. Er schmunzelt ob meiner leichten Überraschung, aber lässt sich davon nicht beirren.

„Das darf ich also?", fragt er grinsend.

„Mhm."

Mein Gesicht ist auf der Höhe von seinem und ich merke, dass ich ihm bisher noch nie so nahe gewesen bin. Seine Hände auf meinem Hintern fühlen sich richtig gut an. Der Gedanke, dass seine Finger nur wenige Zentimeter von meiner Haut entfernt sind und bloss ein hauchdünner Stoff uns voneinander trennt, lässt meine Temperatur ansteigen. Wie sehr ich doch diese Hände auf meinem nackten Körper spüren möchte!

Mit meinen Fingern streiche ich seine Haare nach hinten, damit ich sein scharfkantiges Gesicht besser sehen kann. Dass er damit nun auch Mehl im Gesicht hat, scheint ihn in dem Moment nicht zu stören. Er lächelt mich an. Ich erkenne jede kleine Form und Furche in seinen Gesichtszügen und betrachte sie für ein paar Sekunden ganz fasziniert. Seine dunklen Augen mustern mich neugierig.

„Du haust mir gerne den Boden unter den Füssen weg, was?", hauche ich ihm an die Lippen.

„Meine neue Lieblingsbeschäftigung", antwortet er.

Lachend werfe ich den Kopf in den Nacken. Wenn es nach mir ginge, dürfte er jederzeit diesem neuen "Hobby" nachgehen. Die Letzte, die sich dagegen wehren wird, bin ich.

Ich will gerade in einem weiteren innigen Kuss versinken, da wird die Kellertür aufgeknallt und Teo ertappt uns in flagranti.

„Woah, da ist man für fünf Sekunden weg und ihr zeugt schon Kinder!", ruft er.

Chris erschreckt sich dermassen, dass er leicht nach vorne stolpert und ich mit dem Hintern auf dem Küchentresen lande – mit einer Pobacke auf dem Pizzateig.

„Oh scheisse!", kreische ich, als ich den kalten Teig an meinem blanken Hintern spüre. Ich springe sofort vom Tresen.

Teo kommt mit zwei Weinflaschen in der Hand in die Küche und lacht sich schlapp. Er grölt und grunzt, während Chris den Sicherheitsabstand zwischen uns wieder vergrössert. Aber wir wissen beide, dass dieser Abstand sofort verkleinert wird, wenn uns die Möglichkeit dazu wieder gegeben wird. Wir sind wie zwei Magnete, wir können die Hände nicht voneinander lassen.

Chris streicht sich die Haare zurecht und wischt sich das Mehl vom Gesicht. Dieses triumphierende Schmunzeln ziert seine Lippen, das man nur auf kleinen Jungs sieht, die gerade bei einem Streich erwischt wurden.

„Jetzt kriegen wir Pizza mit extra Arschgeschmack. Geil!", spottet Teo weiter.

„Teofilo!", warnt Chris.

„Ich mach nur Spass! Du weisst aber, dass wir es uns in der Dominikanischen Republik eh gewohnt sind, Schamhaare im Essen zu finden. Dort vögelt man ja auch jederzeit und überall."

Chris macht eine Bewegung, die so aussieht, als wolle er Teo würgen, dieser weicht allerdings rechtzeitig aus und sucht das Weite auf der anderen Seite des Tresens.

„Sorry. Man sollte uns halt nicht alleine lassen", gebe ich schliesslich Kontra.

Teo kichert. Sein Grinsen ist breiter als der Grand Canyon. Er amüsiert sich gerade köstlich über unsere angestaute Geilheit.

„Ich glaube, ihr braucht mal wirklich einen Abend alleine. Zu Zweit. Dann könnt ihr den Druck so richtig ablassen", meint er und lässt es so klingen, als sei das ein gut gemeinter Rat.

„Die Zwiebeln sind noch nicht geschnitten", geht Chris überhaupt nicht auf die Anspielungen seines Freundes ein.

Teo ergibt sich und holt die Zwiebeln aus dem Waschbecken.

„Also wegen mir und Maria müsst ihr euch nicht zurückhalten. Leckt euch ruhig ab. Ihr müsst es nicht verstecken", fährt er nonchalant fort.

Meine Wangen werden schon wieder heiss. Ich bin ja eigentlich kein prüder Mensch, aber Teos Sticheleien bringen mich dennoch in Verlegenheit. Vielleicht liegt es daran, dass es für mich eigentlich kein Witz ist, oder möglicherweise weil mir Chris wirklich viel bedeutet?

„Die Zwiebeln! In Ringe!", befiehlt Chris und drückt seinem Freund extra noch das Messer in die Hand.

Derweilen kommt Maria vom Zimmer zurück. Sie hat sich frisch gemacht und trägt nun ebenfalls ein Sommerkleid, aber ein schwarzes. Sie sieht mit ihren Kurven wirklich toll aus. Chris teilt sie fürs Brotschneiden ein. Völlig unwissend über das Techtelmechtel, das bis vor Kurzem hier noch stattgefunden hat, beginnt sie das Brot für die Vorspeise vorzubereiten.

Während die anderen beiden wieder fleissig Essen zubereiten, verharre ich an Ort und Stelle. Ich kann noch nicht klar denken. Der Kuss hat mich umgeworfen und ich muss mich erst wieder fassen. Mit den Fingern fahre ich mir über die Unterlippe. Was ist nur an Chris' Küssen dran, dass ich ständig das Gefühl habe, sie würden ein langanhaltendes Kribbeln auf meinen Lippen hinterlassen?

Da spüre ich eine sanfte Berührung an meinem Ellbogen. Chris tippt mich an und holt mich aus meinen Gedanken.

„Ich glaube, den Teig haben wir genug bearbeitet", sagt er schmunzelnd. Sein Blick fällt auf die flache Teigkugel, die von meiner rechten Pobacke auf dem Tresen platt gemacht wurde. „Jetzt werden wir den warmstellen und uns den Crostini widmen."


✵✵✵


Hallo ihr lieben Menschen

Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen.

Chris und Emma konnten die Finger nicht voneinander lassen, aber wer kann es ihnen schon verübeln? Dieser Anziehungskraft widersteht man nicht.

Wer von euch hat eigentlich auch schon mal Pizza selbst gemacht? Ich persönlich schwöre auf selbstgemachten Sugo! Das hat mir mal ein Arbeitskollege gezeigt (pssst, der ist übrigens single, nur so zur Info) und seither esse ich Pizza Eigenbau immer so. Kann ich sehr empfehlen!

Habt ein wunderbares Wochenende!

Eure Fleur

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