24 - Die Klammer um Dennys Herz

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Warum wehrte ich mich überhaupt so gegen den Gedanken, Shivan toll finden zu können? Er war es doch offensichtlich. Er war für mich da, wie es außer Syl noch keiner gewesen war, aber da war eben noch was. Irgendwas, das zwischen Syl und mir nie existiert hatte.

Ich ließ zu, dass er seine Finger fest in meine verspannten Muskeln drückte. Gleichmäßig knetete er sie, während ich atmete. Ein und wieder aus. Ich schloss die Augen.

Es war nichts dabei und selbst wenn, uns konnte hier keiner sehen. Hier waren nur Shivan und ich.

„Gut so?", fragte er und ich nickte. In den Filmen behaupteten sie immer, dass mit den Verspannungen auch die ganzen Sorgen von einem abfielen, aber das stimmte nicht. Der Gedanke an Syl bereitete mir weiterhin Magenschmerzen, während die verhärteten Stellen in meinen Schultern sich langsam lösten.

Schön war's trotzdem.


Als Shivan und ich uns zum Abschied umarmten, fühlte ich mich ihm irgendwie näher. Als wäre da plötzlich etwas, das uns verband.

Es war nichts dabei. Ich musste mich einfach entspannten, da hatte Shivan Recht. Wenn er die Sache mit uns so locker sehen konnte, warum sollte ich das nicht auch können?

Von der Bushaltestelle aus fuhr er allein zum Bahnhof und von dort nach Hause.

Zum Zocken war niemand da. Mo nicht, Syl nicht. Auf den Rest meiner Freundesliste hatte ich keine Lust.

Den ganzen Abend lang erwischte ich mich dabei, wie ich auf Syls Profil schaute und darauf wartete, dass sich sein Status zu online änderte. Aber es passierte nicht. Er kam nicht. Shivan später, als er daheim war. Aber von Syl war nichts zu sehen.

So blieb es bis die Schule wieder anfing.

Unruhig behielt ich die Klassenzimmertür im Auge, während ich auf der Kante meines Stuhls saß. Es war normal, dass Syl zu spät kam, das kam er immer. Alles andere würde Grund zur Sorge bieten – und trotzdem konnte ich es nicht erwarten, dass die Klinke heruntergedrückt und die Tür aufgeschoben wurde.

Syl ließ sich Zeit. Minute für Minute der ersten Stunde verstrichen, die Lehrerin an der Tafel redete Wort für Wort. Es wurde fünf nach Acht. Zehn nach Acht. Viertel nach und zwanzig nach. Zwischendurch warf ich einen Blick auf mein Handy, auch wenn die Hoffnung vergebens war. Wieso sollte er mir ausgerechnet jetzt schreiben?

Um acht Uhr dreiundzwanzig klopfte es, ehe die Tür langsam aufgeschoben wurde und Syl eintrat.

„Sylvester, just in time as usual", begrüßte unsere Englischlehrerin ihn.

„Ja, ja", murrte Syl. Die schlechte Laune stand ihm genau wie seine Müdigkeit ins Gesicht geschrieben. Sollte man meinen, er bekäme genug Schlaf, jetzt, wo er nicht mehr die ganze Nacht zockte, hatte man sich geirrt. Die Augenringe waren nicht weniger, seine Haut noch immer ungesund blass.

„In english, please!", ließ Miss Funke den Lieblingssatz aller Englischlehrer los. Ich sah Syl die Fäuste ballen und die Kiefer fest aufeinander pressen, erwidern tat er nichts.

„Sylvester?"

Er ging an ihr vorbei in Richtung seines Platzes. Stühle wurden in alter Routine verrückt.

„Sylvester, could you answer me, please?"

„I'm sorry", brachte Syl zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er drehte sich nicht zu ihr um, die Fäuste behielt er weiterhin geballt. Eilig schob er sich hinter den anderen Schülern her, sein Rucksack zog die klappernden Jalousien mit. Sie schwangen nach links, dann mit einem Klimpern zurück nach rechts.

„Hey", lächelte ich, als Syl seinen Stuhl neben mir abrückte und seinen Rucksack schwungvoll unter den Tisch schmiss. Er warf mir einen düsteren Blick zu, dann setzte er sich. Die Arme verschränkte er vor der Brust, den Blick richtete er auf die Tischplatte. Nicht mal seine Jacke zog er aus.

Vielleicht hatte er mich nicht gehört, versuchte ich mich zu beruhigen. Vielleicht war er mit seinen Gedanken woanders oder ich hatte einfach zu leise gesprochen oder ...

Aber eigentlich war klar, dass er meine Begrüßung vernommen hatte. Das konnte ich mir schön reden, wie ich wollte.

„Sylvester", bekam Miss Funke noch immer nicht die Nase voll. „Where is you folder? And your book? Please put your materials on the desk."

Syl verharrte einen Augenblick in seiner Pose, dann atmete er tief durch, beugte sich hastig unter die Tischplatte und riss seine Englischsachen aus seinem Rucksack. Schwungvoll klatschte er sie auf den Tisch, der Ordner rutschte über die glatte Oberfläche des Buches und dann über die hintere Kante des Tisches auf den Boden hinunter.

Ein paar Mitschüler kicherten, Miss Funke stemmte die Hände in die Hüften und zog die Augenbrauen hoch.

War ja nicht so, als hätte Syl das absichtlich getan. Sonst würde er jetzt nicht frustriert seinen Rucksack zu Boden werfen und nachtreten.

Ein Mädchen, das an einem der Innentische im Hufeisen saß, drehte sich und hob den Ordner auf. Sie hielt ihn Syl hin und legte ihn dann auf sein Buch, als er seine Hand nicht danach ausstreckte. Die Arme hatte er längst wieder verschränkt und ignorierte gekonnt Miss Funkes Blick, der auf ihm lastete.

„Gern geschehen", zischte Lea und drehte sich wieder nach vorne.

Ich sah Syl von der Seite an. Betrachtete sein Profil. Die blasse Haut, von der sich die dunklen Schatten unter seinen Augen abhoben.

„Was geht so?", versuchte ich es erneut im Flüsterton. An der Tafel fuhr Miss Funke mit ihrem Unterricht fort, aber ich hatte heute kein Gehör für sie.

„Lass mich in Ruhe", zischte Syl. Die ganzen zwei Englischstunden lang ignorierte er mich und verschwand dann mit dem Klingeln aus dem Klassenraum, aber ich hatte die Schnauze voll. Eilig folgte ich ihm und holte ihn draußen auf dem Schulhof ein. Seinen Rucksack trug er nur über einer Schulter und ich umfasste die andere mit festem Griff.

„Verdammt noch mal, warte jetzt!", forderte ich meinen besten Freund auf.

Syl wirbelte herum und zog seine Schulter unter meiner Hand weg.

„Was willst du?", fuhr er mich an, die Ablehnung in seinen Augen überdeckte die Müdigkeit.

„Ich will wissen wie es dir geht!"

„Das kann dir doch scheiß egal sein!"

„Ist es aber nicht! Verdammt, Syl, du bist mein bester Freund! Mir wird nie egal sein, wie es dir geht, hörst du?", versuchte ich ihn zu überzeugen, aber meine Worte schienen an ihm abzuprallen. Schienen gar nicht bis in sein Inneres, bis zu seinem Herzen, vorzudringen.

„Ich scheiß auf unsere Freundschaft, jemanden wie dich brauch ich nicht in meinem Leben!", fuhr er mich an. Bevor ich überhaupt verstand, was er vorhatte, schubste er mich von sich weg. „Bei Freunden wie dir bin ich besser allein dran!"

Mein Herz begann schneller zu klopfen. Schmerzhaft klammerten Syls Worte sich von außen darum, versuchten es zwischen sich zu zerquetschen. Zum Schweigen zu bringen. Wärme stieg mir ins Gesicht.

„Es tut mir doch leid! Tut mir leid, wenn ich mich falsch verhalten hab, ich kann daran nichts ändern. Aber ich hab das bestimmt nicht gemacht, weil ich ein scheiß Freund bin oder du mir nicht wichtig bist!"

Syl schüttelte den Kopf.

„Ich scheiß auf dich, Denny! Du bist ein scheiß Freund, ist halt so. Aber jetzt hast du ja ohnehin Shivan, also kannst du mich endlich in Ruhe lassen!", forderte er mich lautstark auf. Wütend. Einige Schüler drehten sich zu uns um, und auch wenn ich sonst empfindlich darauf reagierte im Mittelpunkt zu stehen, war es mir jetzt verdammt egal. Sollten sie doch gucken, Syl war wichtiger.

Die Klammer um mein Herz griff fester zu.

„Shivan könnte dich niemals ersetzen und das weißt du ganz genau!", versicherte ich mit überraschend fester Stimme. Sie gab mir fast selbst das Gefühl, als würde ich nicht jeden Moment losheulen.

Syl trat einen Schritt an mich heran und hob die Hand. Mit ausgestrecktem Finger fuchtelte er vor meiner Nase herum, während er mir tief in die Augen sah. Die Wut, die in seinem Inneren brodelte, baute sich zwischen uns auf, vergiftete mich.

„Das ist mir scheiß egal. Du bist mir scheiß egal, kapier's endlich. Ich hab auch ohne dich genug Scheiße in meinem Leben, da kann ich wirklich auf dich verzichten, Denny. Jetzt verpiss dich und sprich mich nicht mehr an!"

Er hielt den Blickkontakt noch einen Moment aufrecht und auch ich unterbrach ihn nicht. Konnte nicht wegschauen, genauso wenig wie ich ihm widersprechen konnte. Die Klammer schnürte nun auch meine Kehle zu. Vielleicht waren es aber auch die Tränen, die sich den Weg meinen Rachen hinaufbahnten und die ich mit aller Macht zurückzuhalten versuchte.

Syl ging einen Schritt zurück, dann wandte er sich ab und marschierte über den Schulhof davon.

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