3 - Vorzeichenfehler und Physiker

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Am Abend schaltete ich Zuhause angekommen als erstes meine Konsole ein. Eine Runde war noch drin, ehe meine Mutter mich ins Bett schicken würde und morgen war dann endlich Freitag. Endlich Wochenende. Die Zeit der durchgespielten Nächte und verschlafenen Vormittage. Wenigstens dann konnte ich selbst bestimmen, wann es mich in die Federn zog.

Syl war offline, aber Mo war da. Ich jointe ihre Party, wo sie mit ein paar anderen Typen quatschte und stellte mich kurz vor.

„Jemand Lust auf 'ne Runde COD?", fragte ich.

„Wir sind gerade mitten in einem Bossfight, später vielleicht", erwiderte Mo. Ihre Stimme klang vor Konzentration angespannt und generell sprachen sie und die drei Kerle nur das nötigste und dann nur In-Game-Content.

Also suchte ich alleine eine Lobby.

„Ist Syl nicht da?", fragte Mo nach ein paar Minuten Stille unvermittelt.

„Schätze mal der pennt, nachdem ihr gestern die Nacht durchgemacht habt."

„Er. Er hat durchgemacht. Ich hab heute geschwänzt", lachte sie, dann nahm ihre Stimme einen schneidenden Ton an. „Oh, fuck. Lukas, heal mich please. Schnell, bin gleich down."

„Sekunde", erwiderte vermutlich Lukas, während bei mir gerade das Game lud.

„Bin mal raus, bis später. Viel Spaß", teilte ich der Gruppe mit und klinkte mich dann aus der Party aus. War irgendwie nicht so spannend, denen beim Teamwork zuzuhören, da konnte ich mich lieber noch ein wenig entspannen, bis gleich Schlafenszeit war. Mal ein wenig allein mit meinen Gedanken sein.

Das war auch eines der Dinge, die ich am Zocken mochte. Wenn man wollte, war man ganz allein mit seinen Gedanken und konnte über Gott und die Welt nachdenken, während man draußen auf dem Schlachtfeld war und sein Leben verteidigte.


Syl kam trotzdem zu spät. Platzte mitten in die Mathestunde rein, aber diesmal schien es ihm wirklich leid zu tun.

„Sorry, Herr Baltronat, is' nich' meine Schuld, echt nich'! Da war ein Unfall, und dann kam der Bus nich' vorwärts, und dann mussten wir warten ...", erzählte er und blieb dabei am Pult stehen.

Unser Mathelehrer winkte mit einer beschwichtigenden Geste ab.

„Ist gut, setz dich einfach!"

„Danke, tut mir echt leid", wiederholte Syl, dann begann wieder das große Stühle rücken und er ließ sich neben mir nieder.

„Hast du ernsthaft verschlafen?", flüsterte ich grinsend.

„Ich bin gestern weggepennt und hab vergessen meinen Wecker zu stellen", erwiderte er und packte seine Mathebuch und einen Collegeblock aus. „Hast'n Stift?"

Ich reichte ihm einen Kugelschreiber.

„Und ich bin immer noch müde, Alter", seufzte Syl.

Kein Energydrink war weit und breit zu sehen.

Herr Baltronat begann einige Aufgaben an die Tafel zu schreiben, die Klasse schrieb ab. Syl und ich ebenfalls.

„Wo ist dein Lebenselixier? Ohne kann der Motor ja nicht vernünftig laufen", scherzte ich und unterdrückte mein Lachen zu einem leisen Kichern.

„Is' noch zu früh", murmelte mein bester Freund.

„Dass ich das von dir mal höre. Heftig."

„Ruhe jetzt!", verlangte Baltronat und warf Syl und mir einen strengen Blick zu.

Syl hatte die Aufgaben abgeschrieben und stützte seinen Kopf auf seiner Hand auf, während er konzentriert rechnete.

Er meldete sich auch wie so oft freiwillig, um die Lösung an der Tafel vorzutragen. Leidenschaftlich schrieb er die Zahlen hin, denn er mochte Mathe. War wahrscheinlich sogar sein Lieblingsfach – leider hatte er hier dasselbe Pech wie beim Schießen. Er war nicht gut. Er war richtig grottenschlecht.

„Vorzeichenfehler hier vorne direkt, leider falsch", sagte unser Lehrer, als Syl seinen kompletten Lösungweg notiert hatte. Dann rechnete er mit ihm alles noch einmal durch und das dauerte zum Glück solange, bis der Gong das Stundenende einläutete.


Auf dem Schulhof packte Syl schließlich seine erste Dose Energydrink des Tages aus. Schlecht gelaunt ließ er auf der Tischtennisplatte die Beine baumeln und sah ein bisschen aus wie ein Alkoholiker, der sich an sein Bier klammerte.

„Was machst du am Wochenende?", fragte er mich nach einer Weile.

Ich zuckte die Schultern.

„Zocken", erwiderte ich.

Er nickte.

„Guter Plan. Werd' ich auch machen, schätz' ich. Soll ja auch regnen", meinte er mit einem Blick auf sein Handy. Er streckte mir den entsperrten Bildschirm entgegen, auf dem die Wetterapp geöffnet war.

Zwölf Grad und Dauerregen.

„Perfektes Zockerwetter", grinste ich.

„Für dich ist auch blauer Himmel, Sonne und dreißig Grad im Schatten perfektes Zockerwetter", erwiderte Syl und zog einen Mundwinkel zu einem Grinsen hoch.

„Dann ist es ja auch viel zu warm draußen und die UV-Strahlung ist echt gefährlich. Ist nur vernünftig drinnen zu bleiben", lachte ich und freute mich, ihn wenigstens ein wenig aufgeheitert zu haben.

„Und sich 'ne schicke Monitorbräune holen."

Er grinste.

„Besser als einen Sonnenbrand!"

„Hast du schon von dieser mega neuartigen und innovativen Erfindung der Sonnencreme gehört?" Syl zog eine Augenbraue hoch. „Die verhindert genau das."

Ich schüttelte den Kopf. „Kenn ich nich'. Will ich nich'."

„Spinner", lachte Syl und sein düsterer Blick hatte sich um ein Vielfaches aufgehellt.

Ich lächelte und zwinkerte ihm dann zu.

In der nächsten Stunde, Deutsch, war mein Kumpel wieder ganz der Alte. Ach was, er lief sogar zur Hochform auf.

„Ich täte nichts lieber, als Ihnen diese Textstellte zu rezitieren", grinste er Frau Blumenau an. Dann räusperte er sich und begann mit der Hand auf der Brust leidenschaftlich den zweiten Akt von Dürrenmatts Die Physiker vorzulesen.

Er stieg sogar auf den Stuhl und schließlich unter dem Gelächter der Klasse mit einem Fuß auf den Tisch, um seiner Inbrunst freien Lauf zu lassen.

„Sylvester! Geh vom Tisch runter! Sylester, sofort!", versuchte die Blume ihn zu unterbrechen, aber Syl ließ sich gar nicht beirren.

Seine volle, laute Stimme erfüllte den Raum, bis er am Ende der Szene den zweiten Fuß auf die Tischplatte nachzog, das Buch auf den Boden pfefferte, und sich tief verneigte.

„Danke, danke!", sagte er. „Meine Damen und Herren, danke!"

Blume seufzte genervt.

„Deine Show kannst du dir sparen."

Sie mochte Syl nicht besonders, aber wenn ich ehrlich war, konnte ich es ihr nicht verübeln. Er machte ihr das Unterrichten nicht leicht.

„Machen Sie's erstmal besser", grinste Syl frech und lief dann über den Tisch zweier Klassenkameradinnen, ehe er zu Boden sprang und die Tür ansteuerte.

„Wohin denkst du zu gehen?", fragte unsere Lehrerin skeptisch.

„Pissen", kam es von Syl, der gerade noch geklungen hatte wie Richard Burbage, der wahrscheinlich beste Schauspieler der Lord Chamberlain's Men, mit denen wir uns in Englisch gerade beschäftigten, höchstpersönlich.


Am Nachmittag hing ich wieder allein in COD rum. Syl hatte heute Fußball, Mo war offline und auf meine übrige Kontaktliste, die sowieso eher aus losen Spielbekanntschaften bestand, hatte ich keine Lust.

Also arbeitete ich an meiner Technik, trainierte den Nahkampf, den ich nicht so gut beherrschte wie das Snipen, und versuchte möglichst gute K/Ds zu erzielen.

Eine Weile lang klappte das ganz gut. Die Lobby blieb Großteils zusammen, nur einzelne Spieler kamen oder gingen und bald war ich zum Besten aufgestiegen. Mehrere glorreiche Runden stand your_mother an erster Stelle und der Zweite folgte erst mit Abstand.

Dann trat dieses Mädel auf den Schirm, das ich heute Abend noch in einigen Runden antreffen sollte. Und die mich dauernd, mit welchem dreckigen Trick auch immer, killte. Dabei schien sie nicht mal sonderlich gut zu sein, hatte immer um die 13 Kills bei teilweise über 50 Toden. Aber diese ganzen 13 Kills gingen auf mein Konto.

Dreizehn verdammte Male killte sie mich in einer Runde und hinderte mich damit nicht nur am Erreichen meiner Abschussserien, sondern zerstörte auch meinen Schnitt.

You were killed by MissMolotov.

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