7 - Wolfsgrube

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Lycan ging so schnell, dass ich Mühe hatte, ihm zu folgen. Sein Griff um mein Handgelenk war eisern. Ich wehrte mich nicht, denn die Worte des Chiefs rangen noch in meinem Kopf.

Mein Vater hatte eine Frau erdolcht und zwar nicht irgendeine, sondern ausgerechnet die Gattin des Oberhauptes der Wölfe. Ich verstand nicht im Geringsten, warum er so etwas getan haben sollte. Den reichsten Mann im Tal interessierten doch viel mehr die neusten Geschehnisse und Intrigen im Schloss des Sonnenkönigs. Niemals würde er sich in eine Auseinandersetzung mit dem Mondvolk verstricken.

Das ergab alles überhaupt keinen Sinn!

Lycan blieb urplötzlich stehen, sodass ich fast in seinen Rücken krachte. Er drehte sich zu mir um.

„Hör zu!", zischte er. Ein Zeigefinger wurde mir ins Gesicht gestreckt. „Wenn du die Nacht überleben willst, dann gibt es Regeln, die du befolgen musst. Wölfe verhalten sich untereinander anders als in der Anwesenheit ihrer Seelengefährten. Das Rudel darf dich keinesfalls als Eindringling sehen. Und solltest du auf Tala treffen, zeige dich unterwürfig, dann stehst du es bis zum Sonnenaufgang vielleicht durch. Hast du verstanden?"

Eine eigenartige Dringlichkeit lag in seinen Worten.

„Solltest du dir nicht meinen Tod wünschen?", fragte ich, anstatt zu antworten.

Seine Augenbrauen zogen sich über der Nase zusammen. „Was?"

„Solltest du nicht wollen, dass mich eure Wölfe zerfleischen?", formulierte ich meine Frage neu. „Mein Vater hat schliesslich ... hat schliesslich deine Mutter ..."

Die Worte waren so schrecklich, dass ich sie nicht aussprechen konnte. Es tat weh, sie zu denken.

„Dieses Schicksal wünsche ich deinem Vater, nicht dir", antwortete Lycan.

Er sah mir in die Augen und für einen Moment vergass ich, dass ich mitten im Dorf des Wolfsstammes stand und gerade zu meiner Richtstätte gebracht wurde — vom Sohn des Anführers, der mit meinem Vater eine Blutfehde führte. Warum schaffte er es bloss so leicht, mich mit einem einzigen Wimpernschlag festzunageln?

„Ausserdem bist du ein Frischling", fügte er an.

Ich wusste nicht, was das bedeutete. „Ein Frischling?", hauchte ich ihm meine Unwissenheit entgegen.

„Wir befinden uns in der zunehmenden Phase des Mondes", erklärte Lycan, „und auf dich und deine Seele, Faye, hat ein Jungwolf Anspruch erhoben."

Ich hätte schwören können, dass etwas Warmes in seinen Augen glitzerte. Meine Gedanken quirlten zu einem Strudel, während ich die Tragweite seiner Worte zu fassen versuchte.

„Aber ich bete doch zu Sola. Wie kann es sein, dass mir Luna antwortet?"

Lycan hob die Schultern und liess sie mit einem lauten Seufzer wieder sinken. „Wie du mitbekommen hast, verstehen wir es auch nicht, aber Tatsache ist, dass du mitten in der Nacht aufgestanden und einem Wolfsheulen gefolgt bist. Das lässt sich nicht abstreiten."

Erschrocken japste ich nach Luft. „Ich bin geschlafwandelt?"

Nicht schon wieder!

Lycan nickte. „Thorne und ich haben dich zum Unterschlupf zurückgebracht und versucht, deine Körpertemperatur zu senken. Es war zweifelsohne Mondfieber und dauerte die ganze Nacht."

„Mondfieber", murmelte ich. An diesen Begriff musste ich mich erst noch gewöhnen.

„Faye?" Lycan trat näher. Seine Augen schossen zwischen meinen hin und her. „Bist du schon einmal in der Nacht erwacht und warst nicht mehr in deinem Bett?"

Ich biss mir auf die Lippen und deutete ein Kopfnicken an.

„Ständig."

Dutzendfach hatte ich vollkommen orientierungslos draussen in der Finsternis gestanden, die Mauer direkt vor mir, ein Hindernis, das ich nicht zu überwinden schaffte, meine Haut klamm und gleichzeitig heiss, meine Stirn verschwitzt und dieses merkwürdige Ziehen in meinem Herzen.

Könnte das wirklich Mondfieber gewesen sein? Schon all die Zeit?

Lycan sah mich an, als läge ihm plötzlich etwas an mir.

„Dein Fieber gestern war ungewöhnlich hoch, wir konnten es kaum senken", sagte er. „Wer hat sich die anderen Male um dich gekümmert?"

Gekümmert klang nach meinem Geschmack etwas gar fürsorglich. Geregelt, so hätte ich es bezeichnet. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, um zu verhindern, dass mich ein Schauder erfasste, und räusperte mich.

„Man hat mein Problem in den Griff bekommen."

Lycans Augen begannen zu glühen. Ich sah es ihm an, dass ihm eine Frage auf der Zunge lag, doch im selben Moment tauchte der Chief auf und kappte die merkwürdige Vertrautheit, die sich zwischen uns gebildet hatte.

„Warum steht sie noch nicht in der Grube? Rein mit ihr, oder ich werde es mir mit meiner Entscheidung nochmal überlegen!"

Die Anwesenheit seines Vaters liess uns ganz unwillkürlich auseinandergehen. Lycans warme Hand fand sich jedoch schnell auf meinem Kreuz wieder. Die einzige Gewissheit in diesem Moment und an diesem Ort.

Sachte schob er mich vorwärts.

Die Absenkung, vor welcher wir standen, zog einen weiten Kreis über den moosbewachsenen Boden und mündete auf der gegenüberliegenden Seite in einer dunklen Höhle. Wie ein schwarzes Loch in der Erde klaffte der Grubeneingang zwischen den dicken Wurzeln einer Eiche.

Ich sprang in die Absenkung und ging langsam darauf zu.

Kein Wolf war hier, aber ich vermutete, dass sie sich alle in der Erdhöhle tummelten. Ich konnte ihre Augen auf mir fühlen. Sie beobachteten mich aus der Dunkelheit.

„Unsere Wölfe sollen entscheiden, ob du uns würdig bist. Geh hinein und stelle dich ihrer Gnade", sagte der Chief hinter mir. „Wenn du bei Sonnenaufgang noch atmest, dann werde ich Lunas Willen hinnehmen."

Er wartete, bis ich mich dem Eingang zwischen den knorrigen Wurzeln genügend genähert hatte, dann hinkte er davon.

Ich ging in die Knie und starrte in die gähnende Finsternis. Ein merkwürdiger Sog ging von der Höhle aus, als würde mich die Nacht hinein locken wollen.

Ein letztes Mal drehte ich mich um. Am Rande der Absenkung stand nur noch Lycan, dessen Silhouette sich im dämmrigen Licht schwer von den Schatten der Bäume unterscheiden liess. Kälte rankte meine Beine hinauf und es war Lycans Kopfnicken, das mir genügte, um den letzten Mut in mir zu sammeln und in die Dunkelheit zu kriechen.

⋆☽˚。⋆

Unter den Wurzeln der Eiche, tief im warmen Leib der Erde, roch es feucht und modrig. Die Essenz des Waldes stach in meiner Nase.

Ich robbte auf allen Vieren vorwärts, des Augenlichts komplett beraubt. Die Erde um mich herum schien zu atmen und die Wände des Tunnels waren so eng, dass sie meine Schultern zusammendrückten. Eigentlich passte hier kaum ein normaler Mensch hinein, dennoch kroch und schlängelte ich in eine Richtung, von welcher ich nicht wusste, wohin sie mich führen würde.

Dann tasteten meine Hände ins Leere und ich bemerkte, dass ich einen Hohlraum erreicht haben musste.

Ich spürte die Anwesenheit der Wölfe, bevor ich sie hörte. Warme Leibe dampften unweit von mir im schwarzen Meer der Dunkelheit. Vorsichtig tastete ich mich weiter vor, da streiften meine Finger etwas Weiches.

Vor Schreck quiekte ich auf.

Das war ein Fehler, denn nun kam Bewegung in die Tiere.

Das Geräusch von schnüffelnden Nasen umgab mich jäh von allen Seiten und dann spürte ich eine kalte Schnauze da, eine dort, eine an meinem Nacken und plötzlich an meinem Gesicht.

Sie waren überall.

Ein Winseln erklang, gefolgt von einem Knurren und die neugierigen Tiere, die sich über mich hergemacht hatten, verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren.

Ich blinzelte. Blaues Licht begann die Höhle zu erleuchten und ich benötigte einen Moment, um zu realisieren, dass das Mondgestein war. Jene Kristalle, die nur bei Nacht leuchteten, weil sie sich nach dem Mondlicht sehnten. Die Höhlenwände waren bespickt damit.

Draussen musste der Mond den Himmel erklommen haben, darum leuchteten nun die Steine mit ihm um die Wette.

Es war ein Segen, denn sie spendeten mir Licht, aber gleichzeitig konnte ich nun auch sehen, wo ich war und vor allem wer sich mit mir in der Grube befand.

Ein riesiger Wolf mit silbernem Fell und weissen Augen baute sich vor mir auf, die Lefzen weit zurückgezogen, sodass der Speichel aus seiner Schnauze auf mein Kleid tropfte. Sein gewaltiges Knurren fuhr mir durch Mark und Bein.

Vorsichtig krabbelte ich rückwärts davon, darum beeifert, möglichst viel Abstand zwischen mir und dem zornigen Tier zu bringen. Doch jeden Handbreit, den ich mich von ihm entfernen wollte, vernichtete er wieder mit einem Schritt auf mich zu. Er hörte nicht auf, mich zu bedrohen, während er mich in die Ecke trieb.

Zeige dich unterwürfig.

Lycans Rat kam mir wieder in den Sinn, doch schien er hier nutzlos.

Wie zeigte man sich denn unterwürfig, wenn man nicht Wölfisch sprach? Zurückknurren war bestimmt keine gute Idee und ein echtes Winseln brachte ich auch nicht zustande. Ich kannte nur die menschliche Sprache.

„Mein Name ist Faye Gleamridge", sagte ich mit möglichst fester Stimme.

Das war offenbar nicht das Richtige, denn der Wolf liess ein Geräusch hören, das wie ein Bellen klang. Es war ein zerrissener und scharfer Ton.

Gleich darauf preschte er vor. Ich wurde zu Boden geworfen, konnte noch schützend eine Hand vors Gesicht halten, doch seine Fangzähne bohrten sich tief in meinen Unterarm. Blut quoll hervor.

Mein Schrei wurde sofort von der Erde verschluckt, als hätte er nie meine Kehle verlassen.

Der Wolf sprang von mir herunter.

Stöhnend zog ich meinen Arm an den Körper. Der silberne Wolf machte einen Bogen um mich, aber liess mich nicht aus den Augen. Er war noch nicht fertig mit mir, das sah ich ihm an.

Dieses Tier wollte mich töten und nun verstand ich, warum der Chief mich hierher geschickt hatte: Die Rache war nicht seine, sondern jene dieses Wolfes. Das musste Tala sein — die Seelengefährtin seiner Frau, die durch die Hand meines Vaters gestorben war.

Ich konnte ihren Schmerz durch ihre Wut förmlich spüren.

Sie litt fürchterlich.

Sie litt und es war meine Schuld, denn ich war die lebendige Erinnerung an den unerträglichen Verlust, den sie erlebt hatte. Ein gebrochenes Herz konnte heilen, nicht aber eine gebrochene Seele. Das wusste ich.

Trauer überkam mich, weil es weh tat, dieses Wesen so leiden zu sehen. Ich musste einfach etwas tun, um ihm zu helfen.

Meine Wunde pochte im Takt meines Herzschlages, doch ich presste den Arm fest an meine Körpermitte und setzte mich auf die Knie.

Die wütende Wölfin pirschte um mich herum. Jeden Moment würde sie mich ein zweites Mal packen — dieses Mal vermutlich fester. Sie suchte nach einem Arm, einem Bein oder einem Stück Fleisch, in das sie sich als Nächstes verbeissen wollte.

Die anderen Wölfe schauten einfach nur zu und schienen sich nicht zu trauen, in diesen unausgeglichenen Kampf einzuschreiten.

Vielleicht dachten sie ja, dass es gerecht war, was hier geschah.

Vermutlich war es das sogar.

Mein Herz stillte in meiner Brust. Ergeben senkte ich den Kopf.

„Es tut mir aufrichtig leid, was mein Vater getan hat", flüsterte ich, ohne zu wissen, ob die Wölfin meine Sprache überhaupt verstand. Ich strich mit meiner unverletzten Hand meine Haare hinter die Ohren, sodass mein Gesicht und mein Hals frei lagen.

„Du kannst mein Leben haben. Ich gebe es dir."

Tala fixierte sich auf meine Kehle — auf das, was ich ihr so willens anbot — und dann stürzte sie sich auf mich. Im selben Moment schloss ich die Lider, hielt den Atem an und wartete, bis sie es beenden würde.

Ein scharfer Schmerz jagte über meine Haut mit dem Wind, der an mir vorbeizog.

Und dann war es vorbei.

Die Wölfin rannte aus der Höhle.

Meine Fingerspitzen fanden die Wunde an meinem Hals. Die Verletzung war nicht tief, nur ein Kratzer. Nichts, das ich nicht überleben würde.

Tala hatte Gnade gezeigt.

Fassungslos starrte ich zum Ausgang, durch welchen sie die Flucht ergriffen hatte.

Da stupste mich jemand von der Seite an. Es war Lycans Wölfin, wie ich an ihrem nachtschwarzen Fell und den gelben Augen feststellen konnte. Sie schien mich in eine Richtung schieben zu wollen. Ich kroch in die Mitte der Höhle, bis sie aufhörte, mich mit ihrer Schnute zu schubsen und blickte verunsichert um mich.

Die anderen Wölfe kamen näher, vorsichtig, aber dennoch furchtlos.

Einer legte sich prompt auf meine Beine und war so schwer, dass es mir kurz den Atem verschlug.

„Oh!", stiess ich aus, doch dann legte sich bereits ein zweiter und ein dritter an meine Flanken. So ging das weiter, bis sich alle Wölfe in der Grube um mich eingerollt hatten.

Jemand leckte mir über den verletzten Unterarm. Überrascht zog ich ihn weg, doch der grauweisse Wolf mit zweifarbigen Augen stoppte mein Unterfangen mit seiner Tatze und hielt meinen Arm fest, damit er meine Wunde versorgen konnte.

Dasselbe geschah mit meinem Nacken. Shiras Zunge reinigte das Blut, das aus meinem Hals getreten war und als sie damit fertig war, leckte sie über mein Gesicht.

Ich merkte erst, als ich leise kichern musste, weil ihre Zunge mich so sehr kitzelte, dass ich weinte.

Tränen lösten sich von alleine aus meinen Augenwinkeln und rollten über meine Wangen. Tränen der Erleichterung oder der Überforderung, womöglich sogar beides — ich wusste es nicht genau.

Die Wölfe kuschelten sich enger an mich, grummelten und brummten, einige schnarchten bereits und als Shira und der grauweisse Wolf meine Wunden gesäubert hatten, hüllte sich der schwere Schlaf um uns.

Behutsam legte ich mich hin und bettete meinen Kopf auf ein weiches Fell. Es war ein sonderbar wohliges Gefühl, das mich überkam, als ich die Augen schloss.

Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich akzeptiert.

Und in Sicherheit.

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Author's notes: 

Hallöchen, Kinder des Mondes 🌑

Wie hat euch das Kapitel gefallen? 

Faye hat es ganz gut gemacht und sich der Gnade der Wölfin Tala gestellt. Was der Chief zur Kuschelsession wohl sagen wird? 

Geniesst euer Wochenende! 

Wir schreiben uns.

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