6- Ertrunkene Erinnerungen

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Drei Jahre zuvor

➴♚➶

          „Manchmal glaube ich, du magst mich nur für mein Zimmer."

„Blödsinn. Ich mag dich für dein Geld und deine Macht." Riden kniete auf der Fensterbank und presste sein Gesicht gegen die Scheibe.

„Welches Geld? Welche Macht? Weißt du, in wessen Zimmer du bist?" Rief Julianna aus dem angrenzenden Bad heraus.

Riden war vor Sonnenaufgang in Julianas Zimmer aufgetaucht, um einen kleinen Trupp Soldaten auszuspionieren. Sein Vater hatte das Auswahlverfahren für den nächsten Hauptmann begonnen und Riden bis zu seinem eigenen Test von den Kämpfen ausgeschlossen. Ridens Zimmer sah auf die wundervollen Gärten des Palasts hinaus- Juliannas auf den Trainingsplatz.
„Das Geld und die Macht, die du als zukünftige Königin Clevems bekommen wirst."

Julianna streckte den Kopf aus dem Bad. Er sah nicht einmal ihre Richtung
„Hast du dich schon wieder an den Medikamenten deines Onkels bedient?" Zu ihrem Glück sah Riden nicht, wie rot sie angelaufen war. Es war egal, wie oft er diesen Witz machte, ihr wurde trotzdem jedes Mal warm.

Weil er ihr nicht antwortete, lief sie zu ihrer Truhe und ging davor in die Knie. „Großmutter", flüsterte sie mit einem Lächeln, ehe sie vorsichtig das Eheband herausnahm und es liebevoll in das morgendliche Licht hielt. Es war wunderschön, fein gewoben und aus teurem Stoff. Trotzdem hatte ihre Großmutter sie selbst als kleines Kind mit ihrem spielen lassen. Die Erinnerungen wärmten sie auf und nahmen sie mit aus dem Zimmer, sodass sie Ridens lamentierende Kommentation der Duelle verpasste. Das Lächeln der alten Frau, ihr morgendlicher Tee. Und eine Unmenge an Kuchen.
„Ich hoffe du bist stolz auf eine Enkelin."

Sie erwartete keine Antwort. Das wäre verrückt. Aber es half ihr, jeden Tag ihr Bestes zu geben. Sanft legte sie das Band in die Schatulle zurück und verstaute beides in der Truhe. Dann nahm sie ihr Schwert hoch. Nur noch zwei Jahre und dann war ihr Training beendet. Sie würde endlich ein vollwertiges Mitglied am Hof sein und den Nachnamen ihres Großvaters annehmen dürfen.

Mit ihrem allmorgendlichen Ritual beendet, meldete sich ihr Magen. Sie warf einen hoffnungsvollen Blick zu Riden. Das Licht malte neue Muster auf seine Sommersprossige Haut. Seine Haare hatten an diesem Morgen noch keine Liebe des Kamms erfahren. Sie standen wild in alle Richtungen, jede Locke mit ihrem eigenen Leben beschäftigt. Sie mochte diesen Riden am liebsten. Nur sie und seine Familie sahen ihn so.
„Ich geh runter, was frühstücken. Kommst du mit oder versuchst du dich weiter, als mittelmäßiger Spion?"

„Nur noch kurz", nuschelte Riden gegen die Scheibe. Sein Atem beschlug die Oberfläche und machte es nur noch schwieriger zu erraten, was dort unten vor sich ging. Er war so vollkommen er selbst, dass es ihr wiederum leichter fiel, ebenfalls die Schutzmauern zu senken. Ihr kleines Ritual? Ein Albtraum, wenn jemand anderes davon erfuhr. Aber Riden hatte nie auch nur ein Wort darüber verloren.

Im Gegenzug dazu bekam sie seine ungekämmte, nervöse Seite zu sehen, die sich sicher war, dass er das Duell gegen seinen Vater verlieren würde.

Julianna zuckte mit den Achseln und zog den Schlüssel aus der Tür. Achtlos warf sie ihn neben Riden auf den Boden.
„Schließ ab, wenn du fertig bist, in Ordnung?" Und damit ließ sie ihn alleine.

Es störte sie nie, wenn Riden sich in ihrem Zimmer aufhielt. Ihr gefiel die Gesellschaft, das Gefühl, dass er lieber mit ihr Zeit verbrachte, als mit den vielen Mädchen, die rein zufällig jeden Morgen vor seiner Zimmertür warteten. Sie hätte ihm ohne darüber nachzudenken sogar ihre Truhe anvertraut.

Riden machte sich darüber wenig Gedanken. Für ihn war es ganz normal, dass er in Juliannas Zimmer zurückblieb, manchmal weil er sich dort versteckte, manchmal, weil er den Geruch ihres Kissens lieber mochte und bis heute nicht herausgefunden hatte, was genau das war.

Heute war er allerdings so abgelenkt, dass er erst bemerkte, als sie sich hinter ihm räusperte. Ihr Anblick inmitten des Zimmers war so fremd, dass er sich zwei Mal zu ihr umdrehen musste, ehe ihm klar wurde, dass Julianna nicht zurückgekehrt war.
„Was machst du hier?", war seine ganze Begrüßung. Er überlegte, ob er das Fenster öffnen sollte, um einen besseren Blick zu bekommen.

„Ich könnte dich dasselbe fragen", erwiderte sie mit einem schmalen Lächeln, das sichtlich bemüht war, freundlicher auszusehen, als sie sich fühlte, „Ich suche Julianna."

„Oh, die ist beim Frühstück." Riden öffnete das Fenster. Ihm war vage bewusst, dass viele Kerle sämtliche Duelle vergessen hätten, wenn sie sich in einem Zimmer mit Lakira befunden hätten. Aber schließlich verdiente es auch keiner von denen Hauptmann zu werden.

„Ich suche ein paar Handschuhe, die sie sich von mir ausgeliehen hat. Eine Ahnung, wo sie sie vielleicht aufbewahrt?", versuchte Lakira es erneut. Ihre Stimme gewann merklich an Schärfe.

Etwas in Ridens Nacken prickelte. Ein Verdacht oder eine Vorwarnung. Er ignorierte sie, weil sein Vater unten auf dem Platz ein neues Duell begann.
„Sie bewahrt alles Wichtige in ihrer Truhe auf. Sieh da mal nach. Aber mach keine Unordnung!" Den letzten Satz hatte er nachgeschoben.

Das Duell war schneller beendet, als er zu Ende gesprochen hatte. Es gab ihm einen kurzen Augenblick zum Nachdenken. Julianna hatte sich Handschuhe ausgeliehen? Wofür? Und ausgerechnet bei Lakira? Ihm dämmerte, dass er vielleicht einen Fehler gemacht hatte und wollte Lakira bereits aus dem Zimmer schicken, als sein Vater den Kopf drehte. Und selbst auf die Distanz bis hoch in den zweiten Stock, wusste Riden, dass er ihn entdeckt hatte.

Mit einem Ruck riss er das Fenster wieder zu. Eine Reihe Flüche entkamen seinem Mund und er fiel förmlich von der Fensterbank. Spion ertappt. Und jetzt?
„Lakira, ich muss ebenfalls zum Frühstück-..."

Sie saß vor der Truhe und starrte ihn aus großen blauen Augen an. Ihr violettes Kleid war um sie herum ausgefächert, wie in einem Gemälde.
„Aber meine Handschuhe..."

Keine Zeit, keine Zeit.
Mit dem Fuß kickte Riden den Schlüssen zu ihr. Vielleicht konnte er ja behaupten, dass sein Vater nur Lakira gesehen hatte?
„Schließ die Tür ab, wenn du gehst und gib Julianna den Schlüssel zurück." Und schon war er draußen, auf der Suche nach einem Alibi.

Lakira tat wie geheißen. Allerdings freute sich Julianna überhaupt nicht, von ihr den Schlüssel zu ihrem Zimmer zurückzubekommen.
„Wo hast du den her?" Sie stand vor dem Speisesaal, ein ungutes Gefühl im Bauch. Neben Lakira sah sie aus, wie ein Bauernkind in Hosen und mit Trainingshemd. Unzivilisiert. Sie wollte hinunter zum Platz und die Auswahl anschauen.

„Riden hat ihn mir gegeben", antwortete die Prinzessin fröhlich, „Ist er nicht hier?" Sie reckte sich auf ihre Zehenspitzen, um über Julianna in den Speisesaal zu sehen.

Julianna schüttelte den Kopf. Lakira fröhlich war beunruhigender, als Lakira wütend. Und Lakira nett und höflich war ein sicheres Todeszeichen. Irgendetwas war passiert.

Und als hätte das Schicksal ihre Gedanken gehört, stürzte Callis um die Ecke des Flurs.
„Julianna!" Er sah aus, als hätte er sich durch ein Dickicht geschlagen. Kratzer auf seinen Armen und in seinem Gesicht. Blätter in seinen Haaren und Dreck auf den Knien seiner Hose. Wenn sein Vater ihn so sehen würde, würde es ein paar Takte geben.
„Julianna, sie haben deine Truhe gestohlen!"

„Was?" Juliannas Welt wurde merklich kleiner. In der Truhe war ihr Schwert und das Eheband. Das sonnige Gefühl ihrer Kindheitserinnerungen verflüchtigte sich zwischen ihren Händen. Sie durfte dieses Band nicht verlieren. Sie durfte ihre Verbindung zu ihrer Großmutter nicht verlieren.

Atemlos stoppte Callis neben ihr und Lakira, die immer noch lächelte.
„Sie haben sie über die Klippe in den See hinter dem Garten geworfen!"

Juliannas Herz setzte einen Schlag aus. Sämtliche Angst verflüchtigte sich in eine befremdliche Leere. Das durfte nicht sein. Das konnte nicht sein. Riden war in dem Raum gewesen und hatte aufgepasst. Er wusste, wie viel ihr dieses Band bedeutete.
„Wer?" Die Frage klang hol aus ihrem Mund.

Beinahe hätte sie nicht bemerkt, wie Lakira ihr sanft eine Hand auf die Schulter legte.
„Ich hatte Riden und Lerran über einen Streich reden gehört, aber niemals erwartet, dass sie das durchziehen würden."

Streich?
Etwas in Julianna erwachte wieder. Grob schüttelte sie Lakiras Hand ab.
„Riden würde sowas niemals machen! Lerran ist nur eifersüchtig, weil ich eine bessere Schwertkämpferin bin als er. Aber Riden-..." Ihr Blick fiel auf Callis und ihre Stimme erstarb.

Riden war ihr bester Freund... oder?

„Lass uns zum See gehen", schlug Callis kleinlaut vor. Und das taten sie auch.

Lerran, eine Handvoll anderer Jungen und Riden standen auf einem Klippenvorsprung und sahen hinunter auf den See. Kleider trieben auf der Oberfläche in seichten Kreisen. Sie sahen aus wie Ölfarbe in Wasser. Sie waren das letzte Überbleibsel von dem, was der See verschluckt hatte.

„Volltreffer", gratulierte einer der Jungen, „Du hast voll die Mitte erwischt."

Lerran grinste. Er stand am nächsten zu dem Kronprinzen und klopfte dem auf die Schulter. Als er sich von dem Anblick abwandte, bemerkte er Julianna und Callis, die den Weg zu ihrem Vorsprung herunterkamen.
„Ich wusste gar nicht, dass du auch Kleider hast", rief er Julianna entgegen, die Arme ausgebreitet wie ein Zirkusdirektor, „Warum trägst du immer diese hässlichen Reithosen?"

Einige der Jungen lachten, doch die Schwarzhaarige hatte nur Augen für ihren besten Freund. Er stand zwischen ihnen, als einer von ihnen. Unter Freunden. Warum?
Sie stoppte und es machte keinen Unterschied mehr, dass das schlechte Gewissen überall in seinem Gesicht zu finden war. Er fühlte sich ertappt.

Ihr Herz brach und ihre Augen wanderten an ihm vorbei. Zu der Seeoberfläche auf der ihre Unterwäsche zwischen Geschenken der Königin trieben. Ihr komplettes Hab und Gut, jede liebevolle Geste, die man ihr jemals gezeigt hatte, all ihre Erinnerungen- fort. Ihre Hände zitterten.
Sie wollte ihn fragen, warum er das getan hatte. Aber sie musste sich auf die Unterlippe beißen, um die Tränen zurückzuhalten.

Sie würde nicht vor ihnen weinen. Vor den Jungen, die anzügliche Bemerkungen machten und darüber lachten, dass sie komplettes Leben gerade ertrank. Als wäre das letzte Stück ihrer Großeltern nicht in diesem See untergegangen. Erinnerungen an die Beerdigung und das Absenken des Sargs kamen zu ihr zurück.

„Julianna." Riden machte einen Schritt auf sie zu, tausend Erklärungen und Entschuldigungen in seinem Kopf, doch sie drehte sich sofort um. War fort, bevor er auch nur einen Schritt machen konnte.

Sie rannte so schnell, dass sie mehrfach hinfiel. Callis sah ihr ebenfalls hinterher, das Gesicht vor Mitgefühl verzerrt. Als er den Blick seines Cousins auffing, schüttelte er verständnislos den Kopf.
„Das wird sie dir niemals verzeihen, Riden", murmelte er tonlos.

„Hoffen wir, dass sie das niemals vergessen wird", tönte Lerran und erntete eine neue Runde schallendes Gelächter. Er klopfte seine Hände ab, als hätte er seine Tagesarbeit hiermit geleistet.

Ridens Hände ballten sich zu Fäusten. Er hatte versucht, sie aufzuhalten. Hatte seinen Fehler bemerkt und war zu Lakira zurückgekehrt, nur um Lerran und seine Freunde vorzufinden.

Sie jetzt so zu hören, hämmerte in seinem Kopf, bis er glaubte, dieser müsste explodieren. Die Hände zu Fäusten geballt, drehte er sich zu Lerran um.
„Wenn du noch einmal auch nur in ihre Richtung atmest, werden wir sehen, ob ich dich genauso treffsicher in die Mitte des Sees werfen kann, verstanden?" Und dann rannte er seiner besten Freundin hinterher.  

➴♚➶

"Wer würde mir helfen, Lerran in den See zu werfen?" - Riden. 

Doppelupdate? :D 

Wollt ihr wissen, wie ich gerade schreiben? Wenn ihr auf meiner Instagram-Story vorbei schaut, lernt ihr vielleicht auch den Fleurrito kennen. Buchecken-Fresserin, Seitenzahlen-Ignorantin. Kopfkissen. TJs kleine Schwester :D
(Inspiration für Julianna 'Fleuristan') :D
[klickbarer Link auf meinem Profil?]


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