7. Abfahrt

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„Simon, wach auf!", leichtes Rütteln an der Schulter weckte ihn, aber Simon war nicht bereit aufzustehen. Viel mehr wollte er genau hier liegen bleiben, mit dem Kopf auf der warmen Brust. Schlagartig war er wieder wach. Žans Brust. Oh Gott.

Mit dem Arm, den er um Žans Hüfte geschlungen hatte, klammerte er sich an ihm fest, suchte Halt. Er wollte nicht zurück zu Janica und sich der unbequemen Wahrheit stellen. Natürlich war sie eine Jugendliebe und diese gingen oft genug auseinander, ohne dass jemand die Gründe hinterfragte, doch das änderte nichts daran, wie er sich dabei fühlte. Zumal er sich auch nicht mehr sicher war, ob seine Liebesgeständnisse ihr gegenüber überhaupt Substanz hatten – und ob nicht das, was er eben mit Žan erlebt hatte und die Verletzlichkeit, die er dabei zugelassen hatte, viel tiefer gingen als all die Monate mit Janica.

„Simon!" Žan versuchte es erneut; schüttelte seine Schulter. „Ich würde dich jetzt auch lieber hierbehalten, aber das geht nicht." Sanft zeichnete er mit dem Finger Simons Wirbelsäule nach, der daraufhin wohlig brummte. Er müsste schon verrückt sein, wenn er jemals wieder freiwillig aufstehen würde.

„Ich will nicht."

„Du musst. Wenn uns jemand zusammen findet, ist die Hölle los." Žan drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, als Simon sich langsam aufsetzte. Die Nachttischlampe brannte immer noch, warf ihr warmes Licht auf Žans Gesicht, das deutlich von Schlaflosigkeit gezeichnet war.

„Wie spät ist es?" Simon rieb sich die Müdigkeit aus den Augen.

„Ich weiß nicht, vier vielleicht."

„Hast Du überhaupt geschlafen?"

„Nein, konnte nicht. Da hat jemand auf meiner Brust vor sich hin geschnarcht." Ein sanftes Lächeln lag auf Žans Lippen und schon jetzt vermisste Simon seine Umarmung, wollte sich am liebsten wieder zu ihm legen und bis zum Morgen durchschlafen, um sich vor der Welt zu verstecken.

Žan hatte ihn aufgefangen, als ihn vorhin die Gefühle übermannt hatten; hatte ihm gezeigt, dass er unglaublich einfühlsam sein konnte, auch wenn er sonst so oft mit distanzierter Arroganz auftrat. Und von diesem Žan hätte Simon gerne mehr – auch wenn das absurd war. Wie sollte das schon funktionieren? Trotzdem; Simon war froh, dass er ihn auf diese Weise hatte kennen lernen dürfen.

Er hatte ihm das Pflaster der Selbsterkenntnis einfach abgerissen; und Simon war ihm dankbar. Die Erkenntnis, dass Simon wohl doch mehr an Männern interessiert war als an Frauen, war schnell und schmerzvoll gekommen.

Dafür musste er jetzt die Scherben allein aufsammeln.

„Danke", flüsterte Simon und legte eine Hand an Žans Wange, der ihn mit unergründlicher Mine ansah, dann aber seine Hand auf Simons legte. Die Zärtlichkeit dieses Moments ließ ihm den Atem in der Kehle stocken.

Was tat er da? Nein, er konnte doch jetzt nicht sentimental werden, nur weil ihm der Bruder seiner Freundin einen fantastischen Blowjob gegeben hatte und danach mit ihm gekuschelt hatte. Er riss sich förmlich los und schwang die Beine aus dem Bett. Fast hektisch las er seine Shorts vom Boden auf und streifte sie sich über. Er musste weg hier, bevor sich Gefühle in seiner Brust einnisten konnten, die dort nichts verloren hatten.

„Simon?", Žan klang flehentlich.

„Hm?" Er drehte sich nicht um, denn er wusste, dass der Vorsatz nicht mehr in diese Situation zu interpretieren als das, was sie war, wieder in sich zusammenstürzen würde wie ein Kartenhaus, sobald er Žan ansehen würde.

„Sei gut zu meiner Schwester, ja? Sie kann nichts dafür, aber Du kannst nicht weiter mit ihr zusammen sein."

„Gib mir ein bisschen Zeit. Aber Du hast recht, ich muss das beenden." Der Kloß in Simons Hals war wieder da, doch er ließ sich nicht beseitigen. Seufzend verließ er Žans Zimmer und schlich sich zurück zu Janica. Erleichtert stellte er fest, dass sie noch immer schlief; sie hatte sich kaum bewegt, seit er sie zurückgelassen hatte. Den Frieden, den er auf ihrem Gesicht sah, konnte er ihr nicht länger geben.

Wie an anderen Abenden legte er sich wieder auf das zweite Bett, er ertrug es nicht, sich neben sie zu legen, wo er immer noch den Geschmack ihres Bruders auf der Zunge trug. Gott, wie sollte er sie jemals wieder küssen?

Er konnte sich nicht direkt morgen von ihr trennen, wie würde das denn aussehen? Ein paar Wochen noch, so lange musste er es schaffen.

In dieser Nacht fand er nicht zurück in den Schlaf; zu viele Gedanken spukten ihm durch den Kopf und zu sehr fehlte ihm Žans Wärme. Zu seinem großen Erstaunen, kämpfte er weniger mit der Bestätigung, dass ihn Sex mit einem anderen Mann so sehr erregt hatte, dass er tatsächlich schwul sein könnte, sondern mit der Situation, in die er sich gebracht hatte.

Dass seine Freundin hier bei ihm schlief, sich vielleicht nach ihm sehnte, so wie er sich gerade nach ihrem Bruder verzehrte.

Dass Žan ihn so an sich herangelassen hatte, machte ihn halb wahnsinnig – bisher kannte er andere Jungs nur als Draufgänger, die dumme Sprüche klopften. Doch Žan hatte ihm erlaubt, hinter die Fassade zu blicken. Vielleicht hatte er sich ja genau deshalb nie für Männer interessiert, weil ihn die Oberflächlichkeiten nicht anzogen und noch nicht der richtige dabei gewesen war? Und vielleicht hatte er genau das in Janica geglaubt zu sehen?

Als es draußen langsam hell wurde, erwachten zuerst die Vögel vor ihrem Fenster, dann auch die Eltern. Das Klappern von Geschirr, der gedämpfte Klang ihrer Stimmen und das schleifende Geräusch von müden Schritten hallten durch das Haus.

Bald darauf war auch aus Žans Zimmer Bewegung zu vernehmen. Ob er überhaupt noch geschlafen hatte? Schranktüren wurden geöffnet und wieder geschlossen, dann das Surren eines Reißverschlusses. Er packte; natürlich. In Simon wuchs das Verlangen, noch einmal zu ihm zu gehen, ihn in den Arm zu nehmen und endlich zu küssen, aber er verbot es sich. Vergrub stattdessen das Gesicht im Kissen und hoffte, dass er bald weg wäre, damit er ihn nicht mehr sehen konnte.

„Bist Du wach?", Janicas verschlafende Stimme befreite ihn aus seiner Misere und gab ihm etwas, auf das er sich konzentrieren konnte.

„Ja. Guten Morgen, mein Schatz." Hölzern kamen die Worte über seine Lippen; es war eine Farce. Eine Heuchelei, die er noch ein wenig aufrechterhalten musste, auch wenn sich gleich viel lieber in Žans Auto setzen würde als zu Janica auf die Rückbank des Familienautos. Verdammt!

„Oh, es ist schon sieben. Komm, wir müssen los."

Am Frühstückstisch plauderte Janica ausgelassen mit ihren Eltern, während Simon schweigsam seinen Kaffee trank; Hunger hatte er keinen. Überhaupt, der Schlafmangel hatte seine Augen zuschwellen lassen und er musste sich zurückhalten, die Stirn nicht auf die angenehm kühle Tischplatte sinken zu lassen. Die quälenden Gedanken der Nacht waren einer bleiernen Müdigkeit gewichen.

Als sich Simons Kaffeetasse bereits geleert hatte, schlich Žan in die Küche. Unter seinen Augen lagen dunkle Schatten und das Grau war matt; hatte er überhaupt geschlafen? Das schlechte Gewissen nagte an Simon, doch er konnte nichts sagen. Žan vermied es, seinen Blick aufzufangen und schenkte sich selbst eine Tasse Kaffee ein, bevor er zu einer Scheibe Brot griff.

Nichts deutete darauf hin, was sie diese Nacht geteilt hatten und doch gab es für Simon gerade nichts anderes, was von Bedeutung war. Aber es durfte nicht sein; nicht so. Vielleicht irgendwann. Was, wenn er sich doch an der Uni in der Stadt bewarb, in der Žan lebte? Was, wenn sie sich dort unter anderen Umständen trafen.

Vielleicht gab es ja doch Hoffnung? Dort wären sie weit weg von zuhause, von Janica, von allem Unrechtsbewusstsein. Dort gäbe es nur Žan und ihn.

„Hast Du schon gepackt, Simon?", Janica riss ihn aus seinen Träumereien. Was dachte er auch, als ob Žan sich jemals weiter auf ihn einlassen würde.

„Nein, tut mir leid. Ich mache das eben." Ohne aufzusehen, flüchtete Simon aus der Küche; nur weg von Žan und allem, was er verhieß. Er brauchte sich keine Illusionen zu machen.

Er warf gerade seine Badehose in den offenen Koffer, als unten in der Einfahrt ein Motor gestartet wurde. Es konnte nur eins bedeuten – Žan fuhr, ohne sich zu verabschieden.

Simon kämpfte gegen den Druck auf seiner Brust, als er dem Ford Fiesta zusah, wie er rückwärts auf die Straße rollte und sich dann schnaufend von dannen stahl.

Das war es also.

Mehr war er Žan nicht wert. Halt, nein. Er tat Žan unrecht; vielleicht ging es ihm ja ähnlich. Vielleicht ertrug er es ebenso wenig ihn zu sehen.

Frustriert raufte er sich die Haare. Das führte zu nichts.

„Bist Du fertig?", Janica betrat lächelnd das Zimmer und legte die Hände in seinen Nacken.

„Gleich. Nur noch die Sachen im Bad."

„Gut, wir fahren in einer halben Stunde. Žan ist schon weg."

Simon nickte und zwang sich zu einem schmallippigen Lächeln.

„Ich soll dich lieb von ihm grüßen. Und dir ausrichten, dass Du halten sollst, was Du ihm versprochen hast. Keine Ahnung, was er meint."

„Ich schon", flüsterte Simon und zog Janica in eine Umarmung. Er brauchte den Halt, denn Žans Abschiedsgruß riss ihm den Boden unter den Füßen weg.

Eine absurde Hoffnung schlich sich in sein Herz, dass er Žan wiedersehen würde. Und dass dieser das ebenso wollte.

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