14. Kapitel

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Als ich meine Augen aufschlage, seufze ich leise. Sofort dringt das leise, aber stetige Piepen in meine Ohren, welches mir versichert, dass ich noch lebe. Mittlerweile verfluche ich es und wünschte, dass es während ich schlafe ausgehen würde. Denn das, was ich momentan mache, kann man nicht leben nennen.

Mit zitternden Armen stütze ich mich hoch, schaue mich um. Ich brauche ein wenig, bis ich das Frühstück wahrnehme, welches neben mir auf dem Tisch steht. Alleine beim Anblick wird mir schlecht, weshalb ich mich wieder abwende und hinlege, die Decke über mich gezogen. Was mache ich hier überhaupt noch?

Ein Klopfen ertönt, dann wird meine Tür geöffnet. Mama und Papa! Stimmt, ich wollte heute raus! Sofort versuche ich mich wieder hochzustützen, aber meine Arme knicken unter dem Gewicht ein. Hoffentlich haben sie es nicht gesehen ...

Die Hoffnung wird aber jäh zerstört, als mir die glasigen Augen meines Vaters entgegenblicken. Mama hat einen Arm um ihn gelegt. Wenn es nicht diese Situation wäre, würde ich denken, dass sie ihm gerade eine Überraschung gemacht hat und er sich sehr freut.

„Guten Morgen." Die Matratze senkt sich, als Papa sich auf die Seite setzt. „Wie geht es dir?" Seine Stimme ist viel schwacher, als ich sie in Erinnerung habe ... nicht wie damals, als noch alles gut war und wir eine Familie, welche am Wochenende immer Brettspiele gespielt hat. Was ist mit der Tradition überhaupt passiert?

„Ganz gut", antworte ich, während ich meine Arme um meinen Bauch schlinge, um noch mehr Wärme in meinem Körper zu behalten.

„Okay." Er schaut sich um, hält inne, als er das Frühstück sieht, welches mir Jana reingebracht haben muss. „Möchtest du noch etwas essen, oder schon raus?"

Ich zucke mit den Schultern und lasse meinen Kopf in das Kissen sinken. Mama hat sich mittlerweile hingesetzt und schaut den Monitor an, welcher meine Herzfrequenz anzeigt. Sie ist stabil.

„Wie geht es deinem Kopf?", meldet sie sich zu Wort und erwischt mich dabei, dass ich sie ansehe.

„Ziemlich gut. Die höhere Dosis Paracetamol scheint zu wirken."

Als sie sich vorbeugt, um mir eine Locke aus dem Gesicht zu wischen, merke ich, wie mir Tränen in die Augen steigen. Es ist so erbärmlich. Irgendwelche Maschinen halten mich am Leben, obwohl ich schon halbtot bin.

„Das freut mich zu hören! Ich hatte Jana Bescheid gesagt, dass sie uns, wenn sie Zeit hat, einen Rollstuhl vorbeibringen-"

„Ich laufe!", protestiere ich. Viel mehr Energie als sonst steckt hinter meiner Stimme. „Ich laufe."

„Schatz, du quälst dich doch nur selbst."

Ich muss mich zusammenreißen, um mir zu verkneifen, dass das, was hier gerade stattfindet, auch nur Quälerei ist. „Ich möchte laufen und nicht im Rollstuhl sitzen. Was sagst du dazu, Papa?" Schnell drehe ich meinen Kopf, weshalb mein Sichtfeld verschwimmt und ein paar Sekunden braucht, bis es wieder scharf ist.

Abwehrend hebt er seine Hände und sein Blick huscht zwischen Mama und mir hin und her. „Ich denke, wir schauen, wie es funktioniert und entscheiden dann", antwortet er zögerlich. Trotzdem bekommt er einen wütenden Blick von meiner Mutter, welche sich dann aber zu einem Lächeln zwingt und ein leises „dann machen wir es so" entgegnet.

„Ich würde mich dann kurz umziehen." Im T-Shirt ist es mir dann doch zu kalt. „Könnt ihr rausgehen? Ich komme dann, wenn ich fertig bin."

Sobald meine Eltern verschwunden sind, versuche ich mich hochzustützen. Augenblicklich kommen die Schmerzen wieder, welche mich für kurze Zeit lähmen. Meine Augen halte ich starr auf einen Punkt gerichtet, während ich meine Hände auf meinen Oberkörper presse, in der Hoffnung, dass es die Schmerzen lindert. Es ist alles okay. Ich muss nur ruhig bleiben und tief atmen, dann kann ich es ein wenig kontrollieren. Immer wieder sage ich die Worte in Gedanken zu mir, bis es aushaltbar wird.

Langsam schiebe ich meine Beine über die Bettkante und sobald sie nicht mehr unter der Decke sind, bildet sich Gänsehaut an ihnen. Wie kalt ist es hier drinnen?

Schon als meine Zehen den Boden berühren, gefolgt vom Ballen, weiß ich, dass das eine schlechte Idee ist. Aber es wird funktionieren. Als meine Füße mit der Sohle auf dem grauen Boden aufkommen, ziehe ich sie blitzschnell zurück. Ich sollte mich doch lieber unter meine Decke kuscheln, da ist es warm ... aber ich möchte raus, bevor ich sterbe.
Deshalb verlagere ich langsam mein Gewicht auf meine Füße, passe auf, wie mein Körper reagiert. Wider Erwarten zitternd meine Beine nicht und scheinen keine Probleme zu haben, mich zu tragen.
Mit staksigen Schritten und einer Hand an der Wand gehe ich zu meiner Tasche und fische ein paar Klamotten heraus.

Nachdem ich mich angezogen habe, gehe ich zur Tür. Vor ihr bleibe ich stehen, atme tief durch. Ich darf nicht so laufen, als wäre ich ein Neugeborenes, welches das noch nicht gelernt hat. Ich bin stark genug, dass ich das schaffen kann.

In dem Moment, in welchem ich die Tür aufdrücken möchte, ertönt die Stimme von meiner Mutter.

„Sie wollte sich umbringen! Du kannst das nicht gelassen sehen und sagen, dass das okay ist? Ist dir deine Tochter denn nichts wert?"

„Natürlich ist sie das! Aber ihr geht es nicht gut und das ist für sie eben das Beste. Und ich möchte nicht, dass sie so sehr leidet und das solltest du auch verstehen."

„Das ... das ist bloß irgendein Irrsinn!"

Bevor sie weiterreden kann, öffne ich die Tür, ein Lächeln auf dem Gesicht. Sie wird mich nicht unterstützen in meiner Idee. Dementsprechend kann ich es ihr nicht erzählen. Aber wenn ich Papa davon erzählen würde, würde er es wahrscheinlich Mama sagen - das geht also auch nicht. Dann mache ich es, ohne jemandem Bescheid zu sagen. In zwei Tagen bin ich 18 und in meiner Patientenverfügung war nicht angegeben, dass ich nicht über so etwas entscheiden darf. „Hey! Ich bin fertig", begrüße ich meine Eltern, welche innegehalten haben, sobald ich aus dem Zimmer getreten bin.

„Okay. Dann lass uns los, Schatz." Meine Mutter hält mir einen Arm hin, welchen ich aber ignoriere. Ich kann das alleine. Ich muss das alleine können! So kaputt bin ich noch nicht. Als sie bemerkt, dass ich mich nicht auf sie stützen möchte, zieht sie die Hand zurück und schaut zu meiner Rechten, an welcher mein Vater läuft.

Er hat die Hände in den Taschen vergraben, schaut geradeaus auf den Kicker, an welchem ein Junge - vielleicht acht - alleine spielt. Ich habe ihn schon einmal gesehen, als ich mir Essen geholt habe. Ein riesiges Grinsen war auf seinem Gesicht und er hat mir einen schönen Tag gewünscht. Was er wohl erlebt?

„Mary!" Ich bleibe stehen, als der Kleine auf mich zugerast kommt und vor mir stehen bleibt. Er kennt meinen Namen? „Dir geht es besser!", ruft er erfreut aus, wahrscheinlich darauf bezogen, dass ich laufe.

Ich zwinge mich zu einem Nicken, während mir wieder die Tränen in die Augen steigen. Wenn es eine Sache gibt, welche mich an meinem Krebs nervt, dann, dass ich viel zu sentimental bin, da ich weiß, dass ich geradewegs auf meinen Tod zusteuere. „Dir scheint es auch gutzugehen, oder?"

„Ja, absolut! Ich bin mit der Chemo durch und bleibe noch vier Tage und", er legt in den Kopf in den Nacken, scheint nachzudenken, „drei Stunden hier, dann werde ich entlassen!" Bevor ich etwas darauf erwidern kann, umarmt er mich stürmisch.

Für eine kurze Zeit stehe ich steif dort, schaue an mir hinunter. Dann lege ich meine Hände auf seinen Rücken. „Das ist ja schon ganz bald! Ich freue mich wirklich für dich!" Vier Tage und drei Stunden. Dann bin ich in fünf Tagen tot.
Sobald ich den Gedanken zu Ende gedacht habe, kommt ein beruhigendes Gefühl in mir auf. Nicht einmal eine Woche mehr muss ich das hier mitmachen. Dann bin ich frei.

„Willst du mit mir Kicker spielen? Mein Bruder ist schon weggegangen, Mama hat einen Arzttermin und Papa muss arbeiten. Deshalb ist niemand da." Er ist wieder ein Stück zurückgetreten und schaut mich mit einem Hundeblick an.

Es fühlt sich nicht gut an, es ihm auszuschlagen, aber ich möchte noch an die frische Luft, bevor ich sterbe. „Das machen wir wann anders, ja? Ich wollte jetzt gerade nach draußen mit meinen Eltern", ich deute auf Mama und Papa, welche am Rand stehen und uns beobachten, "aber wir finden bestimmt noch eine Gelegenheit."

Kurz verziehen sich seine Lippen, aber schnell fängt er sich wieder. „Versprochen?" Auffordernd hält er mir seinen kleinen Finger hin und zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht.

„Versprochen." Ich hake mit ihm ein, weshalb sich auch auf seinem Gesicht ein Grinsen bildet. „Dann bis dann!", ruft er und stürmt dann davon.

Langsam verschwindet mein Lächeln und die Erschöpfung kommt zurück, vertreibt die Freude, welche er mir eben eingehaucht hat. Ich kann ihm nicht sagen, dass ich sterbe. Sonst hat er vielleicht Angst, dass er auch stirbt oder dass der Krebs zurückkommt. Deshalb erst in fünf Tagen.

„Wie heißt er?", fragt mein Vater und tritt wieder neben mich.

Ich zucke mit den Schultern und antworte: „Keine Ahnung." Wir haben bisher nur zwei mal geredet und das davor war nur kurz, als er mich fragte, ob er mein Kartoffelpüree haben könne. Als ich an die Konversation denke, muss ich wieder lächeln, so absurd wie sie war. „Wollen wir?"


Nicht einmal eine Stunde später bin ich wieder drinnen und liege in meinem Bett. Wir haben 10:30 an einem Wochenende. Normalerweise hätte ich jetzt wahrscheinlich geschlafen, oder mich mit Robin, Anja und Torben getroffen.

Bei dem Gedanken an die drei umschlinge ich meinen Körper. Ich weiß nicht, ob ich es ihnen sagen sollte. Es kommt mir beides falsch vor und vor allem zum jetzigen Zeitpunkt wäre es sinnlos, oder nicht?

Anja hatte ich damals erzählt, dass ich vergessen hatte zu essen und mein Kreislauf deshalb im Sportunterricht weg war - ob sie es mir abgekauft hat, weiß ich nicht. Aber selbst wenn ich es ihnen sagen würde, was würde es bringen? Sie würden sich unnötige Sorgen machen, aber könnten sich ordentlich von mir verabschieden. Ich sollte sie anrufen. Dann kann ich noch einmal ihre Stimme hören. Oder ist das egoistisch? Oder ist es egoistisch, wenn ich sie nicht anrufe?

Genervt von meinen eigenen Gedanken, lasse ich meinen Kopf in das Kissen hinter mir sinken. Ich hasse es, solche Entscheidungen treffen zu müssen.

Mein Blick huscht zu meinem Handy, welches neben mir auf dem Tisch liegt - neben dem Frühstück, das ich noch nicht angerührt habe. Wobei die Mandarine auf dem Tablett schon verlockend aussieht ...

Ohne viel darüber nachzudenken, greife ich nach meinem Smartphone und entsperre es. Ich kann erstmal auf Insta schauen, ob sie im Urlaub sind, oder ob ich generell störe. Dann verschiebe ich das eben auf morgen. Als ich Instagram öffne, hat aber keiner von ihnen eine Story. Langsam scrolle ich nach unten, schaue, was meine For-You-Page mir anzeigt.
In dem Moment, in welchem ich wieder nach unten scrollen möchte, fängt mein Handy an zu vibrieren und WhatsApp zeigt mir an, dass mich jemand mit Video anruft. Dadurch, dass ich noch in der Bewegung war, nehme ich den Anruf an.

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