3. Kapitel

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„Nein! Zu einem F kannst du keinen Akkord mit G machen, das klingt schräg! Oh mein Gott, ich dreh' bei dir echt durch. Warst du einmal im Musikunterricht da?" Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen und lasse mich an die Lehne des Küchenstuhls sinken. Ryder – neben mir auf seinem Schreibtischstuhl – löscht die Note wieder und greift nach seinem Handy, wo er sofort anfängt zu tippen. Warum hat er dieses Klack-Geräusch nicht ausgeschaltet? Ich merke, wie die Wut in mir immer weiter aufsteigt und ich das Gefühl habe im nächsten Moment auszuticken. Mein Kiefer ist angespannt, die Hände krampfe ich um meine Beine. Dann springe ich auf, presse ein „Ich trinke kurz" hervor und knalle seine Zimmertür hinter mir zu. Fünf Stunden. Fünf Stunden ertrage ich ihn. Nach jedem winzigen Fortschritt – und wenn es ist, dass wir ein Genre ausgeschlossen haben – geht er an sein Smartphone und schreibt mit jemandem. Das dümmliche Grinsen auf seinem Gesicht erspart er mir dabei auch nicht.

Tief atme ich durch, lege meine Hände auf meinen Brustkorb. Ich muss runterkommen, er sollte mich nicht so sehr aufregen. Zur Not mache ich nichts und versaue ihm sein Abitur. Wenn er es denn überhaupt- Nein, wir sind freundlich. Mit geschlossenen Lidern atme ich ein, zähle bis vier, atme aus, zähle wieder bis vier.

Dann öffne ich meine Augen und betrachte den Gang, in welchem ich mich befinde. Licht scheint durch das Fenster, welches oberhalb der Treppe liegt und tunkt den Flur in ein warmes Orange. Die Sonne steht knapp über dem Horizont und noch einmal kann man das letzte Licht einfangen. Die Welt hat so wunderschöne Aspekte.

Langsam schlendere ich die Stufen hinunter, in die Küche. Noch immer habe ich nichts gegessen, kein Hunger hat mich erfasst. Aber ich muss essen, sonst nehme ich noch weiter ab. Mein Blick wandert zu meinem Bauch. Mein Shirt flattert locker um meinen Körper herum, sodass man meine Konturen nicht sieht, was auch besser ist, da man sonst bemerken würde, dass ich abgenommen habe. Die Leute sollen sich keine Sorgen machen und außerdem würde vermutet werden, dass ich eine Essstörung hätte.

Mein Blick wandert zu den Fussili, welche noch immer im Sieb liegen und nur darauf warten, gegessen zu werden. In dem Moment, als ich den Schrank öffne, wo die Teller drinnen sind, klackt die Haustür auf. Sofort drehe ich mich um und erblicke Vinz, welcher eintritt.

Augenblicklich fällt sein Blick auf mich und er bringt ein schwaches Lächeln zum Vorschein. Dann wendet er sich ab, um seine Schuhe abzustreifen.

Langsam drehe ich mich um und greife nach einem Teller. Als ich mich wieder dem Flur zuwende, betritt er die Küche. Seine Augen sind rot geschwollen, trotzdem bringt er ein Lächeln zustande.

„Seid ihr schon weit gekommen?", fragt er und lässt sich auf dem einen Stuhl nieder, welcher noch hier steht. Den Anderen habe ich vorhin hochgetragen, damit Ryder auf seinem Schreibtischstuhl sitzen konnte. Und ich muss ehrlich sein, das Kissen auf dem Holz lässt es nach mehreren Stunden nicht weicher wirken.

Ich schüttle bloß den Kopf und drehe mich zu den Nudeln, um mir aufzufüllen. „Ne. Wir haben die ersten paar Noten, aber noch nicht einmal ein Genre." Ich lege den Nudelauffüller wieder zurück und greife nach dem Deckel, mit welchem die Soße abgedeckt wurde.

„Das ist aber doch schon einmal etwas." Optimist. Der pure Gedankengang eines Optimisten.
Ich zucke bloß mit den Schultern und kippe mir etwas von der Tomatensoße auf die Fussili. Dann schaue ich mich suchend nach der Mikrowelle um und entdecke sie neben der Tür. „Joa ... wir haben noch einiges vor uns." Nachdem ich mein Essen in die Mikrowelle gestellt habe, schaue ich auf die Knöpfe, unsicher, welcher davon der Richtige ist. Seit wann gibt es solche komplizierten Mikrowellen? Ich drehe an dem einen Knopf, um die Zeit einzustellen, aber stattdessen springt sie verschiedene Modi durch.

„Du musst hier drücken." Vinz greift an mir vorbei und tippt auf ein Plus-Zeichen.

Als ich mich wieder gerade aufrichten möchte, stoße ich gegen ihn und dränge ihn nach hinten. Augenblicklich spannt sich mein Körper an und ich mache einen Schritt nach vorne, gegen die Theke, welche selbst durch mein T-Shirt kalt ist. Schnell drehe ich mich um, bereue es aber, da Vinz nur ein kleines Stück vor mir steht. Sein Blick liegt auf mir, ein schwaches Lächeln schmückt wieder sein Gesicht. Seine Augen huschen über alle möglichen Punkte, scheinen mich zu scannen. Ich bringe mich zu einem Lächeln, unsicher, wie ich reagieren soll. Ist es unangenehm? Oder ein Kompliment?

„Dein Make-Up sieht gut aus. Ich mag die Steinchen", er fasst sich an den Punkt zwischen Nase und Augen, an welchem ich bei mir heute Morgen kleine Schmucksteine platziert habe, „und dein Eyeliner passt gut dazu."

Ich spüre, wie sich ein Grinsen auf meinem Gesicht bildet und Blut in meine Wangen steigt „Danke dir!" Kurz stehen wir uns gegenüber, blicken uns an. Die Stille liegt über uns, wie eine Decke, ist aber gleichzeitig viel leichter, als würde sie uns vorsichtig ummanteln.

Dann piept die Mikrowelle hinter mir. Sofort wende ich mich ab und öffne sie hastig. Mit meinen Händen reibe ich mir über meine Wangen, um das Blut zu vertreiben. Regt das die Durchblutung nicht noch mehr an? Dann habe ich zumindest eine Ausrede, warum sie rot sind. Sobald ich den Teller hochhebe, spüre ich die Wärme, welche in meine Finger geht und sie schon nach kurzer Zeit zum Brennen bringt. Sobald ich den Teller über der Theke habe, stelle ich ihn wieder ab.

„Ich würde Ryder einmal herunterholen, sodass wir zusammen essen können." Als ich mich zu Vinz drehe, steht er an den Tisch gelehnt, wo vorher der Stuhl stand. Seinen Blick hat er leicht neben mich gerichtet, scheint aber in Gedanken versunken zu sein.

Ich nicke nur leicht. Gleichzeitig kommt aber Panik in mir auf. Sie werden sehen, dass ich kaum etwas esse. Und dann fragen sie vielleicht. Oder ich bekomme dumme Kommentare von Ryder zu hören ... Was, wenn sie dann bemerken, dass ich abgenommen habe? Vielleicht vermuten sie dann irgendetwas in Richtung Krankheit? Ich möchte doch nur als normal angesehen werden! Ich bin ein komplett gesunder Mensch, ohne irgendwelche Probleme.

„Ryder!", schreit in dem Moment Vinz. „Kommst du runter, damit wir essen können?" Er geht ebenfalls zum Schrank, um sich auffüllen zu können.

Ich wende mich von ihm ab, schaue auf den Teller Nudeln, dessen Dampf knapp vor meinem Gesicht ist, es aber trotzdem leicht erwärmt. Noch ist mir nicht übel, aber sonderlich lange wird es nicht dauern ...

Noch in Gedanken versunken, bemerke ich nicht, dass Ryder runtergekommen ist. Erst, als er sich räuspert, um durchzukönnen, zucke ich zusammen und trete dichter an den Tresen. „'Tschuldige." Ich werde sterben ... In einem Jahr werde ich unter der Erde liegen, tot. Meine Mutter wird wahrscheinlich tagelang weinen, mein Vater sich in die Arbeit stürzen. Hoffentlich passiert es zum Anfang der Ferien, damit Anja, Robin und Torben es nicht mitbekommen. Wobei es nicht fair ist, es sie wissen zu lassen, wenn ich denn eben nicht mehr hier bin. Ich kneife meine Augen zusammen, um die Tränen zurückzuhalten. Ich sollte aufhören, so viel nachzudenken, verdammt nochmal! Oder zumindest nur dann, wenn ich nicht unter Menschen bin. Sicherheitshalber gähne ich einmal und wische mir mit meinem Arm über meine Augen.

„Darf ich kurz hier ran?" Vinz ist neben mich getreten, in den Händen sein Essen. 

„Klar." Ich nehme meinen mittlerweile anfassbaren Teller und schlurfe zum Tisch, wo ich mich auf dem Stuhl niederlasse. Dann haben die beiden die Bank, auch wenn sie wahrscheinlich nicht viel gemütlicher ist.

Knappe zwei Minuten sitze ich und starre das Bild an, welches an der gegenüberliegenden Seite hängt. Es sind Striche, Muster, Formen, in allen Farben, die man sich ausdenken kann. Keine Ordnung ist zu finden, das pure Chaos regiert die Leinwand.

Dann setzen sich mir gegenüber Ryder und Vinz hin. Erst jetzt sehe ich die Ähnlichkeiten, welche die Beiden haben. So sind die Lippen der beiden eher geschwungen und der Kiefer verläuft nach unten hin schmaler. Aber die Merkmale, welche einem als Erstes auffallen – Augenfarbe und Haarfarbe – sind absolut unterschiedlich. Auf den ersten Blick hätte ich sie auch nicht für Brüder gehalten, aber wenn man sie näher betrachtet, erkennt man die Ähnlichkeiten.

„Und, seid ihr schon weit gekommen?", fragt Vinz nach einigen Sekunden der Stille. Das einzige Geräusch war das Klirren, wenn die Gabel gegen den Teller gekommen ist.

Unsicher, ob ich überhaupt antworten soll, pieke ich eine Nudel auf, um sie zu essen. Es fühlt sich falsch an, ohne Hungergefühl zu essen – als würde man einfach etwas in sich hineinstopfen.
Ryder murrt nur leise und zuckt mit den Schultern, dann isst er weiter. Nach mehreren Nudeln meldet er sich zu Wort. „Wie war es?" Sein Blick ist dabei auf Vinz gerichtet, weshalb ich das Gespräch nur mitverfolge und stillschweigend meine Nudeln analysiere.

„Ganz okay. Mama wird entsetzt sein, wenn sie sieht, dass ich die Vergissmeinnicht aus ihrem Beet ausgegraben habe." Er seufzt leise. „Aber das ist es wert."

Ryder verdreht die Augen. „Sie wird es sowieso nicht bemerken. Bis sie wieder hier ist, sind die wieder nachgewachsen." Dann isst er die nächsten Nudeln und entgeht dem mahnenden Blick von Vinz.

Leise lege ich mein Besteck auf den Teller und verschränke die Arme vor meinem Körper. Ich bin hier nicht erwünscht. Und passe erst recht nicht in die Situation hinein.

„Ryder, es hat einen Grund", versucht Vinz sich zu überbringen.

„Klar hat es einen Grund! Verdammt nochmal, du bist 18, du kannst keinen Haushalt schmeißen! Wir brauchen sie hier und da ist mir jeder Grund so egal!" Auch er legt sein Besteck weg und wendet sich zu seinem Bruder. Den Blick halten sie fest aufeinander gerichtet, keiner unterbricht den Kontakt.

Er ist erst 18? Und wo ist ihre Mutter? Oder ihr Vater, den gibt es ja auch noch.

„Sie braucht es aber!", zischt Vinz.

„Es soll mir so egal sein, was sie braucht!"

„Sollte es aber nicht! Es ist deine Mutter, um welche es gerade geht!"

Leise schiebe ich meinen Stuhl zurück – glücklicherweise sind solche Stoffteile darunter befestigt – und stehe auf Mein Handy lasse ich auf dem Tisch liegen. Ich gebe den Beiden kurz den Raum, den sie brauchen, um das zu besprechen. Mit schnellen Schritten eile ich aus der Küche in das gegenüberliegende Gäste-WC. Als ich die Tür hinter mir geschlossen habe, lasse ich mich auf die Toilette sinken. Auch hier hört man sie noch diskutieren, aber es ist so gedämpft, dass ich es ausblenden kann. Es geht mich absolut nichts an, worüber sie gerade sprechen ... aber worum geht es? Ihre Mutter ist weg, okay. Aber weshalb? Von welchem Grund reden sie? Ich schaue in die Luft, in der Hoffnung, mich an etwas erinnern zu können. Aber ich finde keinen Punkt, der nur ansatzweise damit zu tun haben könnte. Das Einzige, was mir bekannt ist, ist, dass Ryder nicht immer so war und sich letztes Schuljahr neue Freunde gesucht hat. Aber deshalb haut keine Mutter ab. Oder wo auch immer sie gerade ist.

„Du wirst es nie verstehen!", brüllt Ryder auf einmal, weshalb ich zusammenzucke. Das nächste was zu hören ist, sind Schritte auf der Treppe und seine Tür, die zugeknallt wird.

Dann lasse ich mich gegen die Wand hinter mir sinken. Vinz möchte jetzt wahrscheinlich seine Ruhe haben und es wäre unangemessen, wenn ich sofort wieder in die Küche gehe. Heißt, ich bleibe hier auf der Toilette, warte, bis er nach oben geht, packe mir mein Essen ein und gehe nach Hause. Minutenlang starre ich die Wand mir gegenüber an – weiße Fliesen, an welchen ein beiges Handtuch hängt – und bereue, dass ich mein Smartphone am Tisch gelassen habe. Man sollte Beschäftigungsmöglichkeiten in Bädern haben, für genau solche Situationen.

„Mary!" Vinz klopft an die Tür. „Ja, ihr geht es gut, machen Sie sich keine Sorgen."

Sofort springe ich auf. Oh nein, bitte nicht. Bitte nicht. Dann reiße ich die Tür auf, weshalb Vinz schnell einen Schritt nach hinten macht. An seinem Ohr ist mein Handy, beschwichtigend redet er auf meine Mutter ein. 

„Es geht ihr gut, sie steht vor mir. Ich? Ich bin der Bruder von dem Projektpartner von ihr. Nein, ich habe ihr nichts getan!"

„Mama!" Ich greife nach dem Handy und reiße es ihm aus der Hand. „Es geht mir gut, okay?"

„Bist du sicher? Warum bist du nicht an dein Handy gegangen? Ich habe mir solche Sorgen gemacht, dass etwas passiert ist! Und dann war da der Andere am Handy und ... bitte mach das nie wieder. Du hast mir so einen Schrecken eingejagt!" Ihre Stimme zittert leicht und ich kann mir genau vorstellen, wie sich ihre Hand am Küchentisch festklammert. Wie damals, als wir Zuhause über die Diagnose gesprochen hatten. Mein Vater war nur kurz da gewesen, dann war er in sein Büro gegangen. Viel Arbeit, meinte er bloß.

„Ich war nur im Bad und da hatte ich mein Handy nicht mit. Es ist alles okay." Ich blicke Vinz an, welcher mich mit zusammengezogenen Augenbrauen mustert. Unsicher, was ich machen soll, zeige ich bloß einen Daumen hoch. Warum geht er auch an mein Handy und gibt es mir nicht einfach? 

„Okay ... Weißt du, wann du wieder Zuhause bist?", fragt meine Mutter, ihr Stimme kehrt wieder zu dem Normalen zurück und ihre Hand wird sich gelockert haben.

Kurz werfe ich einen Blick auf Vinz, um zu schauen, ob bei ihm alles okay ist. Wahrscheinlich möchte er nur seine Ruhe haben, genauso wie Ryder. „Ich gehe jetzt gleich nach Hause, es ist nicht so weit. Gib mir 20 Minuten, ja?" Auf eine Antwort wartend beiße ich auf meiner Lippe herum, bis ich den metallen Geschmack von Blut erfasse.

„Okay, bis gleich!" Sie legt auf.

Langsam lasse ich mein Handy neben mich sinken und richte den Blick wieder auf Vinz. Seine Arme hat er vor der Brust verschränkt, aber gleichzeitig scheint er mich etwas fragen zu wollen, denn sein Blick zuckt immer wieder zu mir. „Tut mir leid, dass heute alles so durcheinander ist." Er zieht die Worte etwas in die Länge.

Ich winke nur ab und zwinge mich zu lächeln. „Kein Ding." Ist es übergriffig, wenn ich sage, dass er sich immer melden kann, wenn er wen zum Reden braucht? „Ich würde mir noch einmal die Nudeln einpacken, die Dose würde ich Ryder mitgeben, wenn es okay ist." Dann habe ich zumindest warmes Essen am Tag und komme noch ein Stück näher an mein Kalorienbedarf.

„Klar, gerne!" Er tritt ein Stück zur Seite, um mich hinauszulassen.

Mit seinem Blick auf mich gerichtet, betrete ich die Küche und greife nach der Schranktür, hinter welcher Dosen zu finden sind. Für so etwas sind Glasscheiben sinnvoll. 

Nach zwei Minuten stehe ich im Flur, meinen Rucksack geschultert und die ausgelatschten Turnschuhe an. „Dir noch einen schönen Abend. Kannst du Ryder bei Gelegenheit den Zettel mit meiner Nummer geben? Ich habe ihn auf den Schrank in der Küche gelegt."

Er nickt bloß.

„Danke auch fürs Kochen. Vielleicht sieht man sich ja wieder." Ich öffne die Tür und trete auf die Treppe. „Tschüss!"

„Tschüss." Er hebt seine Hand und wartet, bis ich die Treppe hinuntergegangen bin, bis er die Tür schließt.

Dann hole ich mein Handy aus meiner Hosentasche und rufe die Route nach Hause auf. 25 Minuten und ich kann über ein Feld gehen. Kurz schaue ich in den Himmel, um zu schauen, ob ich eine schöne Begleitung habe. Als ich bemerke, dass der Mond langsam aufgeht und ein paar Sterne zu sehen sind, kann ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Wie schön die Welt doch sein kann.

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