4. Kapitel

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Es ist still. Zu still, meiner Meinung nach.

Aber meine Gedanken schreien, kämpfen um meine Aufmerksamkeit, als wäre es das Wichtigste. Sie übermannen mich, zwingen mich, meine Decke vor mein Gesicht zu pressen, um meine Eltern durch mein Wimmern und Schluchzen nicht aufzuwecken. Tränen rinnen aus meinen Augen und werden sofort von dem Stoff empfangen, bevor sie die Chance haben, mein Gesicht zu erkunden.

Ich atme ein, atme zittrig wieder aus. Zwei Wochen weniger habe ich. Zwei Wochen, die ich sinnlos gelebt habe, in welchen ich bloß existierte.
Erneut überkommt mich eine Welle der Traurigkeit und ich drücke meine Decke noch fester vor den Mund.

Mein Körper fühlt sich warm und kalt zugleich an, lässt mich frieren und gleichzeitig schwitzen. Ich kann das nicht mehr! Ich will das nicht mehr!
Ich krümme mich nach vorne, bis ich auf meinem Bett liege; Meine Decke halb unter, halb vor mir.

Atmen. Dann wird alles wieder gut. Als ich versuche ruhig einzuatmen, entkommt mir aber bloß ein Schluchzen, weshalb ich mein Kissen vor mein Gesicht presse. Ich will nicht sterben! Ich möchte ein normales Leben führen! Meinetwegen kann ich mit 60 sterben, aber nicht mit 17!
Meine Beine ziehe ich näher zu mir und umschlinge sie mit meinen Armen. Ich lebe so unnötig. In spätestens einem Jahr liege ich unter der Erde und bis dahin verbrauche ich Geld, Nerven und Zeit. Warum muss ich noch leben und kann nicht einfach jetzt sterben? Scheiße, ich möchte nicht einmal sterben!

Ich ringe nach Luft, aber es gelingt nur wenig in meine Lunge, weshalb ich sofort wieder aus- und einatme. Ich muss mich entspannen, darf meinen Gedanken nicht die Kontrolle überlassen.
Meine Eltern haben solch einen Stress mit mir. Sie leiden! Warum sollte ich sie nicht auch von ihrer Aufgabe erlösen, für mich da zu sein?

Verdammt nochmal, ich möchte leben! Ich möchte mein Leben nicht beenden! Ein Jahr habe ich noch – theoretisch. Ein Jahr, in dem ich viel erleben kann. Ich könnte ... in die Sterne schauen? Sonnenblumen ernten? Langsam beruhigt sich mein Atem, wird ruhiger. Als ich meine Hand auf mein Herz lege, stelle ich fest, dass auch es wieder zu einem normalen Puls zurückkehrt.
Alles wird gut werden ... zumindest so gut, wie es eben geht. Ich presse meine Lippen aufeinander, um die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Es wird alles gut.


„Wie sieht das denn mit der palliativen Therapie aus? Kann man die Zuhause durchführen, oder ist es zwingend notwendig das hier im Krankenhaus zu machen?" Meine Mutter sitzt neben mir auf einem der Holzstühle, uns gegenüber mein Arzt – Herr Dr. Klee – welcher mich auf meinen restlichen Tagen begleitet und aufklärt.

„Das kommt immer auf den Fall an. Bei manchen ist es notwendig, dass diese Therapie im letzten Stadium hier stattfindet, andere können Zuhause ihre letzten Lebtage verbringen. Auf Wunsch kann man den Patienten aber auch bei einem im Heim versorgen, oder dafür sorgen, dass die Person dort stirbt. Dabei nehmen wir aber auch Rücksicht auf die Meinung des Patienten, welcher dabei entscheidet", erklärt er uns. Mein Blick ist hinter ihn auf die Rollos vor den Fenstern gerichtet. Hier werde ich sterben, in diesem Gebäude. Auf einem Bett, wo schon Andere gestorben sind, umgeben von weißen Wänden. Denn Zuhause möchte ich es im Leben nicht, das würde es mir nur noch mehr zerstören, jetzt zu wissen, dass es das Letzte sein wird, was ich sehe. Zudem sollen meine Eltern auch noch nach Hause, ohne daran zu denken, dass ihre Tochter dort verstorben ist.

„Okay, vielen Dank. Ich denke, Mary bevorzugt die Therapie Zuhause", antwortet meine Mutter.
Kurz schließe ich meine Augen, um nicht zu zeigen, wie genervt ich bin. Nein, tut Mary nicht. Und du kannst nicht in meinen Kopf hineinschauen. Aber genau deshalb kann sie es nicht wissen und ich möchte nicht schlecht über sie urteilen.

„Ist das so?" Der Blick von Herrn Dr. Klee richtet sich auf mich, scheint eine Antwort abzuwarten.
Ich kann aber nur meinen Kopf schütteln, da sonst meine Stimme und mit ihr die Grenze, die meine Tränen zurückhält, brechen würden.

„Nicht?" Laut dem Tonfall meiner Mutter scheint sie entsetzt darüber zu sein, dass ich hier sterben möchte – durchaus verständlich zu einem gewissen Punkt.

Erneut verneine ich es durch eine Geste und wische mir mit meinem Arm kurz über meine Augen. Sollte ich ansprechen, ob ich die Möglichkeit darauf hätte, dass mir ein Medikament für Suizid gegeben werden würde? Ich stocke, als ich den metallenen Geschmack von Blut in meinem Mund wahrnehme. Sofort nehme ich meine Hand an die Lippen, um zu sehen, dass es von dort kommt.

„Kann ...", ich breche ab, als meine Stimme versagt. Hoffnungsvoll räuspere ich mich und fange erneut an. „Kann mir ein Medikament für Suizid bereitgestellt werden?"

Neben mir spannt sich meine Mutter an, den Blick auf mich gerichtet. Ihre Augen werden glasig und sie wischt sich mit ihrem Blusenärmel über sie. Ihr Gesicht verzieht sich leicht, als sie bemerkt, dass ihre Lippen zittern.

Ich schaue wieder zu meinem Arzt, welcher mich mustert. Mit einem Nicken setzt er schließlich zu seiner Antwort an. „Theoretisch schon. Das wird aber nur dann gemacht, wenn der Patient im Sterben liegt und nur noch durch Mittel am Leben erhalten wird. Dies ist momentan noch nicht der Fall bei dir."

Langsam nicke ich und unterstütze es durch ein „okay".

„Wir machen das hier aber nicht. Wozu wir uns aber bereit erklären, ist, dass wenn der Patient, als Beispiel, von einem Respirator", als er meinen verwirrten Blick bemerkt, erklärt er kurz, „einem Gerät für künstliche Beatmung, abhängig ist, wir diesen abschalten, wenn es der Wunsch ist."

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie meiner Mutter eine einzelne Träne die Wange hinunterläuft und sie ein Taschentuch aus ihrer Hose herausholt. „Darf ich das als Minderjährige selber entscheiden, oder brauche ich die Zustimmung von meinen Eltern?" Das ist das Wichtigste daran, denn ich bezweifle, dass meine Eltern es mir erlauben würden. Vielleicht, wenn sie sehen, dass es mir schlecht geht ... die Chance ist aber trotz allem gering.

Auf dem Gesicht meines Arztes bildet sich ein schmales Lächeln und sein Blick huscht zwischen mir und meiner Mutter hin und her. Er scheint zu bemerken, dass ich die Fragen vorher nicht mit ihr besprochen habe, so wie sie reagiert. „Das ist immer abhängig vom Fall. In den meisten Fällen hören wir aber auf den Wunsch des Patienten, auch wenn die Eltern einen meistens in der eigenen Meinung unterstützen."

Langsam nicke ich und wende mich wieder den weißen Rollos zu, hinter welchen ein Spielplatz und ein paar Bäume zu sehen sind. Bei meinem ersten Besuch hier waren sie offen. Neben mir höre ich, wie Mama sich schnäuzt und eine kurze Entschuldigung in Richtung Herr Dr. Klee murmelt.

„Haben sie Beide sonst noch irgendwelche Fragen, welche offen geblieben sind?" Kurz herrscht Stille, dann ergreift er wieder das Wort. „Ich würde dir dann eine Überweisung für einen CT mitgeben, der in einem nahen Zeitraum stattfinden soll. Reiche die Überweisung bei der Anmeldung unten ein und die geben dir einen Termin, ja?"

Ich nicke nur, aber er hat sich schon zu seinem Monitor abgewandt, um sie auszudrucken. Ich hoffe einfach, dass die Ergebnisse gut sind und der Tumor sich nicht noch weiter ausgebreitet hat.


Sobald wir das Zimmer verlassen haben, zieht meine Mutter mich an die Seite, einzelne Tränen laufen über ihre Wangen. ,,Du ... Du, du willst dich umbringen?", bringt sie flüsternd hervor und nestelt ein weiteres Taschentuch aus der Packung. Den Blick hält sie starr auf mich gerichtet.

Ich schaue kurz auf den hellblaue Boden, dann wieder zu ihr. ,,Nein. Ich möchte leben, aber ich kann es nicht. Denn ich sterbe, in weniger als einem Jahr bin ich tot!"

Kurz bleibt meine Mutter noch stehen, dann wendet sie sich ab. ,,Wir besprechen das Zuhause, wenn dein Vater mit dabei ist." Dann geht sie los, in Richtung Anmeldung.

Sollte ich mich schlecht fühlen? Aber es ist doch verständlich, oder nicht? Schnell hole ich die paar Schritte auf und dann gehen wir stillschweigend nebeneinander her. Bei der Anmeldung angekommen, schnäuzt sie sich noch einmal und wirft dann das Taschentuch in den danebenstehenden Mülleimer.

„Wir sollen einen Termin für einen CT ausmachen", sage ich und halte der Dame hinter dem Tresen die Überweisung hin.

Kurz mustert sie mich, dann nimmt sie den leicht rötlichen Zettel. Sekunden vergehen, in welchen man bloß das Klackern der Tastatur hört. Ich spüre den Blick meiner Mutter auf mir, als ich von einem Bein auf das Andere wechsle. Wie war es damals bei ihr? Wusste sie vielleicht von vornherein, dass sie nicht sterben würde und wollte deshalb kämpfen? Dann hatte sie einen Sinn zu kämpfen, also wäre es logisch. Mein Blick schweift zu ihr, mittlerweile schaut sie aus dem Fenster auf den kleinen Innenhof, wo zwei Krankenschwestern rauchen.

„Uns ist eben ein Patient weggefallen, wenn es Ihnen passt, können Sie den Termin in einer Viertelstunde haben." Sie schaut zu uns hoch, ein Lächeln auf dem Gesicht.

Meine Mutter nickt und murmelt ein leises „gerne". Den Blick hält sie dabei noch immer auf den einfallslos dekorierten Innenhof.

„Okay, super. Dann setzen sie sich bitte ins Wartezimmer drei, sie werden dort abgeholt." Ein letztes Mal lächelt sie uns an, dann wendet sie sich wieder ihrem Monitor zu und das Klackern beginnt erneut.

Wieder schweigend machen wir uns auf den Weg zu besagtem Wartezimmer. Nach zehn Schritten räuspere ich mich, um eine klare Stimme zu haben und etwas Zeit zu überbrücken, bevor ich meine Mutter frage. „Kannst du mich nachher zu Ryder fahren? Er hat mich angeschrieben, ob ich um vier bei ihm sein kann, damit wir an dem Gruppenprojekt weiterarbeiten können." Es ist nicht so, dass meine Mutter ein Problem damit hat, dass ich mich mit Jungs treffe, aber ich denke der Zeitpunkt gefällt ihr nicht. Vor allem nicht nach der Frage, welche ich eben beim Arzt von mir gegeben habe.

„Muss das heute sein?", bringt sie zögerlich hervor und schaut mich an. Ihre Finger spielen mit dem Ring an ihrer rechten Hand herum - sie denkt nach.

Ich zucke nur mit den Schultern. „Es wäre gut, er hat meistens etwas zu tun, glaube ich." Die Muskeln kommen ja nicht einfach so, denke ich mal. „Aber ...", setze ich an. Ich muss auf sie eingehen, daran denken, wie es für sie gerade ist. „Keine Ahnung, wenn du dich nicht wohl dabei fühlst, können wir irgendwie sowas ausmachen, dass du mich jede Stunde anrufst." Mit leicht hochgezogenen Augenbrauen schaue ich sie an, warte auf eine Reaktion. Als ihr wieder Tränen in die Augen steigen, lege ich leicht meinen Kopf schief. Habe ich etwas falsches gesagt?

„Nein, ist okay. Es ... Ich mache mir nur Sorgen, tut mir leid. Ich weiß, dass du bloß leben möchtest, ohne daran erinnert zu werden, aber ich erinnere dich immer wieder daran, oder?"

Wir betreten das Wartezimmer, die weißen Stühle sind alle unbesetzt. Sofort steuere ich die Plätze am Fenster an, von wo aus man die Wiesen und den Spielplatz sehen kann. Zwei Kinder spielen dort, begleitet von zwei Erwachsenen. Das Eine hat eine Mütze auf - wir haben 25 Grad. Ist es schon durch?

„Mary?", reißt meine Mutter mich aus meinen Gedanken, weshalb ich mich ihr wieder zuwende.

„Hm?"

„Ich möchte wirklich eine ehrliche Antwort haben, ob ich dich zu viel daran erinnere, oder es zu sehr thematisiere, mir zu viele Sorgen mache ... oder sonst etwas." Während des Redens hat sie ihre Hände gehoben und herumgewedelt, jetzt lässt sie sie wieder in den Schoß sinken.

Ich halte inne, unsicher, was ich sagen soll. Dann hebe ich langsam meine Schultern. „Ich weiß es nicht. Es wird normal sein, also mach dir da nicht zu viele Gedanken drüber." Sanft lächle ich, um meine Worte freundlich wirken zu lassen.

Sie nickt. „Okay."

Mein Blick schweift wieder zu den Kindern. Noch immer rennen sie umher, ein Grinsen auf dem Gesicht.

Ich sollte mein Leben wirklich mehr genießen, in der Zeit, die ich noch habe. Und wenn alles gut läuft, sind meine CT Ergebnisse gut und der Tumor ist nicht in Blutgefäße hineingewachsen.

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