9. Kapitel

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Leise, um Vinz nicht zu wecken, tipple ich die Treppe hinunter. Ist die Kaffeemaschine zu laut? Aber ich will Kaffee ... Und ich brauche Kaffee, wenn ich gleich noch nach Hause will.

In der Küche angekommen drücke ich die Tür ran und schließe sie mit einem Fuß unten gegen. Seit ich denken kann, mache ich es so, auch wenn ich keine Ahnung habe, ob es leiser ist.

Mein Blick wandert durch das Zimmer, bis ich den Gegenstand meiner Begierde entdecke.
Mit schnellen Schritten eile ich auf sie zu und tue den Tab hinein. Als das Rödeln der Maschine ertönt, verziehe ich mein Gesicht. Das hatte ich deutlich leiser in Erinnerung.

Als im nächsten Moment die Tür aufgeht, zucke ich zusammen und halte mein T-Shirt, welches ich in Ryders Zimmer ausgezogen habe, da es viel zu warm war, vor meinen Sport-BH.

Vinz steht im Türrahmen, sein Blick wandert meinen Körper auf und ab. Nach ein paar Sekunden tritt er in den Raum und macht die Tür zu - ich war leiser.

„Warum wart ihr so laut?", Er geht zum Kühlschrank und öffnet die Tür. Seinen Blick hält er auf die halb gefüllten Regale gerichtet, auch, als ich ihm antworte.

„So laut waren wir gar nicht, oder?" Ich fange wieder an mir auf meinen Lippen herumzubeißen, unsicher, ob ich etwas ergänzen soll. „Oder hast du uns gehört?", schiebe ich noch hinten ran.

Er bejaht die Frage bloß und nimmt sich einen Joghurt aus dem Kühlschrank. „Willst du auch einen?", fragt er, den Blick noch immer nicht auf mich gerichtet. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich so laut war. Klar, ich habe gelacht wie sonst was, aber hört man das im Nebenzimmer? Warum ist er überhaupt noch wach? Oder haben wir ihn geweckt?

Er richtet sich wieder vollständig auf und sieht mich an. Den Joghurt hält er in seiner Hand. Schweigend stehen wir uns gegenüber, es ist ein wenig wie in einem Westernfilm. Nur, dass keiner eine Knarre zieht. Die Spannung, wie sie dort zwischen den Menschen ist, existiert trotzdem.

Als die Kaffeemaschine verstummt, drehe ich mich sofort um und nehme die Tasse.

„Warum trinkst du um zwei Uhr Kaffee?", fragt er und lacht kurz auf.

Mit erhobenem Finger drehe ich mich zu ihm um. „Das Ding ist, ich muss jetzt noch nach Hause, bin aber unfassbar müde. Allerdings habe ich keinen Nerv so müde über ein Feld zu gehen, denn im schlimmsten Fall stolpere ich worüber, da ich unaufmerksam bin und das war es dann mit mir." Nachdem ich den Satz beendet habe, atme ich tief ein, um wieder Luft in meine Lungen zu pumpen. Dann lasse ich meinen Finger sinken.

Er zieht bloß seine Augenbrauen hoch und bricht sich einen Joghurt ab. „Zwei Sachen. Willst du jetzt Einen?" Auffordernd hält er mir den Abgetrennten hin, aber ich schüttle den Kopf. Das würde mein Körper nicht mitmachen. Vinz zuckt mit den Schultern. „Und die andere Sache: Warum bleibst du nicht einfach hier? Mir ist ehrlich gesagt nicht wohl bei den Gedanken, dass du um zwei Uhr nach Hause gehst." Er setzt sich auf die Kante der Sitzbank und öffnet den Joghurt. Als er bemerkt, dass ich noch immer am Tresen stehe, deutet er auf den Stuhl sich gegenüber.

Kurz zögere ich, dann lasse ich mich dort nieder. Den Kaffee stelle ich vor mich. Das Angebot hier zu bleiben ist sehr verlockend. Dann könnte ich mich auf die Couch legen und innerhalb von einer Minute einschlafen. „Ich möchte keine Last sein. Aber wenn es wirklich okay ist, dass ich hier übernachte, dann gerne." Leicht lächle ich und greife wieder nach dem Kaffee.

Augenblicklich schnellt seine Hand nach vorne und er entnimmt ihn mir. „Ich muss noch lernen und du schläfst jetzt gleich. Da brauchst du keinen Kaffee mehr." Augenblicklich setzt er an und trinkt. Sofort verzieht er das Gesicht und schüttelt sich, seinen Blick verächtlich auf die Tasse gerichtet. „Schwarzer Kaffee ist scheußlich."

Kurz sitze ich dort, starre ihn mit leicht geöffnetem Mund an. Dann schüttle ich mit einem Lächeln meinen Kopf. „Selber Schuld." Ich lehne mich zurück, richte den Blick auf die Decke. Im selben Moment kommen die Gedanken wieder hoch, alles stürzt auf mich ein. Nicht mehr lange, dann bin ich weg. Für immer. Als ich wieder zu Vinz schaue, treten mir Tränen in die Augen. Ich hätte doch nach einem Therapeuten fragen sollen, dann hätte ich jemanden, um darüber zu reden. Schnell täusche ich ein Gähnen vor und wische über mein Gesicht.

Kurz herrscht Stille, dann räuspert Vinz sich. „Sag mal, Mary ...". Er nimmt einen weiteren Schluck vom Kaffee. „Das wird auch echt nicht besser. - Jedenfalls; ich hoffe, dass das nicht unangemessen ist, aber ich bin mittlerweile ein wenig vorsichtiger geworden. Versuchst du abzunehmen?"

Fast reflexartig heben sich meine Augenbrauen. Dann schaue ich an mir hinunter. Meine Rippen sind mittlerweile zu erkennen und gesund sieht es im Leben nicht mehr aus. Und vor allem an meinen Oberschenkeln habe ich ordentlich Gewicht verloren. Schnell streife ich mir mein T-Shirt über, welches ich bisher nur in meiner Hand gehalten habe. Dann blicke ich wieder zu ihm. „Nein." Aber er hat es bemerkt, ich muss unauffälliger sein.

„Oh, okay. Tut mir leid, wenn das unhöflich war." Er lehnt sich zurück und setzt wieder seine Tasse an den Mund.

„Was? Nein, alles gut! 'Tschuldige, das sollte nicht so kühl herüberkommen."

Er winkt nur ab und trinkt weiter. Auch ich lasse mich gegen die Lehne sinken. Bei jedem mal Blinzeln merke ich, wie meine Lider immer schwerer werden. Zu meinem Glück steht Vinz nach einer Minute auf und schmeißt den Joghurtbecher weg.

Nachdem ich mich gestreckt habe, stehe ich auch auf, eine Hand am Tisch, um nicht zu sehr zu wanken. „Wo soll ich schlafen?" Ich taumle Vinz hinterher, eine Hand immer an der Wand, damit ich mich im Notfall festhalten kann. In dem Zustand sollte ich wirklich nicht nach Hause gehen.

„Bei unserem Sofa fehlt momentan der Bezug. Sonst kannst du einfach bei mir im Bett schlafen, ich möchte sowieso die gesamte Nacht lernen. Also nur, wenn dich das Licht nicht stört." Er zuckt mit den Schultern und dreht sich zu mir um.

Mit zusammengekniffenen Augen schaue ich ihn an, bis in meinem Gehirn angekommen ist, was er gesagt hat. „Das ist nicht gesund", bringe ich noch hervor, bis ich gähnen muss. „Ist dein Bett weich?"

Kurz spiegelt sich Belustigung auf seinem Gesicht, dann nickt er. „Ja."

„Dann machen wir das so." Tapsend ziehe ich mich am Geländer hoch, um Halt zu haben. Irgendetwas habe ich vergessen. Aber was? Oben angekommen geht Vinz zu der zweiten Tür auf der rechten Seite und öffnet sie. Schwach wird das Durcheinander auf seinem Schreibtisch beleuchtet; etliche Bücher liegen darauf, teilweise von irgendwelchen Zetteln begraben, welche vollgekritzelt sind.
Hinter dem Schreibtisch steht das Bett, auf welchem eine graue Fleecedecke liegt. Es sieht gemütlich aus.

„Komm rein." Er tritt durch die Tür, wartet, bis ich ihm gefolgt bin und schließt sie dann. Alles in mir möchte sich in dieses Bett legen und bloß schlafen.

„Das ist okay, wenn ich ohne Hose schlafe, oder?" Ich deute auf meine Jeans, während ich mich auf die Matratze setze, welche genau perfekt unter mir einsinkt. Das ist mir absolut würdig.

„Ich werde es dir nicht verbieten, keine Sorge." Er setzt sich auf seinen Schreibtischstuhl und beim Anblick seiner Notizen seufzt er leise. „Wenn irgendwas ist, sag einfach Bescheid."

„Mache ich. Danke, dass ich hier schlafen kann." Ich streife meine Hose ab und lasse sie achtlos neben das Bett sinken. Dann lege ich mich hin und ziehe die Fleecedecke über mich, welche sich noch kuschliger anfühlt, als sie es wirklich ist.

Trotzdem rolle ich mich noch mindestens eine halbe Stunde herum, da ich ein ungutes Gefühl habe. Irgendetwas habe ich vergessen? Aber was?


Als ich am nächsten Morgen aufwache, weiß ich sofort, was es war. Mein ganzer Körper ist angespannt und nur schwer kann ich mir verkneifen mein Gesicht zu verziehen. Meine Hände drücke ich auf meinen Bauch und krümme mich nach vorne. Scheiße! Wo ist mein Handy? Ich muss Mama anrufen!

„Alles okay?"

Mein Blick zuckt zu Vinz, welcher am Schreibtisch sitzt und sich mir zugewandt hat. Oh Gott, bitte nicht! „Wo ist mein Handy?", bringe ich nur hervor. Tief durchatmen. Alles wird wieder gut.
Aber es wird nichts gut. Tränen schießen mir in die Augen, ob es vor Schmerz ist, oder wegen der Erkenntnis, dass der Tod sich immer weiter nähert, weiß ich nicht.

„Was? Keine Ahnung. Ist alles okay?" 

Eine einzelne Träne läuft über meine Wangen, ihr folgen viele Weitere.

Vinz springt auf, kommt zu mir und hockt sich hin. „Mary, was ist los? Soll ich dir-"

„Wo ist mein Handy?", wiederhole ich nur und wische mir mit der Bettdecke über mein nasses Gesicht. Das muss ein Albtraum sein! Ich ... Ich habe doch nur einmal meine Medizin nicht genommen, warum geht es mir so?

Vinz richtet sich auf und verlässt mit einem hektischen „bin gleich wieder da" das Zimmer.
Noch weiter krampfe ich mich um meinen Bauch, verziehe mein Gesicht. Seit wann ist es so schlimm? Es ging mir doch gut. Ich zucke zusammen, als der Schmerz noch stärker wird. Nach Luft ringend kralle ich mich am Bettlaken fest. Atmen. Zitternd atme ich ein, aber es kommt viel zu wenig Luft an meine Lunge. Hektisch atme ich wieder aus und ein, aber noch immer reicht es nicht. Mein Sichtfeld bekommt am Rand schwarze Flecken, welche sich zur Mitte hin immer dichter ziehen.

„Setz dich hin!" Hände an mir. Mein Körper sackt zur Seite, sobald ich sitze. Sofort wird er wieder aufgerichtet und dort gehalten. „Beruhig dich."

Es dauert einige Zeit, bis ich aufrecht sitze und alles wieder komplett wahrnehme. Aber dann realisiere ich - viel zu schnell für mein Gefühl. Er hat mich gesehen, weiß, dass nicht alles gut ist. Unruhig huscht mein Blick durch das Zimmer, um zu sehen, wo Vinz mein Handy hingelegt hat. Ich brauche mein Schmerzmittel. Sofort. Als ich es auf dem Nachttisch sehe, beuge ich mich vor, werde aber sofort wieder an den Schmerz erinnert. Schnell stütze ich mich mit einer Hand auf dem Bett ab und mit der anderen erhasche ich mein Handy.

„Mary, was ist los?" Vinz kniet vor mir, den Blick fest auf mich gerichtet. Auch wenn er gefasst aussieht, verrät seine Stimme etwas Anderes. Denn den ängstlichen Unterton, welcher sie belegt, habe ich mir nicht ausgedacht.

Mit schnellem Tippen entsperre ich mein Handy und navigiere zum Telefon. Als ich meine Mutter gefunden habe, hoffe ich nur noch, dass sie drangeht.

Während ich meine Finger um mein Smartphone kralle und darauf warte, dass abgehoben wird, richte ich mich wieder auf. Warum geht sie nicht ran?

Durch eine Bewegung vor mir lenkt Vinz meine Aufmerksamkeit auf sich. „Ich möchte dir irgendwie helfen, okay? Was ist los?" Seine eine Hand hat sich um das andere Handgelenk gekrallt, aber trotzdem sieht man das Zittern in ihnen.

In dem Moment wo ich antworten will, nimmt meine Mutter ab. „Mary? Ist alles okay?"

„Hol mich ab und bring", kurz stocke ich, mustere Vinz. „Und bring mein Schmerzmittel mit. Ich ... ich hab's vergessen." Nachdem die Worte meine Lippen verlassen haben, verschiebe ich mich, um mich gegen die lila Wand lehnen zu können. 

Sofort springt Vinz auf und bleibt neben dem Bett stehen. Ihm ist anzusehen, dass ihm die Situation nicht gefällt und er die Wahrheit hören möchte.

„Schatz, geht es dir gut? Ich komme sofort vorbei, zehn Minuten vielleicht. Oh Gott, ist alles okay?" Im Hintergrund höre ich, wie sie eine Tür zuschlägt und dann ertönt das bekannte Knarzen unserer Treppe. „Warum hast du deine Medizin nicht mit? Ich hätte darauf achten müssen! Es tut mir leid!" Unsere Haustür wird geschlossen. Nur ein paar Sekunden später startet sie das Auto.

„Geht", murmle ich. „Mach dir aber keine Vorwürfe." Ich lasse meinen Kopf gegen die Wand sinken und begegne sofort Vinz' Blick. Er scheint mich zu durchlöchern und im nächsten Moment formt er ein stilles „Was ist los?" mit den Lippen.

Ich bringe mich nur dazu den Kopf zu schütteln, weshalb er seine Hände verkrampft und im nächsten Moment wieder locker lässt. „Ich möchte dir helfen!", wispert er sofort. Erneut spannt er seine Hand an und lässt sie locker.

„Kannst du nicht", murmle ich und lasse das Handy sinken. Dann presse ich meinen Arm wieder an den Bauch und verziehe mein Gesicht.

Sobald er die Worte hört, wirft er den Kopf in den Nacken und bringt einen genervten Laut hervor. „Dann sag mir, was los ist. Das ... es", er zögert, „ich möchte dich nur ungern so sehen. Du hast gerade kaum noch Luft bekommen und-"

„Was?" Die schrille Stimme meiner Mutter tönt aus dem Handy, so laut, dass auch Vinz es hört, weshalb ich meine Augen schließe. „Mary, sag mir, dass alles okay ist. Sag mir, dass du gerade ruhig atmen kannst und das nicht durch-"

„Es ist alles gut!", beeile ich mich zu sagen. Das fehlt mir noch, dass Vinz jetzt aufgeklärt wird, wo ich den Kontakt abbrechen möchte. „Er ... es muss nicht jeder wissen, dass", fieberhaft denke ich nach, auf der Suche nach einem Grund dafür, „ich solche Probleme habe, wenn ich meine Tage habe." Das ist die dämlichste Scheiße, die ich je erzählt habe. Und das wird mir auch noch einmal klar, als ich zu Vinz blicke, welcher mich ansieht, als hätte ich komplett ernst gesagt, dass es den Weihnachtsmann gibt.

Aber meine Mutter scheint zu verstehen. Kurz herrscht Stille, dann räuspert sie sich. „Klar, tut mir leid, Schatz. Kann mir Ryder gleich einmal die Tür öffnen?"

Vinz nickt nur schnell und ist dann weg. Mit einem Seufzen ziehe ich meine Beine dichter an meinen Körper und umklammere sie. Was ist nur los mit mir? Mit einer Hand gehe ich vor mein Shirt, taste an meinen Lungen herum, auch wenn es sinnlos ist. Wenn ich dort etwas haben sollte, merke ich das so auch nicht. Aber mein Tumor kann noch nicht gestreut haben ... es ging mir doch gut und die letzten Untersuchungen haben keine neuen Ergebnisse gezeigt.

„Schatz!" Ich schaue auf, zu meiner Mutter. Unter ihrem Pulli schaut noch das Nachthemd hervor und ihre braunen Haare sind zerzaust, als hätte ein Vogel in ihnen genistet. Aber in dem Moment ist es mir nur wichtig, dass sie hier ist. Mit ein paar Schritten ist sie bei mir und geht neben dem Bett in die Hocke. „Ist alles okay? Wo hast du Schmerzen? Soll ich einen Termin beim Arzt machen? - Ach warte kurz, hier!" Sie zieht aus ihrer Hosentasche zwei Medikamenteblister hervor, auf dem einen steht in schwarz Paracetamol, auf dem Anderen Tramadol. „Können Sie Mary ein Glas Wasser holen?", wendet sie sich an Vinz, welcher bisher nur im Türrahmen gestanden und uns wachsam gemustert hat. Er nickt nur kurz und verschwindet. 

Sobald er um die Ecke gegangen ist, wendet sie sich mir zu. „Mary, hast du wirklich keine Luft bekommen? Denn dann sollten wir dringend bei Herrn Dr. Klee einen Termin machen." Sie greift nach meiner Hand, welche ich noch immer an meinen Bauch gepresst habe. Resigniert lasse ich meinen Blick sinken, versuchen ihrem zu entwischen. Sie soll sich doch keine Sorgen machen! 

„Das war übertrieben, was Vinz gesagt hat. Ich ..." Als ich wieder aufschaue, weiß ich, dass meine Lügen bei ihr nicht ziehen. „Nein, nicht richtig. Es ... keine Ahnung! Mir wurde schwarz vor Augen, aber das kann auch sein, da mir mein Bauch wehtut." Leicht zucke ich mit den Schultern und lege meinen Kopf in den Nacken, bis er an die Wand schlägt. Was mache ich überhaupt noch hier auf der Welt?

Meine Mutter, welche meinen Worten aufmerksam gelauscht hat, nickt – mehrmals, bis sie zu realisieren scheint. „Dir geht es so schlecht, nachdem du einmal-"

Als Vinz das Zimmer mit schnellen Schritten betritt, bedeute ich ihr, leise zu sein. „Hier", murmelt er und hält mir das Glas hin. Mit zittrigen Händen greife ich danach und drücke eine Tablette aus dem Blister. Alleine bei dem Anblick macht sich der bittere Geschmack in meiner Kehle breit, weshalb ich mich schüttle. Bevor ich noch weiter darüber nachdenken kann, schlucke ich sie runter und verziehe mein Gesicht. Paracetamol hat noch nie geschmeckt. Achtlos werfe ich die Packung weg und suche nach der anderen, welche irgendwo neben mir liegen muss. Aber auch nach mehreren Sekunden, in denen meine Finger über die weiche Bettdecke gehuscht sind, finde ich sie nicht. Als ich wieder aufschaue, um meine Mutter zu fragen, sehe ich, dass Vinz sie in der Hand hat und sich durchliest, was darauf steht. Im ersten Moment werde ich von Panik erfüllt und möchte ihm sie entreißen, komme dann aber zur Vernunft. Er wird mit dem Begriff nichts anfangen können und hat ihn spätestens in einer Minute vergessen.

„Hier." Vorsichtig nehme ich ihm die Verpackung aus der Hand, darauf bedacht, ihn nicht zu berühren und drücke auch diese Tablette raus. Mit einem schnellen Schluck nehme ich sie und lasse sie neben mir auf das Bett fallen. Der besorgte Blick, mit welchem Vinz mich die gesamte Zeit ansieht, macht mich verrückt, weshalb ich unruhig hin- und herrutsche. Kann er nicht woanders hinsehen? 

„Kannst du laufen, Schatz?" Meine Mutter steht auf und streckt kurz ihre Beine durch.

„Keine Ahnung. Ich kann es versuchen", entgegne ich leise. Dann stütze ich meine Arme auf und versuche mich hochzudrücken. Auch wenn ich Probleme habe, mich zu halten, komme ich auf die Beine. Sofort kommt der Schmerz zurück, weshalb ich einen Arm vor mich presse. Gleich wird es besser.  Als ich einen Schritt versuche, stolpere ich und kralle mich im letzten Moment an Vinz fest, welcher sofort die Arme um mich schlingt. Eigentlich sollte ich zurückspringen, ihn anstarren und dann würden wir uns küssen – zumindest in meiner Geschichte. Und Vinz müsste ein Badboy sein. Stattdessen ziehe ich mich mit meinem bisschen Kraft an ihm hoch, bis ich aufrecht stehe.

„Ich halte dich, damit du nicht umfällst." Vinz legt einen Arm um mich herum, den anderen hält er vor mich. „Gehen Sie schon einmal vor", wendet er sich an Mama, welche die Hand vor den Mund geschlagen hat. Es tut mir doch leid. Stumm nickt sie, starrt noch ein paar Sekunden auf uns und geht dann durch die Tür.

Vinz und ich folgen ihr – wenn auch erheblich langsamer. Sobald sie die Treppe hinuntergegangen ist, seufzt er leise. „Mary, was ist los?", versucht er es erneut, aber ich schüttle nur mit zusammengekniffenen Augen den Kopf. Er darf es nicht wissen. Dann weiß es Ryder und der erwähnt es in der Schule und dann machen sich meine Freunde Sorgen. Und das kann ich nicht zulassen. Außerdem möchte ich nicht, dass die Beiden noch einmal jemanden verlieren, geschweige denn mich im Sterben liegen sehen.

„Ich mache mir Sorgen um dich! Verstehst du das denn nicht?" Als ich zu ihm aufschaue, hat er nicht sein typisches Vinz-Lächeln. Im Gegensatz, blanke Angst ist in seinem Gesicht zu sehen, scheint komplett von ihm Besitz erlangt zu haben.

Ich habe zu spät gehandelt. Ich hätte früher den Kontakt abbrechen sollen, sofort, nachdem er es mir erzählt hat. Denn jetzt wird er sich noch mehr Sorgen machen, wenn ich ihn ignoriere. Denken, dass ich noch mehr Schmerzen habe oder sonst was. Kann ich die letzten Stunden nicht wiederholen, die Zukunft neu schreiben? „Du solltest dir keine Sorgen um mich machen", entgegne ich nur. Dann setze ich meinen Fuß auf die erste Treppenstufe, mein Bein knickt weg. Sofort erfasst mich Panik, als ich realisiere, dass ich die Treppe hinunterfallen werde. Aber als ich den Gedanken zu Ende gedacht habe, macht sich Ruhe in mir breit, scheint meinen Körper zu beruhigen, dass es nicht schlimm ist. Ich reiße meine Augen auf – ob vor Angst, dass ich die Treppe runterfalle, oder davor, wie ich denke. Aber noch weit, bevor ich die Folgen merke, werde ich zurückgezogen und erneut umschlossen.

„Sollte ich nicht?" Als ich zu ihm aufblicke, erkenne ich, dass seine Augen glasig sind. „Mary, was auch immer das gerade ist – ich sollte mir sehr wohl Sorgen machen!" Fest greift er mich an den Schultern, weshalb sich mein Gesicht verzieht. Sofort zuckt er zusammen. „Entschuldige, habe ich dich verletzt?"

Schwach schüttle ich meinen Kopf. „Bring mich bitte einfach nur nach draußen."

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro