[2] Entscheidung

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Langsamer als ihr lieb war, folgten sie dem selben Weg zurück, den Kyra eben noch in höchster Eile zurückgelegt hatte. Sie ahnte, dass ihr Ohrring nicht währenddessen verloren gegangen war. Sicher hatte sie ihn drüben am Strand verloren, als sie hängengeblieben war. Zumindest würde das den stechenden Schmerz erklären, den sie in diesem Moment an ihrem Ohr hatte spüren können. Doch noch immer wollte sie Lia nichts von ihrer Entdeckung erzählen, aus Furcht, sie könne eine Strafe der Ältesten erhalten. Es lastete schwer auf ihr, doch sie kannte ihre Freundin eben viel zu gut, die schon immer nach dem absolut Guten gestrebt hatte.

Immer mal wieder glaubte sie dennoch etwas gefunden zu haben, doch letztlich stellte es sich bloß als einfache Federn heraus, die manche von ihnen im Flug verloren haben mussten. Von Kyras Ohrring jedoch fehlte noch immer jede Spur. Doch nicht mehr lange und sie hätten den Strand erreicht. Aufmerksam fiel ihr Blick auf die junge Frau neben ihr, die gerade in einem kleinen Blätterhaufen wühlte. Sie konnte keine Geräusche mehr hören, zumindest keine von einer derartigen Lautstärke, die die Anwesenheit der Piraten verraten würde.

»Ich glaub ich hab hier eine Spur gefunden.«

Lias Stimme riss sie wieder aus ihrer Überlegung und sogleich beugte sie sich ebenfalls etwas näher zu ihr hinab. Tatsächlich konnte man dort kleine, rote Spritzer entdecken. Blut. Ihr Blut wie es schien. Und es würde sie hinüber zum Strand führen ... Innerlich fluchte die Greifenfrau, bevor sie lediglich abwank.

»Sicher nur von einem verletzten Tier. Ich bin hier schließlich nicht vorbeigekommen soweit ich das weiß«, erwiderte sie daher und stand wieder auf, doch Lia blieb weiterhin dort unten sitzen und wischte noch ein paar Blätter zur Seite. Es war sehr schwammig, denn normalerweise wurden nur selten Tiere auf dieser Insel verletzt. Das meiste Fleisch kam von umliegenden Inseln, auf denen die wenigen jagen gingen, die von den Ältesten ausgewählt wurden. Daher wusste sie selber nicht so ganz, wieso sie solch eine unsichere Ausrede genommen hatte. War doch klar, dass ihre Freundin eher Zweifel daran hatte. Noch dazu, da Lia ihren Duft in und auswendig kannte und ihn sicher bereits identifiziert hatte. Und dies kam auch nur wenig später auf sie zurück, als ihr das leise Seufzen der anderen an die Ohren drang.

»Wieso bist du wirklich zu spät gekommen, Kyra? Was verheimlichst du mir?«

Noch immer blickte Lia sie dabei nicht an, was diese Worte nur noch schlimmer für sie machten. Ihre Freundin klang verletzt und resigniert zugleich, als habe sie nichts anderes erwartet, was sich wie ein fester Schlag in die Magengrube anfühlte. Denn sie hatte sie doch nicht mit dieser Tat verletzen wollen. Und so kniete Kyra sich ohne etwas zu sagen hinter sie, legte ihre Hände an ihre Schultern und drehte ihr Gesicht zu sich herum, wodurch sie den Schmerz in den beiden Bernsteinen klar und deutlich erkennen konnte.

»Ich wollte dir niemals etwas verheimlichen und dich mit so etwas verletzen, Lia, wirklich ... aber es gibt da einfach etwas, das ich selbst dir nicht sagen kann. Bitte verstehe das ...«

»Aber genau das verstehe ich eben nicht. Du kannst mir doch alles sagen, konntest du schon immer«, erwiderte sie kopfschüttelnd und riss sich von Kyras Griff los, stand auf und trat einige Schritte nach vorne. Sofort folgte sie ihr, wollte ihre Hand erneut auf Lias Schulter legen und diese beruhigend drücken, aber noch bevor sie sie berühren konnte, wirbelte Lia erneut herum und wich ihr aus.

»Ich habe dir stets ein offenes Ohr geboten, habe dir zugehört und dir versucht so gut beizustehen und zu helfen, wie es mir möglich ist. Und das mache ich alles nicht ohne Grund. Ich tue das, weil du meine Freundin bist und ich nicht will, dass du wegen irgendetwas oder irgendjemandem leidest! Denn dafür sind Freunde doch schließlich da. Ich kann einfach nicht verstehen, wieso du jetzt auf einmal etwas vor mir verheimlichst, das macht für mich keinen Sinn. Aber ich will es doch verstehen können, Kyra.«

Die Stimme der jungen Greifin zitterte bereits und sie wusste, dass ihre Freundin mit den Tränen kämpfte. Dennoch ließ sie Kyra nicht näher an sich heran, blockte die Versuche sie zu beruhigen ab. »Ich hoffe du findest ihn noch vor Einbruch der Nacht...« Bloß noch diese wenigen Worte folgten, ehe Lia sich wortlos an ihr vorbeidrängte und davonlief. In ihr brodelte es. Sie sollte ihr hinterherlaufen! Sie aufhalten und mit ihr darüber reden! Und doch glaubte sie keinen einzigen Schritt gehen zu können, ohne nicht direkt mit dem Boden Bekanntschaft zu machen. Eisern drückten ihre Zähne aufeinander und ohne jegliche Kontrolle schoss ihre geballte Faust auf einen nahegelegenen Baumstamm zu, wodurch die Rinde leise krachte.

Wäre dieses dumme Gesetz nicht, wäre sie die erste gewesen, der sie von der Begegnung erzählt hätte. Vielleicht hätte sie Lia auch mit an die Hand genommen und wäre neugierig in die Mitte der Piraten gestürzt. Aber stattdessen stand sie nun hier, ein brennendes Kribbeln in der Hand und Reue im Herzen.

*

Lange Zeit war sie nun schon hier. Nachdem Lia verschwunden war, hatte das Braunhaar sich kurzerhand vor dem Baum niedergelassen und die Augen geschlossen, um sich mit einigen tiefen Atemzügen zu beruhigen. Dabei war die Zeit regelrecht an ihr vorbeigeflogen und neben dem Hunger zog noch immer die Ungewissheit über ihren Ohrring an ihr. Dennoch war es ihr fast, als habe sie ihre Kraft in dem Moment verlassen, in dem ihre Freundin voller Enttäuschung davongestürmt war, weshalb sie alles andere vorerst verdrängt hatte.

Ihr Blick begann zu wandern und sich gen Himmel zu richten, der durch die Baumkronen hindurch bereits eine dunkle Färbung aufwies. Beinahe automatisch fuhr sie hoch. War es etwa schon so spät? Doch sobald sie stand und ihr Gehirn allem Anschein nach die Arbeit wieder aufnahm, wurde ihr gewahr, dass es noch gar nicht so spät sein konnte. Es waren lediglich dichte Wolken, die sich im Zuge des Windes immer wieder vor die Sonne schoben. Es hatte sich alles in den letzten Stunden wieder zugezogen, wie es schien.

Den Nacken kreisen lassend, streckte sie sich daraufhin noch ein letztes Mal ordentlich, ehe Kyra den Weg wieder aufnahm und in Richtung Strand steuerte. Jeder andere wäre sicher in die entgegengesetzte Richtung gegangen, um sich bei seiner Freundin zu entschuldigen, doch sie kannte Lia gut genug um zu wissen, dass es heute nichts mehr bringen würde. Denn sobald die andere sie nicht an sich heranließ und das Weite suchte, brauchte sie Zeit alleine, was Kyra früh begonnen hatte zu respektieren.

Stattdessen wollte sie bis zum einbrechenden Abend wieder zurück in ihrer Hütte sein, weshalb sie kurz darauf die Ohren spitzte und begann zu lauschen. Noch immer deutete nichts mehr darauf hin, dass Besuch auf die Insel gelangt war und doch bezweifelte Kyra, dass die Männer schon wieder aufgebrochen waren. Ihre Hoffnungen lagen also darin sie nicht plötzlich vor sich im Wald aufzufinden ...

Je näher der Waldrand in ihr Sichtfeld kam, desto höher stieg ihr die Aufregung zu Kopf. Sie konnte es nicht einmal richtig steuern, war es doch dieser Hauch des Abenteuers, das sie sich seit Jahren herbeisehnte. Und doch zwang sie sich dazu aufmerksam ihre Umgebung im Blick zu behalten, während sie nach der goldenen Feder Ausschau hielt. Unbewusst glitt ihre Hand bei dem Gedanken an ihr verletztes Ohrläppchen, nur um abrupt zu sinken. Da waren Schritte. Und sie kamen direkt in ihre Richtung.

Augenblicklich flüchtete die Greifin hinter einen der breiten Baumstämme und glaubte fast, man könne ihr Herz selbst in einigen Metern Entfernung schlagen hören, so eisern, wie es ihr gerade gegen die Rippen drückte. Vorsichtig lugte sie um die Ecke und lange musste sie nicht warten, bis sich tatsächlich Gestalten aus dem Unterholz schälten und in ihr Sichtfeld traten. Sie erkannte die Männer von heute Morgen wieder, doch sobald der Blondschopf seinen Blick in ihre Richtung drehte, fuhr Kyra wieder herum und drückte sich angespannt gegen den rauen Stamm.

Glücklicherweise schienen die beiden Männer ihr nicht näher zu kommen und stattdessen ebenso auf den Strand zuzuhalten, wodurch ihr ein tiefer Seufzer entkam, mit dem sie einen Schritt vom Baum fortging. Mit ihnen im Nacken würde sich die Suche erheblich erschweren und genau das war etwas, das sie gerade nun wirklich nicht gebrauchen konnte. Vielleicht sollte sie die Suche vorerst pausieren und in der Nacht weitersuchen? Mit ihren Augen wäre dies zumindest kein Problem und dort wäre die Chance hoch, dass diese Leute schliefen ... oder bereits wieder fortgesegelt waren. Ein Gedanke, der sie auf der einen Seite erfreute und gleichermaßen auf der anderen Seite traurig stimmte.

Ein ärgerliches Grummeln entwich ihren Lippen. Sie sollte keinerlei Traurigkeit bei etwas empfinden, dass ihre Freundin verletzt hatte. Es war ungerecht und somit nur gut, wenn sie endlich verschwinden würden. Und doch ... konnte sie einfach nicht anders, weshalb ihr Blick in die Richtung fiel, in die die zwei eben verschwunden waren. Würden die Alten doch bloß nicht ständig an der Vergangenheit festhängen ... immerhin mussten doch nicht alle Menschen schlecht sein. Sie hatte sie beobachtet und auch wenn es bloß der erste Blick gewesen war, so hatte sich kein mulmiges Bauchgefühl gemeldet. Und normalerweise konnte sie gut darauf vertrauen.

Vielleicht war sie auch einfach bloß zu naiv und traute anderen zu schnell, aber das änderte dennoch nichts an ihrer Meinung, dass man niemals alle über einen Kamm scheren durfte. Nur weil sie damals von Menschen verraten worden waren, gab es keinen Grund anzunehmen, dass auch diese Menschheit ihr Volk in die Verdammnis stürzen würde. Kyra schüttelte den Kopf. Es nutzte ja doch nichts, sich darüber Gedanken zu machen, ließen diese Männer nicht mit sich reden. Und somit gab es für sie bloß eine Möglichkeit sich vom Gegenteil zu überzeugen ... sie würde sich den Männern zeigen und selber herausfinden, was für eine Art Mensch sie waren.

Aber nicht heute. Heute hatte die Greifenfrau genug erlebt, weshalb sie froh darum war, als sich ihr Magen lautstark meldete und sie daran erinnerte, dass sie heute noch nichts gegessen hatte. Und ohne vollen Magen ließ es sich ohnehin schlecht nachforschen. Es war nur schade um den Ohrring ... Ein weiteres Mal seufzte Kyra, doch ihre Entscheidung blieb und damit drehte sie sich auch schon herum und verschwand in den Tiefen des Waldes. 

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