11

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Vor dem heutigen Tag braucht Paule sich nicht zu fürchten, und seine Mitschüler auch nicht, hat Paule sich vorgenommen, denn heute will er sich zurückhalten, ganz friedlich sein, Luna zuliebe. Er will ihr zeigen, dass er auch anders kann, dass er nicht ständig diesen Proll-Wolf raushängen lassen muss.
Außerdem passt ihm der Stundenplan ganz gut. Erst zwei Stunden Kunst mit Herrn Höffner, dann Deutsch bei Frau Mantey, danach Mathe und zum Schluss noch ein kurzes Treffen mit Sascha in dessen Beratungsraum. Paule freut sich auf süße Kekse und heißen, pipifarbenen Kräutertee. Ach, er fühlt sich so leicht, so heiter. Er glaubt, er ist verliebt.

„Mannomännchen! Wunderbärchen!"
Herr Höffner beugt sich über Paules Zeichnungen zum Thema Ostern. Paule hat Eier gemalt, aus denen kleine, gelbe Hühner, grüne Schlangen und schillernde Falter krabbeln.

„Deine Fantasie möchte ich haben, Paule Schwarzrock! Bist ja sonst 'n ganz schön wilder und grintiger Kerl, aber zeichnen, das kannste! Auch wenn mir deine Interpretation des Osterfestes etwas Unbehagen bereitet."

Paule versteht nur die Hälfte von dem, was Herr Höffner ihm erzählt, nicht nur wegen all der komischen Wörter, sondern auch weil Herr Höffner tierisch aus dem Mund müffelt. Paule fallen die Abfallberge in seiner Siedlung ein, die die Stadt monatelang nicht abgeholt hat, weil sich kein Müllmann mehr auf die andere Seite der Autobahnbrücke traut. Man erzählt sich in Dunkelfurt viele düstere Geschichten über die Schwarzröcke, Geschichten, die Paule alle kennt, von denen aber nur die Hälfte wahr ist, die schlimmere Hälfte nämlich.

Jetzt will Herr Höffner, dass alle ihre Kunstwerke vor dem Fenster auf den Boden legen. Da ist das Licht besser. Heute wird bewertet. Findet Paule immer blöd. Eine Schule ohne Noten wäre ihm lieber, weil er denkt, dass er dann besser dastünde. Die ganzen Fünfen auf dem Zeugnis machen sich nicht gut und Oma Canusa frisst sich jedesmal fast selbst auf, wenn Paule ihr seine Giftblätter zeigt. Könnte er ja seinlassen, ihr die Wische einfach nicht zeigen, doch dann würde sie ihn wieder mit ihren käsigen Hornhautfüßen um die Wellblechhütte jagen und irgendwann müsste er dann vor Ekel aufgeben. Sie ist enttäuscht von ihm, Paule weiß das, auch wenn sie es nicht sagt. Ein Wolfsclan-Oberhaupt hat keine Fünfen auf dem Zeugnis. Ein Wolfsclan-Oberhaupt muss glänzen. Im Köpfchen, in den Muckis und überhaupt in jeder Pore seines göttlichen Leibes.

„Gab ja ne Menge Beschwerden von euch bei der letzten Abgabe!"

Streber-Suse meldet sich.

„Sie meinen die Weihnachtsbilder, welche wir im vergangenen Jahr kreiert haben?"

Herr Höffner nickt wohlwollend. Hans-Bert reißt den Arm nach oben.

„Die Bewertungskriterien, Herr Höffner, waren den meisten, gelinde gesprochen, überwiegend unklar, daher fiel es uns schwer die von ihnen vergebenen Bewertungen stichhaltig nachzuvollziehen."

Paule wird ganz flau von dem Gesabbel und grollig ist ihm auch zumute. Streber-Suse und Hans-Bert an den Haaren packen und einfach mal mit den Schädeln zusammenditschen, das würde ihm jetzt gefallen. Geht aber nicht, ist ein unpassender Moment. Höffner würde ihn wieder bei Lilienthal verpetzen und dann bekäme er nicht mit, wie supergeil sein Osterbild heute abschneidet. Am Ende würde natürlich auch Sascha Wind von der Sache bekommen und es würde wahrscheinlich nichts werden mit dem Nebenjob in der Stadt.

Apropos Nebenjob. Paule erinnert sich. Heute in der letzten Stunde will Sascha ihm doch sagen, wie das gehen könnte mit dem Geldverdienen, wo eine Stelle frei ist, wer ihn einstellen würde. Ein jobbender Werwolf-Lover, das findet bestimmt auch Luna superscharf! Dann kann er ihr ab und zu ein bisschen Bling-Bling kaufen, sie abends mal ausführen, mit ihr ins Kino gehen, gechillt im Kreissaal, dem angesagtesten Club der Stadt, versumpfen. Goldene Zeiten, ich komme!

Höffner zieht sich die speckigen Sandalen von den Füßen und pellt sich die Käsesocken von den Schweißmauken. Dann legt er die Handinnenflächen aneinander, hebt die Hände vor's Gesicht und schließt die Augen. Geschätzte zehn Minuten steht er einfach so da und bewegt sich kein Stück, sagt keinen Mucks. Ganz hinten furzt jemand. Ein Mädchen unterdrückt ein Lachen, ansonsten ist es mucksmäuschenstill im Kunstraum. Alle starren Herrn Höffner an. Jetzt ist er völlig plemplem, denkt Paule. Leise zählt er bis zehn, dann bis zwanzig, danach bis hundert. Draußen springt eine Drossel über den frisch gemähten Rasen. Hausmeister Siggi latscht durchs Bild. Die Drossel flattert davon. Siggi reckt den Arm und schickt ihr einen Mittelfinger hinterher. Mag Siggi keine Vögel? Wer hat hier eigentlich die Fünfen verdient? Nicht nur ich, denkt Paule, sicherlich nicht nur ich. Ne Sieben würde er Siggi geben für sein antivöglisches Verhalten. Keine Achtung vor der Kreatur und sowas will Hausmeister sein!

Hinter Paule klappt die Klassenzimmertür. Kurz darauf tatscht ihm jemand auf die Schulter. Es ist Knackfloh. Sein Gesicht sieht bemitleidenswert aus. Überall Pflaster, Mullbinden und Salbenreste. Sie sparen wo sie können im Kinderheim auf der Traudelhöhe, das findet Paule nicht in Ordnung. Wenn er erstmal King von Dunkelfurt ist, dann macht er Schluss damit, dann wird den Armen gegeben und den Reichen genommen und das mit voller Wucht. Paule fühlt sich tierisch motiviert. Fürd en Anfang aber erstmal ne super Note abgreifen!

Herr Höffner ist wieder unter den Lebenden. Er klatscht in die Hände und trippelt mit den Füßen, als nehme er jeden Moment Schwung für einen Weitsprung. Dann schreitet er zu den Bildern. Die Klasse starrt gebannt nach vorn. Wo sind die Bewertungsbögen? Weshalb teilt niemand etwas aus oder projeziert etwas an die Wand? Nein, da vorn ist einfach nur Höffner mit seinen quietschenden Schweißfüßen, die noch abartiger stinken als sein Höllenatem. Jetzt tritt er auf das erste Kunstwerk zu, es gehört Hans-Bert. Gelbes, superliebes Küken, sehr naiv gepinselt. Schnabel zu groß, Augen zu schief. Völlig unsüß. Und was macht Höffner? Er steigt auf das Bild, die Farbe ist noch feucht, und bleibt darauf stehen.

Einfach so.

Entsetztes Schweigen.

Höffner schließt er erneut die Augen und legt die Handflächen aufeinander. Zehn Sekunden bleibt er so stehen, dann öffnet er die Augen wieder.

„Vier plus."

Er zieht sein winziges Notenheft aus der Arschtasche und macht sich eine schnelle Notiz. Danach steigt er auf das nächste Bild. Romeos Bild. Paule lässt den Blick schweifen. Romeo drückt sich ganz hinten an der Eingangstür herum. Paule sieht die Angst in seinen Augen. Richtig so! Auf Romeos Bild sieht man ein Liebespaar, Kussikussi, eng aneinander geschmiegte Körper, der eine Körper mit Haaren, der andere ohne.

„Fünf. Thema verfehlt."

Knackfloh kriegt sich nicht mehr ein. Er gniggelt und gnaggelt, hält sich dabei an Paules Schulter fest. Tränen laufen ihm übers Gesicht. Vor Lachen und vor Schmerz, denn das Gesicht verziehen, geht bei den vielen Pflastern und Binden eigentlich nicht. Die Klassenzimmertür knallt. Romeo ist abgehauen. Jetzt ist es Paule, der sich nicht mehr einkriegt. Herr Häffner steigt aufs nächste Bild und immer so weiter. Niemand protestiert. Allen steht der Mund offen. Hans-Berts und Suses am weitesten. Sie kriegen beide eine Eins. Was sollen sie sich da beschweren? Paule kriegt von Herrn Häffners Glitschpaddeln eine Eins mit Sternchen geweissagt. Da kann Paule nicht meckern. Zeichnen kann er eben. Alle starren ihn an. Beste Note der Klasse.

„Tja Leute, gewöhnt euch schon mal dran. Heute beginnt das Paule-Zeitalter, die Ära der Glückseligkeit, Dunkelfurts Licht am Ende des Tunnels! Eins mit Sternchen ihr kleinen Laternchen!"

Wo bleibt Rotze eigentlich?

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro