Montag - 20.2 - Türen

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Don't forget  -  it's fiction!

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Ich hocke im Keller, umgeben von meinem Tagebuch, meinen Fotos aus der Zeit, als die Jungs hier waren, und suche verzweifelt nach irgendeinem Zipfel, an dem ich noch ziehen kann, um Jimins Lebenswillen wieder herauszuziehen aus dem Schmerz, in dem er zu ertrinken droht. Am frühen Abend klingelt bei uns das Telefon. Es ist Chen Kwon-So, der junge Mann aus dem koreanischen Konsulat.

Und er kommt gleich zur Sache.
„Hier ist Kwon. Ich habe vor ein paar Wochen die Koffer von BTS zu ihnen gebracht, und wir haben uns gesehen, als sie die Reisepapiere abgeholt haben. Namjoon hat mich angerufen. Jimin hat, seit er am Sonntag das Mittagessen und das Abendessen wieder ausgespuckt hat, nichts mehr gegessen. Sind sie bereit, morgen um 6:15 Uhr mit mir nach Rom zu fliegen? Ich komme zum Dolmetschen mit, damit die Jungs das nicht tun müssen."
Ich zögere keine Sekunde, mein Kopf kreist ja sowieso seit Stunden um nichts anderes.
"Wer bucht die Tickets, was brauche ich an Papieren, treffen wir uns vorher, damit ich ihnen einiges erzählen und sie vorbereiten kann?"

Wir telefonieren eine Weile. Schnell sind wir beim 'Du'. Kwon ist von Namjoon schon umfassend informiert worden und lässt sich nun in Ruhe auch von mir erzählen, was in den zehn Tagen hier passiert ist. Er kannte BTS vorher nur, weil seine 18-jährige Schwester voll drauf abfährt. Aber was sie ihm an Informationen über die sieben Jungs gegeben hat, was sie ihm bei Youtube gezeigt und ihm vorgeschwärmt hat, kommt ihm doch sehr klischeehaft vor. Also mache ich mich daran, sein Bild etwas zu differenzieren und an der ein oder anderen Stelle etwas grade zu rücken. Er ist ein sehr scharfsinniger Denker, guter Zuhörer und feiner Beobachter.

Ich bin unglaublich froh, dass er mitkommen wird, denn nachdem ich mich um Jimin gekümmert habe, will ich wenn möglich natürlich auch mit PD in den Ring steigen. Und dabei muss jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden, ein vernünftiges, flüssiges Gespräch zustande kommen können. Namjoon und ich würden uns verrenken. Und er würde es auch überhaupt nicht aushalten. Ich muss ja nicht nur Jimin sondern alle sieben Jungs aus der Schussbahn kriegen. Ein direkter, sensibler Deutsch-Koreanisch-Dolmetscher kann über Rettung oder Desaster entscheiden. Sehr sorgfältig lasse ich mich also vorbereiten auf koreanische Umgangsformen und Gesprächskultur. Je mehr ich grundsätzlich weiß, desto eher kann ich vielleicht verstehen, was in diesem Mann vorgeht, kann zwischen den Zeilen lesen und die richtigen Worte finden, um dieses entsetzlich verfahrene Durcheinander aufzulösen. Was ich mir vorgenommen habe, ist nicht mehr und nicht weniger, als: ein Wunder zu bewirken.

Dann mache ich mir Gedanken, was ich mitnehmen kann, was Jimin vielleicht aus der Reserve locken könnte. Ein kleines Geschenk habe ich noch in Petto, das wollte ich ihm in London geben. Jetzt ist es wohl schon früher Zeit dafür. Markus backt Brot und einen Käsekuchen, kocht Milchreis und füllt alles in Dosen. Ich besorge Weintrauben und seine Lieblingsschokolade, packe meinen Rucksack mit den Lebensmitteln und meiner gelben Decke. Als Halt für mich selbst stecke ich meinen Elefanten und einen der Bronzeengel in meine Hosentaschen.
Das wird lustig am Flughafen ...

Lange, lange schreibe ich mit Namjoon hin und her, um möglichst gut darauf vorbereitet zu sein, was mich erwartet. Er beschreibt die Suite, berichtet, wie jeder von ihnen mit der Belastung umgeht. Ich frage ihn, was ihn eigentlich daran hindert, einen Arzt zu rufen. Ich finde die Vorstellung von Jimin, allein in einem Krankenhaus oder gar einer Psychiatrie auch echt unangenehm. Aber allmählich beschleicht mich eiskalt die Befürchtung, dass kein Weg mehr dran vorbei führt. Plötzlich ploppen Nachrichten von allen auf.
„Er hat sich wieder eingeschlossen!"
Die Panik springt aus den Zeilen. Und auch ich muss mich zusammenreißen, mich nicht davon anstecken zu lassen. 

Während ich Namjoons Beschreibung der Suite gelesen habe, habe ich mir eine Skizze gezeichnet. Bei genauerem Hinsehen wird mir nun klar, dass Jimins Zimmer nicht nur eine Tür in den Wohnraum der Suite hat. Sondern auch eine direkte Wand zum Gang des Hotels. Irgendwas klingelt in meinem Hinterkopf, aber ich kann es nicht greifen. Ich starre meine Skizze an.
Ah!... Ob da eine extra Tür ist? Das wäre ... Wenn die Suite symmetrisch aufgebaut ist ...
Nun rufe ich doch wieder bei Namjoon an und frage nach, ob meine Wahrnehmung von der Lage dieses Zimmers richtig ist, und der bestätigt das.

Direkt danach schaltet er auch. Ich höre ihn durchs Telefon nach Jeongguk und Hoseok rufen, verstehe ihn aber natürlich nicht. Er wartet jedoch eine Antwort gar nicht ab. An seinem Atem kann ich hören, dass er losrennt. Er stößt einen Schrei aus, reißt eine Tür auf.
"Ich bin jetzt bei Hobi und Guk raus auf den Gang der Etage!"
Namjoon schreitet offensichtlich die Entfernungen an der Wand ab, denn ich kann ihn auf koreanisch zählen hören.
"Es sind ... sieben Schritte bis zum Eingang der Suite. Nochmal! Eins, zwei, drei, ..., sieben Schritte... Und da ist eine Tür. Da kommen wir rein!"
Gott sei Dank! 

 Wir verabreden, dass er sich an das Hotelpersonal wendet und sich mit einer Ausrede eine Codekarte zu dieser Tür besorgt. Dann kann er jederzeit rein, wenn sich die Lage noch mehr verschlechtert, ohne dass jemand vom Hotel hochkommen und dabei helfen muss. Spätestens, wenn ich da bin. Es erleichtert uns sehr zu wissen, dass wir wenigstens wieder an Jimin ran kommen können. Auch wenn Namjoon im Moment noch das Gefühl hat, es wäre nicht in Ordnung, sich über Jimins Wunsch nach Alleinsein hinweg zu setzen.

Ich schreibe noch ein wenig mit der gesamten Gruppe – in einem neuen Chat ohne Jimin, der von der ungebremsten Sorge der anderen abgeschirmt werden soll. Irgendwann kommt die nächste Hiobsbotschaft.
"Och neee. Als Jimin gestern Mittag vor PD weggelaufen ist, hat er seine gelbe Decke im Wohnraum liegen lassen. Wir haben sie zwar mit nach Rom gebracht. Er hat sie aber seitdem nicht mehr an sich genommen."
Ich halte die Luft an und wage kaum, meinen spontanen Gedanken zu Ende zu denken.
Habe ich dann überhaupt eine Chance, an ihn ranzukommen?

Schon wieder rumort ein Gedanke in meinem Hinterkopf, lässt sich einfach nicht greifen. Es ist zum Haareraufen.
Es ist wichtig – ich weiß es!
Meine Hand schwebt über dem Telefon.
Spucks aus, Hirn! ...
Kwon. Irgendwie hat es mit Kwon zu tun, also wähle ich seine Nummer.
Scheiße, scheiße, scheiße – geh ran! Gott, Gott, Gott – ich kann es nicht greifen. Schmeiß meinen inneren Motor an. Sag mir, was es ist!!!
Endlich nimmt Kwon das Gespräch an.
„Kwon. Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir Hilfe von außen nötig haben. Wenn heute Nacht oder morgen in Rom etwas schief geht, brauchen wir vielleicht die Hilfe der dortigen koreanischen Botschaft. Hast du eine Ahnung, wie Namjoon dann da rankommen kann? Die gehen doch bestimmt nicht rund um die Uhr ans Telefon!"
„Doch, schon. Jede Botschaft hat für Staatsbürger im Ausland eine Notfall-Hotline. Pass auf, ich such die Nummer raus und schicke sie Namjoon."

Immer noch grabe ich in meinem Hirn nach dem Gedanken.
„Hast du eigentlich bei dir in Frankfurt mit irgend jemand über das ganze Desaster gesprochen?"
Kwon widerspricht sofort.
„Natürlich nicht! Es geht hier doch um Diskretion. Es sollen so wenig wie möglich Leute wissen, dass da grade alles schief geht!"
Und endlich fällt bei mir der Groschen.

„Kwon! Rede darüber! Ich habe keine Ahnung, warum. Aber alles in mir schreit danach, dass Namjoon dich heute Nacht brauchen wird. Ich kann dir das nicht erklären. Wenn der mitten in der Nacht in der Botschaft in Rom anruft, ist noch lange nicht gesagt, dass die ihm glauben. Es ist ein reines Bauchgefühl, aber: sorge dafür, dass du helfen kannst. Wie auch immer und bei was auch immer. Mehr weiß ich auch nicht. Aber: mach was!"
Kwon verspricht, Namjoon auch die Notfallnummer von Frankfurt zu geben. Ansonsten tappen wir völlig im Dunkeln. Mehr Informationen spuckt nämlich meine Intuition „netterweise" nicht aus.

Ich gehe früh ins Bett. Ich werde morgen all meine Kraft brauchen. An Schlaf ist jedoch nicht zu denken. Ich wälze mich hin und her. Mein Kopf rotiert, die Gedanken jagen sich. Wüste Bilder der gequälten Gesichter meiner Schützlinge huschen an meinem inneren Auge vorbei. Jede Sekunde dehnt sich zu einer kleinen Ewigkeit.
Was treibt diesen Jungen an??? Wenn er sich umbringen will, gibt es weiß Gott schnellere Methoden! Warum tut er sich dieses Elend an? Er ist zwar wohl inzwischen zu schwach, um zu stehen - dennoch handelt er bewusst und gezielt und nach freiem Willen. Er selbst hat die Isolation gewählt. Er vernichtet sich selbst - denkt dabei aber trotzdem noch an Tae. Er weiß, dass er Hilfe braucht – verhindert aber energisch, dass ihm jemand helfen kann. Wahrscheinlich will er schon leben, aber eben nicht so. Vielleicht versucht er, sich aus dem Vertrag rauszuhungern. Wenn PD ihn feuert, kann er einfach gehen. In der Anonymität verschwinden. Sich irgendwo verkriechen, wo keiner ihn kennt und er Zeit hat rauszufinden, was er mit seinem Leben anfangen will. Tanzen, ohne dass ihn dabei jemand sieht. Singen, ohne dass ihn dabei jemand hört. Schlafen und wachen und irgendwas Normales arbeiten und eines Tages vielleicht sogar wieder normal essen, ohne dass es irgend jemand interessiert. Aber wie entsetzlich ist der Weg, den er dafür gewählt hat! Seine innere Not muss unsäglich groß sein.

Mitten in der Nacht schrecke ich hoch. In meinem Traum ist Jimin grade verdurstet. Ich schicke Namjoon eine Nachricht.
"Ich weiß, es ist sehr kurzfristig und wahrscheinlich ziemlich schwierig. Aber: besorge bitte einen Arzt. Einen, der vertrauenswürdig und verschwiegen ist und morgen gegen 10:00 Uhr mit mir dort eintrifft." 
Die Antwort kommt sofort, denn auch er kann offensichtlich nicht schlafen.
"Und wo soll ich den herzaubern?" 

 Tja...
Ich seufze auf.
Keine Ahnung, aber in mir schreit alles danach, dass wir das tun sollten. Reines Bauchgefühl. Wir hatten mit dem Konsulat und Kwon ja schon einmal Glück. Versuchs mit der Botschaft, Kwon hat Dir die Nummer gegeben. Die brauchen doch auch ab und zu einen Arzt. Und der soll gleich die künstliche Ernährung und viel Flüssigkeit im Tropf mitbringen. Dann können wir Jimin vielleicht vor Ort versorgen lassen. Ich weiß nur eines: das wächst uns grade über den Kopf, Jimins Gesundheit steht ernsthaft auf dem Spiel. Da muss ein Arzt ran!"
Kurzes Zögern.
O.K. - ich tu, was ich kann. Bete, dass ich die an die Strippe kriege. Und dass die dann auch auf mich hören..."
Beten ist das einzige, was ich wirklich gut kann. Also los!

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28.12.2018    -    2.4.2019    -    17.11.2019
2.4.2020

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