20. Breakeven

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Als der Projektionsschirm für Romelles Vorstellungspart erfolgreich runtergefahren und wieder hochgezogen werden konnte, ohne, dass etwas hakte, merkwürdige Geräusche zu hören waren, oder die Tänzerin von dem metallverstärkten Rand erschlagen wurde, ertönte Applaus von den Zuschauerplätzen, auf denen verteilt die Musiker sich niedergelassen hatten.

Tatsächlich hatte die Idee mit dem Schirm bei weitem länger zur Umsetzung gebraucht, als beispielsweise die Bühnenbilder, weshalb die Erleichterung groß war, diese Hürde nun auch überwunden zu haben.
Die Kulissen, waren schließlich schon nach ein paar Tagen zur Hälfte fertig gewesen, während sie mehrere Proben damit beschäftigt gewesen waren, herauszufinden, wie man eine dicke Stoffbahn am besten aufzuhängen hatte.

Über das Design des Bühnenbildes hatte die Komponistin nicht viel verlauten lassen, und wie ein Grab geschweigen. Doch obwohl die anderen Projektteilnehmer wussten, dass die Kulissen eher schlicht und wenig aufregend sein würden, waren alle gespannt und wollten wissen, was genau Axca sich ausgedacht hatte. Schließlich würden sie aus den Bühnenbildern weitere Schlüsse darauf ziehen können, wo die Geschichte sich abspielen sollte, denn auch da war die Neunzehnjährige abstrakt geblieben.

Was aber mindestens genauso viel Neugierde bei den Teilnehmern weckte, war Lance' Kostüm.

Er hatte erwähnt, dass nun auch das Design für seine Kleidung feststand, doch machte sich einen Spaß daraus, es geheim zu halten und verworrene Antworten auf die Theorien der anderen zu geben.

Romelle und Allura, die ebenfalls nicht hundertprozentig wussten, wie Lance' Kostüm aussehen würde, verpflichteten sich zur Verschwiegenheit über alle Anzeichen, wie es aussehen könnte, sodass nun die wildesten Theorien die Runde machten.

Shay vermutete, dass die Farbe knallig sein würde, da alles schließlich sonst ziemlich trist wäre, wohingegen James mit einem Grinsen für durchsichtige Kleidung stimmte, da Lance so versessen darauf geschienen hatte, nackt zu tanzen.

Anstelle von Axca, die schon müde von diesem immer wieder aufkommenden Thema schien, widersprach Ina dem Trompeter, da Lance dann etwas aus Kunststoff tragen müsste, was überhaupt nicht atmungsaktiv und somit sehr unpraktisch zum Tanzen wäre.

Lotor wettete mit Ryan um einen Milchshake, dass der Tänzer oberkörperfrei aufkreuzen würde und Nadia war felsenfest davon überzeugt, dass er Strumpfhosen tragen würde.

Keith hatte sich nicht wirklich selber zu dem Thema geäußert, er hatte nur in sich hineingegrinst und einen kleinen Lachanfall bekommen, als Isaak, dessen Fantasie durch seine Unwissenheit über das Kostüm wohl unglaublich angeregt wurde, meinte, dass es Lance sogar zuzutrauen wäre, in einem Mankini aufzutauchen.

Lance selber hatte diese Theorie vehement abgewiesen.

"Diese Dinger sind grauenhaft!", hatte er gerufen, "Als ob ich in sowas unbequemen tanzen würde!"

Doch das hatte nur weitere Fragen vom Griechen aufgeworfen, wie beispielsweise, ob er denn schon einmal einen anprobiert hätte, weshalb Lance sich schnell aufs Klo verabschiedet und Keith nur noch mehr gelacht hatte.

Nun war die Probe so gut wie vorbei (Isaak hatte es sich nicht nehmen lassen, eine unglaublich unvorteilhafte Zeichnung von Lance im Mankini anzufertigen und als Foto ihres Gruppenchats einzustellen) und der Tänzer machte sich zügig fertig, um noch kurz bei der Schneiderei vorbeizusehen, ehe er zum Arzt fahren würde, um endlich den Verband entfernt zu bekommen.

Er war schneller bei der kleinen, stoffgefüllten Stube angekommen, als er es gedacht hätte und wurde wie immer fröhlich von dem Schneider begrüßt, der wohl für ihn verantwortlich war.

"Kommen Sie, Kommen Sie!", winkte der Herr Lance sofort in den Hinterraum, der wohl gar nicht schnell genug seinen Rucksack ablegen konnte.

Sobald er hinter dem schweren Vorhang war, drückte der Schneider ihm die Hose - oder Leggings - in die Hand, die sie schon fertiggestellt hatten, und huschte wieder hinaus, sodass der Braunhaarige sich in Ruhe umziehen konnte.

Ein paar Augenblicke später trat er wieder hinaus in den Hauptraum, wo sich, wie es aussah, die gesamte Schneidermannschaft versammelt hatte, um ihn zu begutachten.

"Sie haben Ihre normale Unterhose darunter, oder?", bemerkte der Herr, der ihn unter seine Obhut genommen hatte, leicht skeptisch und Lance versuchte bei den ganzen Blicken, die auf seiner unteren Körperhälfte lagen, nicht rot zu werden. Er nickte.

"Hm, Sie haben nicht zufälliger Weise gerade ihre Tanzunterwäsche dabei, oder? Dann könnten wir schauen, ob es mir der besser sitzt."

"Ähm, nein, die habe ich nicht dabei", Lance verfluchte sich, nicht daran gedacht zu haben, "Aber ich könnte morgen nochmal kommen."

Der Schneider nickte und alle anderen im Raum, die Lance betrachteten, als wäre er ein Kunstobjekt, dessen Preis man abschätzen musste, taten es ihm gleich.

"Gut, ja, machen wir es so", beschloss der Herr, "Schließlich müssen Sie noch zum Arzt, nicht?"
Er lächelte.

Lance nickte, erfreut, dass der Mann sich seinen Termin gemerkt hatte, und verschwand wieder hinter dem Vorhang, um sich der Leggings zu entledigen. Seiner Meinung nach, passte sie sogar ziemlich gut, sie war weder um die Knie noch um den Bauch herum zu eng und lag auch an den Enden der Hosenbeine, also ungefähr auf Höhe seiner Waden, eng an. Doch wahrscheinlich war es tatsächlich eine gute Idee, sie mit der Unterwäsche anzuprobieren, die er auch bei den Auftritten tragen würde.

Dankend nahm der Schneider das Kleidungsstück wieder entgegen als Lance hinaustrat und verabschiedete ihn mit einem weiteren Lächeln und der Erinnerung, ja am nächsten Tag die geeignete Wäsche zu tragen.

Blinzelnd trat der Braunhaarige wieder ins helle Spätnachmittagslicht und hätte beinahe Keith umgerannt, der ein wenig verloren hinter der Hausecke gestanden hatte. Erschrocken gab der Musiker ein Quietschen von sich, das so gar nicht zu ihm passte und Lance unglaublich zum Lachen brachte.

"Guten Tag auch dir", grinste er, und stützte den anderen kurz, bis dieser sein Gleichgewicht wieder fand, "Was führt dich hier her?"

Er freute sich sehr, den Violinisten zu sehen, auch, wenn sie sich eine halbe Stunde zuvor das letzte Mal gesehen hatten. Er freute sich so sehr, dass es wohl Keiths Absicht gewesen war, Lance über den Weg zu laufen, dass ihm der Grund eigentlich auch hätte egal sein können.

"Allura und Romelle haben mir aufgetragen, dich zum Arzt zu begleiten", meinte Keith nach kurzem Überlegen, "Sie meinten, dass ich dich davon abhalten soll, um die Ärzte zu balzen."

Lance musste grinsen, auch, wenn er sich innerlich gegen die Stirn schlug. Schließlich wussten die beiden Tänzerinnen von den Geschehnissen des letzten Arztbesuches mit Keith.

"Haben sie dir auch gesagt, warum du mich davon abhalten sollst?", fragte er neugierig und begann, loszuschlendern. Keith folgte ihm, nun mit leicht zusammengezogenen Augenbrauen.

"Nein", kam er zu seiner Antwort und der Tänzer lachte leise bei seinem unzufriedenen Gesichtsausdruck.

"Keine Sorge, ich habe aus dem letzten Mal gelernt", grinste er, "Ich werde schon nicht flirten, ich versprech's dir. Aber Konversation zu machen, musst du mir schon erlauben, sonst wird das nichts."

"Mit was?"

"Mit dem guten Eindruck, Keith. Die Leute sind bei weitem netter zu dir, wenn du einen guten Eindruck hinterlässt. Und das machst du, indem du aufmerksam und offen bist."

Lance warf dem Musiker einen leicht verwirrten Blick zu. "Als ob du das nicht weißt?"

Keith schnaubte.

"Natürlich weiß ich sowas. Oder- zumindest sollte ich es schon mal gehört haben, und es klingt logisch.
Aber weißt du- es kann mir doch völlig egal sein, was die Leute von mir denken. Wen kümmert's?"

Diese Antwort rollte Lance eine Weile lang in seinem Kopf hin und her. Sie klang plausibel.

"Aber was ist, wenn dein Arzt beispielsweise dich nicht mag, weil du ein wenig ... asozial und distanziert rüberkommst?", wollte er wissen.

"Also, bloß, weil man nicht unbedingt mit jedem tratschen will, heißt das ja nicht, dass man asozial ist", stellte der Musiker klar, "Und wenn der Arzt dich deswegen schlechter behandelt als andere Patienten, dann ist das ein Zeichen, den Arzt zu wechseln, weil jeder ein Recht auf die gleiche Qualität der Behandlung hat."

Das machte Sinn, das musste Lance zugeben, also schwieg er und nickte leicht. Keith schmunzelte und der Braunhaarige konnte seinen Blick von der Seite spüren, wagte es jedoch nicht, ihn zu erwidern.

"Weißt du, Lance, wenn du nett zu Leuten bist und aufmerksam und all das, dann sei es, weil du es als Person bist. Mach es nicht, um anderen zu gefallen, das lohnt sich nicht", meinte der Schwarzhaarige leise, "Aber weißt du, ich glaube, dass das bei dir schon so ist, und du einfach nur eine Ausrede suchst, nett zu sein. Kümmer dich nicht um Erklärungen, sei einfach du selber, da musst du nichts begründen."

Eine kleine Weile war stille, dann stieß Lance leise Luft aus und sah nun dem Violinisten in die Augen, als er mit einem kleinen Lächeln antwortete:

"So inspirierende Worte, was ist in dich gefahren?"

Auflachend stieß Keith ihn leicht mit seiner Schulter an und grinste.

"Der Moment hat es so aus mir herausgeholt, also hab ich es gesagt! Kommt nicht oft vor, dass ich wirklich alles sage, was mir im Kopf herumschwirrt, also solltest du dich geehrt fühlen!"

Lance lachte und hätte in dem Moment einfach unglaublich gerne das breite Lächeln auf Keiths Gesicht geküsst, um die sanfte Würze seiner Worte zu schmecken. Es war erstaunlich, wie leicht man ihn necken konnte, wie leicht man sich generell mit ihm unterhalten konnte.

"Aber- was ist mit dir?", fragte er dann jedoch und zog Keiths Aufmerksamkeit wieder auf ihr Thema, "Du bist doch auch eigentlich aufmerksam, warum unterhältst du dich nicht mit Leuten?"

Der Musiker schnaubte.

"Sehe ich so aus, als würde es mir Spaß machen, mich mit Fremden über Belangloses zu unterhalten?", wollte er wissen und zog eine Augenbraue hoch.

Die Frage musste Lance leider verneinen. Keith sah nicht nur nicht danach aus, er war generell kein Typ für sowas.

"Meine Aufmerksamkeit ist anders, als deine", meinte der Schwarzhaarige, "Du zeigst offen Interesse für Leute. Dadurch wirst du selber interessanter für sie und die Unterhaltung bleibt am Laufen. Wahrscheinlich funktioniert Flirten auch auf die Weise- offenes, ehrliches Interesse zeigen.
Ich hingegen beobachte die Leute, wenn überhaupt. Wenn ich jemandem meine Aufmerksamkeit schenke, sind es meistens Leute, die ich mag, die anderen sind mir so gut wie egal.
Das ist der Unterschied zwischen uns."

Der Tänzer nickte langsam. Das machte Sinn und es passte auch zu ihnen beiden.

"Naja", grinste er dann, ein wenig mit den Armen schwingend, "Auch, wenn ich nur im Sinn habe, wenn dann gesittete Konversationen mit den Damen an der Rezeption zu führen, bist du gerne eingeladen, mich trotzdem zu begleiten. Vor allem, da wir gleich da sind."

Keith grinste immer noch, als Lance ihm die Glastür am Eingang des Gebäudes offenhielt, und nie hätte der Tänzer sich glücklicher schätzen können.

---

Es war geschafft.

Die neuen Untersuchungen hatten gezeigt, dass alles wieder verheilt war und Lance nun wirklich wieder ohne den unterstützenden Verband klarkam.

Zwar sollte er für die ersten Tage keine Hebefiguren machen und auch sonst nichts tun, wie Gewichtheben, das ihm schaden könnte. Ansonsten waren alle Anweisungen nur, sich gut aufzuwärmen und vor allem für die erste Zeit besonders schonend und sanft mit dem Gelenk umzugehen.

Als sie wieder vor der Praxis standen - die Damen der Rezeption hatten Lance fröhlich noch einen schönen Tag und viel Erfolg bei seinen Auftritten gewünscht - grinsten die beiden jungen Männer sich an.

"Du hast es geschafft", meinte Keith.

"Ich hab es geschafft", stimmte Lance ihm zu und hätte vor Freude einen Luftsprung vollführen können. Doch er riss sich zusammen.

"Hast du vielleicht", setzte er hingegen an, sich durch seine Ausgelassenheit ein wenig mutiger fühlend, "Lust auf ein Eis?"

"Klar, gerne", lächelte Keith so warm, dass alles im Tänzer zu schmelzen schien. "Ein Eis wie Allura es gerne hat, oder ein normales?"

"Auf was hast du denn Lust?", entgegnete Lance und der Musiker hob leicht die Schultern, ein leichtes Lächeln um seine Mundwinkel zuckend.

"Um ehrlich zu sein, hätte ich gerade sogar Lust auf ein Allura-Eis", meinte er, als würde diese Tatsache ihn leicht verlegen machen.

Lance lachte.

"Da hast du Glück, mir geht es gerade nämlich genauso", grinste er und gemeinsam liefen sie los, auf der Suche nach einem Eiscafé.

Das Problem war: es gab nicht wirklich welche in ihrer Umgebung. Zumindest nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatten.

"Also, um ehrlich zu sein, hab ich jetzt einfach nur noch Kohldampf", murmelte Keith nach fast einer Stunde, in der sie überlegend vor allen möglichen Cafés gestanden hatten, die dennoch nicht ihren Wünschen entsprochen hatten.

Lance nickte. Er war mindestens genauso frustriert wie der Musiker und sein knurrender Magen, der ächzend um Nahrung bettelte, half ihm nicht wirklich dabei, geduldig zu bleiben.

"Weißt du was?", begann er und Keith wandte ihm fragend den Kopf zu. "Lass uns einfach in das nächste Café gehen, das nett aussieht, okay?"

"Okay", antwortete der Schwarzhaarige und sie begannen erneut, Ausschau zu halten.

Sie waren in den Rocks angekommen, das Museum of Contemporary Art sollte bald zu ihrer Rechten sein. Und tatsächlich erkannte Lance ein paar Schritte entfernt die Backsteinfassade des Gebäudekomplexes, während sich links von ihnen ein kleines Häuschen mit flachem Dach an das nächste reihte.

Es war eine schöne Gegend, ruhig im Vergleich zu manch anderen Orten der doch sehr geschäftigen Stadt und die nun langsam untergehende Sonne verlieh dem ganzen einen romantischen Touch.

Vielleicht sollte er nun später eine Gelegenheit nutzen, um mit Keith zu reden?

"Schau mal", sagte der in genau diesem Moment und deutete auf eine Reihe an dunkelgrünen Markisen, die über den linken Gehweg ragten, "Das sieht doch nach was aus, nicht?"

Der Tänzer nickte und gemeinsam wechselten sie die Straßenseite, in der Hoffnung, dass sich tatsächlich etwas finden ließ, um ihren Hunger zu stillen.

Und, wirklich, nach etwa einhundert Metern kamen sie beim sogenannten "The Rocks Café" an, in dem reger Betreib herrschte. Eine junge Frau wischte einen der Tische im Außenbereich ab und richtete sich auf, als sie die beiden ein paar Schritte entfernt stehen sah.

"Kann ich euch helfen?", fragte sie mit einem schrägen Lächeln und warf sich das Tuch über die Schulter, eine Hand in die Hüfte gestützt.

"Wir haben Hunger", erklärte Keith, das Offensichtliche aussprechend wie schon im Kino. Lance grinste.

"Eher gesagt wollen wir wissen, ob noch ein Tisch frei ist", übersetzte er und der Musiker, der wohl seinen amüsierten Unterton bemerkt hatte, warf ihm einen irritierten Blick zu.

Die Kellnerin grinste nun breit und meinte:

"Da scheint ihr Glück zu haben- sowohl drinnen, als auch hier draußen ist noch etwas frei. Ich würde euch aber eher den Tisch drinnen empfehlen, sobald die Sonne untergegangen ist, wird es inzwischen schneller ein wenig kühl, vor allem hier in der Ecke."

Der Tänzer sah Keith fragend an, der mit den Schultern zuckte und die Achseln hob. Also nickte er und sie folgten der jungen Dame ins Innere des Cafés.

Es war ein wenig eng, mit langen, braunen Ledersitzen an den Wänden und sowohl Tischen als auch Stühlen aus dunklem Holz, wobei die Tischplatten aussahen, als läge ein quadratischer, dünner Marmorstein auf ihnen. Die cremefarbenen Wände waren mit schwarz-weiß Bildern behangen und von der vertäfelten Decke hingen ein paar Lampen. Über den Lehnen der ledernen Bänke hingen rechteckige Spiegel an den Wänden, die den Raum ein wenig größer erscheinen ließen, als er war, aber auch die Möglichkeit boten, sich beim Essen zu beobachten.
Sofern man das wollte.

Die Kellnerin lief mit wippendem blondem Pferdeschwanz voraus und führte sie zum letzten Tisch auf der rechten Seite, wo sie die Stühle ein wenig zurechtrückte und sie dann mit einem Lächeln fragte, ob das in Ordnung sei.

Die beiden nickten natürlich- so hungrig, wie sie waren, schenkten sie ihrer Umgebung nicht wirklich viel Beachtung. Das schien die junge Frau auch zu bemerken, da sie amüsiert schnaubte als die zwei sich setzten und mit den Worten: "Ich bin gleich wieder da", auf die zwei Speisekarten deutete, die auf dem kleinen Tisch lagen, und ging.

Sie nickten und mit einem leisen Seufzen schlug Lance das Menü auf. Ihm gegenüber tat Keith das Gleiche und vertiefte sich sogleich in die Auswahl.

Nachdem die Kellnerin wieder gekommen war und sie bestellt hatten, saßen sie vielmehr jeder für sich da und sprachen nicht viel, beide zu hungrig, als dass sie sich um anständige Konversation bemühen konnten.

Erst, als die blonde Pferdeschwanzträgerin mit ihren Getränken und ihrer Beilage, gedünstetem Gemüse, wieder kam, fanden sie ihre Sprache wieder.

"Vielen Dank", sagten sie beinahe schon gleichzeitig und mussten grinsen, während die junge Frau den länglichen Teller zwischen ihnen abstellte und die Menüs an sich nahm.

Sie nickte mit einem Lächeln und kaum hatte sie sich umgedreht, warfen die zwei sich einen kurzen Blick zu, ehe sie sich über das Gemüse hermachten, als hätten sie tagelang nichts mehr gegessen.

"Ich glaube", meinte Keith, die Hälfte einer Karotte noch auf der Gabel, "Mir hat noch nie Gemüse so gut geschmeckt."

Nickend stimmte Lance ihm zu.

Es war ein unglaublich erleichterndes Gefühl, zu merken, wie der Hunger langsam nicht mehr so drängend war. Wie er nicht mehr den eigenen Magen aufzufressen drohte.

Kauend hörte Lance dem Musiker zu, wie er ihm erzählte, dass er früher Brokkoli und überhaupt alles, was grün war, bis auf den Tod gehasst hatte. Es war faszinierend, wie Keiths Augen in dem warmen Licht des Cafés nun beinahe schwarz waren, wohingegen seine Haare nun eher dunkelbraun wirkten.

Ihre Taschen und auch den Geigenkoffer hatten sie neben Lance auf der Sitzbank abgelegt, da dort niemand mehr saß und das Zeug auf dem Boden im Weg sein würde. Keith war erleichtert über diese Lösung gewesen, weshalb auch Lance sie gut fand, da der andere nun nicht immer mit nervösem Blick nach unten sehen musste, um sicherzustellen, dass es seinem Instrument gut ging.

Das Gemüse war schon lange weg, als die junge Dame wieder kam, in jeder Hand einen Teller. Mit einem Grinsen stellte sie jedem von ihnen den seinen vor die Nase und legte auch das nötige Besteck daneben.

"Es heißt zwar Beilage, doch in Notsituationen ignorieren wir mal diesen Begriff", schmunzelte sie, während sie den länglichen Gemüseteller wieder abräumte. Sie nickte ihnen beiden zu und verschwand wieder, ihre verwirrten Blicke ignorierend.

"Durften wir das Gemüse noch nicht essen?", fragte Keith irritiert, doch Lance hob auch nur die Schultern.

"Keine Ahnung, ich hab das immer vor dem eigentlichen Essen gegessen", murmelte er genauso ratlos.

Ihre geteilte Verwirrung ließ sie leicht lachen und mit einem Schulterzucken begannen die beiden zu essen.
Wen kümmerte es schließlich, wann man etwas aß, solange es gegessen wurde?

"Was ist das eigentlich genau?", wollte Lance wissen und deutete mit dem Kinn auf Keiths Teller, auf dem er nur die Nudeln als solche identifizieren konnte.

"Nudeln", antwortete dieser wenig hilfreich und aß friedlich weiter.

Der Braunhaarige schnaubte.

"Ja, das sehe ich. Aber was ist das sonst?"

Sein Gegenüber lachte leise.

"Ich glaube sowas wie normale Tomatensoße, Tomaten, irgendwie ist Pesto auch dabei, Parmesan, glaub ich, und Pilze", antwortete er und inspizierte nickend seinen Teller.

"Ihh, Pilze?"

"Was hast du gegen Pilze?"

"Sie sind eklig!"

Keith schüttelte leicht resigniert seinen Kopf, auch, wenn er von einem Ohr zum anderen grinste und leise schnaubte.

"Nein, sind sie nicht", meinte er, "Schau." Und immer noch lächelnd spießte er einen Pilz auf und schob ihn sich in den Mund.

Schockiert sog Lance Luft ein.

"Was bist du für ein Alien, dass du freiwillig Pilze isst? Und dafür bezahlst?", wollte er entsetzte wissen und lehnte sich erschüttert nach hinten, als hätte Keith gerade seine wahre Identität enthüllt.

"Okay, das ist unfair!", lachte der Violinist jedoch nur, "Die Pilze haben dir nichts getan, also sei ein wenig netter zu ihnen!"

Skeptisch kniff der Tänzer seine Augen zusammen, doch setzte sich wieder normal hin, auch wenn er den Pilzen auf Keiths Teller trotzdem einen missmutigen Blick zuwarf. Dieser schüttelte leise kichernd den Kopf und widmete sich kurz wieder seinem Abendessen, ehe er fragte:

"Was ist denn auf deinem Teller drauf?"

"Reis", antwortete der Tänzer, "Und Erdnüsse, Gemüse, Huhn glaub ich, es ist ein wenig scharf, also wahrscheinlich auch Chili oder so."

Keith nickte.

"Klingt doch gut."

"Ja, auf jeden Fall besser als Pilze."

Der Braunhaarige kicherte, als sein Gegenüber stöhnend mit den Augen rollte. Anscheinend war Lance jetzt zu lange unhöflich zu den Pilzen gewesen.

Während sie aßen und sich diesmal ein wenig mehr Zeit dazu nahmen, da sie nun nicht mehr vor Hunger am Sterben waren, unterhielten sie sich über alles Mögliche, ohne, dass eine peinliche Stille eintrat. Genauso, wie ein Fluss ganz natürlich verschiedene Landschaften passierte, ging ihr Gespräch wie selbstverständlich von einem Thema zum anderen über, als wäre alles miteinander verbunden.

Und zu Lance' Erstaunen war es auch nicht so, dass er die meiste Zeit redete. Keith schaffte es entweder unglaublich gut, sich an den passendsten Stellen einzuklinken, oder der Braunhaarige hatte einfach nicht mehr das Gefühl, alles alleine machen zu müssen, um die Unterhaltung fortlaufen zu lassen. Und das war unglaublich entspannend.

Generell konnte man sagen, dass Keith ein guter Gesprächspartner war. Wo Lance über etwas urteile, fielen dem Schwarzhaarigen andere Blickwinkel ein, die auch zu beachten waren, er hatte die passenden Argumente parat, wenn es um eine Konfliktsituation ging und das schönste von allem: er konnte Lance' Sichtweisen verstehen.

Natürlich gab es auch andere Menschen, die das taten, allen voran Hunk und meistens Allura, doch beim Musiker schien es nochmal etwas anderes zu sein. Genauso wie vorher mit dem Gemüse schienen sie eine ähnliche Sicht auf die Welt zu haben, auch wenn Lance alles ein wenig rosiger und Keith das meiste eher realistisch sah. Es war, als wären sie auf einer Wellenlänge, auch wenn jeder auf seinem eigenen Surfbrett blieb.

Und Lance konnte nicht verhindern, dass sich ihr gemeinsames Abendessen immer mehr wie ein Date anfühlte.

Er wusste nicht, woran es lag, daran, dass ein Café ein typischer Ort für Dates war, oder, dass sie beide mehr über den anderen erfuhren und nun abseits von der Ballett-Projekt-Aura waren, die eine zu große Ähnlichkeit mit einem Arbeitsalltag hatte.

Der Tänzer wusste auch nicht, ob es Keith ähnlich ging. Und auch, wenn nun eigentlich der perfekte Moment wäre, um den Dunkelhaarigen auf Gefühle und dergleichen anzusprechen, wälzte Lance den Gedanken in seinem Kopf hin und her, bis er ihn bestimmt schon zerquetscht hatte.

Er hatte nicht gemerkt, dass sich zum ersten Mal Stille zwischen sie gesenkt hatte, doch es musste wohl so gewesen sein, da Keith ihn leicht besorgt ansah, als Lance seinen Kopf hob, nachdem er seinen Namen gehört hatte.

"Alles gut?", fragte sein Gegenüber und Lance wurde kurz von einer Strähne abgelenkt, die Keith wieder ins Gesicht fiel, obwohl er sie hinters Ohr gestrichen hatte, damit sie ihn nicht beim Essen störte, "Du schienst ... in Gedanken."

"Äh, ja", der Tänzer schüttelte leicht den Kopf, in der Hoffnung, er würde nun klarer sein, "Ich war kurz weg. Aber alles gut." Er schenkte Keith ein beruhigendes Lächeln, auch, wenn es wahrscheinlich eher schüchtern rüberkam.

Der Schwarzhaarige nickte.

"Dann hast du Glück, dass du gerade nicht im Unterricht bist", meinte er mit einem schiefen Lächeln, "Sonst hättest du jetzt ein Problem."

Lance lachte leise.

"Oh ja", erinnerte er sich, "Ich habe wahrscheinlich die Hälfte meines gesamten Unterrichts verpasst, weil ich nur geträumt habe. Bestimmt hätte ich mehr Freizeit gehabt, wenn ich nicht immer nachmittags alles hätte nachlernen müssen."

Keith grinste.

"Ging mir auch so", gab er zu, "Wobei ich die Hälfte meiner Schulzeit geschlafen habe. Am Anfang lag es wahrscheinlich daran, dass ich so gut wie überall schlafen kann und das auch sehr schnell tue. Aber ab der Middle-School war wohl eher der Schlafmangel daran schuld." Er schüttelte bei der Erinnerung daran lachend den Kopf. "Ich habe bis tief in die Nacht Animes geschaut. Und wenn dir um halb vier einfällt, dass du noch Hausaufgaben hast..."

Er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen und Lance konnte nicht anders, als zu kichern.

"Warum du und Romelle nicht schon einen Kult gegründet habt, ist mir ehrlich gesagt schleierhaft", grinste er, "Ihr seid beide gleich schlimm."

Keith hob die Schultern und schmunzelte.

"Es macht halt Spaß, sie zu schauen, da lässt man schnell alles stehen und liegen", meinte er und nach Lance' Nachfrage, erklärte er ihm, was so besonders an Animes war.

Der Tänzer wusste noch nicht einmal, ob er genau zuhörte, oder später wiedergeben konnte, was der Musiker gesagt hatte, dafür lenkten die Bewegungen seines Gegenüber ihn zu sehr ab.

Keith war niemand, der alles mit ausladenden Gesten unterstrich - das war Lance' Job -, doch wenn er vertieft in eine Erzählung war, begann er seine Handschuhe zu öffnen und wieder zu schließen, oder seine Haare zusammenzubinden, um sie dann kurz darauf wieder zu öffnen. Wahrscheinlich war es die innere Aufregung, die durch die Freude über das Erzählte kam, die ihn dazu brachte, immer etwas zwischen den Fingern haben zu müssen- egal, ob es die Serviette war, sein Handschuh oder seine Haare.

Lance aß weiter, während der Musiker erzählte, Beispiele nannte und erklärte, und musste sich ein Grinsen verkneifen, als Keith nun schon zum dritten Mal seine Haare in einem Zopf zusammenfasste, auch wenn der Großteil wieder herausfiel.

Ob es die Begeisterung war, die seine Augen zum Leuchten brachte oder die Lichtverhältnisse des Cafés- Lance wusste es nicht, doch Keith kam ihm noch attraktiver vor, als an jedem anderen Tag zuvor.

Wahrscheinlich würde er wie ein liebestrunkener Pudel nach Hause kommen und sich von Veronica dann ausquetschen lassen müssen, die es fast schon zu riechen schien, wenn etwas dergleichen in der Luft lag.

Aber wie könnte es auch anders sein?

Keith war fast schon die Personifizierung von Attraktivität, mit seinen dunklen Haaren, die sein hübsches Gesicht umrahmten, das zugleich offen und auf eine geheimnisvolle Art und Weise verschlossen war. Seine Augen waren etwas zwischen einem dunklen Grau-Blau und Schwarz, mit dem amethystfarbenen Funken, der nur in ganz bestimmten Verhältnissen zu sehen war. Lance vermutete, dass er Kajal oder dergleichen trug, denn unmöglich konnten Wimpern so dicht und dunkel sein, dass sie einen Schatten auf Keiths Wangenknochen warfen, wenn er den Blick ein wenig senkte.
Auch, wenn dessen Kleidung eher wild aussah und größtenteils schwarz war, brachte dieser Look Keiths eher zarten Gesichtszüge und die blasse Haut mehr zur Geltung, und Lance könnte sich nicht vorstellen, dass dem Violinisten irgendetwas besser stand als die Handschuhe und die Kleidung, die er tagtäglich trug.

Keith sah so unglaublich gut aus, dass der Tänzer sich fragte, warum er erst jetzt Probleme beim Atmen bekam und die Wochen zuvor überlebt hatte. Eigentlich hätte er spätestens in dem Moment, in dem der Schwarzhaarige das erste Mal in den Tanzsaal gekommen war, tot umfallen sollen.

Doch der Musiker schien nicht im Geringsten zu bemerken, was für eine Wirkung er auf Lance hatte. Schließlich war er gerade hoch konzentriert dabei, an seinen Fingern abzuzählen, wie viele Animes er schon gesehen hatte. Und das schien bei der geringen Anzahl seiner Finger problematisch zu sein, mal abgesehen davon, dass er begann, den Überblick zu verlieren, welchen er schon genannt hatte und welchen nicht.

Die junge Kellnerin kam wieder, als sie beide gemeinsam bei etwas zwischen dreißig und vierzig angekommen waren, und nahm ihre nun leeren Teller an sich.

"Noch ein Nachtisch?", fragte sie und nach einem kurzen Blickwechsel nickten die beiden. Sichtlich erfreut begann sie aufzuzählen, was alles da war und fügte am Ende hinzu:
"Und unser Koch hat eine neue Torte ausprobiert, da bald Valentinstag ist und wir etwas Besonderes anbieten wollten. Als ich aus der Küche gegangen bin, waren noch ein paar Stücke da. Da die zum Probieren ist, gibt's jedes Stück aufs Haus."

"Dann würde ich die nehmen", meinte Keith und lächelte schwach, "schließlich weiß ich nicht, wie viel mein Geldbeutel noch hergeben kann."

Mit einem Nicken stimmte Lance ihm zu und bestellte ebenfalls ein Stück des Probierkuchens.

Erfreut verschwand die junge Frau mit wippendem Pferdeschwanz und dem Versprechen, gleich wieder da zu sein.

Das tat sie auch, doch hatte sie nur einen Teller in der Hand.

"Es tut mir unglaublich leid", entschuldigte sie sich mit bekümmerter Miene, "Aber anscheinend wollten mehr Leute als gedacht probieren. Das ist das letzte Stück." Sie stellte den Teller auf den Tisch.

Der Kuchen bestand aus zwei Teigschichten, die einen dunkelroten Farbton besaßen und fluffig die obere und untere Schicht bildeten, zwischen sich eine weiße Creme und Erdbeeren. Oben drauf war eine weitere Schicht der Creme gestrichen worden, zusammen mit Streuseln und weiteren Erdbeeren.
Es sah ziemlich kitschig und dennoch irgendwie edel aus, typisch für den Valentinstag.

"Möchtet ihr vielleicht noch etwas dazu bestellen? Sonst kann ich euch noch eine zweite Gabel bringen, dann könnt ihr euch das Stück teilen."

"Äh", setzte Lance, der die Röte seinen Nacken hochkriechen spüren konnte, und warf Keith einen fragenden Blick zu.

Sie beide und sich einen Valentinstagskuchen teilen?

Entweder das Schicksal wollte ihn heute herausfordern, oder etwas anderes war im Busch. Es konnte doch nicht sein, dass urplötzlich nur noch ein Stück da war. Es fühlte sich immer mehr wie ein Date an und, um ehrlich zu sein, wurde Lance langsam nervös, da er nicht wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte.

"Also, ich glaube, dass ich gar nicht das ganze Stück schaffen würde", meinte der Musiker, lachte leicht verlegen, und strich sich wieder eine Strähne seines Ponys hinters Ohr, "Ich habe wohl zu viel gegessen. Also wäre das Teilen okay für mich." Er neigte seinen Kopf leicht nach unten und sah den Tänzer mit einer Miene an, als wäre alles in Ordnung, wenn er ebenfalls nichts gegen einen geteilten Valentinstagskuchen hätte. Als müsste er ihm versichern, dass eine Zusage okay war.

Also nickte Lance und schenkte der Kellnerin ein schnelles Lächeln.

"Dann bitten wir wohl um eine zweite Gabel."

Diese grinste und lief kurz in die Küche, um mit einer weiteren Gabel wieder zu kommen, die sie dem Braunhaarigen, immer noch erstaunlich fröhlich, überreichte.

"Guten Appetit", wünschte sie den beiden noch, ehe sie sich wieder ihren anderen Kunden widmete.

Sie begannen, zu essen, das Stück Torte zwischen sich, und Lance versuchte so gut wie möglich, Keiths Blick auszuweichen, da es ihm sonst wahrscheinlich unmöglich wäre, seine Gesichtsfarbe unter Kontrolle zu halten. Er wusste noch nicht einmal, warum ihn die Gesamtsituation so unglaublich nervös machte. Schließlich war er schon auf etlichen Dates gewesen - auch, wenn das hier keines war - und es war oft bei weitem leichter gewesen als dieses Essen mit Keith.

Sein Verhalten schien sich auf die Stimmung auszuwirken, die nun etwas angespannter war, als zuvor und auch sein Gegenüber wirkte etwas weniger locker als vorher.

"Der ist gut, nicht?", fragte er Musiker nach einer Weile, als die Hälfte des Kuchens verschwunden war und alles in Lance verkrampfte sich bei der gepressten Leichtigkeit der Frage.

"Ja, schon", antwortete Lance und verfluchte sich sogleich für seine Kurzsilbigkeit. "Warum sie zuerst Probierstücke verteilen müssen, ist mir schleierhaft", setzte er deshalb nach, "Der ist klasse!"

Keith nickte zustimmend und schien dann kurz zu überlegen, ehe er meinte:

"Weißt du, ich wollte dich noch etwas fragen. Also, eher um einen Rat bitten."

"Der da wäre?", fragte der Tänzer, ein wenig abgelenkt durch den plötzlichen Themenwechsel. Die Neugierde löste ihn ein wenig von seiner Nervosität. Es war eine Erleichterung.

"Also, es mag vielleicht ein wenig merkwürdig klingen und ich weiß noch nicht einmal, warum ich dich frage, aber- es geht um so Gefühlszeug", erklärte Keith schnell, als müsste er diese Tatsache hinter sich bringen, ehe er es sich anders überlegte.
Er schien nervös. Sein Oberkörper war etwas über den Tisch hinweg in Lance' Richtung gebeugt, sodass er leichter an den Kuchen kam, doch seine linke Hand hatte er unter dem Tisch vermutlich auf seinem Knie oder so liegen. Durch die leichte Bewegung seines Armes wurde Lance klar, dass er wahrscheinlich wieder mit den Löchern an den Kniepartien seiner Hose spielte. Oder mit seinem Handschuh.

Da er nicht wirklich wusste, was er auf Keiths Ankündigung antworten sollte, nahm der Tänzer sich noch eine Gabel voll Kuchen und nickte leicht.

Hatte der andere jemanden, den er mochte?

Brauchte er Rat bezüglich ... solcher Dinge?

Es war als würde man nach und nach einen Eimer voll kaltem Wasser in Lance hineinschütten. Zuerst als kurzer Nebengedanke, dann nach und nach wurde ihm immer mehr klar, was für ein Ausmaß die Frage des Musikers hatte, bis es seinen ganzen Körper geflutet hatte.

Während er angestrengt versuchte, seine Gesichtszüge, genauso wie seinen Körper, unter Kontrolle zu halten, fuhr Keith nach einem Räuspern leicht zögerlich fort:

"Also, ja, ich dachte halt, dass du mir einen Tipp geben könntest, wie man auf jemanden zugeht, wenn man ... die Person mag."

Er hatte die Gabel auf dem Teller liegen gelassen, der nun beinahe schon anklagend zwischen ihnen stand und unter der Spannung, die in der Luft lag, alles dafür tat, nicht zu zerspringen. Langsam lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, den Blick gesenkt und nun beide Hände im Schoß, wo er, da war Lance sich inzwischen sicher, an seinen Handschuhen knibbelte. Die Art, wie ihm seine dunklen Haare nun wieder ins Gesicht fielen, weckte in Lance den Wunsch, sie selber weg zu streichen, ganz sanft, um die schönen Züge des Musikers wieder in ihrer ganzen Pracht sehen zu können.

Doch er nahm sich zusammen, schabte das Eis, das sich in seinem Körper gebildet hatte und ihn steif dasitzen ließ, in die hinterste Ecke zurück und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, ehe ihm einfiel, dass er nicht wusste, was das sein würde.

Was sollte er Keith antworten?

Denn der Dunkelhaarige schien eindeutig jemanden ins Herz geschlossen zu haben - es hatte sich sogar ein leichtes Rosa auf seine Wangen geschlichen - und Lance wusste nicht, was er tun sollte.

Schließlich war das wie eine Abweisung und ein Schlag in die Magengrube gleichzeitig.

Er könnte das komplette Gegenteil von dem sagen, was er eigentlich meinte, könnte dafür sorgen, dass der Musiker sich vollkommen lächerlich und das, was da eventuell zwischen ihm und dieser anderen Person war, kaputt machte.

Doch der vorsichtige Blick, den Keith ihm unter seiner Haarmähne hervor entgegenwarf, machte dem Tänzer wieder bewusst, wer vor ihm saß und er atmete tief ein, um alle toxischen Gedanken zu verbannen.

Wenn Keith die Person mochte, dann musste sie etwas Besonderes sein. Und selbst wenn nicht, er könnte es sich nicht verzeihen, derjenige zu sein, der das Liebesleben des Schwarzhaarigen zerstörte.

Also verfluchte er sich innerlich für sein weiches Herz, seufzte leise und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, ehe er meinte:

"Also, das kommt darauf an, wie viel Kontakt du zu der Person hast."

Keith schien ernsthaft erstaunt, dass er die Frage ernst nahm und wich nun nicht mehr wie ein verlegenes Kind seinem Blick aus, vielmehr hob er sogar ein wenig den Kopf. Er schien wirklich aufmerksam zuzuhören.

Sollte diese Person doch zur Hölle fahren, Lance würde sie gerne persönlich in den Zug dahin stecken.

"Wenn du jemanden auf der Straße siehst und die Person ansprechen willst, dann ist das anders, als wenn es ein langjähriger Freund ist", erklärte er mit schwerem Herzen und versuchte so sachlich wie möglich zu klingen.

"Achso", Keith nickte nachdenklich.
Er zögerte kurz, doch schob dann nach: "Was ist, wenn man die Person vor wenigen Wochen, bei einer Feier beispielsweise, kennen gelernt hat und seitdem regelmäßigen Kontakt mit ihr hatte?"

Eine weitere Ladung kaltes Wasser wurde in Lance hinein gekippt und er musste sich zusammenreißen, nicht zurück zu weichen, in der Hoffnung, Abstand zwischen sich und seine Probleme zu bringen.

Meinte Keith Hunk?!

Oder hatte er doch Interesse für Mädchen und Pidge hatte es ihm angetan?

Oder war es jemand vom Orchester?

Seine Gedanken sprinteten kreuz und quer durch seinen Kopf, bis er sich bei Corans Gesicht zusammenreißen musste, da das nun wirklich unmöglich war und er sich eventuell ein wenig zu sehr hineinsteigerte.

Stattdessen kniff er die Augen zusammen und schüttelte kurz den Kopf, um alles wieder an Ort und Stelle zu rücken.

"Dann würde ich sagen, hast du gute Voraussetzungen", begann er wieder zu sprechen und hoffte, dass Keith sein merkwürdiges Verhalten nicht auffiel, "Du kennst die Person schon ein wenig und kannst sie einschätzen. Gleichzeitig kennst du sie noch nicht lang genug, dass du alles über sie weißt, weshalb sozusagen die Neugierde noch da ist, sie näher kennen zu lernen. Das gilt für die Person genauso. Sie weiß auch nicht alles über dich, weiß aber in etwa, was für ein Typ Mensch du bist.
Und zugleich ist eure Bekanntschaft noch nicht lang genug, als dass man euch schon beste Freunde nennen könnte. Und weil euer Verhältnis zueinander dadurch noch nicht durch eine konkrete Beziehung gefesselt ist, ist sie schön biegsam, wenn du verstehst, was ich meine?"

Keith nickte leicht. Sein Blick war nicht wirklich lesbar, etwas zwischen Nachdenklichkeit, Abwägung und Unsicherheit.

"Und was soll ich tun?", wollte er leise wissen, die Augen nun wieder auf seine Hände gerichtet.

Der Kuchen zwischen ihnen, oder eher seine kläglichen Überreste, schienen vom einen zum anderen zu sehen und Lance zu warnen, nicht: "Denk dir das selber", oder: "Lass ihn links liegen und nimm mich", zu sagen.

Der Tänzer warf dem Haufen auf dem Teller einen säuerlichen Blick zu.

"Du könntest einfach zu der Person gehen und mit ihr darüber reden", begann er, doch fuhr bei Keiths verzweifeltem Blick fort, "Du könntest ein paar Fragen in die Richtung anstellen, um zum Beispiel herauszufinden, ob die Person ebenfalls auf Männer steht. Dich sozusagen Stück für Stück voran arbeiten.
Natürlich könntest du sie auch einfach um ein Date bitten, schließlich sind die dafür da, sich gegenseitig besser kennen zu lernen und Zeit miteinander zu verbringen. Außerdem kann man etliche Dates haben, bevor man zusammenkommt, weshalb selbst das kein Muss ist, falls einer von euch merken sollte, dass es doch nicht für etwas festeres reicht."

Keith nickte leicht, doch immer noch spielte sich ein Konflikt in seinen dunklen Augen ab, der Lance dazu brachte, noch ein wenig mehr hinterher zu schieben.

"Ich nehme einfach mal an, dass es jemand aus dem Projekt ist", meinte er gedämpft, "Oder eine der Personen, die du dadurch kennengelernt hast. Und selbst wenn nicht, mit dem Gedanken, dass du irgendwann nach Tokio zurückfliegen wirst, musst du natürlich abschätzen, ob du es die Person einfach wissen lassen und sie danach vergessen willst. Und, ob du es ihr auf den letzten Drücker sagst, oder vielleicht doch ein wenig vorher, um zu sehen, wie sich die Zeit danach entwickelt.
Aber die Entscheidung liegt bei dir, die kann ich nicht treffen.
Vor allem nicht, wenn ich nicht weiß, wer es ist.
Und, um ehrlich zu sein", setzte er hinzu und hob die Hand ein wenig, um Keith zu unterbrechen, der den Mund leicht geöffnet hatte, "will ich es auch gar nicht wissen. Ich glaube, das wäre besser für alle Beteiligten."

Er zwang sich zu einem schwachen Lächeln und ignorierte die vielen Emotionen, die über Keiths Gesicht huschten und es unlesbar machten.

"Damit schuldest du mir nun etwas", schmunzelte er, in der Hoffnung, die Stimmung ein wenig auflockern zu können, "Meine Dienste als Liebesratgeber sind nicht billig."

Auf einmal hatte er das Bedürfnis, so schnell wie möglich aus dem Café zu kommen, um einfach nach Hause gehen zu können. Also schob er sich die Reste des Kuchens in den Mund und bedeutete der jungen Kellnerin, dass sie gerne zahlen würden.

Kurz darauf standen sie tatsächlich, schneller als erwartet, wieder auf der Straße, Keith ein wenig grummelig, da Lance darauf bestanden hatte, zu zahlen, und blinzelten in die abendliche Röte.

Der Weg zurück zur nächsten Busstation war meist schweigsam und zum ersten Mal war Lance froh, dass sie beide mit verschiedenen Lienien fahren mussten. Jede Sekunde, in der er nicht so aussehen musste, als wäre alles in Ordnung, war Gold wert.

Also winkte er beim Einsteigen fast schon eilig dem Schwarzhaarigen, Erleichterung seine Systeme durchflutend, als er jedoch zurückgehalten wurde, ein Fuß im Gefährt, der andere wieder auf dem Boden.

Keith hielt ihn am Handgelenk zurück und als Lance ihm über seine Schulter hinweg verwirrt einen erstaunten Blick zuwarf, war es erneut, als würde eine Diashow an Gefühlen über Keiths Gesicht ziehen, unlesbar und dennoch auf irgendeine Weise ungeschützt.

Er öffnete den Mund, doch schloss ihn wieder und wandte den Kopf ab, den Blick gen Boden gerichtet.

Der Musiker biss sich kurz auf die Unterlippe, ehe er leise meinte:

"Danke. Für ... deine ehrlichen Antworten und Gedanken."

Lance hätte bitter lachen und ihm von seinen eigentlichen Gedanken erzählen können, doch stattdessen ließ er seine Lippen sich zu einem Lächeln biegen.

"Jederzeit", antwortete er leise und es war wohl das ehrlichste, was er seit ihrem Gespräch von sich gegeben hatte.

Als der Musiker ihn losließ stieg er ganz ein und schaffte es sogar, dem anderen beim Wegfahren kurz zu winken, ehe er auf einem der blauen Sitze zusammensackte, das Gesicht in den Händen vergraben. Ein Schrei saß verzweifelt und frustriert in seiner schmerzenden Brust und krallte sich wie ein wildes Tier in seine Innereien.

Anscheinend hatten seine Freunde wohl doch nicht Recht gehabt.



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