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Die Sonne stand bereits wieder an ihrem höchsten Punkt. Weit und breit war nichts zu sehen, ausser Wiese und Wald. Irgendwo zwischen den hohen Grashalmen tanzten einzelne Mohne auf und ab. Am blauen Himmel kreiste ein Adler und mittlerweile war die Hitze deutlich gestiegen. Und mit ihr die Angst.

Ich hatte mich verirrt.

Zum gefühlten hundertsten Mal stand ich vor dem hohen Baum mit den knarrenden Ästen, die abstanden wie ein grosser Fächer. Auf dem blätterlosen Holz sassen Krähen und sahen interessiert zu mir hinunter.

Ich schlang die Arme um meinen Körper und lehnte mich gegen den Stamm. Warum hatte ich nochmal darauf bestanden, dass er mich in Ruhe lässt?

Wären da nicht die ganzen Gefühle in mir explodiert, wäre es gar nicht so weit gekommen. Dann wären wir jetzt immer noch gemeinsam unterwegs. Doch seine Nähe war mir zu viel.

Dieses Kribbeln unter meiner Haut, wenn er mich berührte. Das schnelle Herzklopfen, wenn ich seinen Atem in meinem Nacken spürte. Es war nichts, was ich wollte.

Schneeweiss zogen die Wolken über meinem Kopf vorbei und spendeten mir wenigstens für wenige Sekunden Schatten.

Das Wasser hatte ich bereits in der Nacht leer getrunken. Ich hätte es mir wohl besser einteilen müssen. Doch woher sollte ich auch wissen, dass ein Körper dermassen von dieser Flüssigkeit abhängig war? Und wenn Nathan das gewusst hatte, hätte er mir ruhig mehr davon geben können.

Nun war meine Kehle staubig und trocken. Meine Spucke war nicht genug, um meinem Mund feucht zu halten. Das Schlucken schmerzte und ich war mir sicher, dass ich bald ohnmächtig werden würde.

Was für einen schwacher Körper, dachte ich mir. Als Staubkorn war ich nie auf etwas anderes angewiesen gewesen. Ausser auf mich selbst. Doch hier war es anders.

Ich musste mich der Umwelt anpassen. Und wenn ich es nicht tat, reagierte ich dem entsprechend.

Seufzend liess ich mich ins Gras sinken. Ich erinnerte mich daran, dass ich vor nicht allzu langer Zeit neben Nathan auf einer Lichtung gesessen hatte. Vielleicht war es auch nicht neben, sondern vor ihm gewesen.

Dass ich es mit den Erinnerungen nicht sonderlich gut hatte, war mir schon vor einer Weile aufgefallen.

Mit geschlossenen Augen rupfte ich das Gras aus. Wo zur Hölle steckte Camilla, wenn ich sie brauchte? Warum liess sie mich ausgerechnet jetzt im Stich?

Ich hatte keine Kraft mehr, um nach ihr zu rufen. Meine Stimmbänder fühlten sich schrecklich an. Mein Hals schmerzte vor lauter Schreien.

Die ganze Nacht hatte ich kein einziges Mal die Augen zugemacht.  Die Angst, dass irgendwo Kreaturen herumschleichen könnten, hatte mir den Schlaf geraubt. Dazu war gekommen, dass ich soweit wie möglich von Nathan weg sein wollte.

Ich richtete mich auf. Hier konnte ich nicht bleiben. Denn hier war ich ganz bestimmt nicht sicher.

Am liebsten hätte ich über mich selbst gelacht. Ich war nirgendwo sicher. Da konnte ich soweit laufen, wie ich wollte. Die Gefahr lauerte überall. Und ich würde ihr auch bestimmt begegnen. Da konnte ich alles versuchen.

Vielleicht kommt er mich suchen?

Den Gedanken wischte ich hastig weg. Das wollte ich nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass es passierte, war ebenfalls sehr gering.

Ich musste mich auf weitaus wichtigere Dinge konzentrieren. Ich wollte endlich in Halen ankommen. Und Camilla finden. Denn, was sollte ich in Halen bloss ohne sie tun?

Doch es war wieder umsonst. Ich lief den gesamten Tag durch die Gegend. Das Rufen hatte ich aufgegeben und die Hoffnung sank mit jedem Schritt ein Stück mehr. Das Gras wurde trocken und die Sonne wärmer. Ich war ausgelaugt. Zu trinken hatte ich nichts mehr und mein Magen knurrte.

Die Hilflosigkeit, die mich in diesem Moment überkam, wusste ich nicht einmal zu beschreiben. Ich fühlte mich mir selbst fremd und glaubte, nie wieder zu der Person zurückzufinden, die vielleicht einst gewesen war.

Es war zum Lachen.

Ich war nie eine eigenständige Person gewesen. Ich war in ein Kostüm gesteckt worden und sollte auf einmal ein Mensch sein. Ich sollte funktionieren und das richtig. Ich wurde ohne Vorwarnung in eine Welt geschmissen, die ich nicht beherrschte. Was hatte ich hier zu suchen? Warum zum Teufel war ich hier?

Es kam mir wie eine lachhaft kranke Komödie vor. Ich hatte nicht einmal eine Persönlichkeit. Wie sollte ich mich beschreiben? Was war ich? Eine Frau in dieser Gesellschaft bestimmt nicht. Ich war ganz alleine hilflos. Ich spielte meine Rolle schlecht und die Konsequenzen bekam ich zu spüren. Es war, als hätte Camilla mich verlassen.

Ich hatte die Rolle als Mensch versagt.

Das einzige, was ich wollte, war weinen. Die Brust fühlte sich auf einmal schwer an. Ich glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Alles in mir zog sich zusammen.

Ich wollte wieder ein Staubkorn sein. Einfach zurück in die Welt kehren, die ich verstand. Eine kleine, unscheinbare Welt. Eine, die man nicht verstehen musste. In der es keine Regeln gab. Man lag in der Dunkelheit und existierte einfach.

Ich würde es als langweilig beschreiben. Doch genau das, war es, nach dem ich mich in diesem Moment sehnte. Nach dieser schrecklich langweiligen Welt, die mir das Gefühl gab, zuhause zu sein.

Die Nacht war eingebrochen und meine Beine waren wacklig. Vor mir schwamm die Sicht und alles an mir schmerzte. Meine Arme waren taub und meine Augen glasig. Mir war schlecht und ich musste mich an den Sträuchern festhalten, um nicht zusammenzusacken.

Die Wiese sah aus wie ein geisterhaftes Meer. Eine Eule schrie und kleine Vögel flogen auf.

Ich zitterte am ganzen Körper, obwohl mir nicht im Geringsten kalt war. Langsam ging ich zum nächsten Baum. Ich drängte mich zwischen dem Gestrüpp durch, um mich im Schutz des Dickichts gegen den Stamm zu lehnen. Ich rutschte auf den unebenen Boden und zog die Beine an. Ich schloss die Augen und legte den Kopf auf meine Knie.

Die Tränen flossen, ohne dass ich es beabsichtig hatte. Ich gab kein Laut von mir, während ich die tiefe Verzweiflung gewähren liess. Ich hielt sie nicht länger zurück.

Ich hasste mich. Ich hasste diese Welt. Und ich wusste nicht, wie ich hier je wieder rauskommen würde. Die ganzen Gefühle waren zu viel.

Die Zeit verfloss mit jeder Träne. Sie rollte über meine schmutzige Wange und tropfte auf den dunklen Boden. Sie verging so schnell, dass ich nicht einmal mehr wusste, seit wann ich da sass.

Eigentlich hatte ich auch nicht vor, mich wieder der Realität zu widmen. Am liebsten hätte ich mich für immer hinter meinen Gefühlen versteckt. Mich unter ihnen vergraben und in ihnen ertrunken.

Doch auf einmal erklangen Schritte. Alarmiert hob ich den Kopf. Ich presste mich so dicht gegen den Baumstamm, dass ich mit ihm hätte verschmelzen können. Mein Herz raste wie wild.

War es Camilla? Sollte ich rufen? Doch was, wenn es doch nicht Camilla war? War ich denn tot? War ich nicht so oder so schon tot?

Die Fragen schossen mir durch den Kopf. Die einfachste Lösung war es, die Augen zu schliessen. Ich presste die Lider zusammen und hielt den Atem an.

Wer auch immer hier war, sollte so schnell wie möglich weitergehen.

Doch die Schritte hielten vor dem Baum. Ich hörte etwas, was nach einem Tier klang. Das Bedürfnis zu schreien war gross. Doch ich unterdrückte es. Es erschien mir nicht besonders klug.

Ich hörte ein schweres Atmen. Dann kam die Person näher. Ich konnte meinen Puls donnern hören. Das Blut rauschte wie wild. Ich war tot.

Ich hatte bereits alle Tränen geweint, weshalb ich nicht mehr weinen konnte. Doch ich war mir sicher, dass ich es getan hätte.

Die Person drückte das Gestrüpp weg und einzelne Ästchen brachen. Sie fielen auf mich herab. Es hatte meine letzte Stunde geschlagen.

Jemand atmete erleichtert auf und legte seine Hand auf meine Schulter.

Es war, als hätte das einen Schalter umgelegt. Ich sprang auf und Zweige stachen mir ins Gesicht. Ich holte aus und donnerte dem Angreifer die Faust mitten auf die Nase.

Ich zitterte am ganzen Körper, als die Person aufheulte und zurückzuckte. Doch ich hörte nicht auf. Stattdessen kämpfte ich mich aus dem Dickicht und schlug weiter auf den Fremden ein.

Die Panik rauschte in meinen Adern.

„Maureen", keuchte die Gestalt auf dem Boden und hob abwehrend die Arme über den Kopf. „Beruhig dich."

Erschrocken zuckte ich zurück. Ich starrte den Fremden an und stolperte einige Schritte zurück. Dann fiel mein Blick auf zwei Pferde, die ruhig daneben standen.

„Nathan?", hauchte ich fassungslos.

Nathan richtete sich mühselig auf und klopfte Dreck von seiner Kleidung. Er tastete vorsichtig seine Nase ab und zuckte zusammen.

„Du hast mich zu Tode erschreckt", brachte ich heraus. „Warum bist du hier?"

Nathan hob den Blick und selbst in der Dunkelheit konnte ich das grimmige Glitzern in seinen Augen ausmachen.

„Ich konnte dich nicht alleine lassen", stiess er aus. Doch es klang nicht besonders ernst gemeint.

Er spuckte auf den Boden und verzog das Gesicht. Sofort stöhnte er auf.

Unsicher musterte ich ihn. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Es war kälter geworden.

„Wann hast du umgedreht?"

Nathan rollte vorsichtig seine Schulter. Dann ging er zu den Pferden. Er streichelte sie und schüttelte den Kopf.

„Nach ein paar Stunden", antwortete er und drehte sich zu mir um. „Du bist vom Weg abgekommen."

Ich verbiss mir einen Kommentar.

„Ich habe gehofft, dass du mich suchst", murmelte ich und ging auf ihn zu.

Ich konnte ihn nicht ansehen. Doch ich wusste, dass er schmunzelte.

„Warum bist du dann weitergelaufen?", fragte er und kam um das Pferd herum. Er stand dicht vor mir.

Ich spürte seine Wärme bis zu mir. Seine Nähe machte mich augenblicklich nervös. Ich trat von einem Fuss auf den anderen.

„Du hast doch ein Pferd. Wie hätte ich dich einholen sollen?"

Er legte vorsichtig eine Hand unter mein Kinn. Bei seiner Berührung zuckte ich zusammen. Langsam hob er meinen Kopf an und sah mir in die Augen.

„Es tut mir leid", sagte er. „Ich hätte das nicht sagen sollen. Du weißt gar nicht, wie..."

Ich trat rasch einen Schritt zurück. Er liess die Hand sinken.

„Es tut mir auch leid", sagte ich schnell. „Also dass ich dich geschlagen habe. Und dass ich nicht immer ehrlich war. Aber ich kann dir nicht alles über mich sagen. Ich habe Angst..."

Er unterbrach mich.

„Du brauchst nichts zu sagen. Wenn du es mir nicht sagen willst, dann muss ich das akzeptieren." Erstaunt sah ich ihn an. Das hatte ich nicht erwartet. Doch er war noch nicht fertig. „Aber beantworte mir eine Frage. Bist du ein Schatten?"

Ich runzelte verwirrt die Stirn. Ein Schatten? Was war das?

„Ein Schatten? Meinst du eine Kreatur?", fragte ich vorsichtig.

Nathan schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme hinter dem Rücken.

„Nein", sagte er. „Ich will wissen, ob du gar nichts aus deiner Vergangenheit sehen kannst oder ob du glaubst, dich immer wieder durch Dinge an sie erinnert zu werden."

Ich fröstelte mittlerweile. „Was? Ich erinnere mich an nichts."

Er seufzte.

„Sicher?"

Die alte Wut machte sich in mir breit. Warum konnte er mir wieder nicht glauben? Die Antwort, die er auf diese Frage hatte, konnte ich ihm nicht geben.

„Ja?", murrte ich. „Aber was ist ein Schatten?"

Er deutete mit dem Kopf auf die Pferde.

„Wir sollten weiterreiten. Sonst erreichen wir Halen nie", sagte er und verzog die Lippen zu einem versöhnenden Lächeln. „Ich erkläre dir auf dem Weg, was ein Schatten ist."





Widmung:
xena_blayze
JoLovely93
Julinia46
Dafür, dass sie irgendwie mein Anstoss für dieses Kapitel waren^^' Danke💞

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