10 - Rentier ärgere dich nicht!

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Um ehrlich zu sein bin ich ein bisschen enttäuscht, dass Sam und ich nicht noch mehr Zeit miteinander verbringen. Nachdem wir eine Tasse Glühwein getrunken haben - Bernd hat sich währenddessen unter einer Decke versteckt - verabschiedet sich Sam wieder nach draußen in den Garten, um den Schlitten zu reparieren.

Na ja, dann muss ich wohl mit Kater-Bernd, seiner Zahnlücke und seinem Mundgeruch vorliebnehmen.

Da wir beide müde sind und nicht wissen, was wir machen sollen, kuscheln wir uns auf das Sofa und schauen uns einen richtig schön kitschigen Weihnachtsfilm an. Ausnahmsweise bin ich nicht die Einzige, die ihre Gefühle nicht im Griff hat und eine Packung Taschentücher verbraucht, denn auch in Bernds Augen schwimmen Tränen, als sich die Hauptfiguren am Ende des Films gegenseitig ihre Liebe gestehen.

„Oh Gott, wie süß", murmelt er leise und schnieft in seinen Schal. „Hast du noch mehr von solchen Filmen, Shay?"

„Natürlich!" Bevor ich allerdings einen weiteren Weihnachtsfilm anschalte, verschwinde ich kurz in die Küche, um uns Schokoladenplätzchen zu holen. Ohne Nervennahrung überlebe ich einen zweiten Heulkrampf nämlich nicht.

Bernd geht es zum Glück schon wieder so gut, dass er sich an den Plätzchen bedient. Schmatzend kuschelt er sich an meine Seite und schlingt sogar ein Bein um meine Taille.

Huch! Hoffentlich wird sein Otto nicht eifersüchtig, wenn er uns so eng umschlungen sieht.

Tatsächlich verbringen Bernd und ich den ganzen Nachmittag damit, uns Weihnachtsfilme anzuschauen und miteinander um die Wette zu flennen. Als wir den Fernseher gegen 18 Uhr ausschalten, sind unsere Augen vom vielen Weinen gerötet und unsere Münder mit Schokoladenresten verschmiert.

„Das hat Spaß gemacht!", lächelt mich Bernd begeistert an. „Sam und die Jungs schauen nie solche Filme mit mir." Bernd sieht enttäuscht aus und lässt die Schultern hängen. Dass ein kleiner Romantiker in ihm schlummert, hätte ich gar nicht gedacht. „Ich glaube, ich muss dich jetzt häufiger besuchen kommen, Shay."

Der Gedanke daran, die fünf Fellnasen öfter bei mir zu haben, gefällt mir. Ich habe sie alle in mein Herz geschlossen und bin froh, dass sie meinem tristen Leben wieder Farbe verleihen.

Apropos Fellnasen ... So langsam wird es Zeit, die Rentiere aus dem Bett zu werfen, denn sonst können sie heute Nacht nicht mehr schlafen.

Während Bernd kurz nach draußen in den Garten geht, um frische Luft zu schnappen - oder Sam zu nerven - mache ich mich auf den Weg in mein Schlafzimmer. Zu meiner großen Überraschung liegen die Rentiere unverändert in meinem Bett und schnarchen leise.

Oh je, der Glühwein hat sie ja total ausgeknockt!

Fast schon habe ich ein schlechtes Gewissen, als ich mich leise durch die Dunkelheit kämpfe und wenige Sekunden später die Rollläden hochziehe, sodass der Raum von Sonnenstrahlen geflutet wird.

Alfred ist der Erste, der sich beschwert. „Verdammter Rentiermist!", flucht er wütend. „Macht sofort wieder das Licht aus!"

„Klappe!", erwidert Rudolph genervt.

„Es ist aber zu hell!"

„Dann mach die Augen zu!", übernimmt dieses Mal Cornelius den Part des Antwortens.

„Man, ihr nervt!", grummelt Otto unzufrieden. Er strampelt wild mit seinen Beinen, bis er auf seinem Allerwertesten sitzt und sich blinzelnd im Schlafzimmer umschaut. Es dauert einen kurzen Augenblick, bis er mich entdeckt hat und herzhaft gähnt.

Wow. Ist mein Anblick etwa zum Einschlafen, oder was?

Ein Sympathiebolzen ist der verkaterte Otto auf jeden Fall nicht.

„Shay?", fragt er mich verwirrt, nachdem er sich einen Sabberfaden weggewischt hat. „Was machst du hier?" Als hätte er gerade von einem neuen Weltwunder berichtet, reißen auch Alfred, Cornelius und Rudolph ihre Augen auf. Sie alle werfen mir einen verständnislosen, fast schon vernichtenden Blick zu.

„Ich bin euer persönlicher Weck-Service. Überraschung!", erkläre ich ihnen schmunzelnd. „Seid froh, dass ich meine Musikbox ausgelassen habe."

„Pah!", schnaubt Rudolph. „Von Musik und Kinderliedern habe ich erstmal genug." Er hält kurz inne, ehe er hinzufügt: „Oh, und von Glühwein auch!"

„Echt?", hake ich gespielt ungläubig nach. „Dabei habe ich gerade extra frischen Glühwein gekocht."

Rudolph fallen beinahe die Augen aus, so entsetzt schaut er mich an. „Du willst uns wohl umbringen, was?!"

„Nein, eigentlich nicht", erwidere ich ruhig. „Ich möchte euch nur aus dem Bett schmeißen und euch meinen neuen Weihnachtsbaum zeigen, den Sam und ich geschmückt haben. Außerdem könnten wir nach dem Abendessen alle zusammen etwas spielen. Was haltet ihr davon?"

Die Begeisterung der Rentiere hält sich in Grenzen. „Ach, kommt schon!", versuche ich sie zu motivieren. „Das wird bestimmt lustig."

Cornelius ist der Erste, der sich einen Ruck gibt. Langsam setzt er sich auf, streckt einmal alle Viere von sich und murmelt dann: „Na schön, wenn's unbedingt sein muss. Was für Spiele hast du denn?"

Äh, gute Frage. „Ganz viele."

Cornelius verdreht seine Augen. „Manchmal kann man mit deinen Aussagen echt nichts anfangen, Shay", tadelt er mich. Danach strampelt er sich die Decke vom Körper und kämpft sich aus dem Bett.

„Aufstehen, Jungs, sonst gibt es gleich für jeden eine Tasse Glühwein!"

Sofort springen Alfred, Rudolph und Otto ebenfalls aus dem Bett, sodass wir wenige Minuten später das Schlafzimmer verlassen und zurück ins Erdgeschoss gehen. Während sich Alfred dazu bereiterklärt, das Abendessen zu übernehmen - eingekauft habe ich immer noch nicht, upps - folgen mir die anderen drei Rentiere ins Wohnzimmer, wo Bernd bereits sehnsüchtig auf uns wartet. Oder vielleicht nur auf Otto, denn die beiden schlecken sich so innig ab, als hätten sie sich jahrelang nicht gesehen.

„Meine Güte", grummelt Rudolph leise neben mir, „wenn ihr euch weiterhin so auffresst, braucht ihr gleich kein Abendessen mehr!"

Bernd und Otto reagieren nicht auf seinen blöden Kommentar. Richtig so!

Damit Rudolph die beiden Turteltäubchen nicht weiterhin nervt, zeige ich ihm meinen kleinen, aber feinen Spieleschrank - der seit zwei Monaten nicht benutzt wurde. „Such dir ein Spiel aus!", fordere ich das Rentier auf.

Tatsächlich fällt Rudolphs grimmiger Gesichtsausdruck binnen weniger Sekunden in sich zusammen. Stattdessen schleicht sich ein vorfreudiges Grinsen auf sein Gesicht und seine dunklen Augen füllen sich mit einem hellen Glänzen. Seiner Erkältung scheint es auch schon viel besser zu gehen, denn seine Nase weist nur noch vereinzelte rote Flecke auf, ansonsten ist sie wieder komplett schwarz.

„Das hier!", entscheidet sich Rudolph nach einer Weile. „Das wollen wir spielen!" Er tippt mit seinem Huf auf das Mensch-ärgere-dich-nicht-Spielbrett.

Eigentlich mag ich dieses Spiel überhaupt nicht, aber weil meine Granny es so sehr geliebt hat, konnte ich es nach ihrem Tod nicht übers Herz bringen, es wegzuwerfen. Genauso ging es mir übrigens auch mit dem quietschgrünen Teppich, der einfach nur potthässlich ist.

Um ehrlich zu sein vermisse ich meine Granny sehr. Sie war immer der einzige Mensch, der zu mir gehalten und mich bedingungslos unterstützt hat.

Deshalb war es auch eine große Ehre für mich, dass sie ihr Haus ausgerechnet an mich vererbt hat und nicht an meine Eltern oder meinen Bruder Oliver.

Ich wünschte, sie wäre noch bei mir!

„Shay?", befreit mich auf einmal eine sanfte Stimme aus meinen Gedanken. „Kommst du? Das Essen ist fertig." Ich schüttele mich kurz, um zurück in die Realität zu gelangen, und schaue geradewegs in Sams liebevolles Gesicht.

Huch, ich habe gar nicht gemerkt, dass er ins Haus gekommen ist.

Abgesehen von uns beiden ist das Wohnzimmer leer. Alfred muss also schon häufiger zu Tisch gebeten - oder gebrüllt - haben.

Mal schauen, was er dieses Mal aus den ganzen Resten gezaubert hat.

„Äh, j-ja." Dicht gefolgt von Sam betrete ich die Küche. Die Rentiere sitzen bereits am Tisch und schlürfen Dosen-Hühnersuppe. Tja, jetzt wird sich wohl zeigen, ob Rudolph übertrieben hat, als er die Suppe als Dosen-Fraß bezeichnet hat.

Ich schöpfe mir mit der Kelle etwas auf meinen Teller und setze mich dann neben Cornelius. Sam nimmt auf meiner anderen Seite Platz.

„Und?", fragt er neugierig in die Runde. „Habt ihr schon etwas für heute Abend geplant? Glühwein-Runde 2.0?"

Ich bin die Einzige, die lachen muss. Die Rentiere hingegen verdrehen genervt ihre Augen.

„Shay will unbedingt mit uns spielen", antwortet Rudolph. „Rentier ärgere dich nicht!"

Ich kann genau beobachten, wie sich ein strahlendes Funkeln in Sams Teddyaugen ausbreitet. Scheint so, als würde ihm die Abendplanung gefallen. Meine Gedanken bestätigen sich, als er nur einen Atemzug später euphorisch trällert: „Oh ja, da mache ich mit!"

Es freut mich riesig, dass Sam den Abend gemeinsam mit uns verbringen möchte, denn ich habe ihn gerne in meiner Nähe. Außerdem: Je mehr, desto besser.

Nachdem wir fertig mit dem Essen sind - und nein, die Dosen-Hühnersuppe ist wirklich kein Gaumenschmaus - begeben wir uns gemeinsam ins Wohnzimmer und setzen uns an den runden Tisch, der direkt vor dem beleuchteten Weihnachtsbaum steht.

„Wir müssen Teams bilden", sage ich, während ich das Mensch-ärgere-dich-nicht-Spielbrett aufbaue. „Drei Zweier-Teams und einer spielt allein."

Sofort erfüllt aufgeregtes Stimmengewirr die Luft. Die Rentiere plappern wild durcheinander und versuchen sich irgendwie darauf zu einigen, wer mit wem ein Team bildet.

Zum Glück läuft die Kommunikation bei Sam und mir besser.

„Na, Shay?", grinst mich Sam breit von der Seite an. „Hast du zufällig Lust, gemeinsam mit mir ein paar Rentiere zu besiegen?"

„Auf jeden Fall!"

Sam hebt seine Hand zu einem High Five und ich schlage ein. Wäre ja gelacht, wenn wir die verkaterten Rentiere nicht haushoch fertigmachen!

Es dauert noch fünf weitere Minuten, bis endlich feststeht, dass Otto und Bernd ein Team sind, Alfred und Cornelius zusammenspielen und Rudolph in den Einzelkämpfermodus wechselt. Wir verteilen schnell die Farben - natürlich möchte Sam unbedingt rot haben - ehe es auch schon losgeht.

Da Rudolph allein spielt, darf er anfangen. Es sieht urkomisch aus, wie er den kleinen Würfel zwischen seinen Hufen einklemmt und dann auf die Tischplatte fallen lässt.

Vier.

Er würfelt noch zwei weitere Male, doch bekommt keine sechs.

Bei den Turteltäubchen läuft es besser. Sie würfeln direkt im ersten Versuch eine sechs und legen dann mit einer fünf nach. Nicht schlecht!

Als Sam und ich an der Reihe sind, murmelt mein Teampartner lächelnd zu mir: „Ladys first!"

Na toll. Also lastet der ganze Druck jetzt auf meinen Schultern.

Ich würfele dreimal, doch werfe jedes Mal nur eine eins. Schade, dass wir nicht Kniffel spielen.

Nach sieben Runden sind endlich alle Teams mit mindestens einer Figur aus dem Häuschen gekommen. Während Otto und Bernd schon eine Figur sichern konnten, befinden sich Sam und ich erst drei Schritte hinter unserem Ausgangspunkt.

Na ja, wie sagt man immer so schön? Richtig: Die Letzten werden die Ersten sein!

Kaum ist dieser Gedankengang verklungen, würfelt Rudolph eine vier. Vorsichtig klemmt er seine grüne Figur zwischen die Hufe und bewegt sie vier Felder nach vorne. „Achtung, Shaym! Ich komme!", raunt er angriffslustig in meine Richtung.

„Shaym?", wiederhole ich misstrauisch, ohne auf seine Warnung einzugehen.

Rudolph nickt stolz. Dann erklärt er: „Eine Mischung aus Sam und Shay."

Oh Gott, ich dachte, solche albernen Ship names würde es nur in Büchern geben. Wie heißen denn dann Otto und Bernd? Ond? Oder Beto? Am besten überlasse ich Rudolph den kreativen Part.

In der nächsten Runde würfelt Sam leider nur eine eins. Wie es das Schicksal so möchte, wirft Rudolph kurz danach eine drei und verbannt unsere rote Figur zurück in ihr Häuschen. „Yes, Baby!", stößt er einen triumphierenden Schrei aus. „Ich hab's euch doch gesagt, Shaym!"

Obwohl wir erst seit zehn Minuten spielen, merke ich schnell, dass das hier genau Rudolphs Spiel ist. Er hat permanent Würfelglück und fegt uns alle der Reihe nach vom Spielbrett.

„Man!", faucht Alfred genervt, als er kurz vorm Ziel von Rudolph geschmissen wird. „Das macht überhaupt keinen Spaß!"

„Finde ich schon!", entgegnet Rudolph gutgelaunt. „Du musst einfach besser spielen, Alfred. Dann hast du auch mehr Spaß. Glaub mir!"

Daraufhin rollt Alfred mit seinen dunklen Knopfaugen. Um ehrlich zu sein kann ich seinen Missmut sehr gut verstehen, denn mir geht Rudolphs Glückssträhne auch total auf die Nerven. Kann er nicht ein einziges Mal Pech haben oder geschmissen werden?

Ein paar Runden später steht fest: Nein, kann er nicht!

Rudolph hat als Erster alle Figuren ins Ziel gebracht, weshalb er jubelnd seine Vorderbeine in die Luft wirft. „So sehen Sieger aus, schalalalala!", trällert er mit einem stolzen Grinsen. „Also ein bisschen anspruchsvollere Konkurrenz wäre wirklich nett gewesen."

So ein eingebildeter Idiot! Beim nächsten Mal darf er sich nicht mehr das Spiel aussuchen.

Während sich Rudolph entspannt auf seinem Stuhl zurücklehnt, kämpfen Sam und ich noch um den zweiten Platz. Da wir allerdings niedrige Zahlen würfeln und dauernd von Team Alcor geschmissen werden, kommen wir nur langsam voran.

Am Ende sichern sich Alfred und Cornelius den zweiten Platz, Sam und ich gewinnen Bronze und Otto und Bernd, die so gut gestartet sind, müssen das Spielfeld als Verlierer verlassen.

„Sei nicht traurig, Otto", versucht Bernd seinen Freund zu trösten. „Pech im Spiel, Glück in der Liebe."

Tatsächlich versiegen Ottos Tränen und ein zufriedenes Lächeln stiehlt sich zurück auf seine Lippen. Dann lehnt er sich zu Bernd hinüber und schlabbert ihm einmal mit der Zunge über die Wange.

Und so sind am Ende doch wieder alle Rentiere glücklich und ärgern sich nicht mehr.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro