4 - Eine Prise Wahrheit

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Den restlichen Samstag verbrachten Quincy und Miles gemeinsam in einer Eisdiele und danach an einem nahegelegenen See. Erst fuhren sie Tretboot, dann machten sie ein Picknick und abschließend spazierten sie noch am Ufer entlang.

Tatsächlich gelang es Quincy, keinen einzigen Gedanken mehr an Familie Edwards zu verschwenden. Sie war sich sicher, dass sie ihr Schicksal erfüllt hatte und von nun an Ruhe vor dem magischen Taxi haben würde.

Wie falsch Quincy mit dieser Annahme lag, wurde ihr bereits am Sonntagmorgen vor Augen geführt.

Eigentlich wollte Quincy nur zu der Bäckerei gehen, die etwa zehn Minuten von ihrer WG entfernt war, um Brötchen für ihre Mitbewohner und sich selbst zu kaufen, allerdings musste sie ihr Vorhaben schon nach wenigen Metern verwerfen.

Mitten auf der Straße stand das magische Taxi, das wie immer von einem hellen Lichtschimmer umgeben wurde.

Im ersten Moment dachte Quincy, dass sie sich das Fahrzeug bloß einbildete, aber als es auch nach mehrmaligem Augenreiben und Blinzeln nicht verschwand, war ihr bewusst, dass sie ihr Schicksal scheinbar doch noch nicht erfüllt hatte.

„So ein Mist!", fluchte Quincy.

In wenigen Wochen startete die Prüfungsphase an der Heaven University. Zeit für Ablenkung blieb da eigentlich nicht, doch das Taxi ließ ihr keine andere Wahl.

Seit Quincy die Geschichte von Miles' Großvater gehört hatte, traute sie sich nicht, das Taxi zu ignorieren.

In Windeseile zog Quincy ihr Handy aus der Hosentasche und schrieb Miles eine Nachricht.

Komme später. Das Taxi ist wieder da ...

Kaum war die Nachricht abgeschickt, ging Quincy mit zügigen Schritten auf das Taxi zu. Sie vergewisserte sich noch einmal, ob die Straße und ihre Umgebung auch wirklich menschenleer waren, ehe sie ihre Hand auf das grün leuchtende Display legte.

„Herzlich Willkommen zurück, Quincy Morgan. Das Schicksal hat mich zu dir geführt. Jetzt liegt es an dir, dein eigenes Schicksal zu erfüllen."

Die Tür öffnete sich und Quincy stieg ein.

Irgendwie war es merkwürdig, dass ihr das Taxi bereits so vertraut vorkam. Sie hatte weder Angst noch fluteten Zweifel oder Sorgen ihren Körper.

„Was ist dein Ziel, Quincy Morgan?"

Quincy seufzte. Obwohl sie ganz genau wusste, dass die Computerstimme etwas anderes hören wollte, fragte sie unschuldig: „Vielleicht die nächste Bäckerei?"

„Falsch!", zerschnitt die mechanische Stimme das unangenehme Schweigen. „Das Schicksal führt dich dorthin, wo du wirklich hinmusst!"

„Also zu Familie Edwards?", hakte Quincy nach, doch sie erhielt keine Antwort.

Das Taxi startete und hinterließ mit seinen ruckelnden Bewegungen ein ungutes Gefühl in Quincys Magengrube. So langsam hatte sie wirklich keine Ahnung mehr, warum sie immer wieder zu den Edwards geführt wurde.

Wem sollte sie helfen? Dale? Isla? Lydia? Oder vielleicht doch der Großmutter?

Quincy war überfordert. Die ganze Fahrt über zerbrach sie sich den Kopf, ohne zu einem finalen Ergebnis zu gelangen.

Wenn das Schicksal nicht auf Dales Transsexualität anspielte, worauf dann?

Quincys Herz schlug kräftig gegen ihren Brustkorb, als sie wenig später aus dem Taxi krabbelte und von der lauwarmen Morgenluft in Empfang genommen wurde.

Wie bereits erwartet, erstreckte sich vor ihr das riesige Haus von Familie Edwards.

„Na toll ...", grummelte Quincy frustriert.

Hoffentlich öffnete ihr nicht wieder Dale die Tür, denn sie hatte keinen blassen Schimmer, wie sie ihr erneutes Auftauchen erklären sollte.

Warum konnte ihr das Taxi denn auch keinen Tipp geben? Das wäre doch nur fair!

Musste Quincy vielleicht ebenso wie Miles' Großvater einen Mord verhindern? Quincy betete zu Gott, dass keine allzu große Verantwortung auf ihren Schultern lastete.

Sie holte noch einmal tief Luft, ehe sie sich in Bewegung setzte und das Haus der Edwards ansteuerte.

Ausnahmsweise schien das Schicksal mal auf Quincys Seite zu stehen, denn im Vorgarten traf sie auf die kleine Isla.

Isla war ein zierliches Mädchen mit dunklen Haaren und leuchtend grünen Augen. Sie hatte dieselben weichen Gesichtszüge wie ihr Bruder und auch die Lippenpartie war ähnlich, wie Quincy fand.

Isla trug an jenem Morgen ein weißes T-Shirt mit einer Latzhose darüber. Sie hockte auf dem Rasen und versuchte, aus mehreren Gänseblümchen einen Kranz zu flechten.

Quincy witterte sofort ihre Chance und stellte sich neben das kleine Mädchen. „Hey", machte sie lächelnd auf sich aufmerksam. „Brauchst du Hilfe?"

Isla zuckte bei dem Klang der fremden Stimme zusammen. Sie hob ihren Kopf und schaute Quincy verwundert an. „Wer bist du?", wollte sie neugierig wissen.

Quincy war überrascht, dass sich Isla gar nicht vor ihr fürchtete. Hatte ihr ihre Mutter etwa nie gesagt, wie gefährlich es sein konnte, mit fremden Menschen zu sprechen? Scheinbar nicht.

Schlecht für Isla, gut für Quincy.

„Oh, ich bin Quincy Morgan. Und wer bist du?"

Isla lächelte. „Du hast eine schöne Frisur, Quincy."

Nur mit Mühe und Not konnte sich Quincy ein spöttisches Schnauben verkneifen. Die zwei geflochtenen Zöpfe hatte sie sich nur gemacht, weil ihre Haare fettig waren und sie keine Lust gehabt hatte, noch vor dem Frühstück unter die Dusche zu springen.

Offensichtlich war das aber eine gute Idee gewesen, denn andernfalls wäre sie womöglich gar nicht erst mit Isla ins Gespräch gekommen.

„Wenn du möchtest, kann ich dir auch zwei Zöpfe flechten", bot Quincy dem kleinen Mädchen an. „Hier, schau mal. Ich habe noch zwei Zopfgummis übrig."

Quincy konnte sehen, wie Isla mit sich kämpfte. Einerseits schien sie unbedingt ihren Blumenkranz zu Ende flechten zu wollen, aber andererseits bewunderte sie Quincy für ihre Frisur.

Ein paar Sekunden zögerte Isla noch, bevor sie Quincy verunsichert fragte: „Du bist doch ein lieber Mensch, oder?"

Bei dieser Frage wurde Quincys Herz so schwer wie Blei. Sie spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte und ihre Kehle zuschnürte.

Islas grüne Kinderaugen wirkten nicht mehr fröhlich und lebendig, sondern wurden von der Angst gezeichnet.

„Natürlich bin ich ein lieber Mensch", bemühte sich Quincy, Isla ihre Zweifel zu nehmen. „Hast du denn schon mal einen bösen Menschen getroffen?"

Vielleicht erfuhr Quincy jetzt endlich, warum sie das Taxi immer wieder zu dem Haus der Edwards brachte.

Hoffentlich wurde keine körperliche oder seelische Gewalt an der kleinen Isla verübt ...

Möglichst unauffällig ließ Quincy ihren Blick über Islas nackte Arme und Beine wandern. Zum Glück erkannte sie weder blaue Flecke noch andere Blessuren.

„Ein Junge im Kindergarten war immer böse zu mir", antwortete Isla nach ein paar Minuten. „Er hat mir mein Spielzeug geklaut und mich manchmal gehauen. Das war richtig doof!"

„Oh, das tut mir leid", sagte Quincy. Sie war im Umgang mit Kindern recht unbeholfen und wusste deshalb nicht, wie sie die traurig dreinblickende Isla aufmuntern sollte. „Was ist mit deinem Papa? Ist er ein böser Mensch?"

Quincy war bewusst, dass sie sich auf sehr dünnes Eis wagte, das jeden Moment in sich zusammenbrechen konnte. Leider sah sie aber keine andere Möglichkeit, als die gesprächige Isla auszuquetschen und somit ein paar neue Informationen über Familie Edwards zu sammeln.

Quincy wollte einfach nur schnellstmöglich ihr Schicksal erfüllen und dann zurück in ihr eigenes Leben eintauchen. Sie hatte schließlich selbst genug Probleme, mit denen sie sich jeden Tag herumschlagen musste.

„Nein, mein Papa ist doch kein böser Mensch!", schnappte Isla empört nach Luft. „Er hat mich ganz doll lieb!"

„Und deine Mama?"

„Mama ist die Beste!"

Mit jeder Sekunde, die verstrich, nahm Quincys Ratlosigkeit mehr und mehr an Größe zu.

„Und deine Oma und dein Bruder? Haben sie dich auch lieb?" Es war unfair, aber Quincy hoffte, dass das Problem bei Islas Großmutter oder bei Dale lag. Dann wusste sie wenigstens, was zu tun war.

„Ja! Dale liebt mich bis zum Mond und wieder zurück!", erzählte Isla stolz. Bei der Erwähnung von Dales Namen schlich sich ein glückliches Strahlen in ihre grünen Augen.

Eigentlich hätte sich Quincy darüber freuen sollen, dass die Edwards ein harmonisches Familienleben führten, aber das tat sie nicht. Sie wollte endlich wissen, welches Schicksal sie zu erfüllen hatte.

„Kannst du mir jetzt auch so eine schöne Frisur machen? Bitte." Isla legte ihren Blumenkranz vorsichtig auf den Boden, ehe sie ihre dunklen Haare aus ihrem unordentlichen Pferdeschwanz löste. „Mein Bruder hat auch mal versucht, mir Zöpfe zu flechten, aber das sah echt nicht hübsch aus." Isla kicherte, womit sie Quincy ein Grinsen entlockte.

Obwohl Quincy die beiden Geschwister noch nie zusammen gesehen hatte, spürte sie, dass Isla ihren großen Bruder vergötterte. Das Lächeln und das Funkeln in ihren Augen verrieten sie.

„Äh, klar." Quincy überbrückte den letzten Abstand zwischen Isla und sich und machte sich danach an ihren braunen Haaren zu schaffen. „Hoffentlich bekomme ich das jetzt gut hin ..."

Während Quincy damit beschäftigt war, Isla zwei Zöpfen zu flechten, schwiegen sich die beiden Mädchen an.

Quincy hätte gerne mehr über Isla und den Rest ihrer Familie erfahren, doch sie wusste einfach nicht, wie sie das kleine Mädchen in ein Gespräch verwickeln sollte. Sie konnte ja schlecht „Erzähl mir etwas über deine Mama und deinen Bruder" sagen, oder?

Quincy war so sehr in ihre Arbeit vertieft, dass sie zusammenzuckte, als Isla plötzlich glücklich quietschte.

„Dale!", rief Isla ausgerechnet den Namen, der Quincy eine unangenehme Gänsehaut bereitete. „Schau mal, ich bekomme schöne Haare!"

Obwohl sie Dales Körper hinter sich spüren konnte, wagte Quincy es nicht, sich zu ihm umzudrehen. Zu groß war ihre Angst, in wütende Augen zu schauen, die ihr verdeutlichten, dass sie hier unerwünscht war.

Zu Quincys großem Missfallen dauerte es leider nur zehn Sekunden und schon stand Dale ihr gegenüber.

Sein Gesicht verdunkelte sich und sein Körper spannte sich an, als er Quincy wiedererkannte. „Du?! Was zum Teufel machst du hier?", fauchte Dale alles andere als begeistert. „Habe ich dir gestern nicht klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass du uns in Ruhe lassen sollst?!"

Dales Brust hob und senkte sich viel zu schnell. Er wischte sich einmal mit der Hand über die schweißbedeckte Stirn, ehe er sie locker neben seinem Körper baumeln ließ.

Dale trug eine kurze Sporthose, ein neongrünes T-Shirt und Laufschuhe. Dass er vom Sport kam, war nicht zu übersehen gewesen.

Quincy hätte seinen erhöhten Puls gerne mit seinem vorherigen Sporttreiben gerechtfertigt, doch sie wusste ganz genau, dass es ihre Anwesenheit war, die Dale so sehr verärgerte.

„Hör mir zu, Dale", begann Quincy mit rasendem Herzen zu sprechen. „Wir hatten vielleicht keinen guten Start miteinander, aber ich möchte euch nichts Böses. Ich-"

Dale ließ Quincy nicht aussprechen. „Verschwinde von hier!"

„Das geht nicht!" Quincy klang verzweifelt. „Ich wurde zu euch geschickt, um zu schauen, wie es euch geht." Sie hätte gerne von dem magischen Taxi erzählt, aber da sie sich nicht sicher war, ob Dale der Legende seinen Glauben schenkte, erwähnte sie das mysteriöse Fahrzeug vorerst nicht.

„Ach ja?", erwiderte Dale spöttisch. „Und wer hat dich geschickt? Etwa doch unser Vater?"

Quincy fühlte sich in die Ecke gedrängt. Sie entfernte sich immer weiter von Dale, bis sie irgendwann gegen eine Löwenstatue krachte, die neben dem Treppenabsatz stand.

„Ähm, na ja, das, äh, das kann ich nicht sagen", murmelte sie überfordert. „Ich weiß nur, dass es wichtig ist."

Bei Quincys Gestotter lief Dales Gesicht dunkelrot an. Er ballte seine rechte Hand zu einer Faust, als er Quincy gefährlich leise zuraunte: „Halte dich verdammt nochmal von meiner Familie und mir fern! Sollte ich dich auch nur in der Nähe von uns sehen, dann schwöre ich dir, werde ich das nächste Mal die Polizei rufen!"

Quincy schluckte schwer. Sie verstand nicht, warum Dale so wütend auf sie war, schließlich hatte sie ihm nichts getan.

Oder?

Vor lauter Not und Verzweiflung wollte Quincy Dale gerade von der Legende erzählen, da ertönte plötzlich Islas aufgeregte Stimme. Das kleine Mädchen stand etwas abseits auf dem Gehweg und gestikulierte wild mit ihren Armen in der Luft herum.

„Dale! Dale!", rief sie nach ihrem Bruder. „Komm schnell! Das coole Taxi ist wieder da!"

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro