10. Mein Kuss im Supermarkt

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„Zoe, Zoe komm schon. Es ist schon voll spät“, rüttelt mich jemand aus dem Schlaf. Blinzelnd öffne ich die Augen. Ich liege auf der Veranda auf der Hollywoodschaukel. Die Arme unter dem Kopf verschränkt und die Knie zur Brust gezogen. Toby steht nur in Boxershorts bekleidet vor mir und kneift mich immer wieder in den Arm.

„Is' ja gut, bin doch schon wach. Was machst du denn so einen Stress?“

„Mom steht bald auf und die killt mich, wenn sie erfährt, dass du draußen geschlafen hast“, erklärt er und ich ziehe ungläubig die Augenbrauen zusammen.

„Wieso sollte sie das tun?“, murmele ich und setze mich auf. Ein Stich in meinen Schläfen beantwortet mir meine Frage sofort. Also letzte Nacht, als ich hier raus gegangen bin, ging das mit dem Schwindel schon wieder. Der scheint pausiert zu haben, ist jetzt mit tausendfacher Intensität zurück, der Arsch.

„Komm“, tadelt Toby mich und greift mir unter die Armen. Vorsichtig hilft er mir auf und stützt mich ins Haus. In der Küche setze ich mich an den Tisch und er füllt mir ein Glas Wasser.

„Aspirin?“, fragt er und kocht Tee auf.

„Haben wir nichts Härteres? Is' doch für Pussys“, beschwere ich mich.

„Du bist Zuhause Schatz, das Härteste was wir haben, ist traurigerweise Ibuprofen“, grinst er mich an und stellt mir ein weiteres sprudelndes Glas vor die Nase.

„Muss ich davon spucken?“

„Alter, das ist Aspirin. Da steht bei den Nebenwirkungen Kopfschmerzen mit drauf. Keine Ahnung, ob das hilft“, lacht er und setzt sich mir gegenüber.

„Isst du nichts?“, frage ich ihn und kippe die Brühe in einem runter. Den Würgereiz unterdrücke ich erfolgreich.

„Oder wartest du, bis Mom das macht?“, frage ich und grinse. Er lächelt schwach.

„Ich hab durch gewisse Umstände ziemlich früh gelernt für mich selber zu sorgen, Zoe.“

Einen Moment lang bin ich unfähig irgendwas zu sagen, irgendwas zu denken. Ich öffne den Mund, schließe ihn wieder.

„Ist schon okay, Babe“, sagt er, kommt zu mir und nimmt mich in den Arm. Schweigend.

„Toby, was ist heute für ein Tag?“, frage ich und lenke Mario über den großen Regenbogen. Ich fange einen Item und freue mich, als es eine blaue Bombe wird. Keine Ahnung wie man das nennen soll, es sprengt Sachen in die Luft. Und da Toby erster ist, bekommt er die geballte Wut der unglaublichen Zoe alias Mario zu spüren.

„Du bist so ein Scheißkerl!“, flucht er, als er mitten im Looping getroffen wird und abstürzt.

„Ach, heul doch nicht. Du gewinnst doch eh“, antworte ich trocken und werde von Daisy' s Wagen zur Seite katapultiert.

„Das hast du verdient“, gibt Toby schnippisch dazu, als sich mein Bildschirm kurz schwarz färbt und dann meine Figur wieder auf die Strecke gesetzt wird. Das ist diese dämliche Strecke, wer hat sich die denn bitte ausgedacht?

„Samstag“, antwortet er auf meine Frage.

Sein blöder Bowser schafft es vor mir ins Ziel und ich werde nur fünfte.

„Du bist scheiße“, knurre ich.

„Wenn alle Leute, die in MarioCart besser sind als du, scheiße sind, müsstest du die ganze Welt hassen“, lacht er mir frech ins Gesicht.

„Und wenn alle Leute, die intelligenter wären als du die Hand heben würden, sähe es so aus, als wärst du Jennifer Lawrence und der Rest Panem“, kontere ich. Wow, der war verdammt gut. Darauf kann selbst er nichts antworten. Er schaut erst ziemlich verdutzt, dann schüttelt er den Kopf und will etwas sagen. Aber ihm fällt nichts ein. Er steht auf und schaut auf die Uhr.

„Ich hab Hunger.“

„Ich will Pizza“, antworte ich.

„Schon wieder? Lass lieber einkaufen gehen.“

Ich will erst fragen, ob er kochen kann, aber dann fällt mir der Emotionsausbruch vorhin wieder ein und die Frage ist beantwortet. Er streckt sich und gähnt. Ich will auch so gut beim Gähnen aussehen und nicht wie ein Nilpferd mit Kieferstarre.

„Ich hol dir was zum Anziehen“, meint er und verschwindet. Er braucht nicht lange um sich selber zu bekleiden und ein paar Klamotten aus meiner Tasche zu fischen. Er ist schnell.

„Zieh das an“, fordert er mich auf und wirft mir ein Kleid zu. Kann mich nicht erinnern, das jemals getragen zu haben. Es wirkt fremd, kurz und sehr bunt.

„Du wirst heiß aussehen, Zoe“, stellt er trocken fest und ich schlüpfe aus meinem Schlafanzug. Er schaut mir dabei nicht zu, sondern greift nach seinem Skateboard und nimmt ein wenig Geld aus der Haushaltskasse. Der Stoff auf meiner nackten Haut ist nicht besonders weich, sogar ziemlich robust. Mein Dekolleté wirkt glatt, die Narben fallen nicht so sehr auf. An den Knien streift der luftige Rock meine Haut. Ich will barfuß gehen. Die Aspirin hat tatsächlich geholfen und ich fühle mich lebendiger wie schon lange nicht mehr.

„Kommst du?“, fragt Toby und geht zur Tür. Ich sehe nochmal an mir herab. Meine trockenen Beine sind rau, aber das fällt nicht auf. Meine Brüste lenken viel Aufmerksamkeit auf sich.

„Ich hab 'ne schöne Schwester“, lacht Toby und ich folge ihm nach draußen.

„Wo ist eigentlich mein Handy?“, fragt er wohl eher sich selbst und ich verziehe keine Miene. Er fässt in seine Hosentaschen, was unlogisch ist, weil er die gerade erst angezogen hat.

„Egal“, zuckt er mit den Schultern und schließt hinter uns die Tür.

„Schuhe?“

„Brauch ich nicht.“

„Na gut.“

Wir laufen durch den Vorgarten und Toby fährt auf seinem Board neben mir her, die Straße herab. Mir fällt auf, dass wir leben, wie die Simpsons. Aufgereit wie die Vögel auf der Stange. Ist ja schrecklich. Bis zum Supermarkt ist es nicht weit und meine Füße brennen auf dem heißen Asphalt. Drinnen sind die Fliesen angenehm kühl und Toby klemmt sich sein Skateboard unter den Arm. Es riecht nach Klimaanlage. Abgestanden. Die grellen Farben der Obsttheke scheinen einen erdrücken zu wollen.

„Ich hab Bock auf Fleisch“, gibt mein Bruder trocken von sich und steuert das Kühlregal an. Mein Kleid fliegt wie der Nuttentanz einer Stripperin. Leicht. „Was willst du essen?“, fragt Toby mich und schließt die Tür des Regals.

„Mir egal.“

„Pizza?“

„Nö.“

„Vorhin wolltest du noch Pizza“, stellt er fest.

„Pizza macht fett.“

„Du hast gute Gene, bist mit mir verwandt Zoe-Schatz. Du wirst nicht fett“, grinst er und drückt mir Pommes in die Hand. Auf dem Weg zur Kasse streife ich mit den Fingern die Verpackungen, Flaschen und Tüten. Das monotone Piepen vom Scanner an der Kasse ist so unsagbar laut. Es ist noch nerviger als ein EKG. Nicht zum Aushalten. Schnatternde Menschen drängeln sich an uns vorbei oder kreuzen die Wege. Mädchen mit Diätcola und Chips lassen ihren Kram fallen, sie fluchen, weil die Flasche auf ihren Fuß fällt. Toby zieht mich weiter. Ein dicker Mann kommt nicht an die Cornflakes im obersten Regal. Sein Bauch schwappt gegen die Produkte. Eine Kassiererin sortiert Orangensaft ein. Toby schüttelt den Kopf, weil ich so trödele und will gerade etwas sagen, als er plötzlich aschfahl im Gesicht wird. Seine Steaks platschen auf den Boden, das Board kann er noch halten.

„Toby?“, kommt eine schöne Stimme hinter mir nach vorne. Ich drehe mich um und blicke in das Gesicht einer Blondine. Ihre Beine sind lang, ihr Hintern winzig, ihre Brüste kaum erkennbar.

„Lea“, lacht Toby nervös auf.

„Was machst du denn hier?“

„Toten Tieren beim Wachsen zusehen“, gebe ich ihr nüchtern als Antwort. Irritiert mustert sie mich. Ihr Blick bleibt an meinen Füßen hängen.

„Einkaufen“, verbessert Toby mich und fährt sich durch die Haare.

„Achso“, nickt die Blondine, habe ihren Namen schon wieder vergessen.

„Deine Freundin?“, fragt sie spitz.

Ich will ihr sagen, dass ich seine Schwester bin und sie sich verpissen soll. Sie bereitet mir Kopfschmerzen, das Piepen des Scanners wird immer lauter. Doch Toby hat wohl anderes vor und zieht mich zu sich ran. Seine Hand, mit der er vorhin noch das Fleisch gehalten hat, umschlingt jetzt meine Taille.

„Jap“, sagt er dann knapp.

„Na dann.“ Sie sieht nicht begeistert aus, sie ist eifersüchtig auf mich. Toby legt noch eine Schippe rauf, er dreht mein Gesicht zu sich und küsst mich. Nicht auf die Wange, nicht auf die Stirn. Wäre er nicht mein Bruder, könnte er echt gut schmecken. Aber ich bin eine gute Schauspielerin und er wird schon wissen, warum er dieses Mädel abservieren muss. Daher schließe ich kurz meine Augen und bin froh, als er sich löst.

„Ahja“, giftet die Olle und dreht sich dann von uns weg. Toby hebt die Steaks auf und wir gehen bezahlen. Dieses schreckliche Geräusch wummert in meinem Schädel und mir wird etwas mulmig.

„Alles okay?“, flüstert er mir zu und lächelt leicht. Ich nicke und nachdem er der Kassiererin noch ein Zwinkern geschenkt hat, gehen wir. Auf dem Rückweg bin ich froh, nicht mehr in diesem grässlichen Laden zu sein.

„Wer war sie?“, frage ich ihn und er nimmt mit linken Bein Schwung.

„'Ne Referendarin an meiner Schule. Ich dachte sie ist 'ne Schülerin und hab sie angemacht. Hätte ihr aufsehender Lehrer das nicht gemerkt, wäre alles cool gewesen“, murrt er und fährt ein Stück, bevor er wieder langsamer wird.

„Du bist ein Spast.“

„Kann ich doch nicht wissen. Wenn die an den Schließfächern steht, gehe ich davon aus, dass sie verdammte sechzehn ist. Aber doch keine vierundzwanzig.“

Ich lache ihn aus und er lacht mit.

„Danke, Zoe. Hast mich gerettet. Die würde sonst ewig denken, ich steh auf sie.“

„Tust du doch auch. Und das, obwohl sie noch nicht mal Titten hat“, kommt es von mir.

„Stimmt, da hast sogar du größere.“

„So was Nettes sagst du selten zu mir.“

„Ich liebe dich, Zoe.“

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