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Wir haben die kleinsten in die Decke eingewickelt, drei Mädchen haben hinein gepasst. Na ja, eigentlich war das nur ich. Als ich wieder gekommen bin, hat keiner etwas gesagt. Keiner. Sie haben mich nur angestarrt und weil ich nicht wusste, was ich sonst tun soll, habe ich mich aus der Decke geschält, die ich sofort begonnen habe zu vermissen und sie den Mädchen angeboten.

Ich habe die Blicke der anderen auf mir gespürt. Sie haben mich keine Sekunde aus den Augen gelassen dabei.

Sie sind misstrauisch.

Ich hätte die blöde Decke da lassen sollen.

Ich hätte sie da lassen sollen.

So ein Stuss, Lu, du hast das Richtige getan. Sieh dir die drei Zwerge doch an!

Du hast das Richtige getan.

„Und?", meldet sich eins der Mädchen endlich zu Wort. Die Stille kam mir unendlich zäh und erdrückend vor. „Wo warst du?"

Zitternd kauere ich mich auf den Boden und ziehe die Knie an die Brust. Es ist so unfassbar kalt hier drinnen. „Ich...war...keine Ahnung, wo ich war. Sie haben mir die Decke gegeben."

Vermutlich ist es besser, wenn ich ihnen nichts von der Suppe erzähle.

„Und das hat so lange gedauert?", fragt Arya leise. Mit jeder Silbe macht sie mir klar, dass sie mir nicht traut. Und dass sie es nicht versteht. Warum gerade ich die Decke bekommen habe. Ich bin am kürzesten hier und es gibt vierundzwanzig, nein, dreiundzwanzig weitere Mädchen, die alle vor mir her gebracht wurden.

Sie alle frieren länger als ich. Leiden länger als ich.

„Sie haben mich lange warten lassen", spinne ich meine Lüge weiter, obwohl es sich falsch anfühlt, aber es wird nicht besser, wenn ich die Wahrheit sage.

Es wird nur schlimmer werden.

„Und was haben sie gesagt? Warum hast du die Decke bekommen?", bohrt Arya weiter. Ihr Blick ist so kalt, sie könnte mich damit erdolchen.

„Ich weiß es nicht." Und das ist die Wahrheit. Ich weiß nicht, warum ich die Decke bekommen habe. Und die Liege. Das Kissen. Und das Essen. Ich weiß nicht, warum sie das getan haben.

Ich weiß es wirklich nicht.

Ich weiß nur, dass es nicht gut ist.

„Ich bin heute drei Wochen hier", meint Arya mit bebender Stimme. „Ungefähr. Genau weiß ich es nicht. Ich habe jeden Tag, jeden einzelnen Tag eine Injektion bekommen. Ich bin seit etwa einundzwanzig Tagen nackt. Und ich habe nicht ein einziges Mal während dieser Zeit auch nur eine Spur Nettigkeit erfahren." Ich öffne den Mund, weil ich das Gefühl habe, etwas sagen zu müssen, aber sie schneidet mir das Wort ab. „Mir geht' s nicht um mich, falls du das jetzt denkst. Sieh dir die Kleinen an. Sieh dir jeden einzelnen von uns an. Keiner von uns hat etwas anderes als den mickrigen Laib Brot und die beschissene Spritze am Tag bekommen, die uns alle nach und nach bricht. Keiner außer dir. Irgendwas an dir ist anders, Luisa. Du bist was Besonderes."

Sie spricht es wie ein Schimpfwort aus. Und genau so klingt es auch.

„Ich weiß nicht, warum sie das tun", wiederhole ich mich, weil ich mir nicht besser zu helfen weiß. Weil es das einzige ist, was ich sagen kann.

Arya nickt hölzern. „Du weißt es nicht."

„Guten Morgen, meine Liebe", begrüßt Michael mich am nächsten Tag. „Wie fühlst du dich?"

Ich sitze auf der letzten Kante des Behandlungsstuhls, die Arme vor der Brust verschränkt, die Beine überschlagen und so viel im Kopf, dass mir schwindelig wird. „Was sollte das gestern?", fange ich klein an.

Michael schließt die Tür hinter sich, schlendert dann betont entspannt zu mir und setzt sich neben mich. „Wovon sprichst du?"

„Warum bekomme ich mehr als die anderen? Da sitzen Mädchen in der Kälte, die noch nicht mal sprechen können und sie bekommen nichts."

Michael schüttelt ablehnend den Kopf. „Also so würde ich das nicht sagen. Essen und Trinken bekommt ihr schon und ihr habt sogar einen Eimer."

Wütend werfe ich den Kopf herum, mein zauses Haar schlägt mir gegen die Wange. „Sie hassen mich dafür. Und sie wissen noch nicht mal, dass ich sogar Essen angeboten bekommen habe. Richtiges Essen."

Nickend runzelt er die Stirn. „Ich habe gehört, du hast es abgelehnt. Magst du keine Suppe?"

Zornig stehe ich auf und funkele ihn an. Er bleibt ruhig sitzen. Es sieht sogar so aus, als würde er sich ein Grinsen verkneifen.

„Ich kann dir heute etwas anderes bringen lassen. Was isst du gerne?", fragt er noch eine Spur frecher weiter.

„Gar nichts", fauche ich. „Ich will gar nichts von euch, wenn nur ich es bekomme."

Michael verdreht die Augen, langsam nerve ich ihn wohl. Vielleicht ist das gar nicht so schlecht. Wenn er sauer wird, sagt er vielleicht etwas, das er sonst nicht sagen würde. Aus dem Affekt, das kann ja sein.

„Ich möchte, dass es dir gut geht", lenkt er plötzlich wieder in eine andere Richtung. „Sag mir, was du möchtest und du bekommst es nach deiner Injektion."

Einen Moment lang habe ich den unfassbar großen Drang, ihm eine reinzuhauen, aber ich widerstehe dem. Er ist mir körperlich überlegen. Und es wird nichts bringen, überhaupt nichts.

„Warum?", reiße ich mich daher zusammen und probiere es auf eine andere Art. Wo genau die hinführen soll, weiß ich allerdings selbst noch nicht. Sie scheint mir nur schlauer als die Option, in der ich ihn schlage. Wobei das viel befriedigender wäre.

Tatsächlich scheint er die Frage nicht erwartet zu haben und wirkt ein bisschen überrumpelt. „Weil...weil du was Besonderes bist."

Seltsam. Es sind die gleichen Worte, die Arya zu mir gesagt hat und obwohl er sie mir als Kompliment verkaufen will, klingen sie genau so beleidigend.

„Warum?", lege ich den Finger weiter in die Wunde.

Er zögert. Nur einen kleinen Augenblick, aber er zögert. „Du solltest dich lieber darüber freuen, als es zu hinterfragen", findet er dann leider seine Fassung wieder, steht auf und manövriert mich auf den Stuhl. „Es ist nämlich normalerweise etwas Gutes, wenn man besser behandelt wird als andere."

Ja, normalerweise.

Es ist

heute

ein anderer Schmerz

kein Feuer

kein Eis


es ist heute anders


es ist ein Gefühl

als würden

alle Knochen gleichzeitig brechen

als würde ich ein Baby

zwischen meinen Schenkeln

hervor pressen


es zerreißt mich


zumindest

versucht es das


aber ich halte mich fest

ich halte mich

ich halte mich

ich halte

mich.


Ich wache auf etwas Weichem auf.

Etwas Weichem.

Und mir ist warm. Ich friere nicht. Nicht mal ein bisschen.

Blinzelnd öffne ich die Augen und versuche mich zu orientieren. Der Schmerz der Injektion hallt noch in mir nach, vom Schädel bis zu den Fingerspitzen. Aber er wird schwächer.

Ich war stärker.

Und trotzdem kann ich mich nicht darüber freuen. Sie haben mich nicht zurück zu den anderen gebracht. Stattdessen wurde ich in den Raum von gestern gefahren, auf die Liege gelegt und zugedeckt.

Ruckartig schlage ich die Decke zurück, doch was ich dann sehe, lässt eine nervöse, drohende Hitze in mir aufsteigen.

Sie haben mich angezogen.

Eine lange, weiche Jogginghose, ein einfacher Pullover, Unterwäsche und Socken.

Auf dem Boden neben der Liege steht ein Tablett mit einem dampfenden Teller Pasta, einer Flasche Cola und einem Schälchen Obst.

Und einem Zettel.

Wenn du etwas anderes möchtest, musst du es nur sagen.

Mir wird schlecht. Schlecht bei dem Gedanken, dass sie mich angezogen haben, dass sie mich hier her gebracht und schlafen lassen haben und dass sie mir extra Essen besorgt haben, während dreiundzwanzig weitere Mädchen nackt, frierend und hungrig zusammengepfercht auf hartem, unnachgiebigem Boden hocken.

Warum tun sie das? Warum gerade ich?

Weil sie wissen, wie sehr du es verabscheust, Lu. Weil du es willst und gleichzeitig nicht willst.

Es ist eine Bestrafung, Luisa. Sie wollen dich brechen.

Weil du stärker bist als der Schmerz, stärker als dein Körper.

Aber du bist nicht stärker als dein Herz. Dein hin- und hergerissenes Herz. Zumindest denken sie das.

Zitternd ziehe ich mir den Pullover über den Kopf, stehe auf und steige aus der viel zu bequemen Hose. Mir kommen fast die Tränen, als ich auch den BH öffne und abstreife. Zuletzt landen Höschen und Socken, dicke, warme Strümpfe auf der Liege.

Ich könnte einen Bissen essen.

Keiner würde es erfahren.

Nur ein Bissen. Alles andere habe ich abgegeben. Ich könnte mir nur eine Gabel Spaghetti erlauben. Oder ein bisschen Banane und Weintraube. Ein Schluck Cola. Vorhin ist alles so schnell gegangen, dass du nicht mal dein Wasser von Michael bekommen hast.

Keiner würde es erfahren.

Hör auf, Lu. Das ist genau das, was sie wollen. Was sie erwarten.

Du bist stärker.

Du bist stärker.

Du bist stärker.

Du hast schon ein paar Minuten auf der Liege geschlafen, auf der weichen Liege unter warmem Stoff. Das ist mehr als alle anderen Mädchen zusammen bekommen haben. Weil sie nichts bekommen haben.

Du bist stärker.

Stärker als sie glauben, stärker als sie hoffen.

Du bist stärker. Luisa.


Ich heiße Luisa.

Ich komme aus Oxford.

Ich bin achtzehn Jahre alt.

Und ich bin stärker.

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