235-bleibende Schäden

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"Dieser fucking Pisser."

Müde, verwirrt und nur halb anwesend öffne ich langsam meine schweren Augenlider, worauf mich schon das einfallende Sonnenlicht blendet. Mein Kopf schmerzt und ich fühle mich grauenhaft schwach, so als könne ich den ganzen Tag einfach nur schlafen.

Aber ich kann es nicht, da dumpfe Geräusche an meine Ohren dringen und ich eine raue Morgenstimme fluchen höre.

Schweigsam starre ich zu dem Mann, der in einer kurzen Sporthose und einem Pulli gegen den schwarzen Boxsack schlägt, dabei schimpft und das Gesicht vor Wut verzieht. Mit ein wenig Verständnis für sein jetziges Handeln schaue ich Harry eine Weile einfach nur zu, beiße mir auf die Unterlippe und denke nach.

Dass er enttäuscht und wütend ist kann ich vollkommen verstehen. Wenn ich er wäre, würde ich wahrscheinlich nicht anders reagieren. Ich kann nachvollziehen, dass er den Boxsack massakriert und am liebsten kaputt schlagen würde, da er sich Leonards Gesicht vorstellt. Sein Handeln verstehe ich vollkommen.

Trotzdem würde ich mich auch über ein Stück Verständnis seinerseits freuen.

Menschen einfach so verurteilen, für etwas büßen lassen, dass sie aufgrund einer Krankheit taten, kann ich nicht. Das bin ich einfach nicht. Mr. Willoughby versprach mir, dass er seinen Sohn in eine Klinik bringt. Da benötigt er nicht auch noch Probleme wegen einem Gerichtsverfahren.

Leonard muss anders, als durch eine Anzeige, lernen, dass er krank ist und sich helfen lassen muss.

Das sind meine Beweggründe -auch wenn ich vielleicht zu gutmütig damit bin.

Nun, nach vielleicht fünf Minuten, in denen der Mann, dessen Harry zu einem unordentlichen Dutt zusammengebunden sind, wild gegen das Leder schlug, immer wieder Beleidigungen in den Raum, gegen seinen imaginären Gegner warf, richte ich mich ohne Worte auf, meine Beine über die Bettkante baumeln lassend.

Ohne Worte, ohne einen bestimmten Gesichtsausdruck mustere ich Harry, der nun aufhört auf den Sack zu schlagen. Schnaufend, mühsam den Klettverschluss seiner Handschuhe öffnend, starrt er zu mir, wirkt erschöpft und verschwitzt. Wer weiß, wie lange er schon wach ist und all seine Energie in die Wut gegen seinen Boxsack -gegen Leonard- steckt.

Einige Strähnen hängen aus dem Dutt raus, einige befinden sich direkt vor seinem Gesicht, welche er nun nach hinten schiebt, dann einen Schritt nach vorne setzt. Doch er stoppt dann auch schon wieder, beißt sich auf die Innenseite seiner Wange.

Ein Stechen in meinem Herzen lässt mich kurz zusammenzucken, aus dem einfachen Grund, dass ich den gestrigen Abend nicht heute fortführen will.

Wir sprachen quasi kein Wort mehr miteinander, weil ich, nachdem er mir an der Tür sagte, dass ich zu gutmütig bin, einfach ins Schlafzimmer verschwand. Konversationen und Streit bin ich aus dem Weg gegangen, erledigte meine Aufgaben für die Uni, in Stille und Verzweiflung.

Spät abends bin ich dann eingeschlafen, in meiner kurzen Hose und einem dicken Pulli, meine Beine in der Decke verwickelt. Harry lag da noch nicht neben mir. Ich weiß nicht einmal, ob er die Nacht neben mir schlief und dieser Gedanke tut weh.

„"Wie hast du geschlafen?", bricht der Mann nach einer Weile die Stille, die Arme streng vor der Brust verschränkt.

"Es geht", antworte ich, sehr still, kaum verständlich, wobei ich kurz meinen Oberschenkel kratze. "Und du?"

Dieses unangenehme Gefühl ist erdrückend, macht einen fertig.

Ich will mich nicht mit ihm streiten oder so distanziert verhalten. Nicht wegen Leonard, nicht wegen irgendjemanden.

Wir beide haben doch schon eine Menge durch und solch ein Gerichtstermin... Es würde anstrengend werden, belastend für unsere Beziehung. Glaube ich zumindest.

"Da gab es nicht sehr viel Schlaf letzte Nacht", erzählt er mir nun, einen weiteren Schritt auf mich zukommend. "Um ehrlich zu sein, habe ich vielleicht nur vier Stunden geschlafen. Höchstens fünf."

"Harry, ich..." Seufzend reibe ich mir verzweifelt über die Stirn, blicke beschämt zu Boden. "Ich kann vollkommen verstehen, dass du wütend auf mich bist. Und enttäuscht, deprimiert, unzufrieden und so viel mehr."

"Bin ich nicht."

"Doch bist du!"

"Nein."

"Ich sehe es doch, Harry, dass du wütend bist!", entgegne ich ihm nun energisch. "Wie lange ist es her, dass du den Boxsack benutzt hast?"

Er antwortet nicht, aus dem einfachen Grund, dass ich keine Antwort erwarte, sondern sofort weiterrede. "Genau. Als du wütend auf Leonard warst, weil er hier war. Du warst wütend und enttäuscht!"

"Jetzt bin ich es aber nicht, Honor", kontert der Lockenkopf, erneut dichter tretend. "Nicht mehr."

Ganz langsam und vorsichtig, besorgt und achtsam greift er nach meinen Händen, die auf der Decke lagen, die meine Beine bedeckt. Unsicher verschränkt er unsere Finger miteinander, beugt sich leicht runter.

"Wenige Menschen auf der Welt besitzen solch ein Herz, wie du es tust. Die Wenigsten verzeihen einem, handeln so, dass es immer erst anderen gut geht, bevor sie an sich selbst denken." Kurz die Mundwinkel hebend, streicht er eine Strähne hinter mein Ohr, streicht dabei sanft über meine Wange. "Du bist manchmal zu gutmütig, ja. Dies denke ich aber nur, weil ich Angst habe, dass du wegen dieser Eigenschaft eines Tages ganz stark verletzt wirst, jemand dich ausnutzt."

Wenn er so erklärt, mir so mitteilt, wieso er nicht möchte, dass Leo einfach davon kommt dann... Ich weiß nicht.

"Aber ich bin doch vorsichtig", murmele ich vor mich hin, nachdenklich. "Und außerdem bringt sein Vater ihn in eine Klinik."

"Das behauptet er. Aber was, wenn er es nicht tut? Honor, wenn Willoughby nochmal hier auftaucht, dir was antut? Dann aus dem Grund, dass sein Vater deine Gutmütigkeit ausnutzte und dich damit gefährdet, nur damit sein Sohn, und er ebenso, nicht schlecht da steht."

Er kann Recht haben.

Jedoch möchte ich daran glauben, dass Mr. Willoughby seinen Sohn helfen möchte. Ich möchte hoffen, dass Harry und ich endlich etwas Ruhe haben werden. Einfach weil ich die Hoffnung besitze, eines Tages glücklich mit dem Mann leben zu können, den ich liebe. Ohne großen Streit, ohne Probleme wegen anderen Personen, die uns immer wieder voneinander abhalten.

"Wir müssen wohl abwarten", meine ich, unsicher und blicke nur schwer auf zu dem Mann, der sich nun hinkniet, wodurch ich nicht mehr nach oben schauen muss.

Der Fakt, ihn immer bei mir zu haben, zu wissen, dass er immer bei mir ist, für mich da, beruhigt mich ein Stück und ich bin ihm dafür so dankbar. Manchmal gibt es die Punkte, an denen ich nicht mehr weiter machen will und wenn Harry nicht da wäre, würde ich auch nicht mehr weiter machen, sondern einfach aufgeben, weinend zu Boden sinken.

"Ich will nicht rumsitzen und warten, ob sich etwas tut oder nicht! Honor, wenn der Kerl plötzlich wieder hier auftaucht, ist es schon zu spät."

"Bestimmt wird er das nicht, Harry", versichere ich ihm, obwohl ich dies eigentlich nicht kann.

Niemand von uns beiden weiß, kann ahnen, ob Leonard wirklich in eine Klinik geht oder nicht, ob er hier auftaucht. Was, wenn er auftaucht, während ich alleine bin? Was, wenn er auftaucht, während Harry alleine ist?

Wir wissen es beide nicht.

"Wie oft hat jemand schon versucht uns zu trennen?", frage ich ihn nun. "Oft genug", beantworte ich die Frage selber. "Und wie oft haben wir dagegen angekämpft und sind zusammen geblieben?"

"Jedes Mal", spricht der Mann von unten, bevor er aufsteht, mich leiht zurück, nach hinten auf die Matratze drückt.

Vorsichtig krabbelt er etwas rauf auf die Matratze, legt sich dann einfach neben mich, eines seiner Beine über meine gelegt, zieht mich dicht an sich. Seine starken, leicht verschwitzten Arme legt er um meinen Oberkörper, während seine Nasenspitze meinen Nacken berührt.

Diese Position genießend, Harrys Nähe, schließe ich meine Augen, streiche mit meinen Fingern sanft, verträumt über seinen Handrücken der Hände, die vor meiner Brust verschränkt sind. Den heißen Atem in meinem Nacken, die großen, schweren Beine, die mich wie die Gitter eines Käfigs festhalten und die schützenden Arme -mehr benötigt es nicht, um mich ruhig zu stellen.

"Du bist ganz verschwitzt", kichere ich nach einer Weile, in der Harry nur ab und zu meinen Nacken küsste oder sich bewegte.

"Wir können gerne wieder gemeinsam duschen gehen", raunt er amüsiert in mein Ohr, mit einem kecken, frechen Unterton. "Dagegen würde ich Nichts einwenden."

"Der Arzt meinte, du sollst es langsam angehen lassen", wimmele ich ihn leicht ab, was jedoch nicht ganz klappt.

"Damit sprach er bestimmt nicht von der besten Heilmethode der Welt."

"Ich werde jetzt nicht mit dir schlafen!", teile ich dem Mann dann klar und deutlich mit, drehe mich in seinen Armen. "Lass uns bitte versuchen, alles ruhig zu halten! Deine Boxeinheit wirkt auf mich schon sehr strapazierend."

Leicht abwehrend antwortet Harry mir: "Es geht mir gut, Baby."

Damit einverstanden, wenn auch nicht zufrieden, küsse ich ihn nun auf die Lippen, vernehme dieses beruhigte Gefühl in meinem Bauch, aus dem einfachen Grund, dass wir uns wieder vertragen. Gestern Abend war der Horror für mich, weil der Mann den ich liebte wütend auf mich war.

"Hast du vielleicht Hunger?", erkundigt er sich bei mir, liebevoll meine Arme rauf und runter streichend. "Weil ich sterbe gleich."

Lachend nicke ich zustimmend, da sich die Leere in meinem Magen nun auch langsam bemerkbar macht, weswegen ich mich aus den Griffen ziehe, über den Mann, raus aus dem Bett klettere und in die Küche tapse. "Geh du duschen", rufe ich ihm zu, beginne Brötchen, Marmelade und all die anderen Dinge aus den Schränken zu suche.

"Wehe, mein Frühstück ist verbrannt, wenn ich wiederkomme", warnt Harry mich scherzend, bevor die Tür zum Badezimmer zu fällt.

Amüsiert grinsend lege ich sechs Brötchen in den Ofen, hole Milch aus dem Kühlschrank und stelle Tassen, sowie Teller auf den Tisch. Seinen Kaffee kann er sich selber machen, weil ich da scheinbar irgendetwas immer falsch -laut ihm- mache.

"Morgen."

Müde und verschlafen betritt Niall die Küche, nimmt auf seinem üblichen Stuhl Platz und reibt sich mit einem müden Gesichtsausdruck über die Schläfe.

"Morgen", trällere ich, ein Stück belustigt, über den Anblick seiner hochstehenden Haare. „Gut geschlafen?"

"Geht so", grummelt er. „Und du?"

"Es war schon mal besser."

"Habt ihr euch wieder vertragen?", erkundigt er sich, will es beiläufig klingen lassen.

"Ja, haben wir", antworte ich, gerade dann, als man im Badezimmer das Wasser laufen hört. "Das gestern..."

"Wir wissen beide -Harry und ich-, dass du einfach niemanden verletzen möchtest und immer an das Gute in den Menschen glaubst", unterbricht der Ire mich, wobei er leicht lächelt. "Das hat Harry gestern selber als erstes festgestellt."

Ohne ein Wort, nur nickend antworte ich, beiße mir auf meine Unterlippe. Es kommt mir manchmal komisch vor, wenn mir andere Menschen etwas von Harry erzählen.

"Ich rieche keine verbrannten Brötchen", ertönt es plötzlich von der Tür, wo der Lockenkopf mit einem Handtuch um die Hüfte da steht und grinsend zu dem laufenden Ofen schaut.

"Tu mal nicht so, als ob ich zu blöd wäre um ein paar Brötchen auf zu backen", meckere ich ihn an. „Und geh dir was Vernünftiges anziehen."

Rau lachend verlässt er den Raum wieder, nur um wenige Minuten später, in einer Jogginghose wieder zu kehren. Nur in einer Jogginghose und schwarzen Socken.

"Man könnte fast daran zweifeln, dass du aus dem Krankenhaus ohne Schaden entlassen worden bist, wenn man nicht wüsste, dass du dich jeden Tag so verhältst", meine ich zu ihm, bevor ich plötzlich fest umarmt werde, eklige, feuchte Lippen auf meiner Wange spüre, da Harry mich mit Absicht ganz fest und feucht küsst. "Ihhh", kreische ich, versuche den Mann von mir wegzubekommen. "Harry."

Er will mich einfach nicht loslassen, hält mich an meiner Hüfte fest bei sich und presst seine Lippen weiterhin auf meine Wange. Zusätzlich fallen seine nassen Haare in mein Gesicht, was mich kitzelt.

"Hör auf", keuche ich. "Bitte!"

"Sorry, da sind die bleibenden Schäden mit mir durchgekommen", entschuldigt er sich frech und lachend.

"Das ist nicht lustig!"

Die Arme vor der Brust verschränkend, lasse ich mich auf meinen Stuhl fallen, beobachte nur aus dem Augenwinkel, wie er die Brötchen nun aus dem Ofen holt und seinen Kaffee macht. Niall grinst nur doof in sich rein.

"Baby?"

"Nenn mich nicht so."

"Aber du darfst mich, während ich halb tot im Krankenhaus liege, kitschig Schatz nennen?", kontert er.

"Warum musstest du denn alles hören?", rege ich mich laut auf, reiße die Arme in die Luft. Es kommt mir so vor, als habe er gar nicht geschlafen.

"Weil man im Schlaf häufig von Engeln träumt", raunt er plötzlich dicht an mein Ohr, danach sanft meinen Nacken küssend.

"Kitsch", rufe ich laut, schnappe mir ein Brötchen, ehe wir alle drei mit frühstücken beginnen.


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