270-mein Leben genießen

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"Hi."

"Hi", erwidert der Mann meine spärliche Wortwahl, muss daraufhin leicht grinsen.

In einem schwarzen Hemd, schwarzes Skinneyjeans mit Löchern an den Knien und schwarzen Boots, steht er locker lässig an den Türrahmen gelehnt da, schaut mich eindringlich, doch freundlich an, wobei ihm ein paar Strähnen ins Gesicht hängen, die er nun nach hinten wischt. Er sieht sehr gut, gepflegt und frisch rasiert aus und ich bereue es keinen Augenblick mehr, mich doch nochmal umgezogen zu haben.

Die kleinen Grübchen stechen an seinen Wangen hervor, zwingen mich sozusagen dazu, ebenfalls grinsen zu müssen, bis der Mann mehr in den Raum tritt, die Küchentür hinter sich schließt.

Seine Hände schiebt er cool in seine Hosentaschen, bevor er mich fragt: "Sind deine Aufgaben so langweilig?"

Ich nicke schweigend, beiße mir beschämt schmunzelnd auf die Unterlippe. Etwas unbeholfen stehe ich von meinem Stuhl auf, um nicht so komisch vor Harry zu sitzen, während er -vielleicht etwas, wie ein Gott- vor mir steht und diese grünen Augen mich mustern.

"Was musst du denn machen?", fährt er fort, weil er immer noch keine Antwort von mir erhielt.

"Äh- Chips", antworte ich, nun die erste Ladung aus der Mikrowelle ziehend, da diese mir direkt ins Wort fiel. "Glaub mir, was Schlimmeres gibt es nicht", stöhne ich, wenn auch etwas scherzend.

Mein Nacken schmerzt bereits schon vom Runtergucken und meine Finger könnten Handcreme benötigen, damit sie sich etwas weicher anfühlen.

"Windeln wechseln, Kotze aufwischen, Bauklötze aufsammeln, auf kleine Legosteine treten, unerziehbare Kinder ausschimpfen, ein gepinkelte Hosen säubern, schmutzige Wände reinigen und überschwemmte Bäder reinigen", zählt Harry eine Menge an Dinge auf, womit er mich verwirrt.

"Wovon sprichst du?", erkundige ich mich deshalb bei ihm, skeptisch eine Braue hebend.

"Naja, du möchtest doch im Kindergarten arbeiten und ich das sind ein paar Dinge, die ich schlimmer als Chips machen, finde", erklärt er mir, wobei er einen weiteren Schritt auf mich zu kommt, nun am Tisch steht, auf dessen Platte er eine Hand legt, an der sich zwei Ringe befinden, die ich kurz neugierig mustere. "Vor allem das überschwemmte Bad."

Als mir einfällt wovon er spricht, muss ich prusten, erinnere mich nur zu gut daran zurück, wie wir beide gemeinsam über die Fliesen in Grandpas Kindergarten rutschten und das Badezimmer der Gruppe reinigten, die für eine Überflutung des aller Feinsten sorgte. Harry fluchte an dem Tag ständig und war nicht besonders gut auf mich zu sprechen. Und ich fürchtete mich häufig vor ihm, weil ich immer grimmige Gegenkommentare auf meine Fragen erhielt.

"Die Bäder muss ich eher selten reinigen. Das macht der Hausmeister", antworte ich ihm keck, lächle, bevor ich die zweite Ladung von vielen aus der Mikrowelle hole und die nächste für vier Minuten drinnen drehen lasse.

"Ich werde nach den Ferien wahrscheinlich nicht in Corby wohnen", teilt er mir mit, nachdem er meine Anspielung verstand.

"Nicht?"

Enttäuscht lasse ich die Schultern hängen, schaue traurig zu Boden.

Natürlich läuft nichts zwischen uns, wie es einmal war, aber würde ich nur zu gerne endlich an einen Punkt gelangen, an dem wir den anderen wieder vertrauen und uns alles erzählen. Ich wünsche mir wieder ein gutes Verhältnis zu Harry, während wir beide in Corby wieder wohnen und arbeiten.

Und irgendwie hätte es dieser Ort dann geschafft, uns wieder zusammen zu schweißen.

Aber wenn Harry nicht zurück nach Corby gehen wird, dann werde ich wohl für immer einsam bleiben und ihn nie wieder sehen, weil ich in mir kein bisschen das Verlangen spüre, zurück nach London zu gehen.

"Aber es steht noch Nichts fest, Honor", will er mich beruhigen, aufmuntern, was ihm nur schwach gelingt. "Es hängt von einigen Sachen ab", höre ich dann das Flüstern von ihm, frage interessiert, schnell und hektisch fragend: "Von welchen zum Beispiel?"

"Von dir", haucht er.

Ernst sehe ich in das Grün, beiße mir fest auf meine Unterlippe und stehe unbeweglich neben dem Tisch, vor Harry, der meinen Blick erwidert. Keiner von uns beiden sagt nun etwas, scheint zu überlegen, wie er diese Stille unterbrechen könnte, die dieses noch entspannte Gefühl, das vor wenigen Minuten noch herrschte, auffrisst.

"Möchtest du mal probieren?"

Mit zitternden Fingern greife ich mir einen der leicht braunen Kartoffelchips aus der Schüssel, in der ich alle fertigen sammele und halte ihn Harry hin, damit er sich diesen ergreift und probiert.

Doch als er sich nach vorne beugt und das Essen direkt von meinen Fingern isst, erschrecke ich mich, erstarre zu einer Eisstatue. Ich starre mit großen Augen auf das kleine, restliche Stück in meiner Hand, dann zu dem Lockenkopf, der genüsslich kaut und meint: "Es schmeckt köstlich", aber auch zu bemerkt haben scheint, dass mich seine Tat überrumpelt.

"Tut mir leid. Es war-"

"Schon in Ordnung", stoppe ich ihn, lächle abwinkend.

Die dritte Ladung ist mittlerweile und die viert und wahrscheinlich vorletzte dreht sich in der leise brummenden Mikrowelle, die zurzeit die einzigen Geräusche in dieser Küche abgibt.

"Was möchtest du jetzt eigentlich tun?", erkundige ich mich bei Harry. "Ich meine, nach den Ferien? Schließlich hast du dein Studium fertig."

"Weiß ich nicht genau", meint er schulterzuckend. "Wahrscheinlich arbeite ich einfach weiter in der Werkstatt, in der ich seit zwei Jahren arbeite."

Verdattert darüber, dass er arbeitet, schaue ich ihn an, murmele: "Werkstatt?", worauf er zustimmend nickt.

Erst jetzt, nach vielen Minuten nimmt er auf einem der Stühle Platz, stützt sich mit seinen Unterarmen auf der Tischplatte ab und schaut mich musternd, neugierig und abwartend an, was ich ihm wohl als nächstes für eine Frage stellen werde, weswegen ich angestrengt überlege.

"Macht es dir Spaß?", bringe ich es dann hervor, setze mich nun ebenfalls wieder an den Tisch.

"Würde ich sonst dort arbeiten?", kontert Harry frech.

Ergeben nicke ich, beiße mir auf die Innenseite meiner Wange. "Obwohl, bei Grandpa gefiel es dir am Anfang auch nicht. Du hast dich über alles beschwert und jeden vergrault", meine ich dann, ernst in das Grün blickend, das sich ein wenig verändert.

"Du weißt, dass mir die Arbeit dort trotzdem gefiel und ich deinem Grandpa unendlich dankbar bin."

"Das weiß ich", seufze ich. "War nur so ein Gedanke."

"Und du hast sie auch zu etwas Besserem gestaltet", spricht der Mann dann aus, ergreift meine Hand. "Honor, lass mich dir bitte endlich alles erklären?"

Nein, sagt sofort der innere, sture und leider auch am meisten vernünftigste Teil von mir und schüttelt vehement seinen Kopf. Hin und her gerissen überlege ich, denke nach, was Harry schon getan hat und wie er sich bis jetzt entschuldigte.

"Kannst du mal das Paprikapulver aus einem der Schränke holen?", bitte ich ihn, meine Hand aus seinem Griff ziehend und aufstehend, um zum aller letzten Mal die Mikrowelle anzuschalten.

"Honor?", fleht Harry, überreicht mir das Paprikapulver mit einem bettelnden, enttäuschten und verletzten Gesichtsausdruck. "Bitte."

"Es geht nicht, Harry", nuschele ich entschuldigend. "Noch nicht", und spüre die Schmerzen in meinem irgendwie zusammen geflickten Herz, an dem jedoch ein Stück schon wieder bedrohlich nach hängt und dies nur noch an einem seidenen Faden.

Leicht -aber nicht ganz- damit einverstanden nickt er, verfolgt dann, wie ich die Chips etwas durchmische und das Pulver drauf kippe, bevor ich mich zur Tür bewege, um die Schüssel den Gästen zu bringen. Doch ich drehe mich um, schaue ihn abwartend, sowie fragend an, bis ich murmele: "Wartest du hier?", und ein beruhigendes Nicken erhalte.

Genau aus diesem Grund, weil Harry auf mich wartet, haste ich quasi ins Wohnzimmer, wo ich mir einen Weg durch die tanzende Menge bahne, die silberne Schüssel auf dem Tisch vor der Couch abstelle, bevor ich zurück in die Küche gehe und die Tür, damit Ruhe herrscht, hinter mir wieder schließe, Harry mit einem kleinen Lächeln begrüße.

"Es stinkt dort abscheulich", teile ich ihm ekel erregt mit, wedele spielerisch mit meiner Hand vor meiner Nase.

"Ich will sowieso nicht tanzen."

"Mit Charlotte hast du letztes Mal getanzt", rutscht es mir schneller raus, als dass ich denken kann.

Harrys Miene fällt, er sieht nun etwas traurig, unruhig und beschämt aus, beißt sich auf die Innenseite seiner Wange und schweigt sehr lange, bis er meint: "Es war ein Versuch mich abzulenken."

"Von was?"

"Von dir", antwortet er, hebt seinen Blick. "Du weißt gar nicht, wie du mit diesem Rock aussahst und was du in mir anrichtest."

"Weißt du, was du vor drei Jahren mit deinem Brief in mir anrichtetest?", kontere ich, jedoch nicht wütend, sondern nur etwas ihm helfend.

Wir müssen irgendwann drüber reden und wenn wir beide gerade unsere Ruhe haben, gemeinsam in einer fremden Küche stehen und eine halbwegs normale Atmosphäre herrscht, dann können wir es auch jetzt tun. Denn ich weiß nicht, ob irgendwann bessere Zeiten sein werden.

"Ich vermute es. Kann es aber nur, weil ich es mit meinen Schmerzen vergleiche."

"Ich denke nicht, dass man es mit deinen Schmerzen vergleichen kann, Harry", meine ich ernst. "Du hast mir so sehr das Herz aus der Brust gerissen und mir den Boden unter den Füßen genommen. Weißt du, ich weinte Tage lang und wusste nicht mehr, wie ich weitermachen soll!"

"Honor", seufzt Harry. "Verstehst du immer noch nicht, dass ich das damals nicht freiwillig tat und mir keine andere Wahl blieb?"

"Nein, tue ich nicht, weil du es nicht in deinen Brief geschrieben hast und ich keine Lust auf deine Erklärungen habe. Es wird nichts mehr so sein, wie damals, wenn du dich nicht langsam bemühst, dich richtig zu entschuldigen, damit ich dir endlich zu hören möchte", wüte ich, spreche schnell und angespannt.

Seine Worte regen mich auf, dass er denkt, ich würde all die Geheimnisse hinter jedem Wort ohne eine Anleitung, einen Schlüssel verstehen. Er muss sich mehr bemühen.

"Warum bin ich wohl hier?", entgegnet er, nun auch aufgebracht und hysterisch die Hände nach vorne bewegend. "Ich will endlich mit dir reden, aber du kannst mir keine Vorwürfe machen, dass du nicht die ganze Wahrheit kennst, wenn du mir nicht zu hörst!"

"Weil ich dir nicht so einfach verzeihen möchte. Du verdienst das nicht. Ich musste drei Jahre lang leiden und dir soll alles leicht fallen. Nein, Harry!", antworte ich. Meine Arme verschränke ich angepisst, streng und eingeschnappt vor meiner Brust, schüttele vehement -so wie dieser eine Teil in mir es schon lange tut- meinen Kopf. "Mir ging es so schlecht und ich belüge meine Eltern schon so lange. Da musst du mehr, als nur eine Entschuldigung bringen."

"Ich habe dich nie darum gebeten oder irgendwie gezwungen, deine Eltern zu belügen", entgegnet er. "Du schämst dich immer für Dinge, für die man sich nicht schämen muss und du machst dir manchmal wegen so vielen, affigen Sachen Gedanken. Genieße doch einfach mal dein Leben und-"

"Was willst du? Dass ich mich auf Partys, in kurzen Röcken, an irgendwelche Männer schmiege, die mich dann um drei Uhr nachts schwängern? Willst du, dass ich mich voll laufen lasse, um mein Leben zu genießen, was ich aber nur kann, wenn all meine Probleme in Alkohol ertrunken sind? Willst du das?"

In mir steigt eine so große Welle an Adrenalin, Wut, Frust und Hass auf, dass ich mit einem Mal schon am Kühlschrank stehe und nach irgendeiner Flasche suche. Da gibt es einfach einen Punkt in meinen Gehirn, der mit einem Mal funkt und plötzlich aus ist, nicht mehr existiert.

Mit einem Mal öffne ich die kalte Flasche in meiner Hand und will sie schon zu meinem Mund führen, aus Frust und Wut auf Harry, als sie mir aus der Hand gerissen wird.

"Spinnst du?", brüllt er mich an, stellt das Glas laut knallend auf den Tisch, sodass man denkt, die Flasche würde zerspringen und der Alkohol sich über die weißen Fliesen der Küche verteilen.

"Was? Ich tue einmal das, was du möchtest -mein Leben, wie alle anderen, genießen. Wenn ich schon niemals jemanden finden kann, der dich ersetzt, wie du es in deinem Brief schriebst, obwohl dies unmöglich ist, dann möchte ich dir wenigstens eine Sache erfüllen", erkläre ich ihm trotzig, renne an ihm vorbei und schnappe mir die Flasche, mit der ich aus der Küche laufe, die am dichtesten liegenden Treppen nach oben, wo ich mich einfach in einem der Räume einschließe.

Harry höre ich mir laut nach rufen und seine stampfenden Schritte auf der Treppe dröhnen über die Musik an mein Ohr, bis er kräftig an der Tür klopft. "Honor, mach keine Mist!", ruft er bedrohlich, hämmert nun stärker gegen die Tür.

"Verschwinde!" Lautstark rufe ich zurück, drehe nun die Flasche, welche ich zitternd in meiner Hand halte, auf. "Lass mich doch einfach in Ruhe -genau so, wie du es schon drei Jahre lang tatst! Schließlich will ich jetzt mein Leben genießen!"

"Das ist so verdammt kindisch. Komm da raus!"

Die Tür knallt, doch öffnet sich nicht, als Harry dagegen zu springen scheint. Erschrocken zucke ich zusammen, drücke mich mehr gegen die Wand, an der ich schon die ganze Zeit stehe. Mir fällt erst jetzt auf, dass ich mich in einem Schlafzimmer befinde, in das kein Licht von draußen durch die dunklen Vorhänge scheint.

Das edel wirkende Holz des Bettes wurde dunkel gestrichen, trägt dunkle Bettwäsche und ist genauesten auf den Rest der Einrichtung eingestimmt. Die dunkel Lila Wand gibt dem Raum eine ruchige Atmosphäre, die mich gleich in ein noch viel tieferes Loch fallen lässt.

"Fuck, Honor!", brüllt der Mann von draußen erneut, während ich zitternd auf dem Bett Platz nehme, den Alkohol in meiner schwachen Hand halte und stumm beginne zu weinen. "Honor!"

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