82 - Der Countdown läuft

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Ich betrete meinen kleinen Flur und sehe sofort, wie langsam Joon sich bewegt. Er ist richtig grau im Gesicht vor Erschöpfung. Allmählich kommt auch er an seine Grenzen.
Es wird Zeit, dass er sich nicht mehr um mich Sorgen machen muss.
Ich nehme ihm seinen Mantel ab, hänge ihn auf einen Bügel und umarme meinen müden Freund.
"Du siehst furchtbar geschafft aus. Ist heute irgendwas passiert? Oder ist das einfach der Endspurt?"
"Danke, Schatz. Nein, es ist nichts passiert. Ein paar Pressefritzen vor dem Tor, ein paar Anfragen per Mail und Telefon. Und dazu tausend andere Sachen. Auch Yoongi versetzt täglich Berge. Ach ja - die beiden Damen lassen grüßen. Sie bedanken sich für deine umfangreiche und aussagekräftige Presseschau. "

Namjoon steckt seine Nase in meine Haare und schnuppert spielerisch daran. Mit einem müden Lächeln taucht er wieder auf.
"Ich wüsste allerdings nicht, was ich ohne Jin, Tae und Jimin machen würde. Ich weiß, ob ich mich wohlfühle, wenn ich in einen Raum komme. Aber ich habe keine Ahnung, woher das kommt. Unsere drei Augen-, Ohren-, Nasen- und Gaumenkünstler schütteln das alles aus dem Ärmel, und ich stehe staunend daneben."

"Komm erstmal rein. Und Kochen ist Quatsch, wir bestellen uns was."
"Ich hatte gehofft, dass du das vorschlägst. Ich hätte gerne ein irgendwas, du machst das schon."
Lachend drücke ich ihn aufs Sofa und bestelle zweimal Pizza 'irgendwas'.

"Was habt ihr denn heute gemacht?"
"Wir haben uns die Skizzen für Heilig Abend geschnappt und schon mal Möbel gerückt. Wo, wie, was. Jimin hat vor ein paar Tagen an der Stelle vom Park, wo nächstes Jahr der Meditationsgarten entstehen soll, einen sehr schönen Baum gefällt und ihn so lang zum Trocknen ... untergestellt. Den hat er heute reingeholt und aufgebaut. Dann haben die Jungs angefangen, Stühle, Tische, den Baum, das Buffet, das Rednerpult, die Technik hin und her zu schieben. Für mich war das nur Chaos und Stühlequietschen auf Parkett. Also bin ich in die Küche, um für alle Kaffee zu kochen. Als ich wieder reinkam, stand schon alles an seinem Platz, wirkte zweckmäßig, freundlich und einladend - die müssen gezaubert haben."
Ich schmunzele.
"Jaaa, das klingt nach Taehyung. Er ist wie eine Wundertüte bei sowas. Aber dann habt ihr doch heute viel geschafft. Wenn der Rohbau steht, kann jetzt jeder seinen Anteil unabhängig von den anderen erledigen."

Mir kommt ein weiterer Gedanje.
"Vielleicht kannst du mir raten. Ich überlege immer noch, ob ich die Kekstütchen auf die Plätze, unter den Baum, am Eingang aufstellen, während meiner Rede oder sonstwie an Mann und Frau bringen soll. Was denkst du?"
"Erst müssen wir testen, ob die überhaupt noch gut sind!"
Mit breitem Grinsen und übertriebenem Schnuppern steht Joon auf und bewegt sich zielstrebig auf die Schachteln neben meinem Schreibtisch zu.
"Spinner. Finger weg!"
"Oooooch."
Mit einem Schmollmund lässt er sich zurück aufs Sofa plumpsen.

Es klingelt. Ich fahre schnell runter und nehme die Pizza entgegen. Als ich wieder ins Wohnzimmer komme, ist Namjoon - eingeschlafen.
Mist! Er sollte heute nicht hier schlafen. Aber ihn jetzt zu wecken ist grausam.
Trotzdem wecke ich ihn auf, wir essen unsere 'Irgendwas' und albern ein bisschen rum. Dann schmeiße ich Namjoon wieder raus, bevor er noch müder wird. Sonst schläft er gleich hinterm Steuer ein.

Über mein Mama-appa-Erlebnis von vorhin muss ich ein andermal berichten. Ich schreibe diese Woche einfach alles auf. Für die anderen muss mein inneres Erleben jetzt mal Pause machen.

........................

Freitag Morgen. Ich wache auf und sitze sofort senkrecht, als ein Gedanke mein Gehirn durchzuckt.
Morgen in einer Woche! In acht Tagen werden wir den 'wohltätigen Zweck meiner Wahl', werden wir die Stiftung gründen. Ich habe es geschafft, Harrys Testament getreu umzusetzen, habe schon jetzt ganz vielen Menschen Gutes getan.

Namjoon ist bestimmt schon lange wieder auf den Beinen und bei der Arbeit. Aber ich lasse mir Zeit für den Start in den Tag. Nach dem Frühstück hocke ich mich mit einer Tasse Kaffee wieder an mein Laptop und besuche die selben Online-Zeitungen wie gestern. Ich will die Kommentare und Leserbriefe checken.
Das sieht ja alles ganz positiv aus. Die Pöbler scheinen sich bei der Regenbogenpresse zu tummeln.
Mal sehen, ob das bis in die sozialen Medien geschwappt ist.
Ist es. Die junge Journalistin, die ich an ihrem Profilbild erkennen kann, hat auf ihrer Facebookseite ganz persönlich von der Veranstaltung erzählt und dann Links zu unserer Homepage und dem Netzwerk auf all ihren Kanälen geteilt. Ihre Freunde haben darauf reagiert und das weiter geteilt.
Wie niedlich. So viel Wertschätzung!
Ich schicke ein paar Ausschnitte der Reaktionen ans Büro und fahre mein Laptop runter.
Von der Seite drohen uns keine bösen Überraschungen, denke ich.

Einer spontanen Eingebung folgend fahre ich in den Keller runter, schnappe mir eine Klappbox und die restliche  Weihnachtsdeko. Das meiste habe ich ja zur Villa gebracht. Ich öffne die Schachteln und suche aus, was ich dieses Jahr hier benutzen will.
Mein improvisierter Adventskranz steht schon da. Hm. Zwei Lichterketten fürs Wohnzimmer, die Glaskugeln hab ich hier gelassen, die Mini-Strohsterne sind noch da, mein großer hölzerner Engel mit den Flügeln aus Baumrinde. Reicht.
Mit dieser 'Beute' fahre ich wieder nach oben und stelle den Engel gleich zwischen Fahrstuhl und Wohnungstür ins Treppenhaus. In der Wohnung schnappe ich mir Tesafilm und hänge alle Sterne an die Fenster.

Ich hab gar keinen Baum! Und jetzt? Ah, ich weiß! Warum nur in Berlin spazieren gehen?!
Ich ziehe mich sehr warm an und ... der Autoschlüssel hängt nicht am Haken.
Schön blöd. Damit ist Namjoon ja am Berg. Moment. Namjoon. Auto.
Ich ziehe die warmen Klamotten wieder aus und rufe Jimin an. Ich bitte ihn, mir im Park sowohl kahle Ahornzweige als auch Nadelbaumäste von etwa 1,30 Meter Länge zu schneiden und zu meinem Auto zu bringen, damit Joon mir die heute Abend mitbringen kann. Eine kurze Nachricht an ihn, damit er sich nicht wundert. Erledigt.

Was mache ich stattdessen? Die Jungs. Jin.
Ich greife zum Handy und tipsele eine Nachricht.

"Hallo Jin! Das Festessen für die Gründung und das Buffet für die Gala sind bestimmt längst geplant und organisiert. Da mische ich mich auch gar nicht ein. Aber wir sollten mal absprechen, was wir am 24. für uns zu essen machen und wie Silvester eigentlich ablaufen soll. Oder?"

Da ich nicht sofort mit einer Antwort rechne, wende ich mich meinem nächsten Vorhaben zu. Die Briefe an die Jungs. Für jeden ein gutes Wort, eine Ermunterung, ein Stern aus Glas. Ich mache mir Stichpunkte zu jedem und merke dabei wieder, was für riesige Fortschritte sie alle gemacht haben, wie wichtig sie mir geworden sind, wie stolz ich auf sie bin.

Eigentlich mache ich mir nur noch Sorgen um Jimin. Er ist angekommen, Hyebit ist angekommen. Sejin geht es den Umständen entsprechend gut. Aber solange Jimin seine persönliche Geschichte und seine Ängste in sich vergräbt, kann er nicht drüber wegkommen und positiv in die Zukunft schauen. Ich will aber weiter geduldig hoffen. Er gewinnt ja bei uns und durch seinen tollen Chef nach und nach Selbstvertrauen dazu. Vielleicht ist er doch eines Tages in der Lage, sich zu outen.

Mein Handy brummt. Ich schaue aufs Display.
Da haben wohl jemand die Ohren geklingelt.
Jimin schickt mir grade ganz viele Bilder.

"Hallo, Nelli!
Magst Du bei der Deko für den 24. mit entscheiden? Ich hab mal im Fundus der Gärtnerei gestöbert und was ausprobiert.
Wir könnten solche Laternen an allen Wegen aufstellen. Auch im Barockgarten. Dann sieht man im Dunklen nämlich das Muster der Wege."

"Für die Stufen hoch zum Portal fände ich solche Schalen schön."

"Auf den Fensterbrettern im gesamten Erdgeschoss könnte man solche Dekogläser platzieren."

"Und für die Tafel würde ich dieses elegante Weiß, nur mit Zweigen und kleinen Lichterketten vorschlagen."

"Was hältst Du davon?"

Begeistert sehe ich mir die liebevollen Arrangements an.
Ja, er hat WIRKLICH ein gutes Händchen dafür.

"Sehr gerne. Das sieht alles ganz zauberhaft aus. Die Gründung ist ja am Vormittag und Mittag, da ist es noch hell. Aber wir können die trotzdem schon aufstellen. Dann müssen wir bei der Gala nur noch die Kerzen anzünden. Die Tischdeko ist herrlich schlicht, das machen wir genau so.
Die Gläser finde ich niedlich - für uns im Pförtnerhaus später. In der Villa hätte ich lieber ... Auf den Fensterbrettern auch einfach Zweige mit Lichterkette? Und ich habe Unmengen von kleinen Glassternen besorgt, die legen wir dann dazu."


Schnell mache ich ein Bild.

"Die möchte ich nämlich den Gästen schenken. Sozusagen als Symbol dafür, dass wir Licht bringen wollen ins Dunkel möglichst vieler Menschen."
"Danke für Deinen Rat. Das ist eine gute Idee. Und für die Gala müssen wir erst wieder Möbel rücken, damit ich eine Vorstellung bekomme, wie und wo ich da dekorieren kann/darf/sollte." 
"Ich danke Dir für Dein Engagement und Deine geschmackvollen Ideen."

Ich bekomme keine Antwort mehr, aber ich kann Jimin förmlich durchs Telefon rot werden sehen wegen des Komplimentes.

Ich werfe einen kurzen Blick auf meine ToDo-Liste.
Ach ja - genau.
Ich greife mir die Notizen, die ich schon vor ein paar Wochen begonnen habe, um meine Weihnachtsgeschenk-Ideen für Freunde festzuhalten und abzuhaken. Die Jungs bekommen die Kekse, Sterne und Briefe. Für So-Ra habe ich ein spannendes Buch gefunden, dazu gibts einen Gutschein für ein gemeinsames Wellnesswochenende. Ihre Eltern bekommen eine Kiste mit gutem Wein. Das Wichteln mit den Kollegen wird dieses Jahr sehr simpel und prosaisch mit Schokonikoläusen bestritten.
Ich muss endlich Karten besorgen, damit ich die noch schreiben und verschicken kann. Und in drei Tagen fange ich wieder an zu arbeiten.

Nur ein schönes Geschenk für Namjoon fehlt mir noch. Eigentlich kommt er jetzt mit seinem Geld zurecht. Er lebt sparsam, hat freie Kost und Logis, verdient allerdings jetzt mehr und kann darum mehr Schulden tilgen als vorher. Aber ich merke, wie er ganz bewusst jeden Won dreimal rumdreht. 
Was kann ich ihm schenken, das er wirklich braucht, ohne gönnerhaft zu wirken? Ich weiß einfach noch nicht genug über seinen Geschmack und seine Vorlieben. Hatte er ein Hobby? Oder einen Sammlertick? Hat er irgendeinen Sport ausgeübt? Ein Lieblingsurlaubsziel? Ist er gerne ins Theater, Kino oder Konzert gegangen? Welche Musik hört er? Wir haben uns bisher immer in meinem Kontext befunden.
Seufzend lege ich mir diese Frage im Hinterkopf ab und die Liste beiseite.

Ich starte einen neuen Anlauf, mich den Briefen an die Jungs zu widmen. Aber es soll wohl heute nicht sein. Wieder brummt mein Handy. Diesmal ist es Jin, der mir schreibt.

"War in Therapie. Was gibts?"
"Ich ruf Dich grad an."

Wir telefonieren eine Weile und besprechen die Verpflegung für die anstehenden Gruppenaktivitäten. Bis mein Magen laut knurrt, um mir klar zu machen, dass ich um diese Tageszeit nicht dauernd von Essen reden sollte, wenn ich meine Ruhe haben will.
Wo er recht hat ...

"Ich sehe grade, wie spät es ist. Ich habe seit Stunden nichts gegessen. Haben wir soweit alles besprochen? Dann sollte ich jetzt mir was zu essen machen."
"Wir können ja in den nächsten Tagen weiterplanen, wenn ich Einkaufslisten erstellt und für die Gala nochmal mit dem Caterer gesprochen habe. Bis dann, Nelli."

Ich verabschiede mich von Jin und gehorche sofort meinem Magen, der erneut seine Ansprüche anmeldet. Ich mache einfach den Kühlschrank auf und werfe kunterbunt Reste zusammen mit frischem Gemüse in die Pfanne. Satt fühle ich mich anschließend wieder viel wohler.

Weiter gehts im Text - was war das vorhin?
Ich stöbere im Internet nach einer schönen Weihnachtskarte oder einer Druckerei mit schönen Motiven. Aber so richtig spricht mich nichts an.
Mist! Ich brauche ein Motiv für meine private Post und eines für die Stiftung. Obwohl ...
Ich versuche, unseren Grafikdesigner zu erreichen und habe Glück. Er sitzt wohl an seinem Schreibtisch, denn er meldet sich so schnell, dass ich mich wundere. Ich sage meinen Namen. Am anderen Ende ist es totenstill.

"Alles in Ordnung bei Ihnen?"
"Ja. ... Jaja - es ist nur ... ich hatte meine Hand praktisch schon am Telefon, um SIE anzurufen. Und nun sind Sie dran. Das ist ein wenig ..."

Mich überkommt eine Gänsehaut.

"... gespenstisch. Das kann man wohl sagen. Aber dann passt es ja bei uns beiden. Möchten Sie anfangen?"

Er lacht.

"Mache ich. Ich wollte fragen, ob Sie inzwischen wieder fit genug sind, um mit mir die offizielle Weihnachtspost der Stiftung abzusprechen. Ich würde Ihnen gerne ein Motiv und einen Text vorschlagen."

Jetzt ist es an mir, verblüfft zu schweigen.

"Ähm. ... Dann sind wir uns auch da einig, denn genau das ist der Grund meines Anrufs. ... Ja. Schicken Sie mir doch bitte Ihre Vorschläge eben rüber, und ich melde mich schnell wieder."
"Einverstanden. Bis gleich."

Sehr irritiert über diesen ungewöhnlichen Zufall lauere ich auf die Mail, die zum Glück nicht lange auf sich warten lässt. Das Bild zeigt ein klassisches Weihnachtsmotiv mit Glitzerkugeln.

Die Schrift ist geschnörkelt, der Text Standard. Dazu schreibt er, das sei nur ein erster Rohbau, ich könne alles ändern.
Sein Textvorschlag ist schlicht.

"Im Namen der Stiftung "Netzwerk der Hoffnung" und all der Menschen, die davon profitieren werden, danken wir Ihnen für das uns entgegengebrachte Vertrauen und freuen uns auf eine langjährige, erfolgreiche Zusammenarbeit. Wir wünschen Ihnen frohe Weihnachten.

Darunter Unterschriften von Ihnen als Initiatorin/Leitfigur und Herrn Kim als Geschäftsführer"

'Initiatorin'? Okay. Aber 'Leitfigur'? Örks. Bloß nicht!
Leise höre ich in meinem Hinterkopf So-Ras Stimme meckern.
Was denn sonst bitte?! Mindestens für die Jungs bist du definitiv eine starke, positive Leitfigur. Sie bezeichnen dich als ihren Engel. Schon vergessen?"
Ich seufze mit einem Schmunzeln.
Hast ja recht. Ich seh mich eben nicht so großartig. Ich tue doch nur, was ich wichtig finde.
Sanft verhallt ihre Stimme in meinem Kopf mit einem spöttischen "Nur ...".

Aber was mache ich jetzt mit diesen Vorschlägen?
Ich antworte, dass das eine gute Ausgangsbasis sei und ich nun selbst ein bisschen experimentieren würde.
Ich habe nicht sooo viel Ahnung von Bildbearbeitung. Aber ich weiß, dass diese Kugeln weder mit dem Glück der Jungs noch mit dem Zweck der Stiftung noch mit meiner Dankbarkeit gegenüber unseren vertrauensvollen Partnern zu tun haben. Mir fallen meine Sterne ein. Und mein Gedanke 'Licht ins Dunkel möglichst vieler Leben bringen'. Es darf nicht zuuuu christlich sein, aber ein bisschen schon - immerhin ist Weihnachten ein christliches Fest und der Termin für die Gründung bewusst gewählt. Ein Stern muss strahlen.

Mein Blick fällt auf die Bildermappe neben dem Laptop.
Sollte ich ...
Ich suche das Bild mit dem Familienschutzengel heraus. Es würde passen. Aber je länger ich darauf schaue, desto mehr Widerstand regt sich in mir.
Nein, dieses Bild gehört der Familie und hat sehr persönliche Bezüge. Das will ich nicht zweckentfremden.

Also fange ich wieder an zu googeln, um mir Inspirationen zu holen. Ich finde einen ungeschmückten Tannenbaum mit Nachthimmel und strahlendem Mond. Damit experimentiere ich rum und schicke meine stümperhafte Retusche mit einer Erläuterung zurück.

"Das Motiv ist grundsätzlich schön. Mir fehlt allerdings ein Bezug zur Stiftung. Darum schlage ich als leitendes Motiv einen Stern vor, der Licht ins Dunkel bringt. Eventuell dazu ein paar Menschen, die zu unseren Zielgruppen gehören und dieses Licht brauchen. Im Anhang ein Versuch."

"Verstehe! Das ist ein guter Anfang. Ich melde mich wieder."

Ich habe keine Ahnung, wie lang der Profi jetzt für sowas braucht. Also nutze ich die Zeit, ein bisschen in der Wohnung aufzuräumen, das Bad zu putzen, mein Bett zu machen, aus dem ich heute Morgen ohne einen Blick zurück rausgekrabbelt bin. Jedesmal, wenn ich dabei durchs Wohnzimmer laufe, wird meine Aufmerksamkeit auf das Laptop gezogen, dann auf die Bildermappe.

Irgendwann bleibe ich davor stehen.
Für die offizielle Karte ist der Schutzengel nicht gemalt. Aber was ist ... mit meiner Privatpost?
Wieder sehe ich das warme, Geborgenheit vermittelnde Bild an.

Das ist jetzt mein Lebensgefühl. Also ...
Ich scanne das Bild ein, suche einen Onlineanbieter, lade den Engel hoch und gestalte meine Weihnachtskarte. 50 Exemplare. Absenden.

In dem Moment ploppt wieder eine Mail vom Grafikdesigner auf.

"Nächster Vorschlag"

"Passt die Schrift?"

Ich bin begeistert.
Genau so ist es perfekt. Menschen mit zum Teil sichtbaren Problemen zieht es zum Licht. Nur der Gruß ...

Nachdenklich mache ich einen Abstecher zur Kaffeemaschine.
Was ist das Wichtige im Bild? Der Stern. Was zieht die Menschen an? Das Licht. Gibt es nicht irgendein Sprichwort, einen Satz, der das widerspiegelt?
Ich tapere zurück zum Schreibtisch, eine große, wärmende Tasse in der Hand.
In der Bibel sind es die Hirten, die Ärmsten der Armen, die den Stern als erste sehen. Sie erschrecken. Eben war es noch stockduster, jetzt leuchtet ein Licht ...

In meinem Kopf macht es klick. Zügig füge ich meinen Satz in vier verschiedenen Schriftarten ein und schicke diese Varianten zum Grafiker.

Diesmal kommt die Antwort sehr schnell.

"Ungewöhnlich, aber sehr passend.
Neuer Vorschlag:"

"Und der Text innen?"

Ich entwerfe einen passenden Grußtext und bin auch hier sehr neugierig auf seine Reaktion. Zurück kommt genau das, was ich wollte.

"Großen Dank! Genau so machen wir es. Bleibt nur noch die Frage der Stückzahl."
"Da kann ich leider nur schätzen. Das Büro müsste sich die Mühe machen, die Anzahl der zugesagten oder schon eingegangenen Spenden zu zählen, alle kooperierenden oder noch schwankenden Firmen und Privatleute, die wichtigsten Vertreter der Stadt. Banken. Juristen. Da kommt was zusammen. Wie schnell könnte ich diese Informationen bekommen?"

Autsch. Keine Ahnung. Das ist echt viel Arbeit. Aber es hilft nichts. ... Vielleicht kann Jeongguk das übernehmen. Alle anderen sind jetzt ja fest eingespannt.

"So schnell wie möglich. Ich stoße das sofort an.
Ich melde mich!"

Gleich anschließend rufe ich bei Namjoon an, schicke ihm den Entwurf und schildere die neue Aufgabe. Joon ist hellauf begeistert und verspricht, Jeongguk sofort dran zu setzen, wenn der nach Hause kommt.

Mir wird bewusst, wie viel ich in den letzten Stunden schon geschafft habe. Das ging heute echt Schlag auf Schlag. Also setze ich mich zufrieden aufs Sofa und atme durch.
Für die Briefe an die Jungs bin ich jetzt zu müde, für die Bildermappe erstrecht. Aber ich könnte meine Geschenke schon einpacken. Dann kommt mir das nicht auf den letzten Drücker in die Quere.
Ich suche mir Weihnachtspapier, Bänder und Anhänger zusammen und mache mich ans Verpacken. Bald ist ein Korb voll mit Geschenken.

Die Karten muss ich abwarten. Aber die meisten sind dann ja schnell geschrieben.

Ich mache den nächsten Haken auf meiner ToDo-Liste und staune. Ich habe keine Ahnung, wie das passiert ist, aber ich habe heute im Laufe des Tages zwölf Punkte erledigt. Manche davon hatten heute Morgen noch nicht mal draufgestanden! Ein Blick zur Uhr bestätigt mir, dass ich deshalb jetzt Feierabend machen darf. Der Tag ist wie im Fluge vergangen. Aber ich fühle mich nicht gestresst sondern nur müde-zufrieden. Also räume ich das Schlachtfeld meiner diversen Aktivitäten auf, sortiere alles weg und notiere nur noch ein paar Gedanken für die nächsten Tage.

Hoffentlich kommt Joon heute früher nach Hause und muss am Wochenende nicht noch weiterarbeiten. Er sollte sich erholen für den Endspurt.
Ich schlendere in die Küche und sichte meine Vorräte.
Ich sollte morgen einkaufen, damit ich einen gelassenen Start in den Montag habe. Für heute ist jedenfalls noch genug Kombinierbares vorhanden.
Ich stelle Reis und die Zutaten für drei Saucen bereit, suche mir gute Musik im Radio und fange an zu schnibbeln. Bald duftet es aus Töpfen und Pfannen, und der Reiskocher piept zum Zeichen, dass er seinen Job erledigt hat.
Aber dann piept noch was. Mein Handy. Es ist Joon.

"Hilfst Du mir mit den Ästen? Bin unten."
"Schon unterwegs."

Ich stelle alle Herdplatten aus, schlüpfe in Jacke und Schuhe, greife meinen Schlüssel und einen Besen und fahre mit dem Fahrstuhl nach unten. Wie ich es erwartet hatte, hat Jimin meine Bitte sehr großzügig aufgefasst und Namjoon zwei dicke, verschnürte Bündel mitgegeben. Der Boden neben dem Auto ist ziemlich vollgekrümelt.
Wir bringen die Bündel in den Fahrstuhl, Namjoon wartet, ich fege schnell. Wir fahren nach oben und bringen die Bündel ins Bad. Ich fege den Fahrstuhl und das Treppenhaus.

"Schön, dass du schon da bist. Komm erstmal an. Dann können wir essen."
Joon strahlt, zieht sich schnell was Gemütliches an und deckt den Tisch. Ich trage die Schüsseln rein.
"Und jetzt sag mir bitte, dass du am Wochenende nicht arbeiten musst."
"Dann müsste ich lügen."
Ich will schon protestieren, aber er redet einfach weiter.
"Nicht viel und nichts Kompliziertes. Ich werde genug Pause machen. Versprochen!" 
"Das will ich auch hoffen. Komm, lass uns essen."

Es wird ein sehr kuschelig-gemütlicher Abend, an dem wir keine Sekunde über Arbeit reden. Auch der Zweigebaum kann bis morgen warten.
Hat was!

........................
7.9.2023    -    28.3.2024

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