83 - Überraschung

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Zweimal wache ich auf in der Nacht. Namjoon liegt neben mir, bewegt sich im Schlaf, einmal greift er nach meiner Hand. Dann schweben mir kurz ein paar Bilder von Sonntag Nacht durch den Kopf, und ich spüre wieder dieses wohlige, aufregende Kribbeln. Ich lächele im Halbschlaf, kuschele mich näher an meinen wunderbaren Freund und schlafe wieder ein.

Das nächste Mal weckt mich der Duft von Kaffee und süßen Hotteoks, die mit leisem Tablettklappern neben mir abgestellt werden.
"Guten Morgen, Liebes. Werd in Ruhe wach, wir haben keine Eile. Nach dem Frühstück wartet eine Überraschung auf dich."
Schwupp - fliegt meine Decke beiseite, und ich sitze kerzengrade im Bett.
"Überraschung?"
Joon schaut mich tadelnd an.
"Ich sagte LANGSAM wach werden."
Aber sein Grübchenlachen setzt sich dann doch durch.
"Dann darfst du mich nicht mit so kryptischen Orakeln wecken. Freu ich mich drauf, oder muss ich mich lieber krank stellen?"

"Du freust dich drauf. Da bin ich mir seeehr sicher. Und - stooooop! - erst frühstücken, dann ins Bad, um 11.00 Uhr aufbrechen zur Überraschung. Anschließend wochenendshoppen, den Straußbaum aufstellen, chillen und mit So-Ra ins Kino gehen."
"Damit du arbeiten kannst, während ich weg bin."
"Richtig. Andersrum wärs mir lieber, aber ..."
"Kommt überhaupt nicht in Frage, dass du mit So-Ra ins Kino gehst und ich deine Arbeit mache!"
"Ähhh ..."
Sein verblüfftes Gesicht ist zum Piepen. Mir ist schon klar, dass er nicht mit mir sondern mit So-Ra tauschen wollte, aber diese Falle hat er sich definitiv selbst gestellt.

"Komm her, Schatz. Erstmal frühstücken."
Ich ziehe das Tablett zu mir rüber und gebe Namjoon einen Kuss. Er atmet erleichtert aus, kuschelt sich neben mich und verwöhnt mich.
Ich fühle mich sooo wohl mit ihm an meiner Seite. Keine Ahnung, wie die Menschen in seiner Familie es geschafft haben, ihn so zu brechen, dass er sein 'Schlimmstes' nach außen gekehrt hat. Joon ist so fröhlich, frech, verantwortungsbewusst, ehrlich, sensibel und zugewandt - er ist ein wundervoller Mensch und ein großes Geschenk an mich. Die bloße Erinnerung heute Nacht an letzten Sonntag war so ein glücklicher Moment.
"Joonie?"
"Jaaa?"
"Du bist toll. Ich liebe dich!"

Hihi.
Namjoon hört auf zu kauen. Schluckt. Wird rot. Und flüstert.
"Ich liebe dich auch. Sehr. Sehrsehrsehr."
"Ich weiß - wir kennen uns erst knapp fünf Monate. Aber ... ich ..."
Dunkelrot. Er hält mir schnell den Mund zu und sieht zum Sterben verunsichert aus.
Mein armer Schatz. Ich bin gespannt, was jetzt kommt.
"Müsste nicht eigentlich ICH das fragen, was du - eventuell - grade fragen willst?"
"So konservativ? Wenn es dich beruhigt - das wollte ich nicht fragen. Ich mein' - noch nicht. Das kann aber durchaus noch kommen, sollte sich in ein paar Monaten herausstellen, dass du immer noch der Meinung bist, du seist meiner nicht wert. Dann ziehe ich dir die Ohren lang und schleppe dich persönlich zum Altar."
Zum Glück müssen wir über die Vorstellung beide so lachen, dass die seltsame Stimmung verfliegt.

Stattdessen packt Namjoon den Stier bei den Hörnern.
"Was wolltest du denn fragen?"
"Wann machen wir endlich einen Besichtigungstermin für die drei kleinen Häuschen?"
Sein Grinsen wird so breit, dass jetzt ich irritiert bin.
"Jetzt? Also - ich mein' - in zwei Stunden ist es so weit."
"Dann machen wir den Termin?"
"Dann haben wir den Termin."

Einen Moment lang muss mein Gehirn den kleinen, aber entscheidenden Unterschied zwischen diesen beiden Sätzen sortieren. Aber schließlich macht es doch 'Klick'.
"Ich sag doch, ich liebe dich. Das ist in der Tat eine seeeehr schöne Beschäftigung für heute. Danke, dass du dran gedacht hast."
Tief schaut Joon mir in die Augen, bevor er mich zärtlich küsst.
"Das ist mir nicht schwer gefallen. Genau genommen denke ich seit einer Woche an nichts anderes mehr. Ich kann es kaum noch erwarten."
Grübchenalarm! Ich glaube, wir sollten aufstehen, bevor uns noch die Zeit davonrennt mit der schönsten Beschäftigung der Welt.

Gedacht - getan. Wir krabbeln aus den Federn, räumen das Frühstück weg und die Küche auf, während wir uns nebenbei im Bad abwechseln. Ich schreibe mir einen Einkaufszettel, um meinen Kühlschrank für die nächste Woche zu füllen. Und schon geht es los - mit dem Portfolio in der Hand, einem Notizblock und dem Einkaufszettel in der Tasche und jede Menge vorfreudigem Blubbern im Bauch.

Wir parken ganz bewusst auf der dafür vorgesehenen Fläche am Rande der Siedlung und machen uns zu Fuß auf den Weg in die Ortsmitte, wo wir mit dem Makler verabredet sind. Ein Lageplan im Portfolio hilft uns bei der Orientierung. Es ist alles überschaubar und einladend. Die kleinen Gärten halten Winterschlaf, nur selten fährt ein Auto an uns vorbei, einmal der kleine Bus. Manche Haustüren sind adventlich geschmückt.

Kinder machen eine Schneeballschlacht auf dem Dorfplatz, während wir auf den Makler warten. Ein verirrter Schneeball fegt mir die Mütze vom Kopf, worauf alle Kinder erstarren und es mucksmäuschenstill wird.
Aber eigentlich ... 
Ich zwinkere Namjoon zu, wir bücken uns beide, formen Schneebälle und werfen sie nach den Kindern. Die atmen erleichtert auf, und schon sind wir mittendrin im Getümmel.
Was ihr könnt, können wir schon lange!

Ein paar Minuten später taucht ein älterer, dezent gekleideter Mann am Rande des Platzes auf und nickt Namjoon zu. Sie scheinen sich zu kennen. Wir informieren die Kinder, manche winken, alle strahlen. Dann klopfen wir uns den Schnee ab und begrüßen den Makler. Zu dritt überqueren wir die Durchgangsstraße und wenden uns einer Gasse mit alten Gehöften zu. Das zweite, dritte und vierte Haus sind 'unsere'. Ich spüre Aufregung in mir rumoren und bin unglaublich neugierig. Intuitiv greife ich nach Namjoons Hand auf der Suche nach der Geborgenheit und Ruhe, die wie immer von ihm ausgehen. Sanft drückt er meine Hand und hält mich fest.

Die Gasse ist in Ostwest-Richtung angelegt, die hohen, langen Grundstücksmauern sind in regelmäßigen Abständen von drei Eingangstoren unterbrochen und tragen auf der ganzen Länge schmale, traditionell geschwungene Ziegeldächer. Wenn man einen Schritt zurücktritt, kann man vom mittleren Haus den ersten Stock sehen. Bei den beiden anderen Häusern sieht man nur die Dachfirste. Wir betreten das Gelände durch das mittlere, etwas breitere Tor und befinden uns sofort in einer anderen Welt. Diese Zivilisationsflüchtlinge vor hundert Jahren hatten bestimmt nur bescheidene Mittel und haben darum schnörkellos und zweckmäßig gebaut. Diese Hanoks haben keine Zierschnitzereien, keine aufwändige Bemalung, sind aber solide konstruiert. Die Sockel der Häuser sind aus groben Feldsteinen aufgemauert. Das tragende Gerüst ist aus massiven Balken aufgerichtet, die Zwischenräume mit einem Lehm-Stroh-Gemisch gefüllt. Trotzdem wirken die Gebäude nicht wuchtig, weil relativ große Flächen aus Papierfenstern und -Türen bestehen.
Das ist ja ziemlich ähnlich wie bei den Fachwerkhäusern in Deutschland, nur viel mehr Licht.

Wir betreten das Doppelhaus im rechten Teil mit dem Aufbau und stehen in einer Art Diele. Nach links geht es zu einer großen, modern eingerichteten Küche und ins Nachbarhaus. Vor uns windet sich eine Treppe zum oberen Stock, dahinter und oben befinden sich je ein Bad und mehrere Privaträume. Auf der rechten Seite beginnt die Zimmerflucht um den Innenhof. Wir wenden uns zunächst nach links, während der Makler uns auf einige Details aufmerksam macht.
"Ursprünglich hatte jedes der drei Hanok-Häuser einen Männerbereich, einen Frauenbereich und einen kleinen Innenhof. Im dritten Hanok ist das auch noch vollständig erhalten. Bei diesem Doppelhaus sind manche Strukturen etwas aufgeweicht und angepasst worden. Das erste Stockwerk, die Treppe, die geräumige Wohnküche, die durch die Zusammenlegung der beiden Hanoks entstehen konnte."

Ich fahre mit der Hand über das gut gepflegte, helle Holz der Küchenmöbel und verliebe mich auf der Stelle.
"Bei diesem Umbau ist durch das Herausnehmen der mittleren Kammern aus zwei kleinen Höfen ein großer geworden. Der überdachte Gang um den Hof ist an diesen Stellen ergänzt worden, so dass man zu jeder Jahreszeit trockenen Fußes ganz drum herum laufen kann."

Wir bewegen uns im Uhrzeigersinn weiter, durch den linken Eingangsbereich. Von da aus betreten wir einen großen, hellen Raum.
"Dieses Zimmer ist aus den beiden Räumen des linken Männertraktes durch Entfernen einer Wand entstanden und wurde zuletzt als zentraler Wohnraum genutzt. Beheizt wird das gesamte Erdgeschoss durch die traditionelle Fußbodenheizung Ondol, die Sie dann tatsächlich von außen durch ein Kaminfeuer in Betrieb halten müssen. Es werden inzwischen auch moderne, elektrisch gesteuerte Fußbodenheizungen angeboten. Wenn Ihnen die Befeuerung des Holzofens zu mühsam ist, können Sie das sicher umbauen lassen."
Ein kurzer Blick in Namjoons Gesicht bestätigt mir, dass wir das ganz sicher nicht tun werden. Das wäre Frevel.

"Alle Fenster und Türen sind aus Holz, haben das typische, gitterartige Maßwerk und sind mit Papier bespannt. Sie lassen sich nach außen hochklappen und unter den Decken der Wandelgänge befestigen. Dieses linke Gebäude hat allerdings die Besonderheit, dass diese Öffnungen in den Wänden doppelt geschlossen werden können. Die letzten Besitzer wollten im Winter die Wärme besser in den Räumen halten und haben darum praktisch innen einen zweiten papierbespannten Rahmen angebracht, der sich bei Bedarf zur Seite klappen lässt."
Ich bewundere die Fenster und Türen. Es ist erstaunlich, wie viel Licht durch dieses Papier in die Räume fällt. Ich hatte mehr so eine dämmrige Atmosphäre erwartet. Aber dieser Raum wirkt licht und weit - und wie zu Hause.

Wir wandern durch alle Räume im Erdgeschoss, immer im Kreis um den großen Innenhof herum, lassen Licht und Luft auf uns wirken und stellen immer wieder Fragen, die der Makler alle geduldig beantwortet. Mein Herz klopft immer lauter, mein Kopf schlägt Kapriolen und schiebt schon Möbel hin und her. Ich fühle mich sofort wohl und angekommen. An Namjoons Gesicht kann ich sehen, dass es ihm ähnlich geht.
Wir steigen die Treppe hoch. Der Makler erzählt immer weiter.
"Im zweiten Hanok wurde im Zuge der Aufstockung bereits eine elektrische Fußbodenheizung installiert, die die oberen Räume bedient. So ist überall für angenehme Wärme gesorgt."

Ich trete leise an eines der Fenster zum Garten heran, der in Terrassen den Hang des Bergrückens hinunter angelegt ist und unter einer unberührten Schneedecke schlummert.
Wenn ich diese Linien im Schnee richtig interpretiere, folgen im Anschluss an das Haus erst eine Rasenfläche und dann eingefasste Beete. Hinten der Schuppen ... es ist alles wie in meinem Traum. Ich werde Unkraut zupfen, Namjoon kommt nach Hause, hilft mir - und dann ... bin ich glücklich. Ich bin jetzt schon glücklich!

Namjoon stellt sich hinter mich und umarmt mich.
"Und? Ist alles so, wie du es dir vorgestellt hast?"
Ich flüstere nur, denn ich habe einen Kloß im Hals.
"Ja - sehr. Es ist ... es fühlt sich an wie ein warmes, liebevolles Zuhause. Wie ein Platz für Geborgenheit und Glück."
"Geht mir genau so. Etwas Vergleichbares werden wir wahrscheinlich in ganz Korea nicht finden."
"Also dann?"
Joon nickt boß, und ein Strahlen geht über sein Gesicht.

Sofort schlagen meine Gedanken Purzelbäume.
"Es wird seltsam sein, aus einem modernen Betongebäude in diese traditionelle, einfache Lebensweise zu wechseln. Aber ich kann es mir vorstellen. Es ist ja schon um einiges moderner als früher. Ein Leben auf dem Fußboden kann ich mir allerdings nicht vorstellen."
"Keine Sorge, Liebes. Wir werden sicher Möbel finden oder uns bauen lassen, die modernes Wohnen mit diesen alten Mauern stilvoll vereinbaren können. Wozu haben wir denn unseren angehenden Experten Taehyung?"

Ein Lächeln huscht über unsere Gesichter, bevor wir dem Makler nach unten folgen, durch den großen Innenhof und einen Durchgangsraum den Garten betreten und uns dann nach rechts zur durchbrochenen Mauer zum dritten Haus wenden. Der Durchbruch ist größer, als ich es mir nach der Ansicht des Portfolios vorgestellt hatte. Fast wirkt es, als hätte man damit möglich machen wollen, dass ein Auto durch das breitere Tor in diesen Hof fahren könnte und genau da stünde, wo die Grundstücksmauer war. Erst jetzt fällt mir auf, dass genau deshalb auch das dritte Hanok überhaupt zu sehen ist. 

Wir betreten dieses Haus von der Seite her. Hier sehen wir deutlicher die ursprüngliche Aufteilung und Bauweise. Das Haus ist vollständig ausgestattet mit vier kleineren und einem verbindenden größeren Raum, Küche, Bad und Eingangsbereich. Allerdings scheint hier die Zeit stehen geblieben zu sein. Von Moderne keine Spur. Um einen kleinen Hof mit einem alten Pumpbrunnen angeordnet strahlt es Geborgenheit aus. Andererseits ist bei einem Fenster das Maßwerk gebrochen und das Papier gerissen. Auch der Fußboden sieht etwas mitgenommen aus.
"Dieser Boden muss sicher vom Fachmann saniert werden, damit die Heizung funktionieren kann."
"Das wäre ratsam, ja."

Joon denkt weiter.
"Wie sieht es denn aus mit Stromversorgung, Wasser, Internet?"
"Strom ist drüben überall vorhanden. Licht, elektrische Geräte - alles kein Problem. Wasser kommt aus der Leitung, hier aus dem Brunnen im Hof. Und Internet ... die Anwohnergemeinschaft berät zur Zeit darüber, wie das gemeinschaftlich gelöst werden kann, damit nicht auf immer mehr Dächern die hässlichen Schüsseln und Antennen auftauchen. Trotzdem sollen alle Haushalte so gut versorgt werden, dass auch sicher verbundenes Homeoffice möglich sein sollte. Wenn Sie sich schnell entschließen, können Sie schon bei der nächsten Versammlung Anfang Januar die Gemeinschaft kennen lernen und mit diskutieren."

Wir schauen uns kurz an und antworten sofort - wie aus einem Munde.
"Wir haben uns schon entschieden."
Der Makler wirkt kurz verunsichert. Er fürchtet wohl eine Absage. Aber ich erkläre uns schnell.
"Wir würden sehr, sehr gerne hier leben, wenn die Gemeinschaft für uns stimmt. Müssen wir uns da Sorgen machen?"

Der Mann entspannt sich wieder und lächelt.
"Wenn ich Sie richtig einschätze, werden Sie sehr gut in dieses Dorf und zu diesen Menschen passen. Herr Kim hat mir vorher schon ein bisschen erzählt, wo sie arbeiten, wo innerhalb der Stadt ihre wichtigen Kontakte sind. Wofür Ihr Herz schlägt, steht in allen Zeitungen. Ich habe den Besitzern und den Kontaktpersonen des Dorfes noch nicht verraten, dass die neuen Bewerber genau die sind, über die sie in den letzten Tagen so viel gelesen und gesprochen haben.
Für Ihren Alltag hat diese Siedlung eine ideale Lage. Und, dass Sie heute Ihr Auto am Dorfrand abgestellt haben, das wird den Menschen hier auch gefallen."

Es gibt nicht mehr viel zu sagen. Wir gehen gemeinsam zurück zum Dorfplatz, der inzwischen zwar wild zertrampelt, aber still und verlassen da liegt. Wahrscheinlich sind alle Kinder zu Hause beim Mittagessen.
Die Dorfkneipe ist ein sehr großer Hanok, der einen großzügigen Innenhof umschließt. Anhand der abgedeckten Stühle kann ich erkennen, dass im Sommer wahrscheinlich einfach alle Türen hochgeklappt werden, damit der Ring aus Räumen mit dem Hof verbunden ist wie ein einziger großer luftiger Saal mit Nischen.
Wir setzen uns an einen freien Tisch. Es sind einige Menschen da. Vermutlich sowohl manche, die irgendwo in Seoul wohnen und hier in der besonderen Atmosphäre ihr Mittagessen genießen wollen, als auch Dörfler, die nicht selbst kochen sondern sich lieber bekochen lassen.

Kaum haben wir den Raum betreten, werden die Gespräche leiser. Neugierde knistert in der Luft. Ein paar Leute scheinen den Makler zu erkennen.
Ui! Da werden wir wohl jetzt schon begutachtet.
Namjoon drückt kurz meine Hand, bevor er mir galant den Stuhl hervorzieht. Auch er hat wohl sofort wahrgenommen, dass sich die Stimmung im Raum verändert hat. Ich setze mich und bin gespannt, wie es jetzt weiter geht.

Wir bestellen uns hausgemachte Rahmen und sehen den Makler erwartungsvoll an.
"Ich fand Ihre Antwort eben beeindruckend schnell und klar. Trotzdem frage ich vorsichtshalber noch einmal nach. Sind Sie sicher, dass Sie über Ihre Entscheidung nicht doch noch ein paar Nächte schlafen und einmal allein hingehen möchten? Dann könnten Sie die ersten Eindrücke sacken lassen und unbeobachtet darüber sprechen."
Die Umsitzenden werden noch leiser als Namjoon antwortet.
"Wir haben vor einigen Wochen im Vorbeifahren die Verkaufsschilder gesehen. Seitdem spuken diese Hanoks durch unsere Köpfe. Unsere Antwort bleibt: das ist genau das, wovon wir träumen. Sowohl die Häuser und Grundstücke als auch die familiäre Atmosphäre des Dorfes und das im Portfolio angekündigte freundschaftliche Nachbarschaftsverhältnis."

Die Spannung im Raum ist mit Händen zu greifen. Ich lächele einfach und nicke zur Bestätigung.
Ob den Leuten bewusst ist, WIE eindeutig ihr Verhalten grade ist?
"Wenn Sie sich soo sicher sind, könnten wir den Vorvertrag abschließen, der Ihr Vorkaufsrecht festschreibt, bis die Dorfgemeinschaft grünes Licht gegeben hat und die Preisverhandlungen mit den Eigentümern abgeschlossen sind."
Ich überlasse Namjoon das Reden. Das ist nämlich für mich der einzige Pferdefuß: SCHON wieder Architekten-Handwerker-Bau-Rummel. Und die Pförtnerei ist ja auch noch ein zweites Mal dran.

"Wie lange ist das Objekt denn schon auf dem Markt, und woran ist es bei anderen gescheitert?"
"Seit über einem Jahr. Ich bin übrigens der dritte Makler, der sich daran die Zähne ausbeißt. Und Interessenten gab es viele. Zu Ihrer Beruhigung kann ich sagen: es sind nur zwei Kunden an der Dorfgemeinschaft gescheitert. Alle anderen wollten das Grundstück ohne Häuser oder nur eines der Häuser oder die Mauer abreißen und private Parkplätze anlegen oder echte Glasfenster einbauen oder hatten absurd niedrige Preisvorstellungen oder, oder, oder ... Das Ensemble steht zwar nicht direkt unter Denkmalschutz, manche Modernisierung wurde ja schon getätigt. Aber es gibt eben doch bauliche Vorschriften und ein paar Grenzen des Machbaren."

Unsere Ramen werden gebracht und wärmen uns von innen, während der Makler sich mit einer Tasse Kaffee begnügt.
"Das soll uns recht sein. Es scheint, dass unser neues Zuhause auf uns gewartet hat."
Nun schalte ich mich doch ein.
Steter Tropfen höhlt den Stein ...
"Ich habe vorhin sogar im Geiste bereits Möbel gerückt. Es soll so luftig bleiben, aber ein bisschen was bringen wir schon mit. Ich brauche ein lebendiges, atmendes Zuhause. Einen sicheren Rückzugsort für mich und gleichzeitig einen einladenden Ort für Freunde."
"Das wird sich hier sicher alles verwirklichen lassen. Soll ich Ihnen also den Vorvertrag erläutern?"

In der nächsten halben Stunde lauschen wir seinen Erklärungen, beraten uns kurz, und dann unterschreibe ich den Vertrag. Namjoon lassen wir bewusst raus. Er wird anfangs mein Mieter sein.
Später hoffentlich mehr. Viel mehr.
Wir verabschieden uns von dem Makler und brechen auf. Erst jetzt sehe ich mich wieder um. Zu meiner Verblüffung hat sich das Restaurant innerhalb kurzer Zeit fast vollständig geleert. Nur ein älteres Ehepaar sitzt noch in einer Ecke.
Da haben die Lauscher wohl genug gehört und schon mal die Gerüchteküche in Gang gesetzt. Das soll uns recht sein. Um so schneller haben wir Klarheit.
Wir laufen durchs Dorf zurück zu unserem Auto, grüßen ein paar Menschen, die uns neugierig beäugen, und fahren zu unserem nächsten Ziel, dem Supermarkt.

Nachdem ich mich nun drei Wochen lang in der Welt herumgetrieben, in meiner Wohnung aufgehalten und meiner Seele Luft verschafft habe, fällt es mir angesichts der endlos langen Regale schwer, wieder auf Arbeit umzuschalten und zu entscheiden, was ich denn in der nächsten Woche brauchen werde. Joon steht kopfschüttelnd daneben und lässt mir Zeit. Nach und nach gelingt mir dann der Schwenk. Ich kaufe Obst und Gemüse, mein Vorrat an Reis geht zu Ende, und weil wir mit dem Auto da sind, lade ich auch mal wieder eine größere Menge verschiedener Getränke in unseren Wagen.

"Wo wirst du arbeiten, während wir im Kino sind? Und gibt es dort ein Abendbrot für Dich?"
"Ja, kein Problem, ich fahre hoch zur Villa. Jin wird mich sicher nicht verhungern lassen."
"Und wo schläfst du?"
Grübchenalarm!
"Hoffentlich im fünften Stock, mit meiner Freundin im Arm."
"Der Platz ist für dich reserviert. Dann lass uns nach Hause fahren."

Namjoon sitzt wieder hinterm Steuer, während ich mit So-Ra telefoniere. Sie hat für uns einen schönen, abwechslungsreichen Abend organisiert und wird mich dafür in zwei Stunden abholen.
"Brezel dich auf, Süße. Wir lassen es krachen."
"Eye eye, Käptn."
Wir rollen in die Tiefgarage, bringen einen Teil der Getränke in meinen Keller und fahren mit dem Rest der Einkäufe hoch zu meiner Wohnung.

Nachdem wir die Lebensmittel verräumt haben, setzen wir uns erstmal mit einem Tee aufs Sofa und lassen diesen aufregenden Termin Revue passieren. Unser beider Herzen schlagen ganz laut für diese schönen alten Häuser, auch Namjoon würde am liebsten schon anfangen, Möbel zu rücken. Trotzdem bremst sein Verstand, bevor wir uns selbst überholen.
"Lass uns das sachlich angehen. Ich habe verschiedene Fragen. Wie baufällig ist das dritte Haus wirklich? Wie gut sind Haus eins und zwei tatsächlich beheizbar? Was genau sind die Auflagen für bauliche Veränderungen? Warum sind beide Höfe so leer, als wären sie nie für etwas genutzt worden? Ich denke, wir sollten Tae um Kontakt zu seinem historisch arbeitenden Architekturbüro bitten und mit einem von denen eine Ortsbegehung machen. Dabei werden sicherlich viele Fragen beantwortet."
"Du hast ja recht. Dann sollte das unser nächster Schritt sein."
"Gut. Ich spreche Tae an. Und wir beide schalten jetzt um und werden unseren Strauß zusammenstecken, sonst liegen die Zweige morgen noch hier."

Es wird ein sehr individueller 'Weihnachtsbaum', aber Jimin hat die Zweige schön ausgesucht. Und darum wird es auch ein sehr schöner 'Baum'. So werden wir uns hier an Heilig Abend bestimmt wohl fühlen.

........................
20.9.2023    -    28.3.2024


Liebe heimliche Leserin, lieber heimlicher Leser! Wie schön, dass Du da bist und mitfieberst. Ich entdecke Dich immer nach ein paar Tagen in den Read-Zahlen und freue mich über Dich. Vielleicht finde ich eines Tages auch raus, wer Du bist.

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