86 - der erste Arbeitstag

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Vielleicht sollte ich immer so früh ins Bett gehen. Wann bin ich das letzte Mal vom Wecker geweckt worden und habe mich trotzdem ausgeruht gefühlt? Nie?
Joon wird mit mir wach, kuschelt sich an mich und - schnurrt.
"Guten Morgen, mein geliebter Kater! Fühlst du dich wohl?"
"Gutn Mor'n, seeeehr, geliebtes Kätzchen. - Auch wenn es mir gegen den Strich geht - lass uns aufstehen, damit wir in Ruhe zusammen frühstücken können."
Gesagt, getan. Eine halbe Stunde später sitzen wir bürofein am Frühstückstisch und stärken uns für den Tag.

"Wie geht es dir damit, dass du jetzt nach drei Wochen Pause wieder antreten musst?"
"Gut. Völlig okay. Diese Wochen waren wichtig, damit ich endlich runterkomme und ganz viel verstehe. Aber jetzt darf wieder Normalität einkehren. Ich freue mich auf die Kollegen, denke dabei nicht an Samstag. Und du? Was liegt heute bei Dir an?"
"Ich muss ein bisschen umplanen und die Tombola neu organisieren wegen des zweiten Autos. Wie jeden Tag die Post, die Presse, die Mails, die Teilnehmerzahlen checken. Am Einkauf ändert sich nichts mehr. Aber an der Sitzordnung eventuell.
Der Ansturm neuer Interessenten durch die Pressekonferenz ist inzwischen abgeebbt. Nachdem Yoongi und ich die entsprechenden Gespräche geführt haben, erledigen die beiden Damen im Büro alles weitere."

"Und was macht der Hate?"
"Die Social Media checkt Yoongi für mich, Naver ist ja ruhig gestellt, ich persönlich kriege nichts mehr ab. Unsere geschlossene Linie zeigt also wohl Wirkung. Deshalb sind sich alle einig, dass wir uns jetzt auf die Veranstaltungen konzentrieren."
"Das ist das beste. Weitermachen und zeigen, dass wir reinen Gewissens gute Arbeit leisten."
Mein Blick fällt auf die Uhr.
"Na, dann! Auf ins Getümmel."

Ich gehe zum Zähneputzen. Als ich wiederkomme, sehe ich grade noch am Schluss seiner Bewegung, dass Namjoon etwas in meine Handtasche gesteckt hat.
Ich bin gespannt, was das ist.
Im Erdgeschoss trennen wir uns mit einem Küsschen, denn Namjoon fährt mit dem Auto zur Villa, während ich zur U-Bahn laufe und versuche, innerlich auf meinen Brotjob umzuschalten. Ich habe jetzt ja eigentlich eine 3-Tage-Woche mit vollen Tagen, aber in dieser Woche habe ich mich mit dem Chef darauf geeinigt, dass ich lieber an vier Tagen bis 14.00 Uhr arbeite, damit ich noch andere Termine wahrnehmen kann.

Erst, als ich aus meiner U-Bahn steige, die Rolltreppe hochfahre und von weitem So-Ra von ihrer Bahn kommen sehe, wird mir wieder bewusst, dass mich gleich außer der Arbeit noch etwas erwartet. Meine beste Freundin, der seltsame Samstag Abend und ihre wie auch immer eingependelte Haltung dazu. Ich beeile mich, um sie vorm Büro einzuholen.
"Guten Morgen, Schatzi. Endlich leiste ich Dir wieder Gesellschaft."
Ich will sie umarmen, aber sie geht einfach weiter.
"Guten Morgen."
Sie sieht mich nicht an.
Aha. … Aber so kanns nicht bleiben!
"Schön, dich zu sehen."
Ich nehme ihr Hand und lasse sie auch nicht wieder los. Nach einer Weile entspannt sie sich etwas. 

Kaum sind wir im Fahrstuhl, drücke ich den Knopf für die Cafeteria und zwinge sie, bei mir zu bleiben. Oben ist noch alles leer, so dass wir uns hinter einer großen Pflanze verstecken können.
"Bitte, So-Ra. Ich war am Samstag dabei. Es gibt nichts, wofür du dich schämen musst. Ich möchte nicht, dass irgendwas zwischen uns steht. Nichtmal für einen Tag. Du …"
"Schon gut. Ich bin okay. Ich …"
"Bitte!"
Ich nehme ihre beiden fahrigen Hände in meine und schaue sie an.
"Lass das. Ich kann doch hier jetzt nicht heulen!"
Ojeee - harte Nuss.
"Heulen und neu schminken ist aber um Längen nicht so ungesund wie, den ganzen Tag mit zusammen gebissenen Zähnen im Büro zu hocken und mir aus dem Weg zu gehen."
Prompt senkt sie den Kopf und fängt an zu weinen.

"Komm her!"
Ich rutsche um den kleinen Tisch und nehme sie in die Arme. Sie wehrt sich nicht mehr.
"Ich bin so jenseits von allem, das kannst du dir nicht vorstellen."
"Muss ich auch nicht. Zwei 'Burner' und eine 'Cola Baccardi' - …"
"Sags nicht! Keine Ahnung, wann ich mir das letzte Mal so entglitten bin."
"Was erinnerst du denn noch?"
"Dass irgendwann plötzlich Hoseok im Gespräch war und du mich dann schnell nach Hause gebracht hast. Dass ich in der Nacht und gestern ziemlich viel geheult habe. Und dass ich gestern Abend beschlossen habe, diesen kompletten Ausrutscher zu streichen, weils ja doch nichts bringt. Außer Qual."
"Ahhh! Und deshalb sitzt du jetzt strahlend vor mir und quälst dich kein bisschen mehr."
Wenn Blicke töten könnten …

Ich lasse mich nicht provozieren.
"Liebling, sag einfach. Was ist gestern noch passiert?"
So-Ra seufzt.
"Du hattest ja versucht, mit mir zu reden, bevor du weg bist. Danach habe ich erst stundenlang meine Küche geschrubbt, aber es hat mich nicht in Ruhe gelassen. Also habe ich Harakiri begangen, mir mein Handy geschnappt und mir die Fotos der letzten Wochen … und Monate angesehen. … Ich war geschockt."
"So schlimm?"
"Wie mans nimmt. Ich habe von meinen Besuchen im Pförtnerhaus einfach überproportional viele tolle Bilder von ihm. Und sie haben mich überirdisch glücklich gemacht. Aber ich … bin … so mutlos."
Ich hole Luft, um zu antworten.
"Und jetzt sag nicht, das ist toll, und das wird schon."
"Das hatte ich auch nicht vor. Ich habe meinen Joonie."
"Danke für die Erinnerung!"

"Sweetie, lass mich doch mal ausreden. Mann, bist du durch den Wind. Was ich damit sagen will, ist: Ich habe doch auch keine Garantie, dass das auf Dauer gut geht. Die hat man nie. Beziehung ist Arbeit. Jeden Tag. Wir beide sind nur noch so damit beschäftigt, uns selbst zu finden und sein Image zu retten und das Netzwerk aufzubauen, dass wir tatsächlich noch gar keine Zeit hatten, uns zu streiten und auf unterschiedlicher Wellenlänge zu sein. Das wird noch kommen. Wir haben noch keine Ahnung, wer uns dann gegenüberstehen wird. Ich möchte nur, dass du bitte die Flinte nicht ins Korn werfen sollst, bevor du alle Kugeln verschossen hast."
So-Ras Augen füllen sich wieder mit Tränen. Sie flüstert, ganz zaghaft.
"Ich weiß nicht, wie lange ich das Leisetreten und Abwarten aushalte. Und ich weiß nicht, was er überhaupt denkt oder fühlt. Ich weiß ja nicht mal, ob ich ihm was zu Weihnachten schenken darf. Oder besser nicht. Und wenn ja, was."

"Gib ihm zwei Tage. Im Moment ist er sehr aufgewühlt."
"Wieso das?"
"Sein Vater hat ihn auf einem Foto von der Pressekonferenz erkannt und sich bei der Tante gemeldet."
"Ach, du Sch… Na, das kann er jetzt ja gar nicht brauchen."
"Genau. Warts ab. Bis zum Ende der Woche. Vielleicht bis Neujahr. Bist du bei der Gründung dabei? Oder bei der Gala?"
"Eigentlich beides. Wenn ichs aushalte."
"Verstehe. Aber vielleicht … kannst du es als Chance sehen, ihn auf neutralem Terrain und in einer Masse zu sehen und hinzufühlen, ohne dass es gleich auffällt. Und du kannst jederzeit gehen, denn du hast keine Funktion."
"Stimmt auch wieder. Du hast recht."
Ihre Stimme klingt etwas weniger angestrengt, und auch ihr Gesicht entspannt sich. Ich atme heimlich auf und kann nun auch meine Sorge und Anspannung loslassen.

"Lass uns an die Arbeit gehen. Sonst wundern sich alle. Gehts bei dir wieder?"
"Ja. Erheblich besser als vorhin. Danke, Nelli!"
"Dann auf!"
Wir halten Händchen, während wir mit dem Fahrstuhl runter auf unsere Etage fahren. Sie soll spüren, dass ich da bin.
Ich werde von allen Kollegen freundlich begrüßt. Sogar der Chef schaut kurz persönlich rein. Dann stürze ich mich mit Elan in die Arbeit. Es tut gut, wieder mit So-Ra Seite an Seite zu sitzen und mich dabei zur Platte meines Schreibtisches durchzuarbeiten.

Irgendwann gehen die beiden Männer in Raucherpause. So-Ra bleibt da. Ich nutze die Gelegenheit, um rauszufinden, was Namjoon heute morgen an meiner Handtasche wollte. Ich muss eine Weile suchen. Frauen und Handtaschen. Aber dann finde ich ganz unten zwei kleine Schokoladennikoläuse und gebe einen gleich an So-Ra weiter.
"Och, wie süß. Danke!"
"Bedank dich bei Namjoon. Der hat mir die heute Morgen in die Tasche geschmuggelt und geglaubt, ich hätte es nicht gesehen."
Oje. Schon wieder dieses Gesicht. Das hält sie echt nicht lange durch.

Zum Glück kommen kurz darauf die Raucher wieder. Misstrauisch beäuge ich den Aktenstapel neben mir und lenke So-Ras Gedanken wieder auf unseren Job.
"Wieviel von diesen Aktenbergen hängt eigentlich noch mit dem Taifun zusammen?"
"Es fehlen nur noch wenige Spezialgutachten und Kostenvoranschläge. Die meisten sind in der Endabwicklung oder schon in der Buchhaltung. Bei dir liegen aber nur die normalen Versicherungsänderungen. Bis 14.00 Uhr kannst du das da schon schaffen."
Grinsend deutet meine Besti auf den Stapel. Wir ackern uns Seite an Seite durch die Stapel auf unseren Tischen.

So-Ra wartet mit ihrer Mittagspause, bis ich für heute ganz fertig bin. Gemeinsam fahren wir wieder hoch zur Cafeteria. Jetzt ist es dort ziemlich voll, aber wir haben sowieso unser eigenes Essen dabei und stellen uns damit in eine windgeschützte Ecke der Dachterrasse. Eisige Luft umfängt uns und lässt unseren Atem gefrieren.

Zwischen zwei Bissen stockt So-Ra kurz und schaut mich dann grade an.
"Danke, Schnucki. Auf dich ist immer Verlass. Ich habe keine Ahnung, wo das hinsteuert. Aber ich weiß, dass du für mich da bist. Ich … ich glaube, ich möchte das schaffen."
Ganz, ganz fest nehme ich meine verzagte Freundin in die Arme und halte sie einen Augenblick warm.
"Ich bin da."

Ich behaupte ganz bestimmt nicht, dass das einfach wird. Der Weg für die beiden wird holperig. Ich muss jetzt nur überlegen, ob, und wenn ja, wieviel und was ich Namjoon erzähle, damit mal jemand bei Hoseok genauer hinschaut. 
Der Aufzug bringt uns gemeinsam wieder runter, bis So-Ra aussteigt und zurück ins Büro geht. Ich fahre ganz nach unten und mache mich auf zur U-Bahn, um nach Hause zu kommen.
Eigentlich … bin ich schon wieder auf der falschen Schiene. Ich bin nicht Amor. Ich kann offene Augen und Ohren haben, gesprächsbereit sein - aber ganz bestimmt nicht Hoseok aushorchen, die anderen schubsen, Kupplerin spielen. Also reiß dich zusammen, Nelli!
Nachdenklich steige ich aus und laufe nach Hause.
Da muss ich sehr aufpassen, dass ich nicht mal wieder in meine eigene Falle tappe.

Erst im zweiten Stock registriere ich, dass ich im Tran am Fahrstuhl vorbeigelaufen bin.
Äh. ... Dann soll das so sein.
Einen Schritt nach dem anderen finde ich einen Rhythmus und steige zu Fuß ganz nach oben. Langsam, bewusst, innerlich bei mir selbst. Oben angekommen, sind Hoseok und So-Ra in den Hintergrund gerückt.
Ich betrete meine Wohnung, ziehe mich um und mache es mir auf dem Sofa gemütlich. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis Namjoon nach Hause kommt.

Wie möchte ich meinen Nachmittag füllen? …
Verrückt! Eigentlich hätte ich auch weiterarbeiten können. An So-Ras Seite bleiben. Zurück zur Normalität finden. Mich treibt doch keiner - endlich nicht mehr. Sogar ich treibe nicht mehr. Für die Häuser warten wir auf den Gutachter, zur Pförtnerei darf ich nicht, die Gründungsversammlung organisieren andere, die Gala auch, auf dem Laufenden hält Namjoon mich von alleine, die Goodies für die Feiern sind fertig, alle Ampeln stehen auf grün.
Mit einem leisen Seufzer der Zufriedenheit lehne ich mich zurück, schließe die Augen und entspanne mich. Eine Wohltat!

Eine Weile später weckt mich mein Telefon.
"Hallo, mein Schatz! Genießt du deine Freizeit, oder powerst du schon wieder für irgendwas?"
"Keine Sorge. Ich sitze auf dem Sofa, habe nichts in der Hand, plane nichts, genieße nur ganz bewusst, dass mich nichts und niemand mehr treibt. Es ist herrlich."
"Das klingt genau so gut, wie es sollte. Ich rufe dich an, um dich zu informieren, dass wir morgen Nachmittag ein Treffen mit einem Gutachter bei den Häusern haben. Taehyung hat den vermittelt, und ich habe eben mit ihm gesprochen. Der Makler wollte sich erst querstellen, aber er ist schnell eingeknickt. Das klappt also."

"Klingt aber nicht gut. Dann ist dem Makler ein schneller Verkauf wichtiger als ein sauberer Handel. Und das riecht danach, dass er mit den Besitzern zusammen etwas vertuschen will."
"Das werden wir dann sehen. Ich komme heute leider noch einmal sehr spät nach Hause. Morgen dafür um so früher."
"Dann schlaf doch in der Pförtnerei. Oder? Ich brauche das Auto ja nicht."
"Gut - dann machen wir das so. Telefonieren wir heute Abend noch mal kurz?"
"Klar! Ohne Gutenacht-Wünsche von meinem Schatz kann ich doch nicht einschlafen."
"Dann bis nachher. Ich liebe dich."

Nachdenklich greife ich noch einmal nach dem Portfolio.
Stand denn da gar nichts zum Zustand der einzelnen Gebäude?
Ich blättere die Broschüre durch. Explizit steht da nichts. Aber hier und da finde ich zwischen den Zeilen Hinweise.
Das macht das Verhalten und Ansinnen des Maklers noch undurchsichtiger. Aber wie kriegen wir Klarheit?
Kurz entschlossen rufe ich den Makler in seinem Büro an und will um Rückruf bitten. Der Anrufbeantworter verrät mir, dass ich ihn zwischen 18.00 und 19.00 zu Hause erreichen kann. Also werde ich ihn aufsuchen.
Dann kann er mir nicht ausweichen.

Ich style mich geschäftsmäßig und mache mich mit öffentlichen Verkehrmitteln auf den Weg. Der Makler wohnt noch weiter westlich als das Dorf und meine Wohnung, ebenfalls nördlich des Han. So habe ich keinen all zu weiten Weg. Die letzten paar hundert Meter von der Bushaltestelle gehe ich zu Fuß durch die Vorstadtidylle, genieße die frische, kalte Luft und sortiere meine Gedanken.

Was will ich mit diesem Besuch erreichen? … Ich will das Gefühl bekommen, dass sowohl die Erbengemeinschaft als auch dieser Zwischenhändler ehrlich sind. Ich will klare Antworten auf meine Fragen nach Baumängeln, vermutlichen Renovierungskosten und Regeln der Community, die unsere Pläne durchkreuzen könnten.
Woran kann ich das erkennen? … Vielleicht an Mimik und Gestik, allerdings wird der Mann ein Meister im Aufsetzen von Poker Face sein. Vielleicht an stockender Sprache, versehentlichen Versprechern. Wird er Blickkontakt zulassen? … Ich werde mich auf meine Intuition verlassen müssen.

Ich biege grade in die Straße ein, als ein älterer Hyundai mit deutlich zu viel Schwung knapp an mir vorbeibraust. Ich bin heilfroh, dass ich in dem Augenblick nicht gradeaus die Seitenstraße überqueren wollte. Das Auto hält etwa einhundert Meter vor mir. Soweit ich das erkennen kann, steigen ein älterer und drei jüngere Männer aus, leger gekleidet. Sie wirken so nervös und halten sofort so viel Abstand, dass sie offensichtlich einander nicht grün sind. Einer drückt wohl eine Klingel, schweigend warten die Männer vor der Mauer, sehen sich nicht an. Ich verlangsame meine Schritte, um nicht direkt ins Blickfeld zu geraten.

Auf einmal setzen die Leute sich in Bewegung, verschwinden hinter der Mauer. Ich hole langsam auf und stelle fest, dass die Mauer zum Grundstück des Maklers gehört.
Aha. Kunden. Käufer? … Oder Verkäufer? Jetzt wirds spannend.
Als ich das Tor erreiche, finde ich es angelehnt.

Die Leute dürften alle drinnen im Warmen sein. Was mache ich jetzt? Wieder gehen? Einfach klingeln und so mit Sicherheit stören? Detektiv spielen?
Ein Bild schwimmt an meinem geistigen Auge vorbei. Und das sollte ich definitiv nicht ignorieren. Ich stehe in Gedanken plötzlich wieder auf der morschen Kellertreppe, eingekreist vom lethargischen Jin und dem sehr selbstsicheren 'Bauarbeiter' Hobi. Aber es fühlt sich anders an als im Mai. Unangenehm. Richtig bedrohlich.
DA geh ich ganz bestimmt nicht alleine rein!

Ich wende mich zum Gehen. Ein lautes Geräusch lässt mich innehalten. Die Haustür wird aufgerissen, ich springe blitzschnell in die Deckung der Mauer. Stimmen werden laut.
"... hatten vereinbart, dass keine Experten reingelassen werden. Sorgen S…"
"Wenn Sie möchten, dass ich Ihren Auftrag weiter ausführe, halten Sie sofort den Mund, junger Mann. Ihr Benehmen ist absolut inakzeptabel. Ihr Onkel hat recht, dass eine Weigerung bezüglich eines Gutachters diesen Verkauf mit Sicherheit torpedieren wird."
Die junge Stimme klingt jetzt leiser, aber nach heftiger unterdrückter Wut.
"Das dauert mir alles zu lange. Ich brauche endlich das Geld."
"Dann solltest du, lieber Neffe, diesen Vertragsabschluss nicht mit deinem Verhalten verhindern."
"Halt die Klappe, alter Knacker. Der Gutachter wird bestimmt den Preis drücken, weil die kleine Hütte so marode ist."
Holla, die Waldfee! Als der Herrgott den Respekt verteilt hat, hat diese Portion aber einen anderen Besitzer gefunden.

"Ich zweifle an deinem Verstand, Bruderherz. Ja, wir alle bekommen dann etwas weniger Geld. Aber wir bekommen dann endlich überhaupt Geld. Und das ist doch, was du willst! Ich war da. Die beiden wirkten sympathisch, die anwesenden Nachbarn mochten sie auch. Jetzt lass es uns zu Ende bringen."
"Ach, scheiße! Ihr könnt mich doch alle mal."
Ein sehr aufgebrachter junger Mann mit gradezu bockigem Gesichtausdruck kommt aus dem Tor geschossen und rauscht an mir vorbei. Er dürfte mich überhaupt nicht wahrgenommen haben.

"Verzeihen Sie bitte das ungehörige Verhalten meines Neffen. Ich weiß nicht, was in …"
Besser so. Also war ich jetzt Detektiv wider willen. … Ich sollte die Gunst der Stunde nutzen. Die Konstellation fühlt sich jetzt nämlich nicht mehr bedrohlich an.
Während sich die drei Männer anschicken, die Haustür wieder von innen zu schließen, trete ich aus dem Schatten der Mauer, ignoriere das weit offene Tor und drücke einen messingfarbenen, in die Mauer eingelassenen Klingelknopf.
Die Haustür geht wieder auf. Ich lächele, der Makler erblickt mich und wird kreidebleich.
"Frau Cho … Was verschafft mir … Bitte kommen Sie doch herein ins Warme."
Ich unterdrücke ein Grinsen und betrete gemeinsam mit den Männern das große Büro des Maklers. Hier erwartet uns der vierte der Gäste. Er springt auf bei meinem Anblick.
Ja, wir kennen uns, Freundchen. Du hast auch in der Dorfkneipe gesessen und gelauscht.

Der Makler will versuchen, die Situation zu retten, aber ich komme ihm zuvor.
"Setzen Sie sich, meine Herren. Das lässt sich alles leicht regeln."
Stühle rutschen, bis alle ihren Platz gefunden haben.
"Ich kenne Sie beide, weil Sie in der Kneipe waren, als wir den Vorvertrag unterschrieben haben. Danke für Ihr freundliches Urteil über uns."
Ich wende mich an den Onkel.
"Ich bin die Kaufinteressentin Cho Sarang Namja Cornelia. Meinem Freund und mir hat das gesamte Ensemble sehr gefallen. Wir werden also selbst bei einer negativen Expertise durch den Gutachter nicht sofort mit wehenden Fahnen davoneilen. Ich bin heute hier, weil uns die Diskrepanz zwischen den Angaben im Portfolio und der Realität irritiert hat. Mein Eindruck von Ihnen nach diesem seltsamen … Auftritt Ihres Neffen ist jedoch seriös. Darum denke ich, dass wir nach der Besichtigung durch den Gutachter und entsprechenden Preisverhandlungen doch zu einem für alle Beteiligten zufriedenstellenden Abschluss kommen werden. … Mit Ausnahme vielleicht des stürmischen jungen Mannes eben."

Die beiden Jüngeren in der Runde bekommen einen hochroten Kopf, während der Onkel und der Makler etwas ihre Anspannung ablegen können. Ich amüsiere mich klammheimlich ganz köstlich.
Jedes Versteckspiel würde die Sache weiter verkomplizieren. Hoffentlich finden wir jetzt zu einer gewissenen Normalität.

Zu meinem Erstaunen tritt nun der jüngere Mann, der eben mit an der Haustür war, die Flucht nach vorn an.
"Diese furchtbare Situation ist mir unsäglich peinlich. Das hätte nicht passieren dürfen."
"Entschuldigen Sie sich nicht für Ihren Bruder. Er steckt in seiner Haut und muss die Konsequenzen selbst tragen. Ich kann das durchaus trennen."
"Danke! Ich … Ja, ich habe in der Kneipe gesessen, denn der Termin war uns natürlich bekannt. Ich habe das vollkommen ehrlich gemeint. Ich glaube, Sie werden gut dort hinpassen.
Ich möchte Ihnen ein Angebot machen. Der Gutachter kommt morgen, richtig? Wenn es Ihnen recht ist, wäre ich gerne dabei. Ich habe in den letzten Jahren bis zu seinem Tod mit meinem Großvater dort gelebt und kann vielleicht manche Fragen beantworten."
Hui! Was ist das denn? Warum nicht - das kann uns durchaus weiterhelfen.
"Das Angebot nehme ich sehr gerne an. Der Termin ist tatsächlich morgen, am späten Nachmittag zusammen mit einem Architekten. Der Mann ist Experte für traditionelle koreanische Bauweise und wird sicherlich eine realistische Einschätzung abgeben."

Die drei verbliebenen Besitzer bedanken sich sehr für meine Geduld und beteuern ihre ehrlichen Absichten, der Makler atmet tief durch und ich erhebe mich wieder.
"Meine Herren. Ich bin froh, dass ich mich spontan zu diesem Besuch aufgemacht habe. So können wir den Vertrag doch mit einer soliden Vertrauensbasis abschließen. Dann überlasse ich Sie wieder Ihren Beratungen. … Neinnein, bemühen Sie sich nicht. Ich finde allein hinaus."
Der Makler folgt mir natürlich doch und begleitet mich höflich bis zum Gartentor. Ich wende mich wieder die Straße hinunter, zurück zu meiner Bushaltestelle.
Beim Telefonat nachher mit Namjoon habe ich viel zu erzählen …

.........................
13.10.2023    -    28.3.2024

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