93 - Frohe Weihnachten

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Taes Familie mit Jeongguks Bruder und So-Ras Eltern sind schon nach Hause gefahren, aber sie selbst bleibt da, hilft mit - und wird immer nervöser.
Höchste Zeit, dass wir rübergehen und die Wichtelei hinter uns bringen, sonst dreht sie gleich durch. Und er auch.
Auch Hoseok, der heute so souverän und viel mitgearbeitet hat, zeigt auf einmal Nerven. 
“Schluss für heute, ihr Lieben! Irgendwann ist es auch gut. Stellt endlich die Besen in die Ecke, schnappt Euch die Buffetreste für die nächsten Tage und lasst uns rübergehen.”
Zum Glück wehrt sich keiner dagegen. Alle greifen sich ihre Jacken, die als letzte einsam an der Garderobe hängen, beladen sich in der Küche mit irgendwelchen Schüsseln und Platten, und ab gehts nach drüben.

Jimin war ja nur ganz kurz für ein paar Fotos in der Villa. Den Rest der Zeit hat er hier genutzt. Der Kachelofen ist angeheizt. Kaffee, Tee und andere Getränke stehen bereit, in der Mitte stehen Mandarinen, Äpfel, Nüsse und zwei gigantische Keksteller mit allem drauf, was Jin und ich gebacken haben. Es ist warm und gemütlich, Kerzen flackern auf den Fensterbrettern und bei der Krippe, Jimin hat eine große Kiste für die Wichtelgeschenke in den Flur gestellt, damit wir nach und nach unerkannt unsere Überraschungen dort ablegen können. Und er hat sogar einen Weihnachtsbaum mit Wurzelballen reingeschafft und festlich geschmückt. Wir lassen unsere nassen Schuhe im Flur und ziehen uns dicke Socken aus einem Korb an der Garderobe an. Einige der Jungs gehen in ihre Zimmer, um sich umzuziehen. Und der mutige Hoseok bietet So-Ra eine Hausführung an, weil sie ja die ganzen Veränderungen auch noch nicht kennt.

Nach und nach trudeln alle wieder in der gemütlichen Runde um den Ofen ein. Wir plaudern, essen Kekse. Plötzlich steht die Geschenkekiste in der Mitte. Jimin setzt sich still wieder hin, und wir anderen verstummen auch. Offensichtlich will keiner den Anfang machen, also ergreife ich das Wort.
“So - wie habt ihr euch das jetzt gedacht? Ich war ja nicht dabei bei der Entscheidung. Übergeben wir das Geschenk persönlich, oder wird anonym eins nach dem anderen gezogen? Stehen überall Namen dran, oder müssen wir raten? Machen wir das hier in der großen Runde auf oder erst später?”
Yoongi grinst.
“Könntest du mal kurz Luft holen, damit einer von uns antworten kann? Danke!”
Ich bin guter Laune und strecke ihm darum die Zunge raus. Allgemeines Gekicher.
“Die Geschenke sind hoffentlich alle beschriftet mit dem Namen des glücklichen Beschenkten. Du, liebe Nelli, hast als erstes die Ehre, ein Päckchen aus dem Korb zu holen und zu überreichen.”

Jetzt könnte ich natürlich … Warum nicht? Wenn er den Brief liest, weiß er sowieso, dass das Geschenk von mir kommt.
Ich fische demonstrativ ein bisschen in dem Korb rum und greife dann das kleine Päckchen für Yoongi. Zum Glück hatte ich seinen Namen tatsächlich draufgeschrieben. Nach dem suche ich jetzt noch ein bisschen und schreite dann zur Tat.
“Yoongi … Yoongi, das ist für dich.”
Ich überreiche ihm sein Geschenk und setze mich wieder. Er lächelt, schüttelt und knautscht es ein bisschen und zupft schließlich an der Schleife. Alle Augen sind auf ihn gerichtet. Zum Vorschein kommt eine kleine Klappkarte, an die ein Schlüssel gebunden ist. Schnell liest er die wenigen Worte und strahlt dann in die Runde. Aber er verrät nichts. Ich bin mir jedoch sicher, dass ihm bewusst ist, dass ich mein eigenes Geschenk aus dem Korb geholt habe.
Stattdessen geht er zu dem Korb und überlegt. Er greift etwas langes, dünnes Eckiges, liest den Namen, der einfach mit Edding aufs Papier geschrieben ist, steht auf und geht zu Jin.
Okaaaaayyyy - der gibt also auch sein eigenes Geschenk weiter, wenn ich das richtig erinnere.
“Frohe Weihnachten, Jin. Ich finde es toll, dass du hier dabei bist, und dass es dir inzwischen so gut geht.”
Jin bedankt sich artig und wickelt sein Geschenk aus. Zum Vorschein kommt ein großes Küchenmesser in einer edlen Verpackung. Seine Augen beginnen zu leuchten.
“Verrückt! So verrückt. Das ist eines der besten Messer, die es gibt. Der reine Irrsinn! Ich sage jetzt nicht laut, was das gekostet haben muss. Sonst löst es sich noch in Luft auf. Tausend Dank an den oder die Verrückte. Das ist … danke!”

Jin überlegt nicht lange. Er greift ein mittelgroßes Päckchen, liest den Namen auf dem Etikett vor und geht zu Jimin. Der nimmt vorsichtig das Geschenk entgegen - und fängt an zu weinen. Und zu strahlen. Und zu lächeln. Ich bin froh, dass alle Geduld haben und ihm Zeit lassen. Es dauert einen Moment, ehe er spricht.
“Nicht erschrecken, ich freue mich. Es ist nur … soweit ich mich erinnern kann … Das ist das erste Mal, dass ich für mich ein Geschenk bekomme. Das ist … ein tolles Gefühl, … dass sich jemand Gedanken für mich gemacht hat.”
Wir haben weiter Geduld, denn der Moment ist besonders. Aber schließlich fängt Jimin doch an, sein Geschenk auszupacken. Zum Vorschein kommt die Originalverpackung und daraus eine große Keramiktasse mit Deckel obendrauf und einem Stövchen unten drunter. Auf die Tasse sind zarte Blumen in die Glasur gemalt. Er nimmt die Teile auseinander. Aus dem Stövchen fällt ein Teelicht. Jetzt kapieren alle, was das für ein seltsames Türmchen ist - eine Tasse mit Wärme von unten, damit der Tee nicht so schnell kalt wird, wenn man es sich mal gemütlich machen will.
“Danke! Das ist wunderschön. Und genau das richtige drüben in meinem Bus. Danke!”
Dieses Strahlen ist berührend. Es scheint so viele Dinge zu geben, die Jimin hier in der Pförtnerei zum ersten Mal erlebt. Was muss er für ein furchtbares Leben geführt haben!

Jimin reißt sich los von seiner schönen Tasse und wendet sich dem Korb zu. Ein Geschenk ist so groß und sperrig, dass es neben dem Korb steht. Das nimmt er nun und trägt es zu Tae. Der macht große Augen, weil er nicht damit gerechnet hat, dass ausgerechnet für ihn das größte Teil ist. Dann packt er es ganz schnell aus, und jeder weiß sofort, dass es tatsächlich von Jimin ist. Drei freche Vögel aus Steinen sitzen auf Metallstangen als Blumenbeetstecker. Taehyung ist begeistert und läuft sofort Jimin hinterher, der wieder zu seinem Platz gegangen ist.

“Hey, nicht abhauen! Die Piepmätze sind toll. Ganz herzlichen Dank, Jimin.”
Kurzerhand fängt Tae seinen Freund ein und nimmt ihn fest in die Arme.
“Die stell ich mir vors Fenster, dann sehe ich sie ganz oft.”
Es ist mal wieder zu viel Aufmerksamkeit für Jimin. Aber Taehyungs echte Freude lässt ihn glücklich strahlen.

Schließlich macht sich Tae daran, das nächste Geschenk zu vergeben. Er fischt ein ganz kleines eckiges Ding aus dem Korb und geht damit zu Namjoon.
“Hier, das ist für dich. Ich bin so froh, dass du da bist und zu uns gehörst.”
Joon bedankt sich für das Päckchen und die freundlichen Worte. Dann untersucht er umständlich das ‘Ding’. Tatsächlich ist ein Klappern zu hören, als er das Päckchen an seinem Ohr schüttelt.
“Oha!”
Joon tüddelt die Schleife auf und bringt eine kleine Schachtel zum Vorschein. In der Schachtel liegt ein koreanischer Glücksbringer - eine Münze mit dem Zeichen für Glück in der Mitte und den vier Himmelsrichtungen drumrum. Er lässt die Münze auf seine Hand gleiten.

An seinem Gesicht kann ich sehen, dass er weiß, was diese Zeichen bedeuten. Joon pult noch einen kleinen Zettel aus der Schachtel und liest vor, was draufsteht.

Ich wünsche Dir, dass Deine
Glückssträhne ganz lange
anhält, und dass das Glück
von allen Seiten zu Dir kommt.

Ein feines Lächeln stiehlt sich in sein Gesicht, während er flüstert.
“Danke! Nichts wünsche ich mir so sehr wie das. Dieses Jahr hat einen anderen Menschen aus mir gemacht.”
Er grinst und verstaut die Münze wieder in der Schachtel.
“Und ihr seid Schuld.”

Namjoon holt einen Gegenstand aus dem Korb, der nach einem großen Buch aussieht, und trägt ihn zu Jeongguk.
“Hier, Trubblemaker. Hoffentlich gefällt es dir. Frohe Weihnachten!”
Unser Jüngster bedankt sich und wickelt das Geschenk aus. Sofort bekommt er leuchtende Augen. Es ist tatsächlich ein Buch - ein prächtiger Bildband über historische Fahrräder und Motorräder. Er fängt sofort an zu blättern.
“Boah - ist das cool. Kuckt mal, so haben Fahrräder am Anfang ausgesehen.”
Jeongguk hält ein paar der Bilder hoch. Alle recken die Hälse, nur …

Uuuups! Wenn Jeongguk jetzt sein Geschenk zu mir bringt, dann sitzen So-Ra und Hoseok total auf dem Präsentierteller. Kann ich den noch irgendwie aufhalten?
Zum Glück kann ich Blickkontakt mit ihm aufbauen, während er zum Korb läuft. Ich schüttele den Kopf und hoffe, dass er mich versteht.
Guk hockt sich neben den Korb und nimmt nacheinander ein ganz kleines ‘Etwas’ und zwei Briefumschläge in die Hand. Die beiden heimlich Verliebten sitzen auf den Kanten ihrer Stühle und sehen aus, als würden sie am liebsten rausrennen.
Bitte, bitte, bitte nimm einen der Umschläge. Komm nicht zu mir!

Puh.
Er vergleicht die beiden Umschläge, entscheidet sich für einen und geht damit zu So-Ra.

“Sooo - dieser Brief hier ist offensichtlich für unseren Kampfhund. Vielleicht ist es ja eine Einladung auf einen Milchkaffee? Fröhliche Weihnachten, So-Ra.”
Meine Besti atmet tief durch und nimmt den Umschlag entgegen. Ich kann sehen, dass sie überlegt, ob sie den überhaupt aufmachen will. Aber sie gibt sich einen Ruck. Vorsichtig zieht sie die nur eingesteckte Lasche raus und beäugt den Inhalt. Jetzt zieht sie wohl eine Karte auseinander, legt den Kopf schief und versucht zu lesen.
Sehr schnell ändert sich ihre Gesichtsfarbe. Ich hoffe einfach, dass das nur mir auffällt. Dann macht sie den Umschlag wieder zu.
“Das ist eine ganz tolle und spannende Idee. Ich wollte da schon immer mal Mäuschen spielen. Danke, ich freu mich drauf!”
Meine Augen huschen zu Hoseok, während sie das Geschenk in ihre Handtasche steckt. So ganz kann er seine Freude nicht verbergen, aber er setzt sich grader hin, als hätte ihm diese Reaktion heimlich Energie verliehen.

Wenn meine Süße jetzt nicht völlig auf der Leitung steht, …
So-Ra steht auf, fischt aus dem Korb das kleine ‘Etwas’ und bringt es mir.
“Frohe Weihnachten, Schnucki! Aber eigentlich zweifle ich nicht daran. Deine Weihnachten sind jetzt schon froher als in den letzten Jahren. Ich freu mich so für dich.”
Sie nimmt mich schnell in die Arme und setzt sich wieder. Ich taste das ‘Etwas’ ab. Ich weiß ja, dass es von Guk kommt. Es fühlt sich hart an und ist sehr seltsam geformt. Ich fange an, es auszupacken. Zum Vorschein kommt eine kleine Figur aus Schrauben, mit einem Kettchen und einem Schlüsselring. Auf dem Geschenkpapier steht innen:

“ein Engel
für unsere
Engelin”
Gukkie

Gott, wie niedlich! Der Junge kann so Gold sein, wenn er nicht grade Rotzlöffel ist. Jeongguk hat mir aus Schrauben und Muttern einen Schlüsselanhänger gebastelt.

“Ui! Ein Schutzengel. Das ist ja eine witzige Idee. Den nehm ich gleich in Betrieb. Danke!”
Ich krame mein Schlüsselbund aus der Handtasche und fummele meinen Engel neben dem Schlüssel zur Pförtnerei dazu.

Anschließend hole ich den letzten Umschlag aus dem Korb und gehe zu Hoseok. Auch er überlegt sichtlich, ob er den jetzt aufmachen will. Aber als einziger nicht aufzumachen - das geht auch nicht. Also öffnet er den Umschlag und liest, was auf der Lasche steht. Und hebt seine Augen nicht, während er reagiert.
“Wahnsinn! Du bist verrückt. Tausend Dank, das kann ich so gut brauchen. Das machen wir dann aber zusammen!”
Um das Verwirrspiel noch mehr auf die Spitze zu treiben, antworte ich ihm, ganz gelassen.
“Klar machen wir das zusammen. Schon gebongt.”
Die anderen platzen fast vor Neugierde, vor allem Guk, denn der weiß durch das Ablenkungsmanöver von eben ja, wer wessen Wichtel ist. Aber er hält den Mund. Und die anderen müssen das jetzt aushalten.
Wenn sie noch ein kleines bisschen weiterdenken würden, müsste ihnen sowieso auffallen, dass ich ganz am Anfang schon mal dran war und deshalb jetzt eigentlich an letzter Stelle stehen müsste. Ich hoffe einfach, dass da keiner drüber nachdenkt.

Nach einem netten gegenseitigen Applaus entstehen kleine Grüppchen. Tee wird getrunken, wobei Jimin seine Tasse einweiht. Die Keksberge schrumpfen. Yoongi und Guk blättern gemeinsam im Fahrradbuch.
Hm. Das dürfte der richtige Moment sein, um allen die Briefe mit den Glassternen zu geben. Wo stecken die noch?
Ich mache nicht viel Tamtam darum. Ich hole die Briefe aus meiner Handtasche, gehe rum und schiebe jedem wie nebenbei seinen Umschlag zu. Ich versuche, nicht bei den Gesprächen zu stören. An den Gesichternnkann ich aber sehen, dass sie alles das trotzdem genau wahrnehmen und sich freuen.

So-Ra betrachtet jetzt genauer den Inhalt ihres Wichtel-Umschlags. Nach einer Weile steht sie auf und geht raus. Hoseok blickt ihr nach, grübelt und verlässt dann seinerseits den Raum.
Ich hofffffffe, dass sie da draußen nun miteinander reden.

Allerdings habe ich keine Zeit, darüber nachzudenken, denn Yoongi kommt zu mir.
“Meinst Du das ernst? Du willst mir deine Wohnung vermieten? Das kann ich bei der Lage doch gar nicht bezahlen.”
“Das lass mal meine Sorge sein. Ich bringe es nicht übers Herz, die Wohnung zu verkaufen. Aber wenn wir umziehen, dann brauche ich einen Mieter, und für dich ist es einfach genau richtig. Ich würde mich freuen, wenn du das annehmen könntest.”
“Ich wär schön blöd, wenn ich das nicht täte. Ein riesengroßes Dankeschön! Das kann ich nie wieder gut machen.”
“Das hast du längst ‘gut’ gemacht in den letzten Monaten. Freu dich einfach drauf.”
“Und wie! … Es ist halt - vor einem halben Jahr …”
“... hast du in der zweitbeschissendsten Situation deines Lebens gesteckt. Jetzt hast du das hinter dir und machst mit Begeisterung und Fachwissen einen fantastischen Job. Sei stolz drauf.”
Yoongi zeigt nicht viel von seinen Gefühlen, aber jetzt strahlt er kurz.

Dann wandern seine Augen zu der Tür, durch die eben So-Ra und Hoseok verschwunden sind, er senkt die Stimme.
“Und was ist mit den beiden?”
Er sieht mich nicht an. Ich überlege, wie viel ich sagen darf.
“Frag mich nicht. Keeeiiine Ahnung, was dabei rauskommen wird. Das Hauptproblem ist der große Altersunterschied. Ich hoffe, sie reden jetzt grade offen miteinander und passen dabei gut auf sich selbst auf. … Und ich hoffe, das haben jetzt nicht alle kapiert.”
“Weiß ich nicht, wahrscheinlich nicht. Ich halte Augen und Ohren offen und werde im Zweifelsfalle bremsen.”
“Tu das - danke!”

Die Gesprächsgrüppchen ändern sich ab und zu, die Atmosphäre ist entspannt, der Raum, der schon so viel von uns gesehen und erlebt hat, ist gemütlich und lädt ein, die Zeit zu vergessen. Keiner treibt uns, und das haben wir uns nach den anstrengenden letzten Wochen auch verdient. Um so mehr überrascht uns die Klingel vom Haupttor. Jeongguk packt die Neugierde.
“Erwarten wir jemand?”
Taehyung schaltet als erster.
“Ach, ja! Hobis Tante. Wo steckt der eigentlich?”
Mist!
Aber die Tante scheint ihn auch direkt angepiept zu haben, denn schon steckt er den Kopf zur Tür rein.
“Das ist meine Tante. Ich flitze eben schnell zum Tor.”
Weg ist er. Die Haustür klappert. Draußen gehen Bewegungsmelder an. Mir wird erst jetzt bewusst, dass es inzwischen völlig dunkel ist.

Ich sollte mich auf die Suche nach So-Ra machen. Wer weiß, wie es ihr jetzt geht?
Ich finde sie schnell in voller Wintermontur bei der Teeküche, wo sie sehr still an einem Fenster steht und in die Dunkelheit schaut.
Na, hervorragend. Das kann ja jetzt alles heißen.
Ich spreche sie leise an.
“So-Ra, meine Liebe. Darf ich zu dir kommen?”
Sie nickt. Also trete ich neben sie und schaue sie von der Seite an.
“Und? Werden eure Wichtelgeschenke zur Qual oder zum Vergnügen?”
Seufzen aus tiefster Seele.
“Keine Ahnung. Jedenfalls erstmal nicht zum Fiasko, und das ist schon ganz viel wert.”
Sie wendet sich mir zu, nimmt mich fest in die Arme und lässt sich halten. Nach einer ganzen Weile richtet sie sich innerlich auf.

“Hobi … erwidert meine Gefühle. Wir wissen nur nicht, wie das gehen soll. Weil … weil für ihn jetzt erstmal alles Mögliche dran ist - aber nicht, eine Familie zu gründen. Ich hab Angst, dass er nicht nach sich kuckt und in seinem Tempo wächst sondern für mich alles Mögliche aufgibt. Er hat Angst, dass ich … Echt verrückt! Er hört meine biologische Uhr lauter ticken als ich. Und zum Militär muss er ja auch noch. Also - schön, aber keine Ahnung. Mehr weiß ich nicht.”
“Wir sollten rübergehen, bevor die beiden da sind. Warum bist du eigentlich so dick vermummt?”
Sie lächelt, während wir zur Garderobe gehen.
“Wir haben einen Schneemann gebaut.”
“Das klingt sehr gut.”

Kurz darauf lassen wir uns aufs Sofa neben dem Ofen fallen, das grade frei geworden ist. Draußen springen wieder mehrere Bewegungsmelder an, und einen Augenblick später bringt Hoseok strahlend seine Tante herein.
“Darf ich vorstellen? Die beste, treueste und aufrichtigste Tante der Welt - Jung Ta-Mi, Haare auf den Zähnen und die Sonne im Herzen.”
Grinsend gibt sie ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.
“Rotzlöffel. Darf ich erstmal ankommen? Und wo ist die Dame, der ihr alle so viel zu verdanken habt?”
Ich stehe auf und gehe auf die beiden zu.
“Das ist Cho Sarang Namja Cornelia, Tante Ta-Mi. Aber wir nennen sie alle nur Nelli.”
Wir begrüßen einander, und ich sehe sofort die Familienähnlichkeit.

“Wie schön, dass ich Sie auch kennen lernen darf. Ich bin so, so froh, dass Hoseok in Ihnen immer einen Rückhalt haben durfte.”
“Ich habe nicht viel gemacht, außer mit ihm Weihnachten zu feiern. Er wollte von mir kein Geld, er wollte kein Dach überm Kopf. Da ist er knüppelhart geblieben. Alleine! Wie ein bockiger Vierjähriger.
Ihnen ist das Wunder gelungen. Dass er Hilfe annimmt, dass er rausgekommen ist aus seiner Trutzburg. Ich bin Ihnen dankbar. Und das ist also Ihr bunter Haufen von Schützlingen.”
Sie sieht sich im Raum um. Hoseok führt sie rum und stellt sie allen einzelnen vor.

Ich setze mich wieder aufs Sofa zu So-Ra.
Jetzt bin ich gespannt.
Als Hobi und seine Tante sich uns zuwenden, greift meine Besti nach meiner Hand.
“Und das … Nelli kennst du ja schon. Und das ist Woo So-Ra, Nellis Sandkasten- und beste Freundin und außerdem Arbeitskollegin.”
Jung Ta-Mi setzt sich zu uns, lässt sich Kaffee und Kekse anbieten und findet sich schnell rein in unsere lockere Atmosphäre.

Ich blicke zur Uhr.
Ui, Jimin muss los zu Sejin, Tae zu seiner Familie, Yoongi und Jeongguk sollten auch bald aufbrechen.
Taes Augen sind meinem Blick wohl gefolgt.
“Jimin, hast du Sejin eigentlich eine feste Uhrzeit genannt?”
Auch sein Blick geht zur Uhr.
“Hm. Ich sollte bald loslaufen.”
Ich hole den Umschlag mit dem angekündigten Taxigeld aus meiner Handtasche und winke Tae zu, damit er ihn annimmt und Jimin sofort die passende Antwort gibt.
“Loslaufen? Du wirst wie vereinbart hübsch Taxi fahren, mein Lieber. Brauchst du noch was aus deinem Bus? Oder können wir los?”
Wie schön! Tae lässt ihm gar keine Wahl.
Eine Viertelstunde später ziehen sie dick vermummt los in die Kälte. An der Bushaltestelle werden sie ein Taxi bekommen, bis dahin laufen sie.
“Fröhliche Weihnachten! Wir sind dann irgendwann morgen zurück. Feiert schön!”

Nach und nach brechen alle Grüppchen auf. Keiner von den Jungs vergisst, sich Jin zuzuwenden und ihm ein paar schöne Stunden mit seinen Eltern zu wünschen. Dass dieses erste Wiedersehen nach Jahren gelingen möge. Dass sie bereit seien, ihm wirklich zuzuhören. Dass sich Türen öffneten, die nun sehr lange verschlossen waren.
Wir räumen gemeinsam auf, füttern die Spülmaschine, holen weitere Buffetreste aus der Villa, decken den Tisch neu ein.
Hoseok und seine Tante verabschieden sich. Ich hoffe im Stillen, dass seine Eltern jetzt die Bude und den Kopf so voll haben mit Verwandtschaft, dass sie gar nicht versuchen werden, doch noch bei den beiden aufzuschlagen.

Als letztes verabschieden auch wir uns, weil wir zusammen mit So-Ra zu ihren Eltern fahren und dort die nächste Etappe dieses wechselvollen Tages verbringen werden. Auch ich wende mich Jin zu.
“Wie geht es dir jetzt grade? Wirst du das aushalten, mein Lieber?”
“Ehrlich? Weiß ich nicht, und weiß ich nicht. Es war ein voller Tag mit sehr viel Ablenkung - das hat mir geholfen. Das gelungene Buffet und die vielen Komplimente heute Mittag haben mir Bestätigung gegeben, dass ich auf einem guten Weg, auf meinem Weg bin.
Jetzt grade habe ich ein bisschen Angst vor meiner eigenen Courage. Es war ausdrücklich mein Wunsch, allein in diese Situation zu gehen. Ich habe entschieden, sie genau für heute einzuladen. Aber werde ich meinen Gefühlen auch standhalten nachher? Werde ich es aushalten, wenn sie nicht sofort verstehen? Ich weiß es nicht.”

“Was fühlst du für deine Eltern? Kannst du an irgendwas Positives denken? Bedeuten sie dir als Familie etwas?”
“Puh. Ich glaube, da kannst du jeden von uns fragen - die Antwort wird immer durchwachsen sein. Ich hatte eigentlich eine schöne Kindheit, ‘Familie’ war etwas Positives, und etwas Selbstverständliches. Erst, als das Scheitern mich überrollt hat und sie mich haben fallen lassen, statt mir den Rücken zu stärken, da ging alles schief. Aber ich kann sie wegschicken, wenn es nicht geht. Und, ja …”
Er grinst mich an.
“Ja, ich kann mich bei euch melden, falls ich nicht allein sein will.”
“Genau. Dann wünsche ich dir jetzt zu Weihnachten ganz viel Frieden mit dir selbst und ein kleines Weihnachtswunder obendrauf.”

Wir ziehen uns warm an und stapfen durch den Schnee hoch zur Villa. Auf halbem Wege ist alles zertrampelt, und am Wegrand steht ein echt gigantischer Schneemann. Lächelnd bleibt So-Ra stehen. Sie flüstert, mit einem glücklichen Strahlen.
“Das hat sooo Spaß gemacht vorhin.”
An Namjoons Gesicht sehe ich, dass bei ihm der Groschen fällt. Aber er hält einfach seinen Mund.

Die Bewegungsmelder im ganzen Park springen an und aus, weil es ein bisschen windig ist und die Äste der Bäume sie immer wieder auslösen. Das blöde Auto auf dem Rondell steht still und ist auch nicht mehr angestrahlt. Immer wieder tauchen Teile der Fassade der Villa in einem Lichtkegel auf und verschwinden wieder. Am klaren Himmel blinken zahllose Sterne. Der Moment ist magisch.

Und plötzlich huschen mehrere Sternschnuppen über den Himmel von Seoul. Schnell nehme ich So-Ra in die Arme und flüstere ihr ins Ohr.
“Wünsch dir was! Vielleicht geht es in Erfüllung. Aber pschhhhht. Nicht verraten!”
Für einen Moment wirkt sie wie entrückt, während ihre Augen den flitzenden Lichtern folgen. Im nächsten Augenblick greift sie meine Hand und läuft los, hin und her auf den kleinen verschlungenen Wegen des Barockgartens, bis runter zum Parkplatz, wo mein Auto steht. Dort fällt sie mir in die Arme - und fängt an zu weinen.

Namjoon geht langsam ums Rondell und die Auffahrt runter. Als er bei uns eintrifft, hat sie sich einigermaßen gefasst. Ich gebe Namjoon den Autoschlüssel und rutsche mit So-Ra auf die Rückbank. Ich halte sie einfach fest, während Joon uns sicher ans Ziel bringt.

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10.1.2024    -    28.3.2024

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