∞ 24 Für immer

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Es verging nicht viel Zeit. Höchstens ein oder zwei Stunden. Doch für mich war es die Hölle.
Ich hatte Markus daran gehindert einzuschlafen, weil ich befürchtete, dass er dann nicht wieder aufwachen würde.
Es war ein unmenschliches Gefühl. Hilflos zusehen zu müssen, wie eine Person um ihr Leben kämpfte. Mein ganzer Körper schmerzte, so sehr fühlte ich mit dem blonden Jungen mit, der kämpfte.
„Bleib einfach Wach, Markus. Bitte."
Flüsterte ich immer wieder.
Doch das stellte sich je länger desto schwieriger heraus.
Sein Gesicht war fahl wie ein Blatt Papier und seine Augen glänzten fiebrig.
Sein Körper fühlte sich heiss an. Und die Wunde hatte wieder geeitert, nachdem ich den erneuten Blutfluss notdürftig gestoppt hatte.
Meine Kleider und Hände waren unterdessen bereits voller Blut und das Desinfektionsmittel war ausgegangen.
„Ich bin so müde."
Murmelte er und schluckte leer.
Ich schüttelte den Kopf und Unterdrückte die Tränen.
„Nein. Du musst wach bleiben okay? Für Mara. Du willst sie doch wieder sehen?"
Er nickte. „Mehr als alles andere auf der Welt."
Das war sie. Die wahre Liebe. Meine Lippen zitterten.
Ich suchte nach irgendetwas halbwegs hygienisches, um es auf seine Wunde zu drücken. Ich fand nichts mehr.
„Scheisse, scheisse, scheisse."
Ich schlug voller Verzweiflung auf den Boden und weckte einen alten Obdachlosen auf, der sich murrend auf die andere Seite drehte und seinen Rausch so ausschlief.
Die Panik in mir wurde grösser, doch ich zwang mich, klar zu denken. Markus war schlecht dran und ich konnte nicht fassen, dass es den Polizisten hier so am Arsch vorbei ging.
Das war nicht mehr menschengerecht was hier ablief!
„Halt durch, ich bin gleich wieder bei dir!"
Flüsterte ich laut und liess dann Markus schlaffe Hand los, um zu den Gittern zu stürzen.
Ich umklammerte sie und rüttelte so laut ich konnte daran.
„Hilfe! Ich brauche hier Hilfe!"
Brüllte ich so laut ich konnte.
Ich musste mich wiederholen. Drei mal, bevor ich den Officer's endlich zu lästig wurde.
Angst. Sie machte mich fast verrückt und sie klebte überall in meinem Mund. Ich atmete sie ein und wurde sie nicht mehr los, egal wie oft ich hustete.
Ich wusste dass nicht mehr viel Zeit blieb. Und die Anderen waren noch immer nicht hier.
Der General höchstpersönlich kam auf mich zu geschlendert. Als hätte er alle Zeit der Welt. Und ebendiese hatte Markus nicht.
Ich richtete mich auf. Ich zitterte am ganzen Körper.
Es war mir egal ob es mich schwach aussehen liess. Ich wollte nicht zulassen, dass er neben mir starb und ich tatenlos zusehen musste.
Da war ich nicht einmal zu stolz, um zu betteln.
"Lassen sie uns sofort raus! Er stirbt!"
Doch er verzog bloss das Gesicht zu einem Lächeln.
"Natürlich. Eine etwas bessere Ausrede hätte ich schon erwartet."
Fassungslos starrte ich ihn an.
Dann hielt ich ihm die vollgebluteten Hände entgegen.
Ich musste schrecklich aussehen mit dem vielen Blut an der kurzen Kleidung und den verschwitzten Haaren. Es war überall an meinem Körper. Markus Blut.
„Bitte! Ich flehe Sie an, helfen sie ihm."
Flüsterte ich und sank etwas in mich zusammen.
Keine berechnende Strategie, nur Verzweiflung.
Man sollte sich nicht so mitreissen lassen, hätte mich jetzt jedes Mitglied der Gang gemahnt, doch ich war nicht stark genug. Ich konnte das nicht. Ich hatte mich überschätzt.
Der General beugte sich soweit hinunter, bis sein strenges Gesicht direkt vor meinem Schwebte.
Und wieder hatte ich das Gefühl, das schüttere Haar und den kurzen Bart von irgendwo her zu kennen.
„Wo ist denn plötzlich dein Stolz hin? Deine Eltern wären sicher sehr enttäuscht."
Dann richtete er sich in aller Ruhe auf und drehte mir den Rücken zu.
Wut flammte in mir auf und wären diese Gitter nicht gewesen hätte ich ihn mit meinen blossen Nägeln erstochen.
Ich sprang wieder auf und schlug gegen die Gitter, sodass auch die übrigen Gefangenen unruhig wurden.
"Ich werde sie umbringen, das schwöre ich! Ich werde sie töten!"
Kreischte ich mit schriller Stimme.
Kurz verharrte er, mit dem schmalen Rücken und dem blauen Hemd zu mir gedreht, danach lief er leise lachend weg.
Einige der Gefangenen grölten und klatschten mir Beifall.
Ich spürte nur eine salzige Träne auf meinem Mund und liess meinen Kopf gegen die Gitterstäbe sinken.
„Das ist doch kein Spiel. Wir spielen hier nicht um Menschenleben."
Flüsterte ich den anderen zu, doch sie hörten mich nicht.
Verzweifelt kehrte ich zu meinem Freund zurück und setzte mich wieder neben ihn.
Sein Atem ging langsam und ich hörte das Pfeifen, dass aus seinen Lungen hoch drang.
"Halt durch. Bitte."
Seine Augen wanderten von links nach rechts, doch sahen bloss in die Lehre.
Ich biss mir auf die Lippen um weitere Tränen zu vermeiden und schüttelte den Kopf.
Wie grausam war diese Welt dass ich neben meinem sterbenden Freund sitzen musste und Niemand etwas tat.
Wieso mussten ausgerechnet wir in dieser Welt leben? Keine Ahnung, doch es war so.
„Ich...fühle meine Beine nicht mehr."
Krächzte Markus und seine blonden Haare waren von Blut getränkt.
Sofort schreckte ich auf.
„Das..nein das ist nicht gut."
Murmelte ich und strich mir gehetzt über die Wange, dort hinterliess ich eine Blutspur, die eklig klebte.
Doch tun konnte ich nichts.
Jetzt ertönten Schüsse und Geschrei.
Noch nie in meinem Leben hatte ich mich über Waffengeballere so gefreut.
Ich hörte wie die Polizisten mit lauten Schritten nach ihren Waffen griffen und alle nach draussen stürmten.
Es war ruhig geworden hier drinnen und alle horchten nur gespannt, während von draussen weiterhin Schüsse ertönten und Menschengeschrei bis hier hinein dröhnte.
Ich versuchte zu erahnen, ob es einer von und war, als Jemand den bekannten Todesschrei ausstiess.
Doch ich konnte es nicht ausmachen.
Also drückte ich weiterhin nur Markus' Hand.
Es kam mir vor wie eine Ewgkeit, bis sich der Tumult legte.
Ich starrte wie gebannt auf die Tür, die geschlossen blieb und durch die Jemand hinein kommen musste.
Sie mussten einfach. Es vergingen Sekunden, in denen mein Herzschlag das einzige war, was ich hörte.
„Bitte, bitte."
Flüsterte ich.
Dann wurde die Türe endlich geöffnet und Aiden, sowie Jake und Lucas stürzten hinein.
Sie kamen direkt auf uns zu und Jubel wurde unter den Insassen laut.
Sie hofften wohl auf Rettung.
Doch das konnten sie vergessen. Wir hatten keine Zeit für sie. Alles was jetzt zählte war Markus.
Ich drehte mich wieder zu ihm. Er sah mich an.
„Ich habe Angst."
Sein Blick war erfüllt von Schmerzen und Angst. Ich drückte fest seine Hand.
„Alles wird gut, wir holen dich jetzt hier raus. Halte nur noch ein bisschen durch! Du bist jetzt in Sicherheit."
Flüsterte ich ihm zu und mein breites Lächeln prallte an seinem leblosen Gesicht ab.
Trotzdem nickte er schwach.
„Okay."
Er war stark, er würde das schaffen.
Hinter mir wurde die Tür aufgerissen, und dann geschah alles wie in Trance.
Die Erleichterung und die Erschöpfung verschleierte meine Sicht.
Lucas schob seine Arme um meinen Blutverschmierten Körper und hob mich hoch. Er trug mich in Richtung Ausgang.
Dabei redete er mit mir, doch es drang kein Wort zu mir durch. Ich spürte nur seine warmen Hände.
Aiden und Jake trugen Markus ebenfalls heraus.
Vorsichtig. Seine Arme schlenkerten nut kraftlos in der Luft herum.
Die kühle Nachtluft liess mich langsam wieder zu Verstand kommen. Einige kleine Kämpfe tobten noch, doch die meisten Bullen lagen regungslos am Boden. Kenan nagelte gerade einen von ihnen an der Wand fest und schlug ihm mehrmals mit seiner kräftigen Faust in den Bauch.
Das war unwichtig.
Aiden legte Markus sanft auf dem Bürgersteig ab, auf dem keine Menschenseele zu sehen war.
Die Menschen hatten sich, feige und intelligent wie sie waren, in ihren Häusern eingeschlossen und beobachteten uns wahrscheinlich.
Doch draussen war niemand.
Sofort riss ich mich von Lucas los, der mir mit seinen wasserblauen Augen folgte und kniete mich neben den schwerverletzten Jungen.
"Krankenwagen."
Das war alles was ich mit rauer Stimme herausbrachte.
Dylan bog gerade um die Ecke und nickte eilig.
Er zückte sein Handy und tippte die Nummer ein.
Während er mit einer unhörbaren Stimme diskutierte, rüttelte Markus leicht an meinem Arm.
Sofort beugte ich mich zu seinen Lippen hinunter, die versuchten, mir etwas zu sagen.
"Mara."
Ich nickte eilig. „Du wirst sie wieder sehen. Wir bringen dich zu ihr sobald du wieder gesund bist."
Flüsterte ich. Er schüttelte matt den Kopf.
„Nein. Du musst ihr was sagen."
Ich runzelte die Stirn.
„Sie soll wissen dass ich mit dem Gedanken an sie gestorben bin. Du musst ihr das sagen, okay?"
Hauchte er und mir wurde beinahe Übel vor Trauer.
Wie stark musste eine Liebe sein, dass Jemand mit dem Tod vor Augen nur an sie dachte. So eine Liebe wollte ich auch haben, so ein starkes Band.
„Du wirst sie bald sehen, du musst nur durchhalten."
Versicherte ich ihm und drückte fest seine Hand.
Er sah mich an und atmete kaum noch.
Dann schüttelte er schwach den Kopf.
"Du wirst sie wieder sehen! "
Beharrte ich trotzig und weinte schon wieder. Tränen verschleierten mir die Sicht auf den Jungen vor mir, der mit blassem und eingefallenen Gesicht auf dem Boden lag und weiter sein Leben aushauchte.
„Kommt dieser Scheiss Wagen endlich?"
Mit schriller Stimme drehte ich mich zu Dylan, der nur hilflos die Arme hob.
Dann widmete ich mich wieder Markus, während die anderen um uns herum standen und Leonie versuchte, sein Bein etwas zu reinigen.
Er spürte es nicht einmal mehr.
"Du wirst mit uns wieder irgendwelche Cabrios fahren und irgendwelche Scheisse anstellen."
Meine Stimme zitterte und einzelne Schluchzer überrollten mich.
"Lüg nicht", mit einem leichten Lächeln nahm Markus meine Hand.
Ich drückte sie und meine Lippen zitterten.
"Bitte, Markus halt durch, der Wagen ist gleich da."
Ich wusste nicht wie oft ich ihm das nun schon gesagt hatte. Dass er durchhalten solle und dass alles besser wurde. Doch nichts davon war passiert.
Schwach und stöhnend  schüttelte er den Kopf.
„Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr Jessy."
Hauchte er und ich biss mir auf die Lippen.
„Sag das nicht! Hört auf!"
Er grinste mich an, wie an dem Tag an welchem wir noch fröhlich geplaudert hatten.
„Lass mich endlich schlafen Jessica. Ich bin so müde."
Murmelte er.
Rasselnd atmete er aus.
Er drückte meine Hand.
„Versprich es. Versprich es dass du es ihr sagst."
Ich schluchzte und nickte.
„Ich verspreche es."
Er nickte und sah mich nochmals an.
„Ich sehr sie wieder."
Dann hörte er auf zu atmen. Einfach so.
Seine Hand erschlaffte.
Panik kroch sofort in mir hoch und ich schreckte auf.
"Nein!"Den Mund zu einem stummen Schrei verzerrt, rüttelte ich an ihm.
Doch er reagierte nicht mehr.
Er wart tot.
"Markus bitte, nein."
Mein Körper schüttelte sich und ich wehrte mich, als Jake mich von ihm wegzog.
"Nein! Er ist nicht tot!"
Ich schrie es immer wieder, wurde an die starke Brust meines Bruders gedrückt, der mir über die Haare strich und mein Gesicht an seine Schulter drückte, damit ich nicht zurück sah.
„Er ist tot Jessy."
Sagte er dann mit starker Stimme, doch ich glaubte es immer noch nicht.
Er war vor wenigen Sekunden noch bei mir gewesen. Jetzt durfte er nicht einfach weg sein.
Es tat so weh.
„Nein. Nein."
Ich schrie meine Trauer und die Schmerzen heraus, so laut ich nur konnte.
Zu wissen dass ich schuld an seinem Tod war und zu wissen, dass er mich nie wieder anlachen würde, mit seinen verschmitzten blauen Augen. Er war zu jung gewesen, um solch einen Tod zu sterben.
Ich schluchzte laut auf, und kroch wieder zu Markus.
Ich stiess Jake weg. Und Lucas, als er mich beruhigend umarmte. Obwohl das sonst immer half.
"Lasst mich! Markus!"
Es zerriss mich. Und dann fuhr es plötzlich in mich wie ein Blitz. Ich erstarrte zu einer völlig reglosen Statue.
Ich war schon einmal so neben einer Person gesessen. Meinem Dad. Auch ihn hatte ich nicht retten können.
Er hatte genauso dagelegen. Tot und mit starrem Blick. In die Ferne sah er, als würde ihn dort etwas erwarten. Doch er war nicht mehr Dad gewesen.
Ich konnte kaum atmen, der Schmerz lähmte meine Glieder. Ich konnte ihn nur ansehen. Den Jungen für dessen Tod ich verantwortlich war.
Jemand umarmte mich. Aiden.
Ich liess es zu.
"Komm Kätzchen, lass ihn schlafen. Er war ein guter Freund. Für immer."
Langsam löste er meine Finger von Markus Hemd und drückte mich an sich.
Ich konnte nicht mehr. Ich liess es zu. Liess mich von ihm wegzerren.
Ich vergrub weinend meinen Kopf an seiner Brust und er umschloss mich mit seinen starken Armen.
Wir sassen so da, umringt von den anderen. Es war totenstill.
Ich spürte ihre Hände an meinen Schultern und wie sie die letzten Worte für ihren Freund sprachen.
Alle waren da. Einige verletzt und blutend, doch sie waren da. Und wir würden Markus niemals vergessen.
Er würde bei uns sein, in unserenHerzen. Ein weiterer Platz in dem meinen, für einen Toten.
Und er war nicht umsonst gestorben. Sein Name würde nicht vergessen werden und was noch viel wichtiger war, er war mein Freund.
Ja, Er war mein Freund.
Für immer.
Und ich würde mich für ihn rächen.

Ungefähr fünf Minuten sassen und standen wir einfach so da. Jake schloss Markus Augen.
Vielleicht hatte ich auch länger dagesessen, ich wusste es nicht. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Klar war aber, dass die Polizisten auch nicht ewig hier bewusstlos herum liegen würden. Ausser die Toten. Die würden nicht mehr aufstehen.
Aber die anderen schon und sie würden Verstärkung rufen. Wir durften dann nicht mehr hier sein.
Dylan hatte dem Krankenwagen abgesagt, der Rest der Gespräche war von meinen Schluchzern übertroffen worden.
Eine Weile lang bekam ich kaum Luft, bei jedem Einatmen zerquetschten die Schuldgefühle beinahe meine Lungen. Und ich fand das gut so. Ich fand es ungerecht, dass ich weiterhin leben durfte, wo doch Markus für mich gestorben war.
Aiden hatte mich nicht losgelassen, ununterbrochen strich er sanft über meinen Rücken und beachtete die kritischen Blicke meines Bruders und Lucas nicht.
Ich war froh, dass er das tat. Ich hörte sogar auf, ihn zu hassen. Für einen Moment lang. Denn er war es, den ich jetzt brauchte.
Irgendwann hatten dann meine Tränen aufgehört zu fliessen und meine Atmer waren wieder etwas leiser und regelmässiger geworden. Doch tief in meinem Innern tat es noch immer weh.
Ich konnte das Gefühl nicht beschreiben, aber es war schlimmer als jeder physische Schmerz, den man sich vorstellen konnte. Oder besser gesagt, den ich jemals erlebt hatte.
Es war schlimm jemanden zu verlieren.
Zu wissen wie es war, wenn er niemals wieder kommt.
Er war einfach weg. Von einer Sekunde auf die andere. Und all die Momente die man noch hätte zusammen verbringen könne waren ausgelöscht.
"Atme Kätzchen."
Flüsterte Aiden ruhig und strich über mein Haare. Ich schloss die Augen gequält. „Ich bin da. Du bist nicht allein."
Aidens Stimme beruhigte mich, und er strich mir solange übers Haar, bis meine Schnappatmung in ein leises Wimmern überging.
"So ist es gut Kätzchen, ich bin da und beschütze dich."
Flüsterte er nahe und beruhigend an meinem Ohr, was tatsächlich die Wirkung hatte, dass meine verspannten Muskeln sich etwas lockerten.
Er war sonst nicht so gefühlvoll, versteckte sich immer hinter einer Maske aus Witz und Gefahr. Doch ich glaubte zu wissen, dass das sein wahres Ich war. Fürsorglich und gut.
Eine Wagentür wurde zugeknallt sodass ich zusammen zuckte und Jake, seine Stimme war so voller Hass, rief: "Ich werde sie dafür töten Garrison! Für alles! Das schwöre ich bei Gott!"
Wir glaubten beide nicht an einen Gott. Denn wo war er die ganze Zeit gewesen? Aber Jake war nicht nur wegen Markus' Tod so voller Hass.
Er kannte ihn auch, den General. Ich musste nur wissen, woher wir das taten.
Das Auto fuhr mit über das Kies rollenden Reifen an uns vorbei, doch ich sah nicht hoch. Ich wusste dass dort ein unversehrter und zufrieden drein blickender General sass, den ich für Markus' Tod genauso verantwortlich machte wie mich selbst.
Oh ja, ich würde ihn umbringen.
Doch ich hatte nicht die Kraft. Nicht jetzt.
„Wir müssen jetzt gehen."
Sagte Lucas mit belegter Stimme.
„Markus..."
Krächzte ich nur und wies auf den Leichnam, der notdürftig mit einer Jacke bedeckt war.
„Wir werden ihn zu einem Bestattungsunternehmen bringen."
Sagte Lucas leise und ich suchte seinen Blick.
„Versprochen?"
Lucas lächelte Matt und nickte. „Ja."
Dann nickte ich und liess mich von Aiden hochheben.
Dylan legte mir vorsichtig seine Jacke über den blutverschmierten Körper.
Erst auf ein tiefes Knurren von Aiden, entfernte er sich missmutig mit gehobenen Händen. Aiden liess niemanden an mich heran. Ich schmiegte mich eng an Aiden, der mich, ich wusste nicht ob es mir bloss so vorkam, noch enger an sich zog.
Er trug mich die Strasse entlang. Meine Augen wurden schwer. Ich war erschöpft und mein Körper machte nicht mehr mit.
Bevor ich einschlief oder ohnmächtig wurde, was auch immer, konnte ich jedoch noch einige Stimmen hören, welche ich allerdings nicht unterscheiden konnte.
Sie vereinten sich nur zu einem gespenstischen Flüstern in meinem leeren Kopf.
"Wird sie wieder?"
"Wie gehtes ihr?"
"Sie ist erschöpft, ihr Freund ist gerade gestorben. Natürlich geht es ihr nicht gut!"
"Ich werde bei ihr bleiben. Sie braucht jetzt jemanden."
"Du, ich will ja nichts sagen, aber ihr versteht euch nicht sonderlich, oder?"
"Halt die Klappe Würstchen, du hast Glück, dass ich gerade ein ziemlich zerbrechliches Wesen trage, ansonsten hätte ich dir schon lange den Hals umgedreht."
Ich versuchte die Augen zu öffnen, als ich erkannte dass Aiden mit Dylan sprach.
Ich mochte den Jungen und er gab sich wirklich alle Mühe, sich irgendwie zu integrieren, doch Aiden machte es ihm wirklich nicht leicht.
Doch ich schaffte es nicht, die aufkommende Dunkelheit zurückzudrängen, also schwieg ich und hörte zu, während meine Glieder bereits taub wurden.
"Ja genau, wo warst du eigentlich die ganze Zeit?"
"Ich? Ich habe innen zwei der Cops ausgeschaltet. doch als ich Jessy schreien hörte, da kam ich sofort raus."
"Fass sie nicht an!"
"Ist ja gut, beruhig dich, alter..."
Am liebsten hätte ich sie alle angeschrien dass jetzt weder Dylan noch ich wichtig waren und dass sie verdammt nochmals Trauern sollten.
Doch dann hüllte mich Aidens Duft ein, und es wurde schwarz.

Das nächste Mal erwachte ich, als ich das vertraute knarzen der Treppe aus unserem Haus hörte.
Nicht das von Aiden und Leonie, sondern Jake und mir. Ich erkannte es allein dem Geräusch nach.
Aiden trug mich, mit immer noch geschlossenen Augen, den Flur entlang.
Bis ins Badezimmer.
„Leonie?"
Hörte ich ihn fragen. „Ich bin da. Ich mach das."
Hörte ich die vertraute Stimme und öffnete die Augen.
Das grelle Licht blendete mich und ich konnte die weissen Fliesen des Bodens ausmachen, auf dem mich Aiden langsam und vorsichtig absetzte.
Als er mich loslassen wollte, krallte ich mich an ihm fest. Ich hatte dafür keine Erklärung. Ich wollte einfach nicht, dass er weg ging.
„Es ist okay, Kätzchen. Ich bin hier."
Er strich mir über die Wange, während ich das Gesicht hob um ihn anzusehen. Ich sah Schmerz in seinen Augen und Besorgnis.
„Ich..."
Setzte ich an und er nickte nur mit einem matten Lächeln.
„Ich weiss."
„Komm Jessy, wir machen dich sauber."
Flüsterte Leonie neben mir und fasste mich an den Handgelenken an.
Ich runzelte die Stirn. Wieso sauber? Ich war doch sauber.
Ich blickte an mir hinunter und sofort beschleunigte sich mein Atem.
„Oh mein Gott."
Hauchte ich.
Ich sah es erst jetzt. Zuvor war es mir nicht aufgefallen, weil es unwichtig gewesen war.
Aber jetzt war es da. Markus Blut. An mir. Überall an mir.
Es war verschmiert an meinem nackten Bauch. Es klebte an meinem Hals und meinen Armen. Ich blickte zitternd meine Hände an. Rostrotes getrocknetes Blut.
Ich verzog den Mund und begann unkontrolliert zu zittern.
„Macht das weg."
Stiess ich hervor und schüttelte wild mit dem Kopf.
Meine Stimme klang panisch und mein Hals schnürte sich zu.
„Jessy, du musst dich beruhigen, bitte!"
Flehte Leonie ratlos und blickte dann ihren Bruder an.
„Was ist los mit ihr?"
Ich würde sterben. Hier und jetzt. Auf der Stelle.
In meinem Kopf drehte sich alles und ich schnappte nach Luft.
Ich spürte das Blut an mir. Es war überall. Es brannte.
„Macht es weg."
Kreischte ich und rutschte weiter zurück, als könnte ich mir so selbst entfliehen.
„Sie hat eine Panikattacke."
Kam es von Aiden. Er verhielt sich ganz ruhig und hielt mich fest.
Er hob mein Kinn an und zwang mich, in seine grünen Augen zu sehen.
„Sei jetzt ruhig." Sagte er bestimmt. Mein Körper gehorchte aus unerfindlichen Gründen.
Ich wimmerte.
„Bitte, mach es weg. Aiden. Bitte."
In seinem Blick zuckte kurz etwas auf, dann nickte er.
„Okay."
Dann hob er mich kurzerhand hoch und stellte mich mit allen Kleidern am Leib in die Dusche.
„Was soll das Aiden?"
Rief Leonie noch, doch da hatte er das Wasser schon angeschaltet.
Heiss prasselte es auf meinen Kopf hinunter und ich zuckte zusammen.
Ich öffnete den Mund, doch es kam kein Ton heraus.
Dann sah ich, wie sich unter meinen Füssen eine rote Lache bildete. Ich beobachtete meine Beine, von denen das Blut abgewaschen wurde und hörte auf zu zittern.
„Ich gehe jetzt raus. Es sollte jetzt gehen. Ich bleibe die Nacht über unten. Falls etwas ist."
Hörte ich Aiden noch sagen, dann schloss sich die Türe.
Und ich und Leonie waren allein. Sie half mir, mich aus den klebrigen Klamotten zu schälen und half mir, meinen Rücken zu waschen. Ich benutzte fast die ganze Seife, die wir besassen. Immer und immer wieder schrubbte ich mir meine Glieder ab, bis sie wund waren.
Dann wickelte ich mich in ein Badetuch und lief mit zitternden Beinen in mein Zimmer. Leonie war die ganze Zeit bei mir. Wir schwiegen und doch hoffte ich, dass sie wusste wie unendlich dankbar ich ihr war.
Ich wusste selbst nicht, was mich da vorher gepackt hatte. Doch ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Jetzt ging es wieder. Aber der Schmerz war noch da. Und er war unglaublich stark.

Ich hatte einige Stunden geschlafen. Glaubte ich jedenfalls. Als ich auf die Uhr sah, war es vier Uhr morgens.
Meine Glieder schmerzten, als ich mich aufsetzte.
Ich blickte in die Dunkelheit meines Zimmers.
Ich hatte heute etwas Schreckliches erlebt. Ich hatte jemanden in meinen Armen sterben sehen und ich war machtlos gewesen. Ich war die Schuldige am Tod eines Freundes. Ich zerbrach innerlich, wollte mich winden und mir die Haare raufen. Aber alles, woran ich gerade denken konnte war Aiden. Seine beruhigende Nähe. Wie er mich gehalten hatte, als ich zusammen gebrochen war. Als würde er nicht zulassen, dass mir jemals wieder etwas passieren würde.
Dieses Gefühl brauchte ich jetzt.
Es war keiner meiner stärksten Momente, aber ich hatte gerade nicht die Kraft, meine Idee zu verurteilen.
Also schlug ich die Bettdecke zur Seite und hievte mich auf die Beine.
Dann tapste ich aus meinem Zimmer und den langen Flur entlang. Es war dunkel. Im Haus war es ganz leise.
Links und rechts hingen Unmengen von kaputten Rahmen mit vergilbten Bildern. Ich wollte sie mir nicht ansehen, denn Dad könnte drauf sein. Ich würde es nicht verkraften, ihn jetzt zu sehen.
Ich sah auf das abgelaufene Holz der Treppe, welches schon einige Vertiefungen in der Mitte aufzeigte.
Ich lief sie schnell hinunter, doch sie verriet mich trotzdem. Es knarrte ziemlich laut.
Langsam sah ich hoch, wobei ich inmitten meiner Bewegung erstarrte.
Auf der Couch im Wohnzimmer, in dem noch Licht brannte, dass Aiden.
Er starrte geradeaus, bewegte sich nicht.
Neben ihm, an ihn gekuschelt lag Ellie und schlief seelenruhig.
Er liess es zu. So kam es jedenfalls rüber, denn er hatte seine Hände zu Fäusten geballt und auf seinem Beinen platziert.
Ich sah ihm an, dass er trauerte. Auf seine Weise. Gerne hätte ich ihn jetzt in den Arm genommen. Aber das war ja nicht möglich. Er hatte eine Freundin. Und sie war hier.
„Jessy?"
Aiden drehte den Kopf und ich schluckte. Ich musste aussehen wie ein Häufchen Elend.
„Ich..."
Setzte ich an. Ich wusste ja auch nicht, was ich jetzt sagen sollte.
Elli regte sich, blinzelte einige Male und entdeckte mich dann ebenfalls. Gähnend streckte sie sich und schlang dann ihren Arm um den ihres gut-aussehenden Freundes.
Ihr rotes, sehr gehorsame Haar fiel ihr in engen Locken über die schmalen Schultern, wie immer sah alles perfekt aus. Und das um vier Uhr morgens. Ich wollte gar nicht wissen, wie ich gerade aussah.
Wir starrten uns eine Weile an und unsere gegenseitige Verachtung war nicht zu übersehen.
Ausser man war blind. Nein, sogar dann würde man es merken.
Langsam drehte sich Aiden um und stützte seine Ellbogen auf die Lehne ab, worauf Elli ihn wohl oder übel loslassen musste. Aber nur unter leisem Protest.
"Geht es dir gut? Ist etwas passiert?"
Er sah mich an und sein Blick zeigte, dass er es wirklich wissen wollte. Ellie sah nur angemuffelt von ihm zu mir.
Ich fuhr mir durch die Haare. Wo blieb meine schlagfertige Seite ab, wenn ich sie mal brauchte?
"Sorry, ich...ich wollte einfach nicht allein sein."
Setzte ich an, ohrfeigte mich dann aber innerlich, als Aidens grüne Augen um das tausendfache sanfter wurden. Wieso entschuldigte ich mich auch, es war mein eigenes Haus.
Aiden sagte nichts. Er konnte ja auch schlecht fragen, ob ich mich zu ihm setzen wollte.
Ich war enttäuscht von ihm. Als er mich in seinen Armen gehalten hatte. Als er jeden angeknurrt hatte, der mir zu nahe gekommen war hatte ich gedacht...Aber offensichtlich hatte ich falsch gedacht. Denn kaum hatte er mich angesetzt war er wieder zu seiner Freundin geeilt.
Wir schwiegen alle drei.
„Geht es dir gut?"
Fragte Aiden dann nochmals und suchte meinen Blick.
Ich starrte ihn reglos an.
„Ja."
Ich atmete langsam ein und aus.
„Markus ist tot. Und wir konnten ihn nicht retten. Weil wir verdammt nochmals zu spät waren. Mir geht es super."
Der Schwall an Wörtern platzte einfach so aus mir heraus.
Aiden nickte und senkte den Blick.
„Ich weiss. Ich kenne diese Schuldgefühle, aber du bist nicht schuld an..."
„Was?"
Ellie unterbrach ihn, indem sie sich geschockt die Hand vor den Mund hielt.
Mein müder Blick wanderte zu ihr. Irgendwie hatte ich gerade nicht die Kraft dafür, sie anzuzicken.
"Jemand ist gestorben?"
Fragte sie und schüttelte den Kopf.
Eine einzelne Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und zog auf ihrem Weg über ihre Wange etwas schwarze Mascara mit sich.
"Oh Gott, wie grausam!"
Ihre Lippen verzerrten sich. Sie schmiegte sich an Aiden und schniefte. Dieser sass nur versteift da.
Mein Mund stand offen und kurz kapierte ich nicht, was da gerade lief.
Nach einer Weile löste sie sich wieder und wischte sich die Träne aus dem Augenwinkel. Sie seufzte und überschlug die Beine. „Immer wieder schlimm sowas. Wie hiess er noch gleich? Marlon?"
„Was soll das Ellie."
Knurrte Aiden und schon sie unsanft von sich.
Ich stand noch immer entgeistert da.
Er blickte mich prüfend an, als ob er bereits wusste, was ich als nächstes tun würde. Sein Blick sagte etwa soviel wie: Beherrsch dich, oder, tu es nicht.
Und ob ich etwas tun würde. Darauf konnte er jedes Gift der Welt schlucken.
Diese Schlampe hatte es gewagt sich am Leid meines Freundes zu laben. Sie hatte nicht das Recht, zu weinen. Sie kannte ihn nicht und wusste nicht einmal, wie er hiess. Das war eine falsche Nummer, die sie hier abzog.
Ich starrte sie nur an und spürte, wie sich die Wut in mir regte. Die Wut, die den Schmerz in mir betäubte, zumindest für einige Sekunde. Ich wollte sie überall spüren, die Wut, wenn nur der Schmerz dadurch verschwand.
Und ja, ich war es. Ich war rasend vor wut.

Ihr lacht mich aus, aber ich musste beim Schreiben des Kapitels weinen, haha. Mich berührt das ganze eben auch, das läuft in meinem Kopf ab wie ein Kinofilm :) Ich hoffe, euch hat es auch etwas berührt und dass ihr hetzt gespannt auf weitere Kapitel wartet! Und beobachtet, wie sich Jessy von einer Anfängerin immer mehr in eine starke Frau verwandelt. Wer denkt, er könne den Tod einer Person vor seinen Augen einfach so wegstecken, irrt sich gewaltig. Und Jessy hat das an eigenem Leib erfahren...
Alles liebe und viel Spass beim Weiterlesen!
Angora77

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