∞ 33 Tödliches Lotto

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Leonies Stimme wurde wieder lauter und deutlicher, die Leere in die ich vor wenigen Sekunden noch gestarrt hatte, füllte sich mit weit entfernten grauen Häusern, Sperren und vielen Menschen, die alle zu uns hier hoch sahen.
Doch wahrscheinlich hätten sich Godzilla und Megalodon eine erbitterte Schlacht liefern können, und dennoch würde mein Blick nicht von ihm weichen.
Garrison.
Ich hatte mit ihm immer ein schreckliches, schauriges Gefühl verbunden, aber wahrscheinlich hatte ich es verdrängt. Jetzt war mir auch klar wieso Jake diesen Mann so sehr verachtete. Aber er hätte es mir sagen sollen. Mich nicht im Dunkeln lassen sollen.
Ich nahm mir vor mit meinem Bruder zu reden, ich wollte die gesamte Geschichte wissen.
Der Blick des Generals traf mich mit voller Wucht.
Seine grauen Augen erinnerten mich an das Ereignis damals, sie zeigten denselben Ausdruck, bloss noch kälter und unberechenbarer.
Ich erinnerte mich an mein Versprechen an mich selbst. Ich würde Garrison jagen, ich würde ihn jagen und töten. Ich würde ihm alles zurück geben was er mir, uns, angetan hatte. Ich wollte dass er all das Leid erfuhr, das mir zuteil geworden war.
Doch was half Rache eigentlich? Es holte meinen Dad auch nicht zurück, es machte mich nicht zu einem besseren Menschen oder gab mir etwas zurück, was gut für mich wäre.
Das einzige was es mir brachte war die Gewissheit, dass er dafür bezahlt hatte, und vielleicht Erleichterung.
Ich wippte leicht mit dem Kopf hin und her und schickte ihm mein stummes Versprechen hinunter. Er verstand es. Er wusste genau, dass ich mich erinnerte. Ein kühles, feines Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. Doch bald würde er nicht mehr lächeln. Denn ich wollte mein Versprechen halten. Und dafür würde ich alles tun.
"Jessica! Pass auf!"
Ich zuckte zusammen und drehte mich ruckartig um, denn in Leonies Stimme klang nun echte Panik mit.
Ich brauchte eine Sekunde um einzuordnen was gerade passierte, nachdem ich mehrere Sekunden in einer Erinnerungswelt verbracht hatte und dieses kurze Zögern war bereits zu viel.
Keiner der Polizisten stand mehr aufrecht. Sie alle waren zu Boden gegangen, obwohl auch einige der Jungs ziemlich übel zugerichtet aussahen. Vor allem Leon. Aber das war es nicht, wovor Leonie mich warnen wollte.
Es war Dylan. Er stolperte nach hinten, rückwärts auf mich zu, als Aiden und Lucas ihn immer weiter zurück drängten.
Dylan bemerkte mich nicht. Und ich bewegte mich nicht, weil ich die Panik in Aidens Augen sah.
In diesem Moment wusste ich, dass etwas übles geschehen würde.
Aiden streckte noch seine Hand aus um nach Dylan zu greifen, doch dieser hatte seinen Halt bereits verloren. Sein grosser Körper knallte gegen meinem und der Schwumg des Aufpralls riss mich von der Plattform, an deren Ende ich gestanden hatte. Es riss mich einfach von den Füssen. Und dann schwebte ich im Nicht. Ich sah nur Dylan, wie er an mir vorbei stürzte.
Kalte Luft umgab mich und versprach, mich auf dem Weg nach unten zu tragen. Der Wind strich verführerisch um meine flatternden Haare. Von der Plattform hörte ich einen Aufschrei, oder war ich es gewesen? Keine Ahnung. Es hatte sich irgendwie alles verlangsamt.
Dicht neben mir sah ich Dylan, seine Augen waren geweitet. Darin leuchtete die Todesangst. So sah man also aus, wenn man wusste dass es aus war. Blickte ich ihn genauso an?
Ich wünschte mir, noch nicht gehen zu müssen. Ich hatte einige Versprechen einzuhalten. Ich wollte noch so viele Erfahrungen machen. Ich wollte noch so viel Zeit mit Aiden, Jake und den anderen verbringen. Aber so würde es wohl nicht kommen.
Die Schuhe der anderen verschwanden langsam aus meiner Augenhöhe und ich hörte die Menge aufschreien. Ich schloss die Augen.
Ich wollte sie nicht sehen, wie ich aufprallte. Kämpfe, flüsterte meine innere Stimme, aber wie denn? Ich flog durch die Luft, haltlos und alleine.
Ich musste Frieden damit schliessen. Neben mir sah ich plötzlich Markus. Ein schimmerndes, fast durchsichtiges Abbild seiner selbst.
Er sah gesund aus, genauso Frech wie an dem Tag an dem er gefasst worden war, seine Hosen noch in demselben schmutzigen Grün.
Er lächelte mir zu, in seinen Augen lag keine Angst, und auch seine Haare flatterten nicht, er war einfach neben mir. Wie ich damals bei ihm. Er war da um mih ab zu holen. Um mir helfen zu gehen und los lassen. Davon war ich überzeugt.
Aber wollte ich das?
Nein, ich wollte noch nicht weg, nicht jetzt.
Als würde er sehen was ich dachte, strich er mir übers Gesicht, ich spürte nichts, aber dennoch verstand ich seine Geste, er war für mich da, und würde es immer sein.
Wie auf Kommando verschwand die Zeitlupe, meine im Wind umherschwirrende Arme verpassten knapp das Gitter der Platzform, und schürften sich auf.
In letzter Sekunde packte eine starke Hand meinen Arm. Ich öffnete die Augen. Diese Hand konnte ich spüren. Sie war aus Fleisch und Blut und nicht bereit, loszulassen.
Ich baumelte in der Luft, eine Hand noch immer in fünfzig Metern Höhe herumfuchtelnd und spürte wie sich zwei Hände um meine Beine schlossen. Auch sie waren nicht bereit, loszulassen.
Ich hob den verschleierten Blick und sah in seine grünen Augen.
Sie blitzten, aber nicht vor Freude, Wut oder Kälte, sondern vor Angst. Reine Angst. So hatte ich Aiden noch nie gesehen.
„Ich hab dich."
Stiess er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Sein Gesicht war vor Anstrengung verzerrt und sein Arm war bis aufs äusserste Gespannt. Die Venen traten unter der gebräunten Haut hervor.
Ich spürte den Zug an mir, die Last, die Dylan ausmachte, wie er an meinem Beim hing wie ein Klotz.
Leonie schluchzte laut und legte sich neben Aiden auf die Plattform. Ihr Arm war kürzer und sie konnte mich bloss anstarren, die Tränen liefen ihr heiss übers Gesicht. Hinter Aiden formierten sich die anderen. Die die noch konnten, zogen Aiden mit aller Kraft nach hinten, sodass er nicht ebenfalls von der Plattform rutschte.
Ich spürte wie mir trotz meiner Situation warm ums Herzen wurde.
Die die ich Liebte, sie wollten mich nicht gehen lassen. Sie wollten um mich kämpfen.
Jake liess die Platzform wackeln, als er sich auf den Bauch fallen liess, und den Arm nach mir ausstreckte. Auch in seinen Augen sah ich Angst. Angst mich zu verlieren. Er war verzweifelt und genauso hatte er ausgesehen, als ich damals weg gebracht worden war.
Dieses mal würde ich ihn aber nicht verlassen. Niemals.
Ich streckte langsam die Hand nach oben, ich hatte noch nie etwas so Anstrengendes getan.
Er schaffte es, meinen anderen Arm zu packen, worauf ich gefährlich schwankte, und erneut gingen Schreie durch unser Publikum weit unten.
So hing ich dort in der Luft, Dylan an meinem Bein und Aiden und Jake, die versuchten mich mit aller Kraft fest zu halten.
Wieso man keine Verstärkung gerufen hatte, wusste ich nicht. Die Feuerwehrmänner waren ebenfalls nirgends zu sehen, riefen sich unten bloss Befehle zu. Irgendetwas schien mit dem Aufspannen des Fallnetzes nicht zu stimmen.
Doch von alledem zählte sowieso nichts.
Alles was zählte fand hier oben statt. In dem unsichtbaren Ring, indem wir gerade alle gegen den Tod kämpften, der unweigerlich nach mir griff um mich zu sich nach unten zu ziehen.
Dass sie das nicht zulassen würden, wusste ich, aber sie konnten mich nicht ewig festhalten, ohne mit mir in die Tiefe gezogen zu werden.
Und das wussten sie.
„Aiden." Der Name kam mir wie von selbst über die Lippen.
"Nein, ich lass dich nicht los", Aidens Augen schimmerten verdächtig, und dennoch blieb sein Gesichtsausdruck angespannt.
"Nicht weinen", presste ich hinaus, meine Stimme klang rau und ich sah Leonie an, die sich die Hand vor den Mund hielt und lauter schluchzte als zuvor.
Ich spürte mein Herz klopfen, den schnellen, fast rasenden Schlag, er dröhnte mir in den Ohren und die Schreie unter mir wurden leiser und unwirklicher.
Ich sah auf die beiden verschwitzten Hände, die meine glatte Jacke an den Ärmeln umfassten. Sie waren rot, blaue Sehnen standen vor Anstrengung hervor.
Ich rutschte einige wenige Zentimeter nach unten, erneut sprang die Panik des Publikums auf mich über.
Leonie schrie leise auf uns Jake biss die Zähne zusammen, sodass ich die unglaubliche Anstrengung noch mehr wahrnehmen konnte.
Es tat mir leid, dass sie das fühlen mussten. Die Angst. Aber mein Kopf war wie blockiert. Ich begann auf einmal zu frieren und zu zittern, was es den beiden schwerer machte, mich festzuhalten.
Ich wollte es nicht, aber ich konnte nicht damit aufhören, mir war so kalt.
Meine Füsse und Hände spürte ich schon längst nicht mehr, aber Aidens sanfte, jedoch leicht zitternde Stimme erklang, worauf ich mich beruhigte. Es war als würde mein Körper ihm vertrauen, dass er ihn aus dieser Situation retten konnte.
"Kätzchen, sie mich an und nicht nach unten", flüsterte er und ich fixierte seine Augen, nichts anderes, nur das, mein Körper bewegte sich leicht im Wind und ich konnte Dylans vor Anstrengung zitternde Hände spüren, die sich an mich krallten. Er atmete schwer unter mir. Er hatte jetzt auch Angst, aber im Gegensatz zu mir, konnte er sich nur an jemandem fest halten.
Erneut rutschte ich ein Stück hinunter, und Aiden folgte mir ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.
Er machte die verlorenen Zentimeter wieder Wett, in dem er sich weiter über den Rand lehnte, die Haare klebten ihm an der Stirn, und auch Jake robbte weiter über die Brüstung. Sie zögerten nicht.
Ich konnte die Leute unten tuscheln hören, laute Stimmen sprachen und dennoch konnte man in dem Gewirr keinen ganzen Satz erkennen.
"Nicht weiter vor", flüsterte ich, ich wusste dass ich sie sonst mit ziehen würde.
Lucas und Sam und Kenna hielten sie an den Füsse zurück, doch auch Ihnen stand Erschöpfung ins Gesicht geschrieben, die nicht nur von den Verletzungen herrührten.
"Noch viel weiter wenns sein muss", knurrte Aiden und die allbekannte Sturheit trat in seine Augen, was mir ein winziges liebevolles Lächeln hervor lockte. Was für ein Idiot.
Aber es verschwand gleich wieder, ich spürte nun wieder jeden Zentimeter meines Körpers und konnte frei denken.
Ich spürte den Sog, das Zerren an beiden Seiten und mir wurde es klar.
Ich konnte sie mit mir nach unten ziehen. In den Tod. Und ich würde es auch tun, wenn ich mich nicht schnellstens entschied, denn erneut mussten sie ein Stück mehr von der Plattform runter beugen.
Ich war zu schwer, sie konnten mich nicht viel länger halten, aber keiner würde los lassen, also würden sie mit mir fallen.
Aber wenn Dylan nicht mehr an mir hängen würde, dann würden sie mich hoch ziehen können.
Ich hatte mir geschworen, mich bei Dylan für seinen Verrat zu rächen, aber nicht so.
Ich wusste nicht, ob ich es konnte. Ich wusste nicht ob ich ihn von mir stossen konnte, mit dem Wissen, ihn in den Tod zu schicken.
"Jessy", zischte Jake. „Tritt ihn." Ihre Hände rutschten immer weiter ab. Von meiner Jacke zu meinen Knöcheln, bis sie nur noch meine verschwitzte und klamme Handfläche hielten, die weiterhin langsam abrutschte.
Ich atmete langsam und wusste, dass ich mich jetzt entscheiden mussten. Jetzt, denn sonst würden wir alle vier fallen.
Ich konnte los lassen, somit sie beide Retten, ohne Dylan alleine in den Tod zu schicken. Ohne mit dem Gewissen leben zu müssen, einen ehemaligen Freund getötet zu haben.
Oder ich schüttelte Dylan ab, und wir anderen kamen davon.
Es war wie ein tödliches Lotto Spiel, nur entschied es nicht über Millionen, sondern über mich. Über mich, wie ich sein wollte und was ich bereit war zu opfern. Für mein eigenes Leben.
Es ging um eine einzige Entscheidung. Und ich musste sie jetzt fällen.
Ich dachte nicht mehr nach, als ich den Blick von Aidens Augen abwandte.
Ich hasste mich dafür, aber ich hatte mich entschieden. Meine Familie, ich oder Dylan. Viele hätten jetzt einen heldenhaften Plan erwartet, oder dass ich uns beide noch irgendwie retten würde.
Aber das war das Leben. Und ich war keine perfekte Fantasy-Figur.
Ich stand vor der Entscheidung von der alles abhing, und ich hatte sie getroffen. Er hätte an meiner Stelle nicht gezögert.
Als er da in den Reihen der Polizisten stand, hatte er sich gross gefühlt. Er wusste dass er am längeren Hebel stand, und hatte es genossen. Er hatte sogar auf mich geschossen.
Doch jetzt hing sein Leben an einem seidenen Faden. Wortwörtlich. Wieso sollte ich jetzt zögern? Er hätte jeden getötet. Und jetzt wollte er dass ich mit ihm fiel.
Ich senkte den Blick auf ihn, seine blauen Augen sahen mich an.
In ihnen blitzte Erkenntnis auf und der letzte Hoffnungsschimmer wich, als ihm bewusst wurde, was ich tun würde.
"Nein, Jessy nicht, bitte, ich flehe dich an", seine Stimme klamg kratzig und schriller als sonst, ich spürte wie sich seine Nägel in mein Bein bohrten, und biss mir auf die Lippe, als sich meine Sicht erneut verschleierte. Er versuchte, an mir hochzuklettern.
Was war ich nur für ein Mensch, ich tat ihm dass an, und er würde noch fünfzig Meter lang leiden, mit dem Wissen auf zu prallen.
Ich wünschte ihm nicht diesen Tod nicht, aber es war mein Instinkt.
Ich wollte nicht dass meine Familie starb, und ich wollte auch nicht dass ich starb.
Wir oder er.
"Es tut mir leid", flüsterte ich. Ich hob langsam meinen linken Fuss aus seiner Umklammerung.
"Oh Gott", wimmerte ich, mein Herz raste und ich spürte physische Schmerzen. Ich wusste, dass ich es so nicht schaffen würde. Ihn an zu sehen und hinunter zu stossen, wenn ich daran dachte wie sein Leben enden könnte.
"Jessy", wimmerte nun Leonie von oben, Jake stöhnte kurz auf, liess mich aber nicht los.
Und das war der Ansporn.
Ich schluckte und schluchzte leise, und legte den Schuh auf seinem Arm, der sich noch mühevoll an mich klammerte.
"Vergib mir", flüsterte ich.
Dann trat ich ihn weg.
Ich spürte wie etwas in mir zersprang, in dem Moment, als er mich losliess.
Die Last löste sich von mir, und ich folgte ihm mit meinem Blick.
Er starrte mich an, die Arme und Beine flogen leicht nach oben, den Rücken hatte er der Erde zu gewannt.
Schreie ertönten am laufenden Band und die Menge hörte nicht mehr damit auf.
Sein Blick liess mich nicht mehr los, ich wagte es aber nicht, in seine Augen zu sehen, aus Angst zu entdecken was er jetzt fühlte.
Seine Haare flatterten, ich sah wie er sich dem Boden langsam näherte, die Feuerwehrleute wurden hektischer und brüllten sich gegenseitige Befehle zu.
Das Netz war noch nicht fertig gespannt, es hing erst halbwegs gespannt in der Luft, aber sie würden ihn auch so nicht retten.
Die Rot gekleideten, kleinen Männchen verteilten sich an den Vier ecken und stemmten sich gegen die schweren Gewichte, während sie gemeinsam an den Seilen zogen.
Das Netz spannte sich etwas mehr, aber nicht so wie es sollte, das war ihren Gesichtern trotz ihres konzentrierten Ausdrucks abzulesen.
Ich sah über meine Füsse hinweg nach unten, wo jetzt Dylan aufschlug.
Er prallte in voller Geschwindigkeit auf das Netz, die Feuerwehrmänner wurden beinahe mitgerissen und konnten die Stellung nur mit Mühe halten.
Das Netz bremste ihn, das konnte ich erkennen.
Doch es war nicht vollständig gespannt.
Die Männer schafften es lang genug, ihn oben zu halten, um ihm an die drei-viertel seiner Fallgeschwindigkeit zu nehmen, aber wurden schlissendlich doch mit gerissen, und Dylan fiel zu Boden.
Es gab keinen wiederhallenden Aufprall oder umherspritzendes Blut, wie ich es mir vorgestellt hatte, er schlug bloss auf dem Boden auf, während ein Ruck seinen Körper durchfuhr.
Dann blieb er liegen, die Beine verrenkt und die Arme eng an sich gepresst.
Gekrümmt lag er da,  und ich sah wie die Rettungskräfte mit Barren und erster Hilfe auf ihn zu rannten, und sich so über ihn beugten, dass ich ihn nicht mehr erkennen konnte.
Dann wandte ich mich von dem Geschehen ab und spürte wie mich Aiden und Jake nach oben zogen, bis ich schwer atmend und hustend auf der Plattform ankam, und gegen Aiden fiel.
Er fing mich auf und ich spürte das Zittern, welches ihn durchfuhr.
Ob es Erleichterung war oder einfach die erschöpften Muskeln wusste ich nicht, aber ich krallte mich fest um seinen Hals und vergrub mein Gesicht neben seinem. Ich konnte die Tränen nicht bremsen, mein Körper zitterte wie Espenlaub.
Sein Atem ging angestrengt, aber er legte seine Arme um meinen Rücken und drückte mich näher an sich, während ich seinen Duft einsog, und mich seine Nähe langsam beruhigte.
Ich lebte noch, und ich war weitgehend unverletzt.
Stattdessen lag jetzt Dylan schwer verletzt dort unten. Und das alles nur wegen meiner Entscheidung.
Aiden halt mir langsam aber bestimmt auf die Beine, während sich die anderen daran machten, die schmale und ungesicherte Treppe nach unten zu laufen.
Allen glänzte der Schweiss auf den Gesichtern, ihre Haut war Blut verkrustet  und schmutzig, die Kleidung an manchen stellen zerrissen.
Leon schleppte sich bloss mit grosser Mühe über die Stufen, und wurde von Sam und Kenan gestützt.
Jake drückte mich kurz eng an sich. Es tat so gut, meinen Bruder fest zu halten. Ich merkte genau, dass es ihm nicht passte, mich wieder los zu lassen, aber wir mussten weg sein bevor sich der Trubel um Dylan legte. Das war unsere einzige Chance hier zu verschwinden.
Ich griff nach Aidens Hand und stieg vorsichtig die Stufen hinunter.
Sie war noch immer klamm und etwas heller als sein Arm, und ich versuchte sie auf zu wärmen.
Der Boden unter den vergitterten Stufen drehte sich und ich sah schnell auf Lucas Rücken, der direkt vor mir lief, um mein Schwindelgefühl wieder in den Griff zu bekommen.
Es war ja schliesslich nicht mein Ziel gewesen, einen fast 50 Meter Sturz und meinen eventuellen Tod zu verhindern, nur um dann kläglich von einer Leiter zu fallen.
Ich lief also weiter und war gezwungen Aidens Hand los zu lassen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Immer näher kam der Boden und nun versperrte mir allmählich das Grün der Gebüsche vor uns, die uns aber auch gleichzeitig vor ihnen versteckte, den Blick auf die Zuschauer und Garrison.
Soeben hatte Lucas den Boden erreicht und seine Haltung konnte ich so deuten, dass er froh war, wieder festen uns sicheren Boden unter den Füssen zu haben. Das Grüne Dickicht das sich am Rand des Vergnügungparks als Grenze zur Aussenwelt erstreckte, tarnte uns.
Meine Beine zitterten und auf der zweitletzten Stufe wich die Kraft aus ihnen.
„Scheisse", fluchte ich leise und stolperte. So schwach.
Doch bevor ich den Kopf überhaupt gegen den Boden richten konnte, hatte mich Lucas mit einem unglaublichen Reflex gepackt und schnell von der gefährlichen und mörderischen Treppe weg gezogen.
Er hielt mich bloss leicht fest als er mich wieder auf die Beine stellte aber ich fühlte mich ihm dennoch zu nahe, denn mein Herzschlag war ganz und gar nicht ruhig, was allerdings wahrscheinlich an dem Vorfall von vorhin lag.
Ich hob langsam den Kopf und sah in seine blauen Augen. Sie umfassten noch immer die Weite eines Gletscher- Sees, und auch er betrachtete mich.
Doch dann richtete sich sein Blick hinter mich und sein Kiefer spannte sich an, bevor er zurück trat und mich los liess.
Abrupt und ohne ein Wort zu sagen drehte er sich um und ging zu Sam und Kenan, die noch immer Leon stützen, der inzwischen ziemlich bleich geworden war, im Gegensatz zu seiner Hose, die sich dunkelrot verfärbt hatte, sowie auch ein teil seines Shirts. Er erinnerte mich an Markus.
Verwirrt und geschockt von dieser Aktion blieb ich stehen und rührte mich erst wieder als Aiden, einen Tick zu schnell an mir vorbei Schritt und dabei die Knöcheln knacksen liess, bevor er sich zu Fabio gesellte, der schweigend etwas abseits stand und sich den Arm hielt.
Ich schloss die Augen und schickte Stossgebete in den Himmel, dass ich nicht wie ein Weichei an Ort und Stelle zusammenbrechen würde.
Leon schien es echt schlecht zu gehen. Einige der anderen waren ebenfalls verletzt, aber ich konnte nichts ernstes erkennen.
Leonie legte mir als Zeichen ihres Verständnisses die Hand auf den Arm und sagte dann: "Wir müssen gehen, Jess. Bevor die Presse oder Verstärkung hier eintrifft."
Kenan schnaubte und zog sein blutiges Bandana aus den Haaren.
„Die Presse? Das ist sowieso egal, die ganze Stadt kennt nun die Black Angels."
Ich lächelte leicht, jedoch sah es ziemlich gequält und jämmerlich aus, sodass ich es lieber sein liess. Ich wollte einfach stark wirken.
Stattdessen hörte ich Jake zu, der jetzt wieder klaren Kopf zu fassen schien, wie sooft in schwierigen Situationen.
"Das ist gut. Das stärkt unser Image gegenüber den Survivor. Und es wirbt neue Leute an."
Ich schwieg und Leonie fuhr sich entgeistert über die Haare. Schmutz klebte an ihnen.
„Das ist es, an das du gerade denken kannst? Wirklich?"
Jake sat sie nicht an. Er redete einfach weiter.
„Aber in diesem geschwächten Zustand sollten wir den Survivors besser nicht begegnen. Wir müssen uns nach Hause verziehen und weitere Mitglieder zusammenrufen, damit sie uns beschützen, während wir uns erholen."
Das klang gut. Aber Leon machte uns einen Strich durch die Rechnung.
„Verdammt man, er ist ohnmächtig geworden! Er braucht echt einen Arzt!"
Kam es von Lucas, der seinen Freund stützte.
„Kenan, bekommst du das hin?"
Fragte Jake forsch, doch der dunkelhäutige grosse Typ hob die Hände.
„Ich will nicht mit seinem Leben spielen. Ich bin kein Arzt."
Es passte keinem von uns, dass wir uns nicht schnellstens nach Hause verziehen konnten, aber Jake tat das einzig richtige.
„Okay. Fabio, Knut, Sam und Simon, ihr geht vor und alarmiert die Gang. Sie sollen wachsam sein, falls die Survivor etwas versuchen. Der Rest kommt mit mir ins Grace Memorial Hospital. Das ist nahe und ein kleines Spital, dort wird Leon versorgt werden."
Die besagten machten sich sofort auf den Weg und huschten leise durch die Dunkelheit weg, während ich zweifelnd zu meinem Bruder sah.
„Aber, werden sie uns nicht abweisen, wenn sie wissen, wer sie sind?"
Lucas sag ziemlich grimmig aus. Er würde nicht zulassen, dass er seinen besten Freund verlor.
„Das werde ich nicht zulassen."
Aiden nickte bloss. Da waren sie ausnahmsweise einer Meinung.
Ich schluckte und beobachtete die Umgebung, als wir an dem Strom Versorgung Bunker vorbei schlichen.
Ich spürte wie mein müder Körper schmerzte und meine Arme noch immer höllisch brannten, doch ich war noch einigermassen gut davon gekommen, denn auch die Streifschüsse brannten nicht mehr  all zu sehr.
Vor uns lag ein alter mit Kieseln übersäter Parkplatz, alte Autos und einige Putzmaschinen lagerten hier und die Hecke darum machte bloss den Weg zum Häuschen frei und zur Strasse. Sie war leer, vereinzelt rauschte mal ein Auto vorbei. In der Nacht waren die Bronx leer. Zumindest an den öffentlichen Plätzen.
Meine Schritte knirschten und auch die anderen stapften durch die Kieselsteine, Aiden und Jake machten sich an einem alten, von rötlichem Rost bezogenen Land Rover zu schaffen. Bald hörte ich ein metallisches Klicken, während sie die Türen öffneten.
Lucas kniete sich unter das Lenkrad und hantierte mit allerlei blauen und roten Drähten.
Mit einem Brummen sprang kurz darauf der Motor an und ratterte laut.
"Was für eine Schrott Kiste", hörte ich Leonie fluchen, während Leon gerezit erwiederte: "Sorry, dass hier kein Ferrari für dich bereit steht, wäre ja von einem solchen Platz zu erwarten gewesen."
Die Ironie in seiner Stimme war nicht zu überhören.
„Hey, mach sie gefälligst nicht so an, verstanden!"
Sofort stand Aiden neben seiner Schwester und Leon hielt die Klappe. Seine Lippen waren trocken und farblos, das Sprechen fiel ihm ohnehin schwer.
"Na los steigt ein", meldete ich mich zu Wort als jeder in der kühlen Nacht stehen blieb und sich bloss umsah. Nicht sicher, was als nächstes zu tun war.
Während die anderen einstiegen, setzte ich mich ans Lenkrad, und hielt entschlossen die Hand hoch, als Jake gerade zu einer Rede ansetzen wollte.
"Ich bin am wenigsten verletzt und es ist mir scheiss egal dass du besser fährst. Setz dich hin."
Ausnahmsweise liess er mich gewähren.
Ich wartete, bis sich alle Türen geschlossen hatten und rückte dann auf dem schwarzen, an einigem Stellen auf gerissenem Sitz herum, bevor ich den Rückwärts Gang einlegte und eilig ausparkte, der ratternde Motor noch immer im den ohnehin schon dröhnenden Ohren.
Dann trat ich aufs Gaspedal und achtete nicht auf das Quietschen der Reifen, als sie sich in Bewegung setzten und Kieselsteine an die Wände prasselten.
Ohne nach links zu sehen bog ich auf die Strasse und schlug das Lenkrad nach rechts, um einem uns entgegen kommenden Fahrzeug aus zu weichen, bevor ich dann los raste, schaltete und beschleunigte.
Kontzentriert sah ich vor mich auf die hell beleuchtete Strasse. Das Leder fühlte sich heiss unter meinen schwitzigen Händen an und erst als ich das Spital direkt vor uns sah, drosselte ich die Geschwindigkeit und drehte den Lenker, sodass wir einen halbwegs funktionierenden Drift hinlegten und das Auto dann schlitternd zum stehen kam. Erst jetzt wurde mir bewusst das niemand gesprochen hatte, kein einziges Wort, und dass lag bestimmt nicht an meinen Fahrkünsten.
Aber was hatte ich denn gedacht, ich war nicht die einzige gewesen, die all das mitgenommen hatte, und die es verarbeiten musste.
„Okay. Da sind wir."
Murmelte ich leise und blickte an dem Gebäude hoch, das etwas Abseits der Hauptstrasse lag und gar nicht mal so weit von Jake und meinem Zuhause entfernt lag. Eine gute Wahl.
„Wollen wir da wirklich rein gehen?"
Zweifelte Kenan an. Schliesslich gab es dort Securitas und Telefone, mit denen man die Bullen verständigen konnte. Wir konnten bloss hoffen, dass sich unsere heutige Aktion noch nicht herumgesprochen hatte. Und dass die sozialen Medien die Handy Videos noch nicht verbreitet hatten.
„Wird schon klappen. Muss es."
Vielsagend deutete Lucas auf seinen blonden Freund hinunter, dessen Kopf immer wieder nach unten sackte.
„Mir ist echt schwindelig."
„Wenn nicht, dann sind wir echt zu wenige, um ein ganzes Krankenhaus zu belagern."
Merkte Aiden an, doch es hielt niemanden davon ab, auszusteigen.
Ich schwieg und sah nach vorne, die frisch geputzten Glasfenster, die die gesamte Mauer abdeckten, spiegelten die Laternen wieder und ich konnte die schwachen Umrisse meiner Selbst sehen.
Ich betrachtete mich im Fenster, ich sah müde aus, gebrechlich.
Meine Körperhaltung drückte meine Schwäche aus.
Ich hob den Kopf und nahm eine gerade Haltung ein, sogleich veränderte sich die Frau im
Fenster. Sie schien zu wachsen und stärker zu werden, als ob sie niemals weichen würde und alles durchstand.
Und das gab mir Kraft, man konnte sich aussuchen wie man sein wollte.
Man konnte es sich aussuchen ob man sich vor Angst verkroch oder ob man dafür kämpfte, was einem wichtig war. Nichts war falsch oder richtig, aber für dich zählte es. Denn du würdest mit der Entscheidung leben müssen.
"Wir gehen rein, jetzt", meine Stimme klang ruhig und meine zitternden Hände bekam ich langsam unter Kontrolle, als ich ausstieg.
Ich tastete nach der Pistole an meinem Gürtel und den Messern daran. Ich fuhr leicht mit der Fingerspitze über die blutverkrusteten Schneiden.
"Keinen Plan, einfach Handeln", murmelte ich und lief auf den Eingang zu, die anderen spürte ich dicht vor und neben mir. Ihr Atem verschmolz mit der kühlen Luft der Nacht und vor uns öffnete sich die automatische Eingangs Türe.
Die Halle war nicht sonderlich voll, wie es mitten in der Nacht zu erwarten gewesen war, und dennoch eilten viele Ärzte und Krankenschwestern geschäftig hin und her. Einige wenige Leute sassen auf den Wartestühlen und rangen die Hände, wahrscheinlich warteten sie alle auf den Bescheid, ob eine Operation gut verlaufen war oder ob jemand geliebtes gestorben war.
Ich hasste Spitäler, für mich war es kein Ort der Heilung, auch wenn hier Jeder gutes tat.
Ich mochte den Ort nicht. So viel Hoffnung wurde hier jeden Tag zerstört. So viele Menschen mussten das Spital mit weniger verlassen, als sie hergekommen waren.
Sogleich roch ich die seltsame, nach Medikamenten und Desinfektionsmittel riechende Luft und verzog kurz das Gesicht.
Einige der Menschen sahen uns misstrauisch an. Wir sahen aus wie durch den Dreck gezogen und durch den Fleischwolf gedreht. Doch das gute an den Bronx war, dass man sich das hier gewöhnt war. Also reagierten sie nicht. Sie hatten ihre eigenen Probleme.
„Lasst die Waffen stecken."
Flüsterte ich und zog mein Shirt über meine Pistole. Leise und möglichst unauffällig, bewegten wir uns zur Theke, wo eine Krankenschwester gerade einem Arzt eine Akte reichte. Ihr Blick fiel auf uns.
„Bitte, unser Freund braucht Hilfe, er wurde schwer verletzt."
Ich stützte mich am Tresen ab, der vor dem Tisch stand, vollgestopft mit allerlei Broschüren und Akten.
„Miss, bitte warten Sie, bis Sie an der Reihe..."
Der Doktor hatte die Brille abgenommen und blickte gelangweilt in meine Richtung.
Als er mich sah, huschte ein Hauch von Schreck durch sein Gesicht.
„Wir haben keine Zeit zu warten, ich flehe sie an helfen Sie ihm!"
Flüsterte ich in so angemessenem Ton wie es mir nur möglich war. Das hier waren gute Menschen, also sollten wir sie auch so behandeln.
Mit einem Blick über meine Schulter musterte der Arzt in dem grünen Kittel Leon, von dessen Beinen Blut auf den gut geputzten, hellen Boden tropfte.
„Wie wurde er verletzt?"
„Eine Kugel hat ihn getroffen, ich bin mir nicht sicher, wo."
Die Krankenschwester wurde bleich und trat einen Schritt zurück. Ihr Blick huschte immer wieder über die grimmig entschlossenen jungen Männer hinter mir.
„Die Wunde stammt von einer Schusswaffe? Dann muss ich laut Regeln die Polizei verständigen."
Der Arzt griff zum Telefon.
Sofort wechselte meine Stimmung. Für den ganzen Scheiss hatten wir echt keine Zeit. Und ich würde nicht zulassen, dass mir noch ein Freund zwischen den Fingern wegstarb.
„Das werden Sie nicht tun."
Ich zog die Waffe etwas an meinem Gürtel hoch, sodass die beiden einen Blick darauf erhaschen konnten. Jetzt waren sie Beide bleich.
Der Blick des Arztes ging nach unten. Ich wusste, dass in Spitälern spezielle Knöpfe an der Unterseite der Tische befestigt waren, durch die durch einmaliges, unauffälliges Drücken die Polizei verständigt wurde.
„Lassen Sie das."
Sein Blick huschte wieder hoch zu mir. Er war verunsichert. Jetzt musste ich stark und bedrohlich wirken.
„Sie können gerne den Helden spielen. Doch sobald Sie den Knopf gedrückt haben, erschiesse ich sie und  und sie."
Ich deutete mit dem Kinn auf die zitternde Frau mit den streng zurück gebundenen graubraunen Haaren. Sie war wohl um einiges Älter als ich.
„Ich schwöre, ich lasse meinen Freund hier nicht verrecken."
Knurrte ich.
Nickend hoben die beiden langsam ihre Arme.
„Runter mit den Händen."
Zischte ich. Sonst würden es die umstehenden Menschen noch mitbekommen. Und dann würde todsicher eine Panik ausbrechen, die wir nicht gebrauchen konnten.
„Wir...wir sind ehrliche Menschen. Wir wollen in eure Sachen nicht reingezogen werden. Bitte."
Meinte der Mann und senkte wie angewiesen die Hände hinunter.
„Das werdet ihr auch nicht, wenn ihr ihm sein verdammtes Leben rettet. Ihr habt doch diesen Schwur geleistet! Und das hier ist ein Menschenleben! Also rettet es verdammt nochmals!"
Der Arzt schluckte.
„Okay, okay", murmelte er dann beschwichtigend.
„Habe ich Ihr Wort, dass sie alle hier raus halten und danach einfach verschwinden?"
Ich nickte.
„Wir wollen ihn nur wieder gesund machen. Danach sind wir weg. Wir sind nicht hier um Jemandem weh zu tun."
Der Mann richtete sich gerade auf, wahrscheinlich um sich selbst Mut zuzusprechen.
„Okay, wir haben ein Behandlungszimmer im Notfall, gleich da hinten."
Meinte er mit erstaunlich gefasster, gesenkten Stimme.
„Ich bringen ihn hin und ich versorge ihn, aber danach müsst ihr durch den Hintereingang weg. Okay?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Sie kommt mit. Sie könnte sonst wen anrufen."
„Mach ich nicht, mach ich nicht", piepste die Frau und drückte die Akten in ihren Händen fest an sich, als könnten sie sie schützen.
„Das ist mir scheiss egal. Ich sagte sie kommt mit."
Der Mann legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter.
„Schon okay Cecile, alles kommt gut. Tu einfach das was ich dir anweise, ja?"
Sie nickte und hatte Tränen in den Augen.
Tief in mir drin tat es mir leid. Dass sie wegen uns solche Angst leiden musste. Aber Leon ging nunmal vor. Und solange sie nichts dummes tat, würde ich ihr auch nichts tun.
„Gut. Hebt ihn auf die Trage da."
Der Arzt befeuchtete seine Lippen und die Jungs gehorchten eilig.
Die orange Matratze quietschte, als Lucas und Jake den keuchenden Leon darauf luden.
"Ich werde ihn jetzt in den Schock Raum bringen, okay? Ich werde mir die Winde ansehen und sagen, was ich auf die schnelle tun kann."
Er war schlau. Er versuchte uns alles mit zu teilen, damit wir ihm vertrauten, damit wir dachten, wir hätten nichts von ihm zu befürchten.
„Gut. Wir kommen mit."
Ich lief neben dem Mann her, die Hand unter meinem Shirt an die Waffe gelegt.
Den weissen Gang entlang, die, von der Decke her, weiss leuchtenden Lichter erhellten es schon fast unnatürlich, und nur die leichten Schmerzen und das schwere stöhnende Atmen von Leon hielten mich hier, und bewies, dass alles wirklich passierte.
Meine Hand zitterte nicht, wie so oft gab mir die Waffe ein sicheres Gefühl, und ich beobachtete wortlos wie der Doktor die Schwester anwies, im Schockraum alle möglichen Drähte an Leon anzuschliessen und eine Fusion zu legen.
Es piepste und surrte, leuchtete und blinkte, sodass ich mich kontzentrieren musste, um den Überblick nicht zu verlieren.
"Morphin, eine Dosis, zur Seite mit ihm, es ist ein Durchschuss, keine Organe verletzt, aber die Blutung muss gestoppt werden." Er versuchte, es für uns verständlich zu erklären.
„Das ist gut, oder?"
Fragte Lucas. Der Mann, der sich gerade Handschuhe anzog und dann Leons Shirt aufschnitt, sah hoch.
„Ja. Das ist sehr gut."
Lucas wirkte erleichtert. Doch Jake war noch immer misstrauisch. Er lehnte an der geschlossenen Türe des Schockraums, wie ein Wächter.
„Die Kameras der Eingangshalle. Wie oft werden die geprüft?"
Der Arzt schluckte und machte sich daran, an Leons Wunde zu arbeiten. Dieser war weg gedriftet. Die Schwester, die ihm eilig zur Hand ging, versperrte mir die Sicht.
„Ich weiss es nicht."
„Wenn Sie lügen, dann sterben sie, kapiert?"
Knurrte Jake und machte einen Schritt auf den Doktor zu, der den Blick fest auf Leon gerichtet hatte.
„Okay, okay. Die werden in live Zeit von unseren Securitys gecheckt."
Ich verzog die Lippen. Das war ja klar gewesen. Was hatten wir auch erwartet.
„Wie lange dauert es, bis sie die Polizei verständigen werden?"
Hakte Jake nach und der Arzt beugte sich über Leon.
„Ich weiss es wirklich nicht. Aber falls sie auf euch aufmerksam geworden sind, dann ist die Polizei womöglich jetzt schon verständigt."
„So eine Scheisse!"
Lucas zog die Waffe und richtete sie auf den Doktor.
Die Gehilfin schrie leise auf und erstarrte.
„B...bitte, ich muss das hier säubern und vernähen."
Er war tapfer, dieser Mann. Gerne hätte ich mich bei ihm entschuldigt, dafür wie grob wir mit ihm umgingen. Aber man erntete eben nur Gehorsam, wenn man mächtig und gefährlich wirkte.
„Nimm die Waffe runter du Idiot, da kann er nichts dafür."
Zischte Aiden und ich drückte Lucas Arm leicht hinunter.
Er sah mich an.
„Er muss es einfach schaffen."
Murmelte er und ich versuchte ein Lächeln.
„Das wird er. Aber der Doktor kann besser arbeiten, wenn wir ihn einfach in Ruhe lassen."
Lucas nickte und ich erntete einen ziemlich unerfreuten Blick meines Freundes.
„Sie müssen sich beeilen. Nur das Notwendigste, dann nehmen wir ihn wieder mit."
„Aber es ist nicht ratsam..."
„Klappe. Arbeiten sie einfach."
Rot getränkte Banden und Tupfer füllten den Boden um meine Füsse, doch die Blutung schien unter Kontrolle gebracht worden zu sein.
„Absaugen."
Ich sah zu Jake. Wir wussten beide, dass die Bullen womöglich schon auf dem Weg hierher waren. Wir mussten schleunigst wieder hier weg.
„Wie lange dauert es noch?"
Fragte ich ungeduldig und der Arzt schüttelte den Kopf.
„Ich müsste noch so viel...aber wenn ich ihn jetzt zunähe und euch Antibiotika mitgebe, könnte es klappen. Es darf einfach auf keinen Fall Dreck in die Wunde..."
„Jaja, machen Sie das. Na los."
Lucas winkte mit der Hand ab. Er hatte Recht. Wir hatten keine Zeit für lange Erklärungen.
Aber noch hörte ich keine Sirenen. Ein gutes Zeichen.
Der Raum wurde still und der Arzt und die Schwester arbeiteten konzentriert und schweigend. Ein eingespieltes Team. Beiden klebten die Haare an der Stirn. Vielleicht war es die Anstrengung, vielleicht aber auch Angstschweiss.
Dann klingelte plötzlich das Telefon, das an der Wand hing.
Alarmiert ging mein Blick zu Jake.
„Na los, nehmen Sie ab, aber sagen sie kein falsches Wort."
Jake hatte die Pistole gezogen und winkte die Schwester herbei, die mit zitternder Unterlippe gehorchte.
„H..hallo?"
Fragte sie und blinzelte zweimal.
„Ehm...hier ist jemand, der will mit Jessica Black reden."
Sagte sie dann kleinlaut und hielt den Hörer in unsere Richtung. Mir gefror das Herz in der Brust.
„Scheisse."

Liebe Sternchen ein ganz schön ereignisreiches Kapitel, was? Meine Frage an euch, über die ihr gerne in den Kommis diskutieren könnt: hättet ihr an Jessys Stelle Dylan ebenfalls in die Tiefe stürzen lassen? Oder hättet ihr anders gehandelt?
Ich freue mich über all eure lieben Rückmeldungen und schreibe fleissig weiter!
Alles liebe
Angora77

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