Kapitel 32 - Der große Tag - Teil 2

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Levi

Amelie schrie wie eine Furie. Ihre blonden Haare standen in alle Richtungen ab, unter ihren nussbraunen Augen lagen tiefe dunkle Ringe und ein dicker Schweißfilm benetzte ihren vor Schmerzen zitternden Körper.

,,Ich halte das nicht mehr aus!'', brüllte sie und krallte sich in den dünnen Stoff des Bettes, auf dem sie lag. Zwei Stunden waren wir durch die Geburtsklinik spaziert - sind Treppen hinauf und hinab gestiegen, bis die Wehen sich regelmäßiger und schmerzhafter angekündigt hatten. Nun waren wir seid drei Stunden mit einer rothaarigen Hebamme im Kreißsaal, die der Schuhverkäuferin beruhigend zuredete.

,,Du hältst das aus, Liebes. Es dauert nicht mehr lange, dann hältst du dein Kind in den Armen. Bald werden die Presswehen einsetzen ... Spürst du schon einen Schub? Einen gewissen Drang pressen zu wollen?''

,,Das einzige was ich spüre sind diese Schmerzen!'', wimmerte Amelie und schüttelte schwerfällig ihre blonden Haare.

,,Drückt es nicht ein wenig?'', hakte die Hebamme nochmal nach.

,,Nein! Es kommt nicht! Das Kind kommt nicht!'', begann Amelie verzweifelt zu weinen. Mit blutunterlaufenen Augen sah sie mich an und streckte ihre Hand nach mir aus. ,,Bitte Levi, halt mich ...'', keuchte sie, bevor sie wieder feste ihre Zähne zusammenbiss und zu brummen begann.

Es fühlte sich nicht richtig an, diesem Wunsch nachzukommen, aber Amelie ging es furchtbar schlecht und ich konnte nichts weiter tun, als hilflos neben ihr zu sitzen und ebenfalls die Zähne zusammenzubeißen. Mit meinen Gedanken bei Medina, die nervlich sicherlich genauso fertig war wie ich, ergriff ich Amelies Finger.

,,Du schaffst das'', sprach ich der Neunzehnjährigen hilflos zu. Ich kam mir so unglaublich unnütz vor ... Aber ich muss gestehen, dass ich froh war, dass es Amelie und nicht Medina war, die in diesem Augenblick wimmernd neben mir lag, denn wenn Medina diese Schmerzen erlitten hätte, wäre ich sicherlich schon längst aufgesprungen und hätte die Krankenhausmitarbeiter angeschrien, meiner Prinzessin zu helfen, anstatt sie so furchtbar leiden zu lassen.

,,Nein, ich schaffe das nicht! Ich sterbe! Ich spüre es! Das Baby zerreißt mich von innen!''

Ich runzelte meine Stirn und sah die rothaarige Hebamme unruhig an.

,,Sind Sie sich sicher, dass alles in Ordnung ist?''

,,So langsam müssten auf jeden Fall die Presswehen einsetzen ...'', sagte die Hebamme nachdenklich. ,,Ich rufe zur Sicherheit die Ärztin. Sie soll nochmal den Geburtskanal abtasten.''

,,Hörst du das? Die Ärztin kommt jetzt. Es wird alles gut, Amelie!''

Mit panischen Augen sah die junge Blondine mich an.

,,Danke, dass du da bist, Levi'', flüsterte sie, während sich eine einsame Träne ihre Wange hinunter stahl.

,,Das ist selbstverständlich'', antwortete ich, während sich ein mulmiges Gefühl durch mein Inneres fraß. Wenn Medina diese Szene gesehen hätte, hätte es ihr das Herz gebrochen, aber das ganze war kein Akt der Liebe - es war lediglich ein Akt des Mitleids.

Rasch traf die streng aussehende Ärztin vom CTG ein.

,,Wie lange liegt sie schon hier?'', fragte sie die Hebamme, als sie in ein paar Latexhandschuhe schlüpfte.

,,Drei Stunden'', erwiderte die Hebamme.

,,Das ist zu lang'', murmelte die Ärztin und platzierte sich konzentriert zwischen Amelies gespreizten Beinen. ,,Frau Hufschmied, sobald gleich die nächste Wehe einsetzt, werde ich ihren Geburtskanal abtasten - das wird weh tun, weshalb ich es während der Wehe mache, damit Sie sich anschließend einen kurzen Moment ausruhen können, anstatt sofort wieder Schmerzen zu haben.''

Amelie nickte erschöpft. Sekunden später begann sie zu Quietschen - die nächste Wehe kündigte sich an und die Ärztin machte ihren Job. Ich konnte nicht hinsehen ...

,,Leeeviii ...'', grölte Amelie und quetschte meine Hand, als wäre er ein Stressball. ,,Es tut so weeehhh ...''

,,Ich kann Ihnen auch genau sagen, was so weh tut ... Die Plazenta liegt vor dem Muttermund und blockiert den Geburtskanal ... Das Baby findet den Weg nach draußen nicht. Frau Müller, informieren sie umgehend den OP, sie sollen einen Kaiserschnitt vorbereiten!''

Die rothaarige Hebamme folgte ohne Umschweife der Aufforderung der Ärztin, und kurz darauf saßen wir im OP.


Medina

,,Levi hat vor drei Stunden geschrieben, dass sie im Kreißsaal sind ... Warum meldet er sich nun nicht mehr? Müsste das Baby nicht schon längst da sein? Meinst du, er hält es schon im Arm?'', fragte ich Finnja völlig aufgewühlt und lief in ihrem Schlafzimmer auf und ab. Ich sah es förmlich vor mir, wie mein Koch sich zu Amelie ins Krankenbett gelegt hatte, damit sie beide mit ihrem kleinen, engelsgleichen Sohn kuscheln konnten. Mein Magen zog sich zusammen und mir wurde übel. Ich spürte, wie bittere Säure sich einen Weg durch mein Inneres kämpfte und ein widerlicher Geschmack meinen Hals hinauf jagte. Wie von einer Tarantel gestochen, stürzte ich aus dem Zimmer in Richtung Bad, hielt mir mein langes Haar zurück und erbrach mich in die nach Limette riechende Toilette.

,,Medina!'', rief Finnja, die mir gefolgt war und half mir, meine Haare zu halten. Verständnisvoll rieb sie mir den Rücken. ,,Sicherlich ist es noch nicht da ...'', versuchte sie mich zu beruhigen, doch es war vergebens. Wir hatten uns in den letzten Stunden in ihrem Bett zwei Komödien angesehen, Schokolade gegessen und Haufenweise Beruhigungs-Tee getrunken, doch nichts hatte geholfen, nichts hatte mich entspannen können. Immer wieder sah ich vor meinem inneren Auge, wie Levi an Amelies Seite saß, ihr liebevoll zuredete, während er ihre Hand hielt und ihre Wange streichelte - es war die Hölle auf Erden. Dicke Tränen füllten meine Augen, als ich erschöpft vor der Toilette auf meinen Hintern plumpste. Zärtlich zog Finnja mich in ihre Arme und wiegte mich wie ein Kind eine lange Zeit hin und her, während ich meinen bekümmernden Gefühlen freien Lauf ließ. Irgendwann, ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen war, half mir meine beste Freundin auf die Füße und führte mich in ihr Schlafzimmer zurück. Wie betäubt, tastete ich nach meinem Handy, das auf dem Bett lag und verwandelte mich in Sekundenschnelle in eine Salzsäure, als ich eine Nachricht von Levi erblickte. Es war eine Art Karte, auf der ein kleiner Fußabdruck zu sehen war.

'Hier bin ich!', stand darauf geschrieben.

Charlie - 3.555 Gramm - 53 cm, geboren um 15:11 Uhr

Weitere Tränen kullerten ...

Ich wusste einfach nicht, wie ich mit alldem umgehen sollte ...

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