Ich will raus hier, doch ich weiß nicht wie

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,,Boah, war ich dumm.'', sagte ich zu mir selbst, als ich mich an diesen für mich grausamen Tag zurückerinnert hatte und schüttelte verständnislos mit dem Kopf.
,,Was?'', fragte Max nach und sah mich verwirrt an.
,,Ähm...meine Lehrerin...meine Lehrerin ist voll dumm.'', wiederholte ich es unsicher und lächelte ihn schief an.
,,Sind halt Leher, die sind von Natur aus behindert.'' Max zuckte mit den Schulter und sah mich noch einmal kurz mit hochgezogenen Augenbrauen an, ehe er an seinem Joint weiterbaute.

Ich lehnte mich nur, an meiner Zigarette ziehend, gegen einen Waggon und ließ meinen Blick über den Platz gleiten. Ein paar Leute sprühten die neu dazugekommenen Waggons voll, Max und ich schoben Wache und der Rest saß irgendwo auf dem Platz verteilt rum, rauchte, redete oder hatte mit seinem Handy zutun.

Von Außen schien es eigentlich so, als wären wir alle ziemlich gute Freunde, wollten einander überhaupt nichts Böses und waren eine ganz normale Clique, so wie man diese eben kannte und sich auch vorstellte. Immer füreinander da, standen zu dem anderen, akzeptierten einen so, so wie man nun einmal war und halfen uns einander bei sämtlichen Problemen. Hah, schön wär's.

Hätte mein dreizehnjähriges Ich je gewusst, wie es tatsächlich in dieser Gang aussehen würde, dann wäre ich jetzt nicht mehr hier, sondern vielleicht entweder bei Lukas oder Zuhause bei meiner geliebten Familie, wo ich mich auf jeden Fall tausendmal wohler und sicher fühlte, als bei diesen ganzen Schwachmaten hier. Ich fühlte mich zwischen den allen hier so ekelhaft und ungeborgen, und das lag nicht nur daran, dass mir Ronny heute so eine Angst gemacht hatte, denn es ging mir schon seit einer längeren Zeit so und ich fühlte mich absolut nicht mehr wohl und willkommen hier.

Ich verstand es bis heute nicht, denn rückblickend war ich Anfangs sogar eher verstreckt, als begeistert von dieser ganzen Idee gewesen.
Noch nicht einmal das mit den Mädchen, welche mir dann angeblich zu Füßen liegen würden, sobald ich Ronnys Gang beitreten würde, hatte mich beeindruckt, obwohl darauf fast jeder voll pubertierende Junge angesprungen wäre, denn in der Pubertät fand man doch eh fast alles cool, was nur ansatzweise mit Sex oder dem anderen Geschlecht zutun hatte.
Die Drogen waren es auch nicht gewesen und dies lag nicht nur daran, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weitgehend in diesen probiert hatte, denn schon im frühen Alter, als ich nur ab und zu mal gekifft hatte und bei meinem Dealer nur ein seltener Kunde war, hatte ich mich schon sehr für andere, auch härtere Drogen, interessiert.
Meine Familie und vor allem mein scheiß Vater waren eher der Anhaltspunkt gewesen, wieso ich mich überhaupt auf Ronny und die ganze Gang-Sache eingelassen hatte und das meine Familie allein' der Fakt dafür war, dass ich hauptsächlich jetzt in dieser ganzen Scheiße drinsteckte, war schon verdammt krass und auch traurig.

Ronny hatte sich eigentlich den perfekten Zeitpunkt ausgesucht, um mir von seiner Gang zu erzählen und mich schlussendlich in diese holen zu wollen.
Denn ausgerechnet dort fing es so richtig zu bröckeln in meiner Familie an und die endgültige Trennung meiner Eltern lag nicht mehr weit entfernt, und es dauerte auch nicht mehr lange, ehe meine Mutter bald komplett der Kragen geplatzt ist und sie meinem Vater eine deftige Ansage gemacht hat.
Ich hatte schon seit Monaten einen riesigen Hass auf meinen Vater gehabt, hatte ihm kaum noch großartige Beachtung geschenkt und ihn meinen Hass ihm gegenüber, immer mehr zur Geltung gebracht, was er natürlich stets mitbekommen hatte.
Meine Eltern hatten sich nur noch gestritten, meine Mama verbrachte viele bittere, kalte Nächte weinend und zusammenkauernd auf der Couch, mein Vater ließ sich seinen Hals mit seinem besten Freund, dem allseits bekannten und geliebten Bier voll laufen, vögelte dann völlig besoffen oder auch im nüchternden Zustand, irgendwelche dummen Punsen und im Allgemeinen war die Stimmung und die Situation bei uns Zuhause, alles andere als schön und harmonisch gewesen. Ich wollte einfach nur noch von meinem einstigen Zuhause weg und meinen scheiß Erzeuger niemals wiedersehen.  

Ich war in dieser Zeit ziemlich oft bei meinem geliebten Großvater gewesen und hatte Luis auch immer wieder mitgenommen, weil ich ihn mit diesem Kerl einfach nicht alleine lassen wollte, weil meine Mutter öfters auch einfach so abgehauen ist und erst Mitten in der Nacht wiederkam. Es reichte nämlich schon, dass ich damals genug mitbekommen hatte und da sollte er nicht auch noch genug von diesem Leid ertragen.
Ich hatte meinem Großvater aber immer nur die halbe Wahrheit erzählt, denn meine Mama wollte meistens nie, dass er alles mitbekam, da mein Opa ziemlich schnell auf hundertachtzig gehen konnte, wenn es um das Wohl seiner Tochter und vor allem seiner Enkel ging.
Natürlich hatte ich ihm erzählt, dass es Zuhause mal wieder etwas Stress gab und Mama und Papa sich stritten. Aber ich hatte es meistens nur als einen belanglosen Streit getarnt, welchen man halt eben von meinen Eltern kannte und gewohnt war.
Denn mein Opa war nämlich noch nie gut auf meinen Vater zusprechen gewesen und hätte er das Alles schon viel früher erfahren, dann wären wir zwar einerseits ziemlich früh aus dieser ganzen Scheiße raus gewesen, aber anderseits wäre mein Großvater jetzt ein Mörder, obwohl mein dreckiger Erzeuger es eigentlich gar nicht anders verdient hatte - egal wie hart und brutal das auch klingen mag, es war einfach so.

Ich wusste bis dato nicht, woher und wovon Ronny diese Information von damals mit meiner Familie bekommen hatte, denn Alex und Marcel konnten diesen Kerl bis auf den Tod nicht ausstehen und selbst wenn er ihnen mit sonst was gedroht hätte, hätte diese weiterhin wie ein Grab geschwiegen, weil sie einfach viel zu loyal waren, um irgendwelche Geheimnisse von mir preiszugeben. Unsere Nachbarn von damals hatten eh nur die größte Scheiße über uns erzählt und Gerüchte in die Welt gesetzt, die von vorne bis hinten noch nicht einmal wirklich stimmten, überhaupt keinerlei Sinn ergaben und selbst für meine Familie manchmal schon viel zu krass waren - und das musste schon etwas heißen.

,,Was ist denn mit dir los, Wolbers? Warum bist du denn so nachdenklich? Sind deine Depressionen etwa wieder zurück? Wenn ja, dann geh' dich gefälligst woanders ausheulen und kriege deine verfickte Traurigkeit mal in den Griff!'', stieß mich Nicky plötzlich von der Seite an und ich verdrehte nur einmal genervt die Augen. Wenn man Depressionen hat, lieber Nicky, heißt es nicht, dass man nur traurig ist, du Idiot.

,,Es ist nichts.'', sagte ich nur genervt und zündete mir direkt die nächste Kippe an, weil mich alles hier viel zu sehr reizte.
,,Du musst doch nicht gleich so zickig werden, du Diva.'' Nicky hob entschuldigt die Hände in die Luft und sah mich nur verwirrt an.
Er hatte mich doch so blöd von der Seite angemacht und nicht ich. War doch klar, dass ich dann auch genauso patzig auf ihn reagierte.

,,Ist ja gut. Rede wieder mit mir, wenn du nicht deine Tage hast. Alter, wechsel' mal dein scheiß vollgelaufenes Tampon, du bist ja überhaupt nicht zu ertragen, du dumme Zicke.'', sagte Nicky noch völlig eingeschnappt, ehe er sich einige Schritte von mir entfernte. Ich stöhnte nur immer noch genervt auf und zog einmal lasziv an meiner Zigarette. Lasst mich doch einfach mal alle in Ruhe, ihr verdammten Hurensöhne.

,,So Jungs, was starten wir noch so?'', fragte Ronny plötzlich erwartungsvoll in die Runde und ich wollte am liebsten nur hier bleiben, den ganzen Abend Wache schieben und dann irgendwann im Laufe der Nacht nach Hause gehen, wo ich dann in Ruhe wegen meiner Dummheit weinen konnte.
,,Keine Ahnung, der Tag ist ja noch ziemlich jung.'', meinte Andre nachdenklich.
,,Wir können doch weitersprayen.'', schlug Max vor und zuckte mit den Schultern.
,,Bist du behindert? Wir haben gestern schon genug gesprayt. Wir müssen auch mal wieder was Härteres machen, als so eine Pussyscheiße.'', erwiderte Ronny darauf nur total aggressiv und Max verdrehte die Augen.

,,Dann schlag du doch was vor, wenn dir unsere Vorschläge nicht passen, meine Fresse.'', sagte er genervt und verschränkte die Arme vor der Brust.
,,Was war das gerade?'', fragte Ronny direkt nach und funkelte ihn wütend an.
,,Man...keine Ahnung...vielleicht hast du ja 'nen Vorschlag, oder so.'' Max sah leicht eingeschüchtert zu Ronny hoch und seufzte einmal leise, sodass es gerade nur einmal ich hören konnte, weil ich direkt neben ihm stand.
,,Ja, hab' ich.''
,,Und der wäre?'', fragte Jonas interessiert nach.

Von Jonas war ich immer noch am meisten enttäuscht, denn normalerweise hielt er immer zu mir, egal was war und jetzt auf einmal stand er vollkommen auf Ronnys Seite und ignorierte mich komplett.
Ich wollte vorhin ein wenig Smalltalk mit ihm anfangen, um so herauszufinden, was genau Ronny ihnen erzählt hatte.
Doch Jonas hatte mich einfach nur von sich weg geschubst und gemeint, dass ich mich verpissen und weiterhin meine scheiß Wache schieben sollte, bevor wir Dank mir noch erwischt wurden.

,,Ich würde sagen, wir grillen mal wieder schön hier, das haben wir schließlich lange nicht mehr gemacht.'', schlug Ronny vor und sah strahlend in die Gruppe. Darf ich dir bitte in deine dreckige, hässliche Colgate-Fresse schlagen?
,,Ist doch voll langweilig.'', warf Nicky in seinen Vorschlag ein.
,,Quatsch, das ist doch nicht langweilig, du Arsch. Wir klauen die ganzen Sachen und dann wird das ganz lustig.'' Ronny grinste noch breiter und sah erwartungsvoll in die Runde.
,,Alles?''
,,Ja Conan, wir klauen alles. Wir bezahlen doch nichts - ich bin doch nicht bescheuert.'' Eigentlich ja schon. 

,,Jetzt zeigt ihr kleinen Schwanzlutscher mal ein wenig Begeisterung, man. Da will ich einmal mit euch schön essen und nicht irgendeine Scheiße fabrizieren und ihr guckt so, als hätte ich gerade eure dummen Mütter gefickt.'', sagte Ronny genervt, als er bemerkte, dass keiner wirklich so Bock auf seine Idee hatte, doch schlussendlich zeigten wir doch alle ein wenig Begeisterung, obwohl das wirklich nichts großartiges war. Eigentlich war das für unsere Verhältnisse ziemlich lahm und langweilig, aber mir war es recht, denn ich hatte keinen Bock auf erneuten Stress mit meiner Mama und eventuell auch noch der Polizei, denn denen wollte ich in der nächsten Zeit absolut nicht begegnen.

,,Und du machst gefälligst auch mit, ansonsten...'', flüsterte mir Ronny erschreckend ins Ohr und ließ sein Messer hervorblitzen, ehe er mir dieses wieder an die Kehle hielt.
Ich zuckte kurz erschrocken zusammen, schnappte nach Luft und mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Ich nickte nur und er packte sein Messer daraufhin auch wieder zurück. Ein Glück.
,,Gut...'' Er klopfte mir eher unsanft auf die Schulter und wandte sich zu den anderen.

,,Also, ihr Schwuchteln, dann lasst uns mal zum nächsten Supermarkt ziehen und das Nötigste unauffällig mitgehen lassen. Wenn einer von euch Wichsern erwischt wird, dann ist das nicht mein scheiß Problem und ihr könnt' ganz allein' dafür sorgen, wie ihr aus dieser Scheiße wieder herauskommt. Wenn irgendjemand von euch es nur ansatzweise wagt, mich zu verpfeifen, dann seid ihr tot und eure scheiß Familie auch, damit das verdammt nochmal klar ist.'', machte Ronny noch einmal laut, quer über den ganzen Platz, seine Standardansage, welcher er so gut wie immer machte, bevor wir irgendeine Scheiße machten und alle nickten zustimmend.

Danach machten wir uns auch schon auf den Weg, zum nächstgelegenen REWE und ich bekam immer mehr ein mulmiges Gefühl, desto näher wir diesem Supermarkt kamen. Eigentlich wollte ich das Alles doch gar nicht und auch wenn klauen eines der harmlosesten Dinge war, die wir taten, fühlte ich mich trotzdem deswegen jetzt schon so unfassbar schlecht und wollte am liebsten nur noch nach Hause rennen und mich nur noch heulend und mit der Decke über den Kopf, in meinem Bett verkriechen. 

Es tut wieder weh - Jennifer Rostock

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