Kapitel 19

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„Ich hasse es", sage ich zu Meph, als wir den Wohnort meiner Eltern hinter uns gelassen haben und auf die Autobahn auffahren. „Ich hasse alles daran."

Er wirft mir einen Blick zu, lässt meine Aussage aber unkommentiert. Deswegen fühle ich mich irgendwann genötigt dazu, weiterzureden.

„Warum darf sie in einem Café sitzen, sich gutes Essen schmecken lassen und gerechtfertigt wütend auf mich sein, während ich im Wohnzimmer meiner Eltern auf dem Boden kauere, meine weinende, schwerkranke Mutter beruhigen muss und ein schlechtes Gewissen habe?"

„Das Leben ist selten fair", sagt Meph ruhig. „Das weißt du genauso gut wie – naja gut, vielleicht nicht wirklich genauso gut wie ich, aber du weißt es."

Ich verziehe den Mund.

„Aber sie ist ja fein raus. Sie hat meinen Eltern schließlich gestern schon den Laufpass gegeben. Ich habe heute mit angesehen, womit sie sich auseinandersetzen. Wenn ich es gestern schon nicht gekonnt hätte, dann kann ich es jetzt erst recht nicht mehr."

Ich schaue im Rückspiegel den Autos hinterher, die wir überholt haben. „Würde Helene das auch so sehen?", fragt Meph schließlich. „Dass du das jetzt nicht mehr kannst?"

„Natürlich nicht." Ich spucke die Worte aus, als könnte ich dadurch den widerlich bitteren Geschmack aus meinem Mund vertreiben. „Sie würde sagen, dass sich die Situation gegenüber gestern nicht im Geringsten geändert hat und dass sie immer noch ein Recht auf ihre persönliche Freiheit hat."

„Und du siehst das anders?"

„Sag mal", fahre ich Meph an, „bist du mein persönlicher Therapeut, oder was?"

Ich verschränke die Arme und bin einen Moment still, bis ich mein Verhalten als kindisch einordne. „Nein. Aber ich kann nicht ignorieren, was bei meinen Eltern los ist. Ich würde das gerne so leicht abtun können wie Helene. Ich würde gerne mit meinen Freunden losziehen und das Arbeit nennen wie Helene. Aber das kann ich nicht und das bin ich nicht, also sollte ich mich verdammt noch eins damit abfinden."

Es fühlt sich gut an, diese Worte ausgesprochen zu haben, benannt zu haben, was in mir vorgeht. Es ist nur seltsam, dass ich dazu gekommen bin, während ich mit dem Teufel in einem roten Sportwagen sitze.

„Und, wie war dein Arbeitstag so", brumme ich tonlos, während Meph uns in Richtung Zuhause fährt und uns ein gelegentliches Hupkonzert folgt.

„Ach, die üblichen eingesammelten Seelen, du weißt schon", erwidert er leichthin. Wenn er eben noch ernsthaft war, scheint er genau so gut wieder auf gute Laune umschalten zu können. Tatsächlich wirkt er außergewöhnlich zufrieden, als wäre ein Teil seines Plans aufgegangen. „Ein paar haben sich gewehrt, die meisten nicht, weil sie sich jahrelang darauf eingestellt haben, was kommen wird."

„Huh", mache ich.

„Mein Lieblingsmoment heute war eine Frau, die von ihrem Mann geschlagen wurde."

Mein Kopf schießt zu Meph herum. „Bitte was?"

Er hebt eine Hand. „Das würde ich dir sagen, wenn du mich ausreden lässt." Als er sich sicher ist, dass ich gehorsam meinen Mund halten werde, fährt er fort. „Sie wurde von ihrem Mann geschlagen, und das jahrelang. Heute hat sie dafür aber Besuch von mir bekommen."

Das Lächeln, das um seine Lippen spielt, ist bösartig.

„Sie war sehr empfänglich für das, was ich ihr zu sagen hatte."

Mit den Worten verstummt er, aber für mich hat das lange noch nicht alle Fragen geklärt. „Und?", dränge ich ihn.

„Was und?"

„Empfänglich für was?"

„Oh, achso." Das Lächeln wird liebenswürdig, aber ich stelle gerade fest, dass ich dem nicht trauen darf. „Sagen wir einfach so, ihr Mann wird ihr so schnell keine Probleme mehr bereiten."

Ich seufze. „Und, das war jetzt ein erfolgreicher Tag für dich?"

„Könnte man so sagen."

„Es ist komisch, Meph. Manche würden sagen, du hast heute etwas Gutes getan."

Wir fahren von der Autobahn ab.

😈😈😈😈

Ich bin unheimlich müde, als wir die Wohnung betreten. Kaum schaffe ich es, mich zu Murre hinunter zu beugen und ihr die weichen Ohren zu kraulen. Darüber hinaus pulsiert etwas weit hinten in meinem Schädel und ich sehne mich nach meinem Bett.

Aber ich muss später in die Uni, sonst verpasse ich eines meiner Seminare – und in denen herrscht Anwesenheitspflicht. Das kann ich mir unter gar keinen Umständen erlauben.

„Soll ich uns etwas zum Frühstücken machen?", bietet Meph an und ich nicke. Ich weiß, dass ich wirklich anbieten sollte, zu helfen, aber ich kann einfach nicht. Und wie es aussieht, soll ich für das alles hier ja irgendwann mit meiner Seele bezahlen. Darf ich es da nicht einmal auch ein bisschen ausnutzen?

Also verabschiede ich mich ins Bett, schnappe mir eine etwas widerwillige Murre und schließe die Augen. Ich kann mir die kurze Pause erlauben, meinen Text für das Seminar habe ich gelesen und es ist meine einzige Veranstaltung heute.

Dennoch bin ich mehr als dankbar, als Meph mir einen dampfenden Kaffee ans Bett bringt. In der Küche brutzelt bereits irgendetwas, aber der Teufel bleibt noch kurz bei mir an der Tür stehen.

„Stör ich?", fragt er und ich schüttele mit geschlossenen Augen den Kopf. „Ich habe mich ein bisschen umgehört", beginnt er schließlich langsam. „Und es hat sich herausgestellt, dass eine Anwaltskanzlei hier in der Nähe eine Stelle ausschreiben wird. Es ist nichts Grandioses, die Kanzlei macht größtenteils Familienrecht und die Stelle ist zwar für Studierende gedacht, aber beinhaltet wohl überwiegend Schreib- und Organisationsarbeit."

Ich öffne ein Auge und schaue ihn an.

„Es ist nichts Besonderes in dem Sinne, aber es könnten erste richtige Erfahrungen für dich sein. Solche Erfahrung würde sich auf deinem Lebenslauf mit Sicherheit besser machen als die nächste Kellnerstelle."

Murre macht das, was ich ihr seit Jahren versuche abzuerziehen, und leckt mit ihrer rauen Zunge über meine Wange. Es ist, als würde sie mich ermutigen.

„Und über dich könnte ich diese Stelle bekommen?", frage ich vorsichtig.

„Sie ist aktuell noch nicht ausgeschrieben und ich kenne den Eigentümer der Kanzlei recht gut. Wir könnten da sicherlich arrangieren, dass du zumindest zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wirst."

Murre rollt sich auf den Rücken und will mich offensichtlich dazu ermutigen, ihr den Bauch zu kraulen, eine Aufforderung, der ich natürlich widerstandslos gehorche. Das gilt allerdings nicht für Mephs Angebot.

„Nein, danke", sage ich und bin stolz darauf, dass meine Stimme um einiges fester klingt, als ich ihr zuvor zugetraut hätte.

Immerhin besitzt Meph den Anstand, kurz zu stocken und dann überrascht die Augenbrauen hochzuziehen. „Nein?"

„Nein."

„Dir ist klar, dass das eine riesige –"

„Ja, das ist es." Ich möchte am liebsten mein Gesicht in Murres weichem Fell vergraben, aber ich weiß, dass sie das überhaupt nicht leiden kann, und ich will das Risiko, Krallen in meinem Gesicht wiederzufinden, nicht eingehen. „Es ist lieb gemeint, Meph, ehrlich. Und ich weiß das total zu schätzen. Aber wenn ich meine Erfahrungen mache, wenn ich Bewerbungen schreibe und den ganzen Kram ... wenn ich es dann wirklich schaffe, dann will ich es allein schaffen."

Er verschränkt die Arme. „Die wenigsten Leute kommen ohne gute Beziehungen durchs Leben. Es gibt ganze Veranstaltungen, die sich ‚Networking-Events' nennen."

„Bist du da gern gesehener Gast?"

„Ja, aber darum geht es hier nicht."

Ich schaffe es nicht, ein Seufzen zu unterdrücken. „Aber du bist keine gute Beziehung, Meph. Du bist der Teufel. Das wäre nicht fair."

Er sieht aus, als hätte er noch so einiges einzuwenden, aber er verzichtet darauf, diese Einwände tatsächlich vorzubringen.

Einen gewissen Anteil daran könnte die Tatsache haben, dass es aus der Küche eindeutig verbrannt riecht, aber wer wäre ich, die Motivation dieser uralten Naturgewalt beurteilen zu können.

Was ich allerdings nicht ablehne, ist das späte Frühstück im Bett. Es muss schon längst auf die Mittagszeit zugehen oder vielleicht hat die Sonne den Zenit sogar schon überschritten, aber das leichte Puckern in meinem Kopf ist zu einem stattlichen Hämmern herangewachsen, das ich unmöglich noch in den Hintergrund drängen kann.

Mephs Omeletts mit Parmesan, frischen Tomaten und Pilzen machen das allerdings beinahe schon wieder wett. Es wäre möglich, dass mir ein leises Seufzen beim ersten Bissen entwischt ist, aber das kann keiner beweisen und außerdem wird es wohl kaum als das Geständnis gewertet, auf das Meph wartet.

Also sitzen wir einträchtig nebeneinander, ignorieren Murres sehnsüchtiges Starren auf unser Essen und meine Welt sieht schon gleich wieder etwas besser aus, auch wenn ich mich immer noch fühle, als wäre ich unter einem gewaltigen Felsbrocken an Verantwortung eingeklemmt. Meph hat es lediglich geschafft, dass unter diesen Felsbrocken ein klein wenig Sonne fällt.

„Möchtest du deine Ruhe haben?", fragt er, als das letzte bisschen Omelett von meinem Teller verschwunden ist. „Ein bisschen Schlaf nachholen?"

Ich nicke. „Ich glaube, das ist das Beste. Aber ich stelle mir einen Wecker, damit ich es pünktlich zum Seminar schaffe."

Dafür werde ich mit einem schiefen Seitenblick von Meph gestraft. „Dir ist bewusst, dass du dir auch einfach mal einen Tag freinehmen darfst, oder? So, um dich emotional zu sammeln, damit du dich der großen bösen Welt wieder stellen kannst?"

Als Antwort gähne ich mit weit aufgerissenem Mund. „Die große böse Welt verschlingt diejenigen, die zurückbleiben, und würgt sie in Einzelteilen wieder herauf."

„Ew", macht Meph. „Das ist eine Metapher, die eigentlich mehr in mein Aufgabengebiet fällt, das ist dir bewusst, oder?"

„Du färbst ab."

„Möchtest du etwa irgendetwas darüber loswerden, wie ich mich so als Mitbewohner verhalte?"

„Gute Nacht, Meph."

„Ich mein ja nur."

Und dann lässt er mich tatsächlich in Ruhe.



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