Was hat Magie mit Alkohol zu tun?

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          „Wir können heute auch nicht üben. Aber ich habe Fragen."

Ana lag mit dem Rücken auf dem Boden ihrer Kajüte und hatte die Beine gegen die Bordwand hochgelegt. Über Kopf spähte sie in Richtung der Luke, gegen deren Licht sich der Oberkörper Adriels abzeichnete.

Natürlich. Sie war ja zu jung und naiv, um mit einem Dolch umzugehen, der sie womöglich gegen Übergriffe schützen könnte. Es wäre unnötig, zu erwähnen, dass sie ihren letzten Streit immer noch nicht vergessen hatte. Sie war immer noch gegen Mord. Sie wollte nicht von ihm in eine unbekannte Stadt gebracht werden und wenn es nach ihr ging, brauchte er sie auch nicht mehr besuchen. Sie könnte mit jemand anderem trainieren. Jemand, der nicht beide Augen zudrückte, wenn es um Scheiterhaufen ging.

Mit schwimmendem Magen beobachtete sie, wie er mit beneidenswerter Trittsicherheit die Stiege herunterkam, ihre merkwürdige Pose mit hochgezogenen Brauen begutachtend, ehe er sich auf eine der Stufen niederließ.
„Ich weiß, du willst nicht mit mir reden, aber ich brauche Antworten."

Ana sah ihn an und entschied sich, nicht aufzustehen. Womöglich würde sie nur das heute Morgen gefrühstückte Brot wiedersehen. Und auch wenn die Vorstellung, Adriel vor die Füße zu erbrechen, sehr unterhaltsam war, fühlte sie sich nicht einmal dazu in der Lage. Stattdessen wischte sie sich den Schweiß von der Stirn.

Seegang schaukelte das Boot von links nach rechts, als säße sie in einer Nussschale. Das schlechte Wetter hatte am Morgen nach ihrem Traum eingesetzt und hielt sich beständig. Dicke Wassertropfen prasselten gegen das Glas des Bullauges und erfüllte die Kajüte mit seinen leisen Trommeln.

Über ihnen wurden mehrere Rufe laut. Laute Schritte und noch mehr Rufe. Adriel sah nach oben, als könne er durch die dicken Planken der Decke sehen. Doch schließlich wurde es wieder leise.
„Mach des dir bequem", sagte er, seine Stimme trotz des rauen Akzents weich. Er trug einen gewachsten Mantel, von dem noch immer Regentropfen herunter perlten und sich in kleinen Pfützen auf dem Boden sammelten. Seine dunklen Haare waren beinahe schwarz und hingen in Strähnen in sein Gesicht. Aus einer Tasche im Mantel er einen kleinen Notizblock und einen Stift. Die Liste, wie Ana sie getauft hatte. Mika'ils Name stand ganz oben. Ihrer war durchgestrichen.

Anas Unterkiefer mahlte.
„Werden wir bei seiner Hinrichtung zusehen müssen?", hatte sie Marteel bei einem seiner Besuche gefragt, nachdem Adriel nur noch seinen Ersten Maat vorbei schickte, anstatt selbst zu kommen.

„Ohhh nein, sie werden ihn so schnell wie möglich so spektakulär wie möglich hinrichten wollen. Es wird ein Fest. Aber der Nachtfuchs hat keinen Kopf für derartige Dinge." Er hatte sich geschüttelt, als wolle er eine Gänsehaut loswerden, doch Ana hatte das Gefühl nie mehr verdrängen können. Nicht, nachdem sie mit Mane Bork gesprochen hatte. Ein Fest. Fruchtbar.

Mühsam nahm Ana ihre Beine von der Wand und drehte sich in einen Schneidersitz Adriel gegenüber. Er wollte Antworten? Sie hatte ein paar für ihn. Sie würden ihm nicht gefallen, aber vielleicht würde er sie ohne hochgelegte Beine ernster nehmen.

Doch irgendwas in seinem Blick ließ sie stocken. Seine grünen Augen waren immer befremdlich, als würden sie nicht in sein Gesicht passen. Doch heute hielten sie etwas versteckt. Er war ein gut genuger Schauspieler, dass sie es ihm trotz ihres Bandes nicht von der Nase ablesen könnte, aber heute stimmte etwas nicht.

Unwillkürlich dachte sie an ihrem Traum zurück. Sie hatte den gesamten Morgen damit verbracht, ihren Körper nach verräterischen blauen Flecken zu untersuchen. Ergebnislos. Aber die Anspannung blieb. Was würde sie ihm sagen, wenn die Träume öfter zurückkamen? Dieses Mal hatte sie vielleicht Glück gehabt, aber das nächste Mal...

Das Schiff schaukelte erneut und ließ sie beide für einen kurzen Moment näher zueinander schwanken. Adriel streckte einen Arm aus, um sie zu stabilisieren oder wieder von sich zu schiefen. Kaum mehr als eine flüchtige, vertraute Berührung. Sie sandte ihm einen ärgerlichen Blick und-... gefror.

Ein scharfer Geruch stahl sich in Anas Nase und ließ sie zurückzucken. Ein widerliches, abwehrendes Gefühl fiel eisig in ihren Magen, noch bevor sie die konkrete Erinnerung wiederfand.

Hände auf ihrer Haut. Hände an ihrem T-Shirt.

Blut rauschte durch ihre Ohren und ließ sie beinahe taub zurück. Sh*t. Wenn er getrunken hatte... Sie brachte den Gedanken nicht zu Ende.

„Wir haben keinen Arzt an Bord, aber mein Koch könnte dir etwas gegen die Übelkeit geben, wenn du möchtest." Adriels Brauen verdichteten sich als er einige ihrer Gefühle zu ihm überschwappten, doch er statt nachzufragen, wandte er sich wieder an das Buch in seinen Händen.

Etwas schepperte über ihnen. Ein Mann brüllte etwas über das Deck. Ana konnte nicht antworten. Die Luft war voll von dem Geruch- machte sie unmöglich einzuatmen ohne dutzende Bilder zu riskieren.
Ihr reißendes T-Shirt. Arm um ihre Schulter. Eingeengt. Sie versuchte so flach wie möglich zu atmen. Ihren schnellen Puls zu einem gediegenen Tempo zu zwingen, das ihn keine Fragen stellen lassen würde.

Er hatte ihr von Cerriv erzählt und einer Bekannten, bei der er sie unterbringen konnte. Unterbringen. Ein anderes Wort für einsperren. Und wie schnell würde er sie dorthin bringen, wenn er bemerkte, dass sie gerade den Verstand verlor?

Er hatte sie noch nie auf diese Art berührt, versuchte sie ihre Gedanken einzufangen. Selbst wenn er jetzt getrunken hatte-...
Aber sie würde ihm nicht entkommen können. Er saß auf der Treppe zum Ausgang und die Kajüte war klein-... Sie würde... musste...

Adriel hob den Kopf. In Zeitlupe blinzelte er mehrfach, während Ana mit ihren Versuchen gründlich scheiterte. Den Mund halb zu seiner Frage geöffnet, rutschte er auf der Stufe ein Stück nach vorne.

Der Alkoholgeruch traf Ana wie eine Wand. Drehte ihren Magen komplett um.
Sie wusste, wo sie war. Dass es hier kein Fenster gab, aus dem sie stürzen konnte, keine grabschenden Hände. Dass Adriel sie als jemanden sah, den er schützen musste. Aber aus irgendeinem Grund gehorchte ihr Körper nicht. Pumpte Adrenalin durch ihre Adern und jagte ihren noch weiter Puls nach oben.

Innerlich fluchte sie. Sie wollte heim.
Aber sie wollte heim und in Sicherheit sein. Nie wieder in die Augen der drei Jungen blicken müssen. Nicht erklären müssen, wo sie gewesen war, wenn ihr niemand glauben würde. Nicht erklären müssen, warum sie aus einem Fenster gefallen war und wieso das nicht ihre Schuld gewesen war.

Adriel wusste, dass etwas nicht stimmte. Sie sah es in dem Ruck, mit dem er sich aufrichtete. Mit der plötzlich suchenden Sorge, in seinen Augen.
„Was ist passiert?" Er kam ihr nicht näher, instinktiv bewusst, dass er sie erschreckt haben musste, aber sie wusste, dass er nicht von den letzten Tagen sprach.

Ana konnte es ihm nicht erzählen. Sie wollte, dass sich ihr Körper beruhigte. Die Erinnerungen waren dichter unter der Oberfläche als jemals zu vor. So nah, dass sie die Realität ertränken konnten, wenn sie darüber sprach. Luft. Sie brauchte Luft.

Adriel legte den Kopf schief. Überlegte. Beugte sich näher. Als Ana zurückwich, lehnte er sich ebenfalls zurück.

Er musste denken, dass sie den Verstand verloren hatte. Aber sie konnte sich nicht erklären. Konnte nicht den Mund öffnen und ihm eine passende Ausrede geben. Dann fiel sein Blick auf den Ärmel.
„Der Alkohol."

Als Antwort krachte über ihnen eine Welle aufs Deck. Noch mehr Leute brüllten herum. Ana zuckte zusammen, doch Adriel sah nicht einmal hoch. „Ich habe ein Glas verschüttet."

In einer schnellen Bewegung kletterte er die Luke hinauf und verschwand an in den Gang. Die Luke ließ er offenstehen, bis sogar unten sich die Luft mit Salz füllte. Klar und rein. Mehrere Paare Füße rannten über das Deck, stoppten und rannten wieder an eine andere Stelle.

Meer. Wellen. Rauschen. Rufe. Rennen.

Sir Ranwic öffnete die Tür zu seiner Kajüte in dem Moment, da Adriel an ihm vorbeieilte. Fast wäre er mit ihm kollidiert und bekam stattdessen einen Notizblock in die Hände gedrückt. Auf der letzten Seite war nur ein Wort aufgeschrieben und zwei Mal eingekreist.

Magisch.

Verwirrt sah Adriels Onkel zu seinem Neffen auf, der einen besorgten Blick hoch an Deck warf, wo immer noch ein Teil seiner Mannschaft herumbrüllte. Irgendetwas ging dort vor sich.
„Keinen Alkohol in ihre Nähe bringen", instruierte er abgelenkt seinen Onkel, ehe er auf die Stiege zulief, die an Deck führte.

„Magisch?", las Sir Ranwic das Wort ab und folgte ihm wackelig. Sturmböen warfen das Schiff hin und her und pressten Wasser durch jede Spalte der Luke zum Deck hoch, „Was hat Alkohol mit Magie zu tun?"

Doch Adriel blieb ihm eine Antwort schuldig, denn in diesem Moment öffnete er die Luke und Wasser spritzte ihm und seinem Onkel entgegen. Über ihnen hatten sie die Segel gerafft, doch ihre schweren nassen Leinen knallten unter dem dunklen Himmel. Durch ihre Öffnung sah er einen kleinen Teil seiner Mannschaft über Deck rennen. In wenigen Schritten hatte er die Stiege erklommen.

Adriel musste nicht lange rätseln, wie Mane Bork aus seiner Zelle entkommen war. Der goldene Schlüsselbund seines Onkels in seiner Hand, gab ihm eine grobe Idee. Interessanter war dagegen, wie er an einen Säbel gekommen war. Die Männer hatten ihn in eine Ecke des Schiffes getrieben, doch er hielt sie mit unkontrollierten weiten Schlägen auf Abstand.

Hinter ihm schlugen Wellen aufs Deck und verteilten ihre Schaumkonen. Zwischen ihnen war das Schiff winzig und alleine auf hoher See.

Und trotzdem hatte sich dieser Wahnsinnige aus seiner Zelle befreit.

Adriel fluchte leise und ließ sich von einem herbeieilenden Schiffsjungen sein eigenes Schwert geben. Regen suchte sich seinen Weg unter seinen Mantel und ließ ihn frösteln. Mit einem Kopfnicken bedeutete er seinem ersten Maat, Marteel, Stellung vor der Luke zu Anas Kabine zu beziehen.

Es gab nur einen Grund, warum Mane Bork hier ausgebrochen wäre. Und der saß unten unter einem Bullauge und fürchtete sich vor Alkohol. Entgegen der letzten Entwicklung war der Ursprung davon etwas, was er sich zusammenreimen konnte.
„Bist du noch nie verletzt worden?" Zorn wallte in ihm auf und ließ den Schwertgriff in seiner Hand ächzen. Zorn, den er sie nicht sehen lassen konnte. Keine gute Emotion für eine Konfrontation.

Adriels Männer machten bereitwillig für ihn Platz, als er auf den Mann zu kam, sein eigenes Schwert gesenkt. Er hatte kein Interesse an einem Blutbad auf seinem eigenen Schiff. Er hatte kein Interesse daran, dass den Kerl einen Märtyrer zu machen. "Gewalt pflanzt nur neue Gewalt." Missmutig verscheuchte er Ana aus seinem Kopf. Aber jetzt gerade wollte er Gewalt. Alkohol förderte dumme Entscheidungen. Aber Mane Bork wäre bereit gewesen, ihr noch Schlimmeres anzutun, ohne, dass sie etwas dafür konnte.

Als Bork ihn erkannte, verzerrte sich sein Mund zu einem breiten Grinsen. Regen tropfte von seinem Säbel und seinem Bart herab und verwischte seine Gestalt zwischen den Bindfäden. Er musste brüllen, damit man ihn über die tosenden Wellen hörte.
„Der clevere Nachtfuchs, der unser Land allein mit seinem Verstand retten wird", er deutete eine spöttische Verbeugung an, „Wirklich schade, dass dir deine persönliche Rache wichtiger ist."

Adriels Miene betrog nicht, wie genau die Worte ihr Ziel trafen. Er hatte die Lieder auch gehört. Mane Bork wollte nicht, dass er sie wahr machte. Sein Großvater war machthungrig genug gewesen, seinen Partner verschwinden zu lassen. Und sein Vater hatte nicht nur gegenüber seinen Söhnen eine gewalttätige Ader gehabt. Alkohol. Niemand sollte so jemanden als Caraiden wollen.

Aber das erklärte Adriel ihm nicht. Stattdessen hob er einen Arm und deutete auf das rollende Meer um sie herum.
„Wenn du zurückschwimmen willst, werde ich dich nicht aufhalten. Ich habe gehört, die Sirenen sind träge zu dieser Jahreszeit."

Borks Oberlippe zog sich zu einem animalischen Schnarren nach oben, aber er machte keine Anstalten Adriel anzugreifen. Regen trommelte unablässig auf die Planken zwischen ihnen. Stattdessen fiel sein Blick auf etwas hinter dem Prinzen und sein Grinsen kehrte zurück. „Ana. Ich hatte schon Sorge, dass er dich genauso wegsperren würde wie mich. Vielen Dank für die Hilfe." Er wedelte einmal mit den Schlüsseln durch die Luft.

Im Augenwinkel sah Adriel Anas erschrockene Gestalt. Ihr Kleid schlug im Wind um ihre Knöchel und sie hielt sich an Marteels Arm fest, was ihm deutlicher als jedes ihrer Gefühle sagte, dass sie sich fürchtete. Warum hatte sie ihn also rausgelassen?

Aber ihre Angst galt nicht nur ihm.
Adriel hätte gerne die Augen geschlossen, um nicht noch wütender zu werden.
Sie fürchtete auch um den Rebellen. Seine Fingergelenke knackten, als er sein Schwert fester griff.
„Es gibt auch andere Wege, dein Volk zu retten." Nun, wenn sie sich einen anderen Caraiden aussuchten, würden sie vielleicht einen finden, der wusste wie.

Glücklicherweise brüllte Mane Bork weiter, sodass er nicht ihren gesamten Streit in seiner Erinnerung wieder durchleben musste.
„Ich habe kein Problem mit dir oder dem Mädchen", mit einer Hand wischte er sich Wasser aus den Augen, „Gib dein Wort, dass du den Thron von deinem Bruder zurückholst und ich gehe freiwillig in meine Zelle zurück. Ihr muss nichts geschehen." Mane Bork klang wie jemand, der sonst mit explosiver Magie hunderte Unschuldige mit in den Tod riss.

Adriel dachte über sein Angebot nicht einmal nach. Im Augenwinkel sah er, dass der blonde Maat vorsichtig auf Ana einredete, einen Arm um ihre Körpermitte gelegt, halb um sie aufzuhalten, halb um sie vor dem aggressiven Regen zu stützen.

Doch Ana starrte direkt geradeaus. Und das erste Mal sah sie nicht durchsichtig aus. Wind griff nach ihren weißen Haaren und schlug sie durch die Luft wie Segel. Aber sie starrte einfach nur geradeaus. Starrte ihn an, als wisse sie bereits, wie er reagieren würde. Als spüre sie seinen Zorn selbst jetzt.

Mit knirschenden Zähnen drehte sich Adriel wieder fort. Er wollte nicht, dass sie recht behielt. Dass sie sich klein machte, wenn jemand Alkohol verschüttet hatte.
„Warum denken alle, dass Kellen unfähig ist, dieses Land zu führen? Er ist nicht unser Vater. Viel weniger als ich", versuchte Adriel sich ruhig zu erklären, „Ich mache dir ein Gegenangebot: Gib mir deinen Säbel und ich lasse dich zurück in deine Zelle."

Gelbe Zähne blitzten ihm entgegen, als Mane Bork grinste. Er konnte nicht zu Ana. Dazu hätte er durch Adriel hindurchgemusst. Und er war nicht so dumm, dass er es direkt mit dem Nachtfuchs aufgenommen hätte. Aber der junge Matrose zu seiner Linken... der, der seinen Säbel mit beiden Händen halten musste, um ihn nicht im Regen zu verlieren.

Er bewegte sich schnell. Zu schnell für den Burschen. Aber nicht schnell genug für den Prinzen. Noch bevor die Spitze von Borks Säbel das Hemd des Jungens durchdrang, schlug Adriel ihm den Säbel aus der Hand.

Aber der Rebell hatte damit gerechnet. Die Messerspitze drang die erste Hälfte in Adriels Seite ein, ehe dieser ihn wegstoßen konnte.

Mane Bork stolperte zurück und wurde beinahe von den versammelten Matrosen überrannt. Sie umzingelten ihn, griffen nach seinen Armen und rissen ihn zu Boden. Doch zwischen ihren Beinen hindurch sah er den Nachtfuchs auf ein Knie gehen.

Ein dumpfer Laut begleitete Adriels Fall. Er hatte eine Hand auf sein Hemd gepresst, doch Blut färbte den Stoff bereits wie eine sich öffnende Blume. Mischte sich mit Wasser und breitete sich aus.

Hinter ihm schnappte Ana hörbar nach Luft. Marteel fing sie auf und Sir Ranwic japste ähnlich schrill auf als er Blut auf ihrem Kleid entdeckte. In einem verzweifelten Versuch, ihr zu helfen, bemühte er sich Druck auf den Schnitt zu bringen und sie gleichzeitig nicht anzufassen.

Über Bork hob jemand einen Säbel. Die Klinge blitzte selbst im Wolkenverhangenen Himmel, tödlich und final. Mane Bork schloss die Augen, bevor sie ihren finalen Laut von sich gab, als sie auf ihn nieder schoss.

„Stopp!"

Seine Existenz hielt den Atem an.

Mane Bork öffnete ein Auge und spähte zu dem Nachtfuchs herüber, der seine rote Hand ausgestreckt hatte. Seine grünen Augen leuchteten, als er sich mühsam wieder auf die Füße kämpfte. Vollkommen durchnässt.

Und langsam. So langsam.

Seine Atmung war geprägt von Anstrengung.

Er warf Ana einen langen Blick zu, der eine Nachricht irgendwo zwischen Ärger und Kooperation überbrachte. Sie hatte keinen Grund ihn zu fürchten. Das musste sie wissen.
Aber die Worte kamen trotzdem nur widerwillig über seine Lippen.
„Bringt ihn zurück in seine Zelle."

Die Männer zögerten. Regen fiel unerbittlich zwischen sie, doch sie starrten nur hinüber zu dem Nachtfuchs, dessen Blut sich mit dem Wasser auf den Planken mischte.

Mane Borks Blick flatterte ebenfalls zu dem Mädchen zurück, das die Situation mit großen Augen beobachtete, während der Onkel des Nachtfuchses ihr einen Schal um den Oberkörper band.
Mit einem Ruck wurde er auf die Füße gerissen. Mehrere Männer hielten seine Arme gepackt und schliffen ihn zu einer der anderen Zellen. Die, die sich am Bug des Schiffes beim Vieh befanden.

Adriel sah ihm nur hinterher, bis die Männer ihn unter Deck gebracht hatten. Dann drehte er sich um und schleppte sich zu Ana, die vollkommen weiß zwischen Marteel und Sir Ranwic an die Wand des Achterdecks gelehnt saß. Regen ließ ihr blasses Gesicht glänzen.
„Sie braucht einen Arzt." Die Worte fühlten sich rau in seinem Hals an.

Sie hob den Kopf und inzwischen bekannter Trotz flackerte in ihren blauen Augen auf.
„Nicht so sehr, wie du." Sie machte sogar Anstalten, ebenfalls wieder aufzustehen.

„Ich habe schon Schlimmeres erlebt", widersprach Adriel und griff erst ein, als sie Marteels Hand wegschlug, der verzweifelt versuchte, sie am Boden zu behalten. Mit einem Augenrollen sammelte Adriel sein letztes bisschen Kraft und hob sie hoch. Sie war immer noch zu leicht. Aber sie anders als beim letzten Mal, brachte sie ihren Protest mit deutlichen Worten zum Ausdruck.

Adriel ignorierte sie so gut es ihm möglich war, während er sie beide Stiegen hinunter in ihr Zimmer trug und dort aufs Bett legte, ihre nassen Kleider ignorierend. Sie versuchte zwei Mal wieder aufzustehen und blieb erst liegen, als er sich auf die Bettkante setzte.

Über ihnen hörte er seinen Onkel nach dem Koch rufen. Mit einem Ächzen betastete Adriel seine Seite. Das Messer musste eine Rippe getroffen haben, denn der Stich war nicht besonders tief gegangen, ehe die Klinge auf das Deck gefallen war. Der Schmerz war trotzdem blendend.

„Du hast ihn nicht umgebracht."
Er hätte sie fast nicht gehört, so leise sprach sie. Aber er spürte ihren Blick auf seinem Gesicht.
Als er nicht antwortete, robbte sie mühsam weiter ans Kopfende, bis sie sich neben ihn setzen konnte.

Er spürte, wie viel Kraft es sie kostete. Adrenalin fuhr hoch und wurde von ihr erfolgreich wieder heruntergekämpft. Die Panik, die mit jeder Nähe kam, brandete für einen winzigen Moment auf und simmerte dann zu einem dumpfen Pochen herunter, das sie unter großer Anstrengung unter Kontrolle behielt.

Adriel schloss die Augen und stellte sich vor, dass er alleine wäre, während er auf den Boden tropfte. Mit Alkohol in seinem Körper, anstatt auf seinem Hemd, das inzwischen nur noch nach Blut roch.
„Super hat das funktioniert", sagte er schließlich, als er merkte, dass sie ihn immer noch anstarrte.

Zwischen seinen Wimpern hindurch sah er ihr kleines Lächeln. Es war nicht dasselbe wie in der Nacht auf Deck. Nicht diese lebendige Begeisterung. Aber er spürte ihren Stolz in jeder Faser seiner Muskeln, die ihre Angst vor ihm klein hielt und es machte den Schmerz ein klein wenig erträglicher. Er hätte ihr gerne eine Kopfnuss verpasst, aber stattdessen lehnte er sich rückwärts gegen die Wand. Ein schnaubendes Lachen entwischte ihm. „Ich dachte, du würdest uns das Leben kosten, wenn ich dich dort draußen alleine lasse, aber anscheinend bist du wild entschlossen, uns auch auf meinem eigenen Schiff umzubringen."

Seine Bewegung sandte eine neue Welle der Anspannung durch sie hindurch, doch auch diese verebbte. Mit neuer Entschlossenheit rutschte sie zurück und lehnte sich ebenfalls an.
„Oh bitte. Du hast mir gezeigt, wie man einen Dolch benutzt. Wenn ich uns tot sehen wollen würde, wären wir jetzt tot."

Adriel öffnete ein Auge und warf ihr einen sarkastischen Blick zu, den sie mit einem kleinen Grinsen entgegennahm.
„Wenn du jemanden mit einem Dolch erwischst, dann war das ein Versehen."

Sie lachte, doch etwas flackerte in ihrem Blick. Unsicherheit ließ sie wieder auf ihre Hände sehen, als sie sagte: „Bitte bring mich nicht nach Cerriv."

Adriel unterdrückte ein langes Seufzen. In Cerriv wäre das heute nicht passiert. Sie wäre sicher. Ungestört. Er konnte noch immer den Zorn unter seiner Haut spüren, wenn er an ihre Reaktion auf den Alkohol dachte. Er wollte sich nicht so fühlen.
„Mein Onkel hat dir ein falsches Bild vermittelt. Cerriv kann... wunderschön sein. Freier als jede andere Stadt in diesem Land."

Sie sah ihn lange von der Seite an, den Kopf nur leicht zur Seite geneigt, dass Wasser aus ihren Haaren tropfte. Sie studierte ihn so lange, bis seine Finger zuckten und er doppelt überprüfte, dass seine Emotionen keinen Weg zu ihr finden würde.
Sie erlöste ihn mit einem wegwerfenden Schulterzucken.
„Frei würde bedeuten, dass ich gehen kann, wann ich will."

Das war keine Frage. Es war eine Herausforderung. Adriels Kopf drehte sich von ganz alleine in ihre Richtung. Vor wenigen Augenblicken noch hatte sie ihre erste Messerwunde erlitten. Vor ein paar Tagen hatte sie ihn aus ganzem Leibe angebrüllt. Und vor einigen Wochen hatte sie weder Schlafen noch Essen wollen. Und irgendwo fand sie trotzdem noch den Funken für ein klein wenig Widerstand.
Aber bevor er eine Antwort geben konnte, polterte sein Onkel die Stiege herunter.

Er zögerte nur kurz auf der untersten Stufe, seine ergrauten Augenbrauen zusammengeschoben, als er die beiden nassen Gestalten nebeneinander sitzen sah. Und obwohl er sich schnell fing und seine Aufmerksamkeit einzig und allein Adriel galt, blieb sein finsterer Blick bestehen.
„Marteel sagt, es wurde der Hafen gesichtet."

Entgegen seiner Schmerzen richtete Adriel sich ruckartig auf. Er musste nicht einmal die Augen schließen, um die Information zu bestätigen. Seine Gabe loderte allein bei der Vorstellung auf, wer sich dort versteckt hielt.

Neben ihm wurde Ana schmerzhaft klein, als sie ebenfalls erriet, was das bedeuten musste. Noch bevor sein Onkel nickte, als könne er seine Gedanken lesen.
„Mika'il."

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"Kleine Sterne für kleine Fortschritte." - Ana, Lebensberaterin.

Ich werde belagert. Und um mich herum schnarcht es.

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