Zwölf nach Leave, eine Autofahrt später

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Weil ich mein Glück vorhin nicht herausfordern wollte, bin ich mit dem Bus in die Schule gefahren und nicht mit Benjis Karre. Doch als die Krankenschwester angerufen hat, musste ich mich beeilen.

„Ich werf' dich am Krankenhaus raus und glaub ja nicht, dass ich dich wieder abhole", knurrt Benji, als ich die Beifahrertür hinter mir zu ziehe.

Irgendwie nervt es mich, dass er so ist. Ich verstehe ja, dass er sauer ist, aber wieso kann er sich nicht einfach entscheiden? Gestern noch, hat er mich dazu überredet, mit Leave und ihm weg zu fahren und jetzt würde ich es ihm zutrauen, sie anzuspucken, wenn er sie sieht. Na gut, so krass ist es nun auch wieder nicht, aber er ist wirklich schlecht drauf.

„Tschüss", verabschiede ich mich, als er mich abgesetzt hat. Wortlos braust er davon. So ein Sack!

Aber ich habe keine Zeit, mich über ihn aufzuregen, weil ich mich wirklich beeilen muss. Die Schwester wollte am Telefon nicht mit der Sprache raus rücken. Nur, dass ich schnell kommen soll, hat sie gesagt. Danke für diese hilfreiche Information!

Zu ihrem Zimmer brauche ich sechsunddreißig Sekunden. Es ist das selbe, in dem sie zuletzt gelegen hat.

Das Schlimmste erwartend würde ich am liebsten die Augen schließen, als ich die Tür öffne.

Was, wie sich sehr schnell herausstellt, nicht notwendig gewesen wäre. Leave sitzt, munter wie fast immer, auf ihrem Bett und strahlt mich an, als hätte sie den ganzen Tag schon auf mich gewartet. Vielleicht hat sie das ja sogar.

„Hi."

Wenn ich so recht darüber nachdenke, würde ich jetzt gerne wieder gehen.

Ihr geht es ja offenbar gut und ich habe ehrlich gesagt keine Lust auf ihre Spielchen.

„Was soll das, Leave?", frage ich stattdessen.

Sie klopft auffordernd neben sich auf die Matratze, doch ich rühre mich keinen Zentimeter. Ihr Lächeln verfliegt nicht.

„Ich hab dich vermisst."

Stöhnend verschränke ich die Hände im Nacken und raufe mir die Haare.

Dieses Mädchen macht mich fertig. Was denkt sie sich eigentlich? Sie scheint wirklich kein Fünkchen Empathie aufbringen zu können, denn dann wüsste sie, wie unlustig ich das Ganze hier finde.

„Ich weiß, dass du sauer bist", belehrt sie mich eines Besseren.

Wieso bist du dann trotzdem so, Leave? Wieso?

„Und warum sollte ich dann hier mal wieder antanzen? Ich hab Dank dir, Leave, heute nur eine halbe von sechs Stunden Unterricht besucht. Findest du es lustig, mich so zu manipulieren?"

Anscheinend habe ich einen Nerv getroffen. Sie grinst nicht mehr. Nicht nur das, sie ist sogar den Tränen nahe. Noch ehe ich auch nur daran denken kann, es aufzuhalten, fängt sie an zu schluchzen.

Ist sie vielleicht schwanger? Nein, das wäre so ziemlich das Dümmste, was passieren könnte, wenn man bedenkt, dass sie bald...

„Es tut...tut mir so...leid", stottert sie.

Gott, sie ist schwanger!

Unbeholfen gehe ich nun doch zu ihr, lege ihr eine Hand auf die Schulter und versuche mitfühlend zu wirken. Sie tut mir ja auch leid, aber sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen – ich bin sauer.

„Ich wollte nicht, dass du böse wirst", beteuert sie und nimmt die Hände vom Gesicht, wodurch sich ein Rotzefaden zwischen ihren Fingern und der Nase bildet, was ihr nicht peinlich zu sein scheint.

Seltsamerweise finde ich es nicht mal eklig. Es erinnert mich daran, wenn Kindern die Nase läuft. Eigentlich nervt es mich viel mehr, dass sie so theatralisch ist. Und dass sie von Null auf Hundert so mit der Stimmung umschwingt, wie Benji.

Um der Situation ein wenig zu entfliehen, krame ich in meinem Rucksack nach Taschentüchern, die sie dankend annimmt. Geräuschvoll schnaubt sie und wischt sich dann über' s Gesicht.

„Geht' s wieder?", frage ich.

Hicks!"

Toll, jetzt hat sie auch noch Schluckauf. So sehr ich mich auch dagegen innerlich wäre – irgendwie ist das ja schon süß.

Reiß dich zusammen, Will. Du hast so gut durchgehalten.

Halt' s Maul!

„Wenn du willst – hicks – kannst du gehen. Ich will deine Zeit nicht verschwenden", nuschelt sie.

Oh Leave, wenn es doch nur so wäre!

„Red' keinen Stuss", antworte ich und setze mich nun doch zu ihr. „Vielleicht sollten wir einfach Nummern austauschen, damit du mir schreiben kannst, wenn du mich...wenn ich dich besuchen soll", schlage ich sanft vor.

Mal wieder hat sie mich weich geklopft.

Ein kleines, freudloses Schmunzeln umspielt ihre Lippen. „Ich hab' kein Handy."

Darauf fällt mir keine Antwort ein. Eigentlich hätte ich mir das denken können. Aber was anderes ist mir nun mal nicht eingefallen.

„Dann nimm meins", werfe ich, was mich selbst überrascht, plötzlich in den Raum.

Ungläubig sieht sie auf. „Dann hast du doch keins mehr."

Da hat sie ausnahmsweise recht, Will. Sei kein Blödmann.

„Schreib einfach an Benjis Nummer. Der ist eh bei mir."

Oh ja, Benji wird begeistert sein, Blödmann.

„Ich glaube nicht, dass Benji das will", bestätigt Leave meine innere Stimme, die mir heftig nickend einen wichtigtuerischen Blick schenkt.

„Er muss. Immerhin wohnt er quasi bei mir und hat nie einen Cent miete bezahlt", stelle ich mich gegen die beiden.

Dir ist echt nicht mehr zu helfen!

„Bist du sicher, dass du das machen willst?", fragt Leave schüchtern.

Stumm ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche und lege es ihr in den Schoß.

„Der Code ist-"

„Zwei, Sechs, Null, Acht. Ich weiß", schneidet sie mir das Wort ab. Verblüfft suche ich ihren Blick, dem sie aber mit geweiteten Augen ausweicht.

„D-der Geburtstag deiner Schwester. Hat Benji mir erzählt."

Das bezweifle ich.

„Na gut, ich hab die Todesanzeige in der Zeitung gesehen."

Es gab keine Todesanzeige.

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