Zwölf nach Leave, etwas später

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Schon an der dritten Autobahnabfahrt müssen wir Pause machen. Leave muss auf' s Klo, was Benji natürlich gar nicht witzig findet.

„Hättest du nicht vorher gehen können?", brummt er, während er direkt vor dem Eingang der Raststätte parkt.

„Da musste ich noch nicht", entgegnet Leave munter, klettert aus dem Wagen und zerrt ihren Koffer hinter sich her. Wortlos sehen wir ihr nach.

Stöhnend öffnet Benji seine Tür und steigt ebenfalls aus.

„Wo willst du hin?", frage ich verwundert und beobachte ihn, wie er auf die Eingangstür zusteuert.

Er dreht sich nicht um, als er mir antwortet: „Ich hol uns was zu essen."

Bevor ich antworten kann, vibriert mein Handy in meiner Hosentasche. Das Schlimmste befürchtend, fische ich es hervor und lese den Namen, der bedrohlich auf dem Display aufleuchtet.

Mom.

So früh habe ich nicht mit ihr gerechnet, das muss ich zugeben.

Es hört auf zu vibrieren, zumindest für einen kleinen Augenblick, bevor es wieder los geht und jetzt Mollys Nummer mir entgegen leuchtet.

Zugegeben, vor ihr habe ich ein bisschen mehr Angst als vor meiner Mutter, aber ich werde einen Teufel tun, da jetzt ranzugehen.

„Wieso nimmst du nicht ab?"

Leaves Stimme erschreckt mich so sehr, dass ich das Handy ertappt hinter mich werfe, wo es immerhin unbeschadet auf der Rückbank landet.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken", entschuldigt Leave sich. Kopfschüttelnd ringe ich mir ein Lächeln ab, während ich mir immer noch an die Brust fasse, wo mein Herz bis zu den Fingerspitzen pocht.

„Schon gut", japse ich. Als sie hinten sitzt, greift sie nach meinem Telefon und reicht es mir nach vorne. Mom versucht es schon wieder. Ich mach lieber das Teil aus.

„Wieso sagst du ihr nicht, wo wir sind?", fragt Leave, scheinbar ehrlich überrascht über mein Verhalten.

Ungläubig drehe ich mich zu ihr. Vielleicht ist sie einfach eine gute Schauspielerin und verarscht mich gerade. Davon erkennt man in ihren großen, ehrlichen Augen aber kein bisschen.

Na ja, sie hat mir auch tagelang verheimlicht, dass sie stirbt, also ist sie definitiv eine gute Schauspielerin.

„Ist die Frage ernst gemeint?", hake ich verunsichert nach.

Verwundert nickt sie. „Natürlich. Lügen ist etwas ziemlich Schlechtes, Will."

Sie nun wieder.

„Weil ich ihr nicht unbedingt sagen will, dass ich die Schule schmeiße, um mit dir dreitausend Meilen weit weg zu fahren."

Das scheint sie immer noch nicht zufrieden zu stellen. „Wieso nicht? Sie würde das sicherlich verstehen, wenn du ihr erklärst, dass es mein Wunsch ist, weil ich bald tot bin."

Es ist eine Sache, darüber nachzudenken, was passieren wird, aber eine ganz andere, es auszusprechen. Leave schafft das, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Ich will ihr das aber nicht erzählen."

„Wieso nicht?"

Weil ich es nicht sagen kann, ohne einen Kloß im Hals zu bekommen, verdammt.

Gott sei Dank ist Benji zur Stelle, um mich aus diesem Gespräch zu retten. Plumpsend lässt er sich auf seinen Sitz fallen, drückt mir eine gut duftende, warme Tüte in den Schoß und schnallt sich an.

„Ähm...Benji?", fragt Leave unsicher. Das Thema davor hat sie wohl abgehakt.

„Ja?"

Sie zögert. „Ich glaub', ich will doch nicht nach Maine."

Noch ist Benji ganz ruhig. „Wohin dann?", fragt er, während er den Motor startet.

„Ich glaub', ich will gar nicht weg."

Fassungslos dreht er den Schlüssel wieder um, das Auto verstummt. Es ist ruhig, keiner traut sich zu atmen.

Langsam dreht er sich um. „Ist das dein scheiß Ernst?"

Sie nickt. „Ich denke schon."

Wortlos steigt Benji aus, lässt seine Tür offen und geht um den Wagen rum zu mir. Er ist ganz rot im Gesicht, als er mir mit einer Kopfbewegung bedeutet, auszusteigen.

„Das ist nicht meine Schuld! Du wolltest das mit ihr durchziehen", rechtfertige ich mich sofort, aber Benji ignoriert mich und lässt sich schnaufend auf dem Beifahrersitz nieder.

„Fahr du!"

„Wieso?"

„Weil ich den Wagen sonst vor einen Baum setze."

Wir kommen wieder zu Hause an, ohne, dass ich einen Unfall bauen konnte. Und ohne, dass Benji explodiert ist. Er hat seine Wut wohl im Stillen mit sich selbst ausgefochten, wofür ich ihm sehr dankbar bin, weil es mich nervös genug macht, zu fahren. Leave hat ebenfalls keinen Ton von sich gegeben, bis ich vor unserem Haus stehe.

„Du solltest jetzt wirklich gehen, Leave", knurrt Benji, dessen Gesichtsfarbe immerhin wieder normal gelbstichig ist.

„Soll ich dich noch heim fahren?", frage ich sie, wobei ich ihr nicht in die Augen sehen kann.

Ich bin nicht wütend, eher vor den Kopf gestoßen. Jetzt habe ich mich schon dazu entschlossen, diesen Mist mitzumachen und ihr fällt spontan ein, dass sie doch nicht will.

Wie ein kleines Kind.

„Kann ich bei dir bleiben?", stellt sie eine Gegenfrage.

„Nein", blafft Benji, ehe ich den Mund öffnen kann.

„Okay", meint sie, steigt aus und verschwindet. Ich sehe ihr nicht nach, starre unentschlossen auf das Lenkrad.

„Die Alte hat doch 'n Knall", platzt es aus meinem besten Freund heraus, sobald Leave außer Hörweite ist. Wobei ich mir sicher bin, dass es ihn nicht stören würde, wenn sie es doch hören könnte.

„Reg dich-"

„ICH WILL MICH ABER AUFREGEN!"

„Okay."

Die Haustür ist noch nicht mal ins Schloss gefallen, als Molly und Mom mit verschränkten Armen vor uns stehen.

„Wo habt ihr gesteckt? Ihr müsst doch schon längst in der Schule sein!"

In sich hinein murrend drückt Benji meiner Tante unsere Tüte mit dem Essen in die Hand und marschiert die Treppe hoch.

„Wir haben Frühstück geholt", rede ich mich raus und folge Benji, um weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen.

Molly hat uns noch gezwungen, zur Schule zu fahren. Zumindest mich hat sie gezwungen. Benji hat ihr entgegen geschmettert, dass sie nicht seine Mutter sei und er selbst entscheiden könnte, was er tut. Sie ist zwar auch nicht meine Mutter, aber meine Tante und wie gesagt, ich habe manchmal ein bisschen Angst vor ihr.

Deswegen sitze ich jetzt in der Cafeteria und stochere in meinem Nudelauflauf rum. Ich fasse es einfach nicht, dass Leave das getan hat. Ich meine – wie kann man bitte von einer Sekunde auf die nächste seine Meinung vollkommen ändern?

Sie ist so unberechenbar, dass ich ihr sogar zutrauen würde, dass sie sich gleich neben mich setzt, ihr Buch raus holt und darin liest, als wäre nichts gewesen.

Aber das tut sie nicht. Stattdessen vibriert mal wieder mein Handy.

„Was?", fauche ich in den Apparat.

„Will Kingston? Hier ist Oberschwester Katherine. Ich rufe für eine Patientin von uns an."

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