[2] Scherben der Vergangenheit

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Die Stimme, welche noch lange in der Stille vibrierte und die Luft durchzog, wurde erst nach einiger Zeit leiser, bis es ganz und gar verstummte. Der Himmel hatte bereits begonnen seine Farben zu wandeln und einen dunkleren Ton anzunehmen, doch damit kam auch eine leichte Kühle einher, die ihr in diesem Moment unglaublich gut tat. Was hatte sie sich dabei nur gedacht? Es war töricht wieder hierher zu kommen. Denn was hatte sie schon erreichen können? Schmerzen, Angst und den Hass einer Person, die ihr so vertraut vorgekommen war, dass es ihr eigenes Herz hatte bluten lassen. Die Idee, die ihr anfangs mitsamt purer Euphorie durch die Adern geströmt war, wirkte von Minute zu Minute wie ein fauler Zauber, der ihr sämtlichen Sinn im Leben raubte.

Sachte wischte Niara sich die letzten Tränen fort, die nun auf der Oberfläche ihrer Hand glitzerten und schließlich von einem nahenden Windstoß fortgestoßen wurden. Wohin sollte sie jetzt nur gehen? Ohne Geld konnte sie schwerlich in der Stadt bleiben und in der Gilde ... nun, diese Bleibe strich das Mädchen sich genauso schnell aus dem Gedankenwirbel. Diese Nacht könnte sie noch hier am See bleiben und dem beruhigenden Klang des Wassers lauschen, bevor morgen früh bei Sonnenaufgang der Aufbruch nahte. Es musste ein neuer Plan her, aber darum wollte sie sich in diesem Moment wirklich keine Gedanken mehr machen.

So ließ die Schwarzhaarige sich auf den Rücken gleiten, bevor ihr Körper sich zur Seite wandte und sich zusammenrollte. Nichts lieber als einfach nur zu schlafen. Lange und tief. Das war es, was sie sich in diesem Moment erhoffte. Doch schien es, als wenn es ihr verwehrt bleiben sollte. Denn nicht lange, nachdem sie sich hingelegt hatte, erklang ein lauter Ruf, der ihren Namen trug und der sie auf der Stelle wieder hochfahren ließ. Das Schwarzhaar erkannte den Rufenden sofort und wollte am liebsten direkt von hier verschwinden.

Niara sprang auf die Beine, wollte loslaufen und diesen ganzen Ort einfach für immer hinter sich lassen. Nur kam sie nicht weit, denn ein harscher Griff um ihr Handgelenk zog sie abrupt zurück, an die Brust eines jungen Mannes. Sie hatte kaum mehr die Kraft um sich überhaupt zu wehren und sich loszureißen. Das Weinen, der Tag im Allgemeinen, es hatte sie einfach zu viel Energie gekostet, die sie noch nicht wiederhergestellt hatte. Demnach fiel es dem Eismagier vor ihr leicht, sie weiterhin an sich zu drücken.

»Was willst du hier? Du warst doch ziemlich deutlich damit, dass ich abhauen und nie wieder kommen soll!«, warf sie ihm entgegen und bemerkte den verhassten Druck in ihr, weiteren Tränen freien Lauf zu lassen, den sie nun aber direkt stoppte. Vor ihm wollte sie nicht weinen. Nicht vor dem, der sie doch zu hassen schien. Der sie mit derart eisiger Stimme zum Rückzug gezwungen hatte.

Natürlich war es der Magierin damit auch schleierhaft, wieso er überhaupt hergekommen war. Denn von seiner Seite aus konnte es doch ganz gewiss nicht sein ... Und auch wenn, wollte er vielleicht nur sicher gehen, dass sie auch wirklich verschwunden war?

»Wenn du ruhig bleiben würdest, könnte ich es dir auch erklären ... also beruhig dich doch ... bitte.«

Nach diesen Worten beschloss Niara ihm zumindest noch einmal zuzuhören, bevor sie gehen würde. Denn so verletzt sie auch war, so neugierig war sie gleichermaßen. Irgendwie pochte selbst jetzt noch die kleine Hoffnung in ihr, es könne sich nur um ein Missverständnis gehandelt haben. Aber sie war zu unsicher, um wirklich daran glauben zu können. Und schließlich war sie kein Unmensch, der anderen Chancen verwehrte. Besonders, wenn es sich doch nur um Worte handelte.

Worte können dich tiefer treffen, als jede Klinge der Welt ...

Die Gedanken kamen, ohne, dass Niara es hätte aufhalten können und die sie nun doch wieder zögern ließen. Dabei spürte sie noch immer den abwartenden Blick von Gray, der scheinbar nicht wusste, ob sie fortlaufen würde, sollte er sie loslassen. Die Stille zog sich also, bis ein hauchzartes Seufzen dieses zerriss.

»Ich werde nicht gehen, bevor du ausgesprochen hast«, versicherte die junge Magierin ihm somit kurz, worauf sich der Griff um ihren Körper fast im selben Moment so weit lockerte, dass sie sich einige Fußbreit fortstoßen konnte. Sie wollte wenigstens in sein Gesicht sehen können. Wollte die Wahrheit hinter seinen Worten sehen können. Nun war er es, der zu zögern schien und sich etwas unbeholfen durch die pechschwarzen Strähnen fuhr. Allem Anschein nach, mochte er sich vor seinem Aufbruch nicht wirklich damit befasst haben, wie er mit der Erklärung anfangen wollte. Nun, Zeit hatten sie, denn wie Niara es versprochen hatte, würde sie nicht gehen, bevor er ihr den Grund für sein Kommen mitgeteilt hatte.

Ein letztes Mal straffte der Junge sich noch und fing endlich an zu reden, auch wenn sein Blick dabei nicht wirklich auf sie gerichtet war. »Ich hab eben ziemlich schroff reagiert und das tut mir leid. Ich weiß schließlich nicht was genau passiert ist, dass du einfach aufgebrochen bist und statt mit dir zu reden ... hab ich dich angeschrien. So sollte sich ein großer Bruder nicht verhalten ... Daher wollte ich mich bei dir entschuldigen und ... dich bitten zurückzukommen. Du sollst die Nacht nicht hier draußen verbringen müssen.«

Nur schwach war es dem Dämonenkind, als könne sie seine Emotionen in dieser Stimmlage heraushören, aber es war nicht genug um es wirklich beurteilen zu können. Er wusste es wohl gut zu verstecken, auch wenn eine Ahnung in ihr schwebte. Ruhig und dennoch fast schüchtern. Klar und doch mit diesem gewissen leisen Zug von Reue. War es das, was sie heraushörte? Tat es ihm wirklich leid? ... Wollte er wirklich, dass sie zurück mit ihm kam? Die blauen Augen fuhren zur Seite, fixierten dort das stetig fließende Wasser. Sie sollte nicht mit ihm zurückgehen. Es wäre nicht richtig ein weiteres Mal vor die zu treten, die aus ihrem Gedächtnis gelöscht wurden und denen sie so doch nur zum zweiten Mal den Kummer in den Sinn treiben würde. Aber eben diesen Kummer wollte sie dem, der sich als ihr Bruder ausgab, ebenso wenig antun.

Somit wandte die junge Frau ihrem Gegenüber ihren Blick zu und nickte einvernehmlich auf seine Worte, doch gab ihre Kraft noch immer keine wirkliche Regung in den blassen Zügen her. Die seinen hingegen änderten sich leicht und zeigten wohl Erleichterung, während seine Lippen sich zu einem kleinen Lächeln kräuselten. Gray setzte zu weiteren Worten an, jedoch vergingen diese in lauten Rufen, die sich keine Sekunde später mitsamt den Rufenden zeigten.

Die weiße Exceed und Natsu kamen aufgeregt näher und sprachen beide dermaßen durcheinander, dass sie kaum wirklich verstand, was der jeweils andere nun eigentlich wollte. Auf der Stirn des Schwarzhaarigen pochte derweil regelrecht eine Ader und auch das Lächeln war komplett verschwunden, ehe er den Rosahaarigen kurzerhand an dessen Weste ergriff und zu sich zog. »Schraub gefälligst mal deine Lautstärke runter, Knallkopf, und platz nicht einfach so in andere Gespräche!«

»Ihr wart schon längst fertig und außerdem weiß man bei dir ja nie!«

»Was soll das jetzt wieder heißen, he?!«

»Das weißt du ganz genau, Frosthirn«, kam es noch von ihm, bevor Niara kurzerhand ihre Hände auf deren Schultern legte und die Jungs somit etwas auseinanderfahren ließ. »Hört auf euch zu streiten, ja? Er hat sich nur bei mir entschuldigt und mir angeboten, wieder in die Stadt zu kommen.«

Als jemand, der Streit nicht wirklich mochte, versuchte sie natürlich diesen zu legen und hoffte, die zwei würden einfach Ruhe geben. Leider nur kam nun auch die kleine Katze näher, die neben ihnen flog und die Hände dabei in die Hüften stemmte. »Das will ich doch auch schwer hoffen! ... Es ist schließlich das Mindeste nach diesem Ausbruch.«

Anprangernd starrten ihre hellen Augen auf den Eismagier, der mit einem leisen Zungenschnalzen seinen Kameraden losließ und die Hände stattdessen in den Taschen seiner Hose verstaute. Wenigstens schien sich die Situation aber langsam wieder etwas zu beruhigen, weshalb das Schwarzhaar leise durchatmete. Nur um im nächsten Augenblick schreckhaft zusammenzufahren, nachdem sich ein Arm um ihre Schulter legte.

»Du musst nicht einmal zurück in die Stadt. Na komm, wir können doch auch zu meiner Hütte«, grinste der Salamander breit und sie überkam ein vertrautes Gefühl bei diesen Worten. Wie eine Erinnerung, die daraufhin in ihr Gedächtnis getragen werden wollte. Augenblicklich verzogen sich ihre Züge jedoch voller Schmerz und die Hände an die Schädeldecke gekrallt, ging Niara in die Knie. Der Schmerz war dieses Mal so stark, als wolle er ihr regelrecht ihre Nervenbahnen herausreißen und sämtliche Verbindungen kappen. Wann hörte das nur endlich auf?! Sie ertrug diese Qualen nicht länger und konnte noch dazu nicht ertragen, wie besorgt sich alle drei um sie scharten. Panisch versuchten herauszufinden, woher die plötzlichen Schmerzen auf einmal kamen.

»Nun hol doch endlich Hilfe!«

»Wo sollen wir denn um diese Uhrzeit noch jemanden finden?!«

»Irgendwo wird ja wohl jemand sein!«

»Das ist Schwachsinn!!«

»Ist es nicht! Notfalls reiß ich einen Arzt eben aus dem Bett wenn es sein muss!!«

»SCHLUSS JETZT!«

Es entkam ihr, ohne, dass Niara es verhindern konnte. Beinahe schrill durchbrach ihre Stimme das erneut aufgeflammte Streitgespräch und Augen voller Tränen und blitzender Raserei ließen die Jungs sofort stoppen. Das Herz schlug ihr heiß und rasend gegen die Brust, während sie zwanghaft versuchte die Worte des Rosahaarigen auszublenden und damit auch die aus den Schatten hervortretende Erinnerung im Keim zu ersticken. Bei der enormen Kraft an Leid, die durch ihren Körper gestoßen wurde, vermochte sie sich kaum vorzustellen, wie stark sie sein mochte, wollte es aber gleichfalls auch gar nicht erst wissen.

Ihre Umgebung verdunkelte sich langsam und das letzte bisschen Kraft schwand aus der jungen Frau, die sich nur noch nach etwas wohltuender Stille sehnte. Samtweiche Tatzen auf ihrem Haar holten sie jedoch unerwartet schnell wieder aus ihrer eintretenden Ohnmacht. Das fliegende Wesen hatte sich von hinten an ihren Kopf geschmiegt, strich ihr dabei immer wieder zärtlich über das Haar und sagte keinen Ton. Sie war einfach bloß für das Dämonenkind da und gab ihr die beruhigende Nähe, die sie in solch einem Moment gebraucht hatte.

Langsam senkten sich ihre Lider hinab. Die Schmerzen wurden langsam weniger, bis sie schließlich zur Gänze abebbten und sie wieder ruhig durchatmen ließ. Ebenso ohne Worte zog Niara ihre Hände aus dem straffen Klammergriff um ihren Kopf hervor und legte eine davon stattdessen auf das weiche Haupt des kleinen Exceeds, die sie sich nun mehr zitternd an sie klammerte. Die komplette Gegend war mittlerweile verstummt, fast als wenn sie die Szene gebannt beobachtete. Sie wollte nicht länger hier bleiben. Es ... war ihr unangenehm dermaßen beobachtet zu werden, dass sie sich wünschte, einfach bloß alleine sein zu können.

»Geht es dir wieder besser?«, erkundete Natsu sich besorgt bei ihr, worauf das Schwarzhaar nur noch nickte und sich vorsichtig erhob, die Kleine dabei noch immer auf ihrem Haupt.

»Diese Nacht bleibe ich hier. Aber morgen früh komme ich wieder zur Gilde ... ... versprochen.«

Dies waren die letzten Worte, die sie an die beiden Magier wandte, ehe sie ihnen den Rücken kehrte und in der Dunkelheit des Waldes verschwand. Sie hörte zwar die Rufe des Salamanders, aber ignorierte sie, denn nach kam ihr keiner der zwei. Sie konnte sich denken, dass Gray ihn wohl davon abhielt. So oder so war sie froh darüber und ließ sich nach kurzem Fußmarsch in einer kleinen Höhle nieder.

Das Kätzchen nahm sie sanft hinunter, war sie bereits tief und fest am Schlafen. So bettete Niara sie auf ihrem Schoß und lehnte sich mit geschlossenen Augen an der harschen Felswand hinter sich an. Ihr Körper mochte langsam zur Ruhe kommen und auch ihr Verstand wurde trüb, aber verschwommene Gedanken kreisten ihr selbst in diesen letzten Minuten noch immer durch den Kopf. Gedanken an die beiden Jungen. An die schlafende Exceed. An die Gilde. Und daran, wie sehr sie diesen Leuten wohl ein weiteres Mal weh tun würde, wenn sie verschwand. Und dieses Mal für immer. 

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro