[3] Nicht alles ist verloren

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Der Morgen war noch nicht einmal wirklich angebrochen, als Niara schon wieder auf den Beinen war. Es war schwer wirklich etwas zu erkennen, aber sie wollte die schlafende Exceed ungern wecken. Umso vorsichtiger tastete sie sich somit voran und verließ die Höhle. Dabei musste sie sich fast schon zwingen keinen Blick zurück zu werfen, würde sie es sich womöglich nur wieder anders überlegen. Die Entscheidung in ihrem Kopf stand und einzig alleine das Herz des Dämonenkindes wollte noch immer versuchen, sie vom Gegenteil zu überzeugen.

Niara wollte einfach bloß fort von diesem Ort und sagte sich dabei immer wieder, dass sie auch ohne die Erkenntnis ihrer verloren gegangenen Vergangenheit leben konnte. Denn in Unwissenheit zu verweilen kam ihr letztlich weniger schmerzhaft vor, als in dauerhaftem Leid gefangen zu sein, das sie sich selbst und anderen in ihrer unmittelbaren Umgebung genauso aufbürdete.

Mit einem letzten innerlichen Ruck riss sie sich schließlich vom Anblick der kleinen Katze los und machte sich klangheimlich auf den Weg. Der Wald war ruhig und das meiste Leben war noch immer im Schlaf gefangen. Es war ein wunderschönes Bild und sie liebte jede noch so kleine Stelle, an der sie vorbei kam. Der Sommer war solch eine schöne Jahreszeit und es war traurig, dass so viele all das hier verpassten. Lächelnd sog sie jedenfalls tief die frische Luft in ihre Lungen und stieg über die breiten Wurzeln eines alten Baumes, dessen Rinde bereits zum Großteil von hellem und dunklem Moos zugleich bedeckt war.

Einzig die frühen Sonnenstrahlen hielten sich noch sehr bedeckt, was ihr gerade aber nur zugute kam. In diesen frühen Morgenstunden war es leichter ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, auch wenn sie dahingehend nur wieder sanfte Gewissensbisse plagten. Auf der einen Seite war es für Niara das einzig Richtige zu gehen und es dieses Mal vollkommen zu beenden. Auf der anderen Seite jedoch ... interessierte es sie, wer diese Leute waren. Wer diese Menschen waren, die doch scheinbar zu ihrer Familie gehörten.

»Du warst schon immer viel zu leicht zu durchschauen, Nia.«

Ein bekannter Klang ließ die Schwarzhaarige mit wild schlagendem Herzen herumfahren und dabei beinahe über die zuvor noch überquerte Wurzel stolpern. Mit vor der Brust verschränkten Armen, schwebte das kleine Exceed Mädchen nur wenige Meter vor ihr und blickte mit einer Mischung aus Enttäuschung und Sorge zu ihr. Sie hatte doch darauf geachtet so leise wie möglich zu sein und als sie gegangen war, hatte die Kleine noch geschlafen. Oder ... hatte sie nur so getan?

»Deine wahren Gefühle zu verstecken liegt dir nicht, aber genau das war es schon immer, was ich so an dir bewundert habe. Wieso hast du denn nicht einfach gesagt, wie du wirklich denkst? Wir hätten bestimmt eine Lösung finden können.«

Während das Kätzchen sprach, flog sie noch ein wenig näher, bis sie ihre Flügel verschwinden ließ und sich genau vor ihr auf dem Boden niederließ. Am liebsten hätte sie dabei einfach ihren Blick abgewandt, doch sie tat es nicht. Stattdessen kniete Niara sich hinab zu der Kleinen und biss sich etwas unangenehm auf der Unterlippe herum.

»Hör mal, ich ... ich kann einfach nicht mehr länger hierbleiben. Auch wenn ich wollen würde. Ich möchte euch nicht schon wieder wehtun, nur...«

»Aber genau damit tust du uns allen nur noch mehr weh!«

Tränen funkelten in den bernsteinfarbenen, großen Augen, welche sich im nächsten Augenblick gen Boden wandten. »Monatelang gab es keine Spur von dir und auch, wenn du dich nicht mehr an uns zu erinnern scheinst, so bist du noch immer unsere Freundin. Wir würden alles tun um dir zu helfen, also bitte ... ... verlasse die Gilde nicht noch einmal. Verlasse mich nicht noch einmal ...«

Immer stärker schien ihre Stimme zu brechen, bis es gänzlich verstummte und das Dämonenkind nur noch leise Schluchzer vernehmen konnte. Eine normale Reaktion in diesem Moment wäre wohl gewesen, das Wesen in die Arme zu nehmen und zu trösten. Niara hingegen wusste nicht, was sie gerade tun sollte. Sie war solche Dinge ohnehin nicht wirklich gewohnt, auch wenn sie ihr Mitgefühl eigentlich zeigen und für die Kleine da sein wollte, obwohl deren Existenz aus ihren Erinnerungen verschwunden war. Genau deswegen mochte sie keine Abschiede und hatte verschwinden wollen, ohne, dass jemand etwas gemerkt hätte ... nur ... ... damit hätte es wohl genauso wenig geholfen.

Beinahe schon war ihr selber zum Weinen zumute, doch sie unterdrückte die Tränen und legte stattdessen sanft ihre Hand auf das weiche Köpfchen, strich darüber und kraulte dabei auch ein wenig die flauschigen Ohren des Katzenwesens, das daraufhin wieder vorsichtig das tränennasse Gesicht hob. Sahen die anderen es etwa tatsächlich noch so? Gehörte sie trotz allem noch immer dazu? War sie gar nicht mal so alleine, wie sie angenommen hatte?

»Dann werde ich es noch ein letztes Mal versuchen ...«, erwiderte sie schließlich leise und hoffte dabei innerlich, diese von reinen Emotionen gesteuerte Entscheidung nicht bereuen zu müssen. Diese wenigen Worte gerade jedoch würde sie wohl kein Stück bereuen, als ihr dafür das weiche Gesicht in ihr eigenes gedrückt wurde und sich eng an sie schmiegte. Es entlockte ihr ein kleines Lächeln, während sich die Arme der Schwarzhaarigen nun endlich um das kleine Exceed Mädchen schlangen und beide in einer stillen Umarmung verblieben, die in diesem Augenblick wohl keiner so recht wieder lösen wollte.

Erst nach langer Zeit, in der es merklich kühler wurde, lösten beide sich zaghaft voneinander und sanft wischte Niara der Kleinen die restlichen Tränen fort. Ohne weitere Worte ließ diese sich dann auch auf ihrer Schulter nieder, bevor sie sich erhob und über die breite Wurzel stieg.

Den Weg zurück in Richtung Stadt legten beide im Stillen zurück, hing wohl jeder seinen eigenen Gedanken nach. Dennoch fühlte es sich nicht unangenehm an und das federleichte Gewicht auf ihrer Schulter war beinahe gar wie ein Stück Geborgenheit, das sie fortan begleitete, wo doch die Last auf ihrem Herz viel zu schwer wog. Sie mochte beschlossen haben es noch einmal zu versuchen, aber an all den vielen Zweifeln konnte Niara einfach nichts ändern. Diese unermessliche Angst vor dem, was alles kommen würde.

»Lass den Kopf nicht so hängen. Es wird schon alles gut. Essen wir gleich erst einmal etwas und reden in Ruhe, ja?«

Bloß ein leichtes Nicken gab sie der Kleinen zur Antwort, ehe es erneut still zwischen ihnen wurde. Eher weniger still war es, sobald sie Magnolia betraten, welches bereits zum Leben erwachte. Langsam aber sicher füllten sich die Straßen und erste Geschäfte öffneten ihre Türen. Und sobald sie der Hauptstraße lange genug gefolgt war, konnte sie auch erkennen, dass die Tore der Gilde ebenso bereits geöffnet waren.

Mit einem Schlag kehrte die Unsicherheit in ihren Körper zurück und sorgte dafür, dass sie stocksteif stehen blieb und glaubte, sich keinen Millimeter mehr bewegen zu können. Nur noch wenige Meter trennten sie von ihrem alten Zuhause und alleine der Klang der Stimmen im Inneren startete das Chaos in ihrem Kopf. Ein flaues Gefühl setzte sich in ihrem Magen ab und zitternd knetete sie ihre Hände, atmete dann jedoch ein letztes Mal tief durch. Du schaffst das!, sprach Niara sich selber in Gedanken zu, ehe sie immer wieder einen kleinen Schritt nach vorne tat.

Fast schon hatte das Dämonenkind geglaubt ungesehen hindurchzukommen und sich eine ruhige Ecke zu suchen, aber nicht nur ihre Augen waren scharf wie die eines Adlers.

»Niara, guten Morgen!«, begrüßte sie die freundliche, weißhaarige Bardame und keine Sekunde später lagen sämtliche Blicke auf ihnen. Genau wie gestern war ihr das unglaublich unangenehm, aber dies schien die junge Frau in gewisser Weise zu spüren, weshalb sie Niara und ihre kleine Begleitung zu ihr an die Bar winkte. Dort angekommen, ließ sie sich auf einem der Barhocker nieder und schaffte es ein kleines Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern, welches besonders Dankbarbarkeit ausdrückte.

»Hast du die Nacht gut überstanden? Wir haben uns wirklich Sorgen gemacht, als Gray meinte, du würdest lieber im Wald bleiben wollen«, fing ihr Gegenüber ruhig an und erntete dafür ein kaum hörbares Seufzen.

»Es ... ist alles in Ordnung. Ich habe nur etwas Zeit für mich gebraucht ... Ist ... ist er denn etwa schon hier?«

»Schon länger. Ich hatte einfach nicht wirklich schlafen können.«

Sogleich warf sie einen Blick über ihre Schulter und konnte das Schwarzhaar erkennen, der sich schließlich auf den freien Platz links von ihr niederließ. Der stechende Blick der kleinen Exceed war dabei nicht zu verfehlen, auch wenn sie ihn mehr spürte als wirklich sah, worauf sie ihr einmal kurz über das weiche Fell strich um sie zu beruhigen. Leise noch hörte sie ein sachtes Brummen, was ihr einen amüsierten Ausdruck aufs Gesicht zauberte, bevor sich das Kätzchen auf den Tresen begab und sich hinsaß.

»Geht es dir wieder etwas besser? Hast du noch Schmerzen?«, wandte sich Gray nach einer kurzen, nun doch etwas unbehaglichen Stille an sie, worauf Niara bloß den Kopf schüttelte. »Der Schlaf hat gut dagegen gewirkt. Aber ...«

»Aber nun hast du sicher Hunger, oder? Du musst seit gestern Mittag nichts mehr gegessen haben, also hau erst einmal ordentlich rein«, wank er schmunzelnd ab und wie auf ein unsichtbares Zeichen hin, wurde ihr sogleich ein voller Teller vor die Nase gestellt. Rührei, Toast mit Butter, etwas süße Marmelade und einzelne Beeren ließen ihr regelrecht das Wasser im Mund zusammenlaufen. Es war genau das, was sie am liebsten aß. Woher? ... Natürlich wussten sie, was sie gerne aß.

»Danke«, lächelte sie der jungen Bardame entgegen, die auch der kleinen Exceed nun etwas zu Essen hinstellte, gefolgt von zwei Gläsern Saft, von dem sie als erstes etwas nahm. Es war lange her, seitdem Niara ein richtiges Frühstück hatte zu sich nehmen können und sie konnte einfach nicht anders, als diesen betörenden Duft tief aufzunehmen und wohlig zu seufzen. Gerade wollte sie sich daher etwas greifen, hielt bei dem lauten Ruf ihres Namens jedoch augenblicklich inne und drehte sich auf dem Barhocker herum.

Und natürlich hatte sie sich keineswegs in ihrer gestrigen Erinnerung getäuscht, denn niemand anderes als der pinkhaarige Junge und seine Katze waren es, die eilig und mit breitem Grinsen auf sie zurannten. Beinahe glaubte sie schon, sie würden bei diesem Tempo in sie hineinkrachen, aber glücklicherweise passierte dies nicht.

»Hier! Wir haben dir was mitgebracht!«

Damit streckte Natsu seine Hände aus und offenbarte viele Beeren, von denen manche schon ein wenig so aussahen, als habe er sie in einem zu festen Griff gehalten gehabt. Etwas überrascht sah das Schwarzhaar wieder hoch in sein Gesicht und wusste nicht so recht, was sie darauf sagen sollte. Letztlich schaffte sie es einfach bloß nach dem »Wieso?« zu fragen, worauf ihr Gegenüber einmal kurz lachte.

»Na, ich weiß doch, wie gern du immer Beeren zum Frühstück gegessen hast. Daher waren Happy und Ich die ganze Zeit im Wald und haben nach ein paar gesucht, die hoffentlich nicht giftig sind.«

»Wir haben auch probiert, also sollte alles in Ordnung sein«, fügte der kleine blaue Kater hinzu, worauf sich ihr Gesicht nun aber doch ein wenig in Sorge tränkte und sie von ihrem Sitz aufstand.

»Ihr kennt euch nicht damit aus und probiert einfach? Was, wenn einige davon doch giftig gewesen wären?«

Dies schien ein guter Einwand gewesen zu sein, worauf er sich etwas verlegen grinsend über den Nacken fuhr, die andere Hand dann jedoch zu ihr ausstreckte. »Jetzt ist ja alles gut, also lass sie dir schmecken.«

Zwar entkam ihr bloß ein langgezogener Seufzer, aber innerlich musste sie sich eingestehen, dass dieses Verhalten doch ein wenig süß war. Immerhin merkte sich nicht jeder etwas von den Vorlieben des anderen. Von Freunden ist das aber etwas ganz Normales, dachte sie sich mit einem Mal bei der Erinnerung an den gestrigen Tag, wodurch sie wieder auf ihren Sitzplatz sackte und etwas gedankenverloren auf die Beeren in ihrer Hand blickte.

»Es tut mir leid ...«

Nicht mehr als ein Flüstern war es, das ihr über die Lippen kam und dennoch horchten die um sie herum auf. Natsu und Happy legten den Kopf fragend ein wenig schief, während Gray und die weißhaarige Magierin schon weitaus wissender wirkten. Eine weiße Tatze legte sich auf ihre Seite, wodurch sich ihre Augen wieder auf ihre kleine Begleitung legten. »Du musst dich für rein gar nichts entschuldigen, Nia. Keiner hier ist dir doch wirklich böse. Im Gegenteil.«

»Da hat sie recht. Wir sind einfach nur froh dich nach all der Zeit wiederzusehen. Den genauen Grund für all das kannst du uns immer noch in Ruhe erklären, wenn du dich bereit dazu fühlst«, fügte die junge Frau sanft hinzu und auch ihr Bruder stimmte mit einem ruhigen Nicken darauf zu, während er seine Hand auf ihre Schulter legte und diese kurz und dennoch zärtlich drückte.

»Darum geht es also? Sag das doch gleich. Aber wie Mira schon gesagt hat, ist doch egal was war. Du bist jetzt wieder da und das zählt! Und jetzt lass dein Essen nicht kalt werden, ja? Oi! Mira! Krieg ich auch noch was? Hab einen Mordshunger«, war es dann auch noch Natsu, gefolgt von einem lauten »Aye!« seines kleinen Freundes, worauf beide sich neben ihr niederließen und auch etwas bekamen.

Nur langsam drehte Niara sich nach all diesen Worten wieder herum und legte die Beeren vorsichtig neben dem vollen Teller ab. Zwar hatte es die nagende Sorge und die schmerzliche Trauer nicht verschwinden lassen können, doch es lastete nicht mehr all zu schwer auf ihrer Seele. So vieles hatte das Dämonenkind sich ausgemalt. Dass keiner mehr mit ihr sprechen wollte. Dass jeder böse auf sie war und sie nicht mehr hier sehen wollte. Natürlich hatte ihr ursprünglicher Plan darauf hingezielt, dass sie von hier verschwunden wäre, aber jetzt gerade, in diesem Moment, umgeben von diesen Leuten, war alles andere vergessen und sie war froh, dass sie doch noch einmal gekommen war.

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