[5] Die letzte Erinnerung

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Als sie erwachte, war die Sonne längst aufgegangen und thronte bereits hoch oben am Himmel. Und doch bereute sie es keineswegs, dass ihr Schlaf dieses Mal so lange gedauert hatte, denn ihr Körper brauchte die Erholung dringend. Deutlich erholter streckte Niara sich somit und blickte dann zur Seite, doch der freie Platz auf dem Sofa war leer. Noch immer etwas müde rieb sie sich die Augen und nuschelte den Namen ihrer geflügelten Gefährtin, doch sie erhielt keine Antwort. Auch als sie Gray nun etwas lauter rief blieb es still, sodass das Mädchen die Decke beiseite schob und langsam aufstand, um sich nach den beiden umzusehen.

In der Küche war niemand, genauso wenig wie im Badezimmer oder im Zimmer ihres Bruders. Die Wohnung war leer. Verwirrt runzelte sie die Stirn, brauchte noch immer ein klein wenig um zu realisieren, dass sie hier alleine war, als ihr ein Zettel auf dem Wohnzimmertisch ins Auge fiel. Sogleich griff sie sich ihn und las die wenigen Worte.

Guten Morgen, Niara. Wir wollten dich nicht wecken und sind daher schonmal zurück zur Gilde. Ein Frühstück wartet dort auf dich, also lass uns nicht zu lange warten, ja? Gray und Nala.

Ein sachtes Schmunzeln huschte über Niaras Lippen, auch, da Nalas Name deutlich eine andere Schrift besaß und damit wohl nachträglich von der kleinen Katze selber aufgetragen wurde. Es war wirklich lieb von ihnen gewesen sie nicht zu wecken, hätte sie tatsächlich eher mit dem Gegenteil gerechnet. Da es aber schon früher Mittag war, beeilte sie sich etwas mehr auf ihrem Weg zur Gilde, die glücklicherweise auch innerhalb eines entspannten Spazierganges schnell zu erreichen gewesen wäre. Ein letztes Gähnen entwich ihr noch, doch als das Schwarzhaar durch die Tür schreiten wollte, wurde sie plötzlich von einem anderen Körper überrollt und zu Boden geworfen.

»Hör endlich auf mich zu nerven! Sie kommt wenn sie kommt, kapiert?!«, schallte Grays Stimme laut durch die Halle, während sich die Gestalt, die sie regelrecht überrumpelt hatte, aufrichtete und sich mit geballten Fäusten zu ihm drehte. »Aber normalerweise wäre sie schon längst hier, also sag schon, was ist los? Ich schwöre dir, wenn du sie wieder vergrault hast, dann-«

»Ich bin hier.«

Leise meldete sie sich endlich zu Wort, wollte sie ungern, dass so schnell Missverständnisse auftraten. Und natürlich drehte Natsu sich auch endlich mal zu ihr herum und offenbarte ihr sein breitestes Lächeln, bevor er sich zu ihr herunterbeugte und ihr seine Hand hinhielt.

»Niara! Was hast du denn so lange getrieben? Bist doch sonst immer die erste, die auf den Beinen ist«, lachte er leise, worauf sie ihm schon eine Antwort geben wollte, jedoch von Nala unterbrochen wurde, die nun sanft wie eine Feder auf ihrer Schulter landete, nachdem sie durch Natsus Hilfe wieder auf beiden Beinen stand.

»Was denkst du denn? Nach der ganzen Aufregung war es doch klar, dass sie mehr als nur eine Portion Schlaf braucht. Apropos, ich hoffe du konntest gut schlafen?«

Schmunzelnd nickte sie der kleinen Exceed zu, bevor sich die drei zum Tisch begaben, an dem Lucy und Gray bereits saßen. Kurz bedanke sie sich noch für die liebe Geste und wünschte dabei allen einen guten Morgen, bevor ihre feine Nase auch schon den Geruch von frisch gemachtem Essen aufnahm. Natürlich gab es bereits Mittagessen, wäre ein Frühstück längst nicht mehr angemessen, sodass sie schließlich gut zulangte. Dennoch, heute stand noch etwas an, dessen Gedanke ihr alleine schon schwer im Magen lag. Denn wie sie es für sich selber beschlossen hatte, wollte sie nun, da Natsu, Happy und Lucy wieder zurück waren, ihre letzten Erinnerungen mit ihnen allen teilen. Ihre Hoffnung lag darin, dass jemand vielleicht dadurch einen weiteren Anhaltspunkt für sie fand, sodass sie weiter nach dem Ursprung von all dem suchen könnte.

»Habt ihr heute schon etwas vor?«, fragte Niara daher kurzerhand in die kleine Runde und erntete teils überraschte, teils grinsende Gesichter. Und wie könnte es auch anders sein, war es ein ganz bestimmter Junge mit rosafarbenem Haar, der als Erstes und wohl auch am Lautesten antwortete.

»Na und ob! Zusammen was unternehmen, was denkst du denn?«, währte sein ansteckendes Lächeln, worauf sie kurz nicht so ganz wusste, wie sie nun weitersprechen sollte und fast schon schüchtern den Blick abwandte. »A-ach? Und was ... tun?«

»Lass uns doch im See schwimmen gehen! Das Wetter ist perfekt, es ist direkt nebenan und du liebst das Schwimmen, also was könnte es besseres geben?«

Noch immer vergaß sie, wie gut er sie wohl zu kennen schien, wodurch sie einen Moment lang stockte. Solche Momente waren es, die ihr nur noch einmal mehr schmerzlich bewusst machten, wie anders mittlerweile alles war und wie wenig sie dagegen tun konnte. Oder zumindest dachte, dass es genau so war. Aber vielleicht wäre eine Runde am Wasser ja wirklich eine tolle Idee, um den Kopf etwas frei zu kriegen und danach alles in Ruhe zu berichten. So würde sie den anderen wenigstens nicht den kompletten Tag kaputt machen ...

Ohne sich etwas von diesen trüben Gedanken anmerken zu lassen, war aus der Idee also eine einstimmige Zustimmung geworden, sodass man sich sofort die Schwimmsachen schnappte und später dann am Zielort treffen würde. Und hier gab es schon direkt das erste Problem, das Niara bemerkte, denn wenn sie schon kein Geld besaß, war es wohl nur verständlich, dass sie auch keine Schwimmkleidung besaß. Jedoch schien es dafür eine Lösung zu geben, auch wenn Natsu sie nicht wirklich ausgeführt hatte. Nur, dass er sich darum kümmern würde.

Kurzerhand beschloss sie ihm dahingehend also zu vertrauen und machte sich schon einmal auf den Weg, da der See nun einmal wirklich direkt in der Nähe war. Und sofort, nachdem ihr Blick die ruhigen Fluten erkannte und den Meeresduft einatmete, schlich sich ein seliges Lächeln auf ihre Lippen. Die Verbundenheit zum Wasser gehörte seit einer halben Ewigkeit zu ihr und das Gefühl von Wärme, das sie dabei durchströmte, würde sie hoffentlich niemals verlassen. Natürlich gehörte es auch durch ihre Magie zu ihr, aber gleichfalls war diese Leidenschaft auch ein Teil ihrer Seele.

Gemütlich schlenderte das Dämonenkind also mit Nala am Ufer des Sees entlang und wusste, dass ihre kleine Gefährtin sprach, vernahm jedoch keines der Worte. Zu sehr war sie in die ruhige Atmosphäre und ihre eigene Gedankenwelt versunken, um sich darauf zu konzentrieren, wie Nala womöglich wieder ihre Bedenken über Natsus Vorhaben kundtat oder sich über Gray und den Morgen, als sie noch geschlafen hatte, beschwerte. Ein stures Köpfchen, definitiv. Erst als sie genau vor Niaras Gesicht schwebte und sie somit zum Anhalten brachte, richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die Exceed und entschuldigte sich leise, dass sie ihr nicht zugehört hatte.

»Ach, nicht so wichtig«, seufzte diese amüsiert und ließ sich wie so oft auf der Schulter der Schwarzhaarigen nieder, die ihren Schritt daraufhin stoppte und sich gen Wasser richtete. Am liebsten wäre sie bereits so wie sie war in das kühle Nass gestiegen, besann sich aber eines besseren und beschloss auf den Rest zu warten. Immerhin wäre es unhöflich und für sie womöglich auch etwas unangenehm. Demnach stand Niara reglos dort, während eine sanfte Brise wehte und sie mit einem tiefen Atemzug ihre Lider schloss. In diesem Moment war da nichts als Ruhe in ihr, als habe der Wind ihr die sorgenden Gedanken genommen und an einen Ort gebracht, den sie nicht erreichen konnte. Sie fühlte sich leicht und zum ersten Mal in den letzten Tagen wirklich geborgen in diesem Körper, dessen Inneres ihr doch so fremd geworden war.

Leise Schritte hinter ihr ließen sie wieder aufblicken und sobald Niara den Kopf über die freie Schulter wandern ließ, bemerkte sie ihren Bruder. Er war mittlerweile umgezogen und trug somit eine dunkle Badehose, während er ebenso wie sie einen Moment lang stillschweigend in Richtung Wasser blickte. »Du solltest dir nicht jetzt schon dermaßen den Kopf zerbrechen, Niara. Genieße die nächsten Stunden und hör auf, dich dermaßen mit Angst zu beladen. Egal was du auch sagen solltest, ich kann mich nur wiederholen wenn ich dir versichere, dass es nichts ändern wird. Nichts an dem, wer du bist und das wir dir trotz allem helfen werden.«

Noch immer hatte sie den Blick nicht von ihm abgewandt, doch langsam folgte sie dem Seinen erneut und noch während sie die sonnenbestrahlenden Wellen, die sich immer mal wieder durch den Wind auf der Oberfläche kräuselten, betrachtete, spürte sie links und rechts aufmunternde Gesten. Seine Hand, die einen Moment lang die ihre drückte und Nalas weiches Köpfchen, das sich an ihr Gesicht schmiegte. Es tat gerade gut die beiden bei sich zu haben, besonders wenn sie sich mal nicht stritten, sondern stattdessen an einen Strang zogen.

Somit schafften sie es ihr ein kleines Lächeln zu entlocken, bevor sie jedoch schreckhaft zusammenzuckte, als recht nah hinter ihr ihr Name gerufen wurde. Sogleich drehte das Mädchen sich also um, während sie bloß ein leises Seufzen zu ihrer Linken vernahm und nun Grays Hand einmal kurz drückte, diese dann aber wieder langsam losließ.

»Wir mussten etwas länger suchen, tut uns leid«, entschuldigte Happy sich leise, strahlte dann jedoch wieder genauso wie Natsu, der dicht hinter ihm mit etwas in den Armen zu ihnen trat. »Hier, den hast du immer bei uns gelagert. Sollte sicher noch passen«, streckte er ihn ihr grinsend entgegen, worauf Niara den blauen Bikini dankbar entgegen nahm. Auch der Rest der Truppe traf so langsam am See ein und allesamt trugen sie ihre Badesachen, sodass nur noch sie übrig blieb. Doch auch das kleine Problem war schnell behoben und nachdem Niara sich ebenso umgezogen hatte, riss sie sich ein letztes Mal am Riemen. Sie würde versuchen Grays Worte zu beherzigen und die Zeit mit ihnen zu genießen, bevor der große Moment gekommen wäre.

Die nächsten Stunden schienen viel zu schnell zu vergehen, wie es leider so oft geschah wenn man Spaß zusammen hatte. Dabei hatte Niara schon längst aufgehört zu zählen, wie oft sie bereits von Natsu geschnappt und ins kühle Nass geworfen worden war. Oder auch wie oft Nala ihr als nasses Plüschmonster direkt ins Gesicht geflogen war, während von allen anderen Seiten Wasser geschöpft und auf sie gespritzt wurde. Das vergnügte Lachen des Dämonenkindes und ihrer alten Freunde hallte durch die Luft und in diesen für sie viel zu kurzen Stunden hatte sie unglaublichen Spaß, der gerne noch bis tief in die Nacht hätte gehen können. Doch jede Freude musste früher oder später zu einem Ende kommen.

So saßen sie schließlich zusammen, sprachen noch etwas miteinander und genossen die letzten Strahlen des Tages, bis Niara sich ein Herz fasste und sich leise räuspernd bemerkbar machte. Bis auf Natsu, Lucy und Happy schien der Rest bereits zu ahnen, was nun folgen würde, weshalb es merklich stiller wurde. Nichts ahnend legte der Drachenjunge daraufhin den Kopf schief und fragte nach, was auf einmal los war, sodass sie es als Aufforderung ansah mit ihrer Erzählung beginnen zu können.

»Bereits seitdem ich wieder hier ankam, habe ich versucht mir Worte zurechtzulegen, die beschreiben könnten, was überhaupt passiert ist, aber noch immer ... habe ich nicht so wirklich welche finden können. Das einzige, was ich ganz genau weiß ist, dass ich mich an rein gar nichts erinnern kann, was an diesem Ort geschah. In meinem Herzen spüre ich zwar, dass da etwas ist, aber in meinem Kopf seid ihr alle wie Fremde.«

Sie schluckte. Am liebsten hätte sie schon direkt wieder aufgehört zu sprechen, aber nun, da sie bereits angefangen hatte, gab es kein Zurück mehr. Jetzt oder nie war der Gedanke und auch wenn Niara ihre alten Freunde bei ihrer Erzählung nicht direkt ansah, so war es ihr fast als spüre sie jede einzelne Mimik und jede noch so schwache Emotion auf ihrer Seele lasten.

»Ich habe wirklich alles versucht. Auf meinem Weg war ich bei den unterschiedlichsten Ärzten und Magiern, habe überall nach Rat und Hilfe gefragt, aber niemand konnte die Erinnerungen zurückholen. Es wurden bloß Überlegungen angestellt was der Grund sein könnte ... manche schickten mich sogar wutentbrannt und von Angst zerfressen fort, da es sicher durch die Besessenheit eines Dämonen kommen musste...«

Bei diesen Worten stoppte sie erneut. Die Leute lagen im Grunde nicht falsch mit dieser Annahme, doch etwas in ihr sagte Niara, dass es nicht der Dämon in ihrem Inneren war, der die Erinnerungen zurückhielt. Dennoch schmerzte es jedes Mal, dass man sie wegen so etwas fortgejagt hatte und auch dem Rest der Runde schien es nicht wirklich zu gefallen, so wie sie die Anspannung merkte, die regelrecht in der Luft schwirrte.

»Letzten Endes hat mich mein Tattoo zu euch geführt und zuerst dachte ich, dass hier vielleicht alles zurückkommen würde. Aber dem ist nicht so. Nach wie vor ist alles beim Alten und noch dazu ... plagen mich Schmerzen. Körperliche und Seelische Schmerzen, sobald mein Verstand glaubt etwas Vertrautes vor Augen zu haben.«

»Warte mal, soll das etwa heißen...?«, begann Gray laut zu überlegen, worauf sie kurz nickte.

»Es ist als würde diese Macht mit allen Mitteln versuchen wollen mich davon abzuhalten, mich überhaupt an irgendetwas Altes zu erinnern. Wobei das nicht einmal ganz richtig ist, denn an meine früheste Vergangenheit erinnere ich mich zumindest ein wenig. Es beginnt erst ab dem Zeitpunkt, an dem ich ungefähr 11 oder 12 Jahre alt war.«

»Zu der Zeit haben wir uns getroffen«, wandte Natsu nun ein und wirkte von dem Ganzen noch immer ziemlich verwirrt, auch wenn er sich alles wohl noch einmal klar und deutlich durch den Kopf gehen ließ. »Wir haben uns ganz in der Nähe getroffen, in den Wäldern. Du-«

»Bitte ... nicht.«

Es war nur ein Wispern, reichte aber glücklicherweise aus um den jungen Magier zum Schweigen zu bringen. Sie hatte das Problem schließlich benannt und wollte nichts riskieren, sollte seine Erzählung womöglich etwas heraufbeschwören. Immerhin reichten ihr diese Worte um eine Verbindung aufzustellen, denn wenn sie der Gilde in diesem Alter beigetreten war, würde der Gedächtnisschwund ab diesem Zeitpunkt Sinn machen. Und doch verstand sie einfach nicht, wieso es ausgerechnet ab dort sein musste? Wieso hatte man ihr nicht alle Erinnerungen genommen, sondern nur diese bestimmten?

»Jemand oder etwas wollte also, dass du uns vergisst. Stellt sich nur die Frage wieso?«

»Vielleicht steckt eine dunkle Gilde dahinter?«, überlegte nun auch Nala auf Lucys Frage, worauf Niara jedoch instinktiv den Kopf schüttelte, auch wenn sie selber nicht genau wusste, wieso sie sich dieser Verneinung so sicher war.

»Das ist es nicht. Ich ... ich weiß nämlich noch etwas ... etwas, das kurz davor geschah.«

Mit einem Mal stockte ihre Stimme und ihr Herz schlug schmerzhaft schnell gegen ihre Rippen. Ihr Körper sandte Angst durch jede Nervenfaser und das, obwohl kein Grund dazu bestand. Alleine dies machte dem Dämonenkind bereits Sorge und ein Zittern überkam ihren Körper.

»Ich bin aufgebrochen. Wohin weiß ich nicht, aber ... aber da war eine Höhle. E-etwas ... etwas führte mich weiter hinein ... nach unten. Und dort nahm mich eine Person in Empfang, aber es ist alles dunkel. Ich kann nichts erkennen, ich ... ich ...«

»Niara, beruhige dich. Du musst nicht darüber sprechen. Es ist alles gut«, versuchte Natsu sie zu beruhigen, doch sie hörte ihn kaum mehr. Stattdessen waren ihre Augen weit aufgerissen und glänzten bereits von aufkommenden Tränen, die ihre bebenden Lippen erreichten. Ihr Blick war dunkel, verschleiert und ganz so, als würde sie nichts mehr wahrnehmen, als den unförmigen Körper, der sie mit einem grausamen Grinsen zu sich lotste.

»Niara? Nia! Was ist mit dir? Was ist los? NIA!«

Ich habe auf dich gewartet. Schön, dass du gekommen bist, Niara.

Immer wieder dröhnte ihr die vertraute und gleichermaßen fremde Stimme durch den Kopf. Sie war gefangen in diesem Anblick, der nichts als Angst und Entsetzen in ihr auslöste, während sich dunkle Schatten um ihren Körper windeten und ihr jedes bisschen an Luft aus den Lungen pressten, bis ihr schließlich ein letzter verzweifelter Ruf über die Lippen kam und ihr Körper in zwei starke Arme sank.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro