087 ** Glatteis ** Fr. 27.12.2019

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Mein Herz klopft schneller, als ich mich auf mein Rad schwinge, um zum Bahnhof Süd zu radeln.
Ein ganzer Tag mit Anni!
Meine Schlittschuhe habe ich gar nicht anprobiert. Ich hätte nämlich nicht gewusst, wie ich die unauffällig aus dem Haus hätte schmuggeln sollen. Und ich hätte auch nicht gut erklären können, warum ich ausgerechnet zum Schlittschuhlaufen in der trubeligen Halle hier in Essen nicht auch Moritz, Paul und Lasse mitgenommen hätte.

Es war gar nicht so einfach, einen Grund zu finden, warum ich den ganzen Tag allein sein und durch die Weltgeschichte gondeln will. Schließlich habe ich mich für eine mögliche Wahrheit entschieden: ich habe in den letzten Monaten so viel gepowert und werde in den nächsten Monaten so viel powern – ich muss diese Ferien einfach nicht nur zum Lernen sondern auch zum gründlichen Abschalten nutzen. Ich möchte viel allein sein, um Kraft auf Vorrat zu tanken für den Endspurt. Und ich möchte viel draußen sein oder im Tanzstudio, um mich fit zu fühlen und allem Denken und Lernen etwas entgegensetzen zu können. Zum Glück haben mir das alle sofort abgekauft ... Und so habe ich ihnen erzählt, dass ich heute einfach mal einen Outdoor-Tag einlegen will.

Ich schließe mein Rad ab und flitze die Treppen zum Bahnsteig runter. In meinem Rucksack habe ich nochmal eine Kanne von einem der Weihnachtstees und die restlichen Brownies von gestern. Tanja hat sie gebacken und es genossen, mal wieder in der eigenen Küche zu werkeln. Nach dem Kaffeetrinken ist sie dann sehr still wieder abgezogen, zurück in die Einsamkeit ihrer eigenen Wohnung. Das hat echt schon vom Zusehen weh getan.

Die S-Bahn braucht nicht lange von Süd bis Werden. Hier geht's dann nochmal die Treppen runter und auf der anderen Seite wieder rauf. Dabei fällt mir auf, dass ich keine Ahnung habe, wie Annis Auto aussieht. Aber das muss ich auch gar nicht, denn obwohl es noch ein paar Minuten vor 10.00 Uhr ist, steht Anni schon an einen knallroten Mini gelehnt da und grinst mir entgegen.

KLICK.

Ach, kuck an. Wie interessant ...

Wir begrüßen uns lässig und krabbeln in ihren Mini.
„Gut, dass ich nicht so ein langer Lulatsch bin wie Sebastian. Der hätte jetzt dezent Mühe, hier reinzupassen."
Anni kichert. Und mein Herz ... naja ... sagen wir mal – reagiert.
Wir fahren über Kettwig und Mühlheim Richtung A40 und dann immer der Nase nach, bis wir in der Pampa kurz vor der niederländischen Grenze in Grefrath eintreffen. Wir gehen in die Halle, probieren eine Weile rum, bis wir wirklich bequeme Schlittschuhe gefunden haben und Anni gibt ihren Führerschein als Pfand ab. Dann gehen wir erstmal in das Panorama-Restaurant oberhalb der Eisbahn. Wir bestellen uns zwei heiße Schokoladen und schauen den Läufern auf der wirklich riesigen Eisfläche zu.

Es sind tatsächlich deutlich weniger Leute da, als ich erwartet hatte. Allerdings wird sich das sicher im Laufe des Nachmittags ändern, weil es freitags immer die Eisdisco gibt. Wir lassen uns aber durch den Tag treiben. Ob wir so lange bleiben, sehen wir dann.
„Wolln wir mal?"
Anni nickt, ich bezahle die Kakaos, wir schnappen uns die ausgeliehenen Schuhe und gehen runter in die Halle.

„Komm, lass uns erstmal ein paar Runden drehen, ist das erste Mal für mich in dieser Saison."
Ich bin sicher, dass Anni genauso wenig drüber nachdenkt wie ich. Aber es ist völlig automatisch, dass wir uns an den Händen fassen, sobald wir auf dem Eis sind. Anni fährt genauso gut und sicher wie ich, und so werden wir bald mutiger. Ich überhole sie, drehe mich zu ihr rum und fahre nun rückwärts. Sie reicht mir auch noch ihre zweite Hand und – zack! -
Hilfe, dieses intensive Grün!
Ich versinke ...

Plötzlich dreht Anni uns beide, so dass nun sie rückwärts fährt. Da ich über sie drüberkucken kann, steuere ich uns im Slalom zwischen den anderen Fahrern durch, und sie lässt sich einfach schieben.
Wenn ich grade genauso strahle wie sie, dann können die die Saalbeleuchtung aber ausmachen.
„Du kannst dir nicht vorstellen, Max, WIE schön du bist, wenn du so glücklich aussiehst."
O.K. - ja, ich strahle genauso wie sie.
„Sagt die schönste Frau im ganzen Universum."
Anni lacht sich schief und muss sich an mir festhalten, damit sie nicht stürzt.
„Ich? Die schönste Frau? Ich hab weder 90-60-90 noch 1,75 Meter noch ein Barbie-Gesicht."
„Das ist auch gut so. Denn ich will ja keine Barbie. Ich will ja DICH! Was soll ich mit einem Plastikhirn???"

Anni dreht uns wieder rum und steuert mich – direkt an die Bande. Dort bleibt sie vor mir stehen und schaut mich intensiv an.
„Max, wir sind bescheuert. Ich werde verrückt ohne dich. Und gleichzeitig kann ich meine Angst nicht überwinden. Wir bringen uns beide in Gefahr, aber wir wissen eigentlich genau, was wir wollen. Ich bin so glücklich mit dir. Ich will einfach noch dieses halbe Jahr durchhalten und dann auf niiiiieeeeeeemand mehr Rücksicht nehmen müssen. Ich will die offizielle Erlaubnis, immer und überall in diesem unsäglich tiefen Braun versinken zu dürfen."
Ich schlucke. Und kann nur flüstern, während ich sie näher zu mir ranziehe, bis sie zwischen meinen Schlittschuhen steht.
„Die hast du. Zusammen mit einer Einladung in meinen Schmetterlingsgarten und auf meine Wolke 7. ... Ich hoffe, du magst Schmetterlinge. Das sind viele ..."

Dann nehme ich sie ganz schnell in die Arme, damit ich mich nicht selbst überhole. Und das scheint genau richtig zu sein, denn gleichzeitig spüre ich, dass auch sie eine etwas seitliche Bewegung auf mich zu macht. Öffentliche Küsse müssen noch warten. Aber es tut nicht weh, denn es fühlt sich gut an, dass wir beide intuitiv das selbe wollen.

Ich hebe Anni hoch, stoße sanft von der Bande ab und versetze mich in eine leichte Drehbewegung. Anni schaut auf mich runter und strahlt. Dann breitet sie die Arme aus. Ich drehe uns noch ein bisschen doller und hebe sie über meinen Kopf, bevor ich sie vorsichtig auf dem Eis wieder absetze.
„Boah, bist du stark, Max!"
„Oder du leicht. Das ist alles relativ."
„Spinner."
„Bei der Arbeit."
Ich grinse sie breit an. Plötzlich dreht sie sich in Fahrtrichtung und gibt richtig Gas. Immer vorsichtig nach allen anderen schauend rasen wir drei Runden um die Bahn.

Erst, als ich sie fast eingeholt habe, bremst sie ab und rutscht zur Bande.
„Puh ... das war ... ich bin ganz außer Atem."
„Du bist schnell. Ich hab dich bis zum Schluss nicht gekriegt."
„Du hast mich schon lange."
Sie zwinkert mir zu.
Tief Luft holen, Max!

„Und: ich hab jetzt Hunger!"
Wir wechseln wieder die Schuhe und laufen rauf ins Restaurant. Dort gönnen wir uns beide einen großen Teller Pasta. Als Nachtisch bestelle ich uns einen riesigen Partner-Eisbecher, zeige für den Kellner aber nur drauf, damit Anni das nicht kapiert. Als dann der riesige, schokoladige, sahnige, streuselige, be-herz-kekste Doppeleisbecher kommt, werden ihre Augen ganz groß.
„Max! Du bist verrückt!"
„Nö."
Ich schnappe mir beide Löffel und fange an, sie zu füttern. Wir werden immer alberner und genießen von ganzem Herzen unsere Zweisamkeit. Und das riesige Eis.
„Och menno. Jetzt bin ich wieder genauso kalt wie vor dem Essen."
„Na, dann müssen wir eben nochmal ein paar Runden flitzen, dann ist dir wieder warm."

So hangeln wir uns durch den Nachmittag, essen irgendwann die leckeren Brownies, probieren auch das große Zelt aus und rasen ein paarmal über die große Trainingsbahn auf dem Außengelände. Dann beschließen wir den Tag nochmal mit einer heißen Schokolade im Restaurant. Unten fängt grade die Disco an, und es ist wirklich merklich voller geworden.
„Wenn du so gut eislaufen kannst – hast du es auch mal mit Tanzen auf dem Eis probiert?"
„Hm. Aber das hat nichts miteinander zu tun. Man braucht für beides eine gute Körperbeherrschung. Und da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Natürlich kann ich die richtige Haltung einnehmen und ein bisschen Mätzchen machen. Aber die ganzen Sprünge sind dann eine andere Hausnummer. Das hab ich nie hingekriegt."

„Max? Ich ... muss dir was sagen, das ..."
Schnell halte ich ihr einen Finger vor die Lippen.
„Nicht heute. Heute ist ein nichts-müssen-Tag. Heute gibt's keine Sorgen, keine Geständnisse, kein was-weiß-ich. Ich will das einfach genießen."
„Ja."
Mehr sagt sie nicht.

„Dann lass uns nach Hause fahren, nochmal halten meine Füße diese Schuhe nicht aus."
Also bringen wir die geliehenen Schlittschuhe zurück zur Ausleihe, Anni bekommt ihren Führerschein wieder, und wir trollen uns Händchen haltend zu ihrem Auto. Es dämmert schon.

Auf der Rückfahrt hören wir leise Musik im Radio und spinnen ein bisschen rum nach dem Motto „ich würde so gerne mal ...". Anni erzählt mir, dass ihre Eltern ihr ein langes Wochenende in Prag geschenkt haben. Und endlich unterhalten wir uns auch über die Glastänzer und den Holzengel.
„Du hättest nicht so viel Geld für mich ausgeben dürfen, Anni. Ich hab den Preis doch gesehen! Wenn das erschwinglich gewesen wäre, hätte ich mir die Figur selbst gekauft."
„Und genau so hast du auch ausgesehen in dem Moment. Ganz fasziniert – und bei dem Preis ziemlich ernüchtert. Jenny und ich waren auch da. Ich MUSSTE das einfach tun."
„Danke. Ich habe mich echt halb tot gefreut über dein Geschenk und den Brief. Das ... war schön ... an dem Morgen ..."
„Hm."

Irgendwie wirkt Anni abwesend. Als ob sie über irgendwas angestrengt nachdenkt.
„Anni?"
„Hm?"
„Wo bist du grade? Du wirkst auf einmal, als ob du ganz weit weg wärst."
„Entschuldige, Max. Ich bin müde."

„Und was wolltest du mir vorhin wirklich sagen?"
Anni seufzt.
„Ich wollte ...
... Scheiße! Was macht der Vollidiot denn da? Vollbremsung mitten auf der Autobahn??? Das war echt knapp."
Uns beiden schlägt das Herz bis zum Hals, denn unser Vordermann scheint besoffen zu sein. Er beschleunigt und bremst abwechselnd, aber ganz unkalkulierbar. Anni lässt sich zurückfallen.
„Sollen sich doch andere mit dem rumschlagen!"

Der Schreck sitzt tief. Erst nach einer Weile unterhalten wir uns wieder.
„Willst du eigentlich den Führerschein machen?"
„Klar will ich das. Aber vor dem Abi geht das nun wirklich nicht. Ich habe weder die Zeit noch das Geld dazu. Wenn Papa mir hilft, kann ich das vielleicht im Sommer machen, in so einem Intensivkurs, wie Moritz das in den Herbstferien gemacht hat."
„Ach, Moritz ist schon 18?"
Ich muss grinsen.
„Moritz ist ein waschechter Nikolaus. Deswegen konnte er auch Antoine für Weihnachten aus der Klinik holen."

"Ach richtig, Antoine war da. Wie lief es denn?"
„Er hatte therapeutisch begründeten Ausgang für 24 Stunden. Das müssen die so machen, damit er versichert ist. Bei uns ist Platz in Papas Haus. Also hat Tante Jana unterschrieben dafür, und wir beide haben dann nebenan auf dem Sofa geschlafen. Es war total schön. Tanja war an Heilig Abend auch da. Und am 25. haben wir zusammen mit Moritz, Milly, Paul, Sebastian und der ganzen Familie gebruncht."

Anni biegt von der Autobahn ab und wählt den Weg nach Mühlheim.
„Wie geht es ihm denn?"
„Naja, er steckt grade so richtig tief drin. Aber er hat immer öfter glückliche Momente, in denen er sich annehmen und sich auf die schönen Erinnerungen aus seiner Kindheit einlassen kann. Dass ihn keine Schuld trifft und er sein Leben leben darf, rutscht jetzt so allmählich vom Kopf in den Bauch. Er war ganz entspannt bei uns. Es war so süß. Lasses kleine Schwester Lotta muss das gespürt haben. Sie hat dauernd auf Antoines Schoss gesessen. Und er hat dann immer gestrahlt. Er kann sich jetzt an seine kleine Schwester erinnern, ohne von Schmerz und Schuld überrollt zu werden. Ich hab mich riesig gefreut, das zu sehen."

„Max, ich ..."
„Ui, in zehn Minuten fährt eine S-Bahn. Schaffen wir die?"
„... Ja."
„Entschuldige, ich hab dich grade unterbrochen. Was wolltest du sagen?"
Anni gibt etwas Gas auf den letzten zwei Kilometern.
„Schon gut."
Warum glaube ich dir das jetzt nicht?

„Das war ein wunderschöner Tag. Wollen wir das nächste Woche nochmal wiederholen? Und was machst du an Silvester?"
„Ich? Bin wieder bei meinen Eltern in Heisingen. Jenny ist unterwegs. Und du?"
„Wir nutzen nochmal, dass Papa weg ist, und feiern gemeinsam Silvester nebenan. Mehr weiß ich auch noch nicht. Das planen wir morgen."

„So. Dann sieh zu, dass du deine S-Bahn kriegst. Es hat mir ganz viel Spaß gemacht."
„Mir auch!" Ich würde für mein Leben gern fragen, was sie auf einmal so bedrückt, statt auszusteigen. Aber tatsächlich muss ich jetzt rennen, denn als wir auf den Parkplatz rollen, sehe ich die Bahn schon kommen.
„Anni?"
„Hm?"
„Ich hab dich lieb!"
Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht.
„Ich dich auch. Und wie!"

KLICK.

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Ihr werdet mich noch hassen für dieses KLICK ...

11.12.2020

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