02.02: Die Flucht - Coolheit

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Gwen:

Es ist halb acht.

Morgens, versteht sich.

„Gwen, hast du meinen silbernen Ring mit den schwarzen Punkten geklaut?", kreischt meine Schwester Zoe von oben.

Zwillingsschwester, um genau zu sein. Aber es fühlt sich falsch an dieses Wort zu benutzen.

Sie hasst mich.

Woher ich das weiß? Ich kann Gedanken lesen.

Ich dachte immer, wir fänden uns ganz okay, bis zu diesem einen Abend, wo ich plötzlich ihre Gedanken gehört habe.

Ich möchte sie lieber nicht wiederholen.

„Weshalb sollte jemand deine Marienkäfer Ringe klauen?!", rufe ich zurück. Prompt erscheint ihr Gesicht an der Treppe.

Sie benutzt viele stinkende Gesichtsmasken (bevorzugt Vanille-Erbeer mit Zimtaroma. Yay.) und schminkt sich täglich.

Natürlich nur so, dass es nicht zu sehr auffällt.

Das Schminken dauert jeden Morgen fast eine halbe Stunde und ich verstehe wirklich nicht warum sie für so was früher aufsteht!

„Es sind keine Marienkäfer Ringe! Wenn du dich mit Mode auskennen würdest, wüsstest du, dass Punkte momentan total im Trend liegen! Die sind stylisch!", sagt sie giftig und verschwindet mitsamt ihrer Fake-Locken wieder vom Geländer.

„Tschüss Gwen, bis später! Viel Spaß in der Schule!", ruft Mum aus der Küche, und winkt mit einer Pfanne. Ich winke zurück und laufe aus dem Haus.

Die Gedanken von Mum habe ich auch schon unbeabsichtigt gelesen. Glücklicherweise ging es aber nur um Rechnungen und beschichtete Pfannen.

Nur einmal ging es um Tante Aurora, was ziemlich traurig war. Ich schob meine Tränen auf die Zwiebeln, glücklicherweise ist Zoe ziemlich dumm, sonst hätte sie gemerkt dass es an diesem Abend Knoblauch zu essen gab.

Ich höre einen Automotor hinter mir und drehe mich um.

Gelbes Auto, kaputte Stoßstange.

Stanley Barber.

„Hey. Wie gehts?", fragt er lächelnd. Seine Augen werden von den schwarzen Gläsern seiner Sonnenbrille verdeckt.

Heute trägt er ein blaues T-Shirt, ohne Aufdruck, aber mit hellem Kragen.

„Normal.", antworte ich vorsichtig. „Dir?"

Er schüttelt nachdenklich den Kopf, zieht die Mundwinkel herunter wie ein umgedrehtes Lächeln und zuckt mit den Schultern: „Schulweg?"

„Was sonst?", gebe ich zurück.

Er nickt mit dem Kopf in Richtung des Beifahrersitzes.

Ich bemerke erst zwei Sekunden später, dass ich anfange zu lächeln.

[]

„Weißt du was ... so richtig bescheuert ist?"

„Was?", frage ich ihn.

„Die Mode. Sie ändert sich und die Menschen ändern sich mit! Aber warum ändern sie sich wenn sie sich nicht ändern wollen?"

„Sie wollen dazugehören.", murmel ich.

„Ja, aber: Wer entscheidet denn, was im Trend liegt und was nicht. Ich mein, sieh MICH an.", er schüttelt wieder lächelnd den Kopf, richtet den Blick aber glücklicherweise weiterhin auf die Straße.

Ich wollte ihn eigentlich darum bitten die Sonnenbrille vielleicht abzunehmen damit seine Sicht nicht beeinträchtigt wird, aber ich hasse es, immer die Spielverderberin zu sein.

Hoffen wir also, dass ich es überleben werde und nicht so ende wie die verdammte Stoßstange.

„Würdest du sagen ich ziehe mich modisch an?"

„Definitiv.", sage ich lächelnd.

„Danke sehr. Aber zieht sich irgendjemand sonst so an wie ich?"

„Nope. Vielleicht wenn du Beliebter wärst."

„Woher willst du wissen, dass ich nicht beliebt bin? Dass ich nicht der König der Schule bin oder so?"

Ich lache auf: „Ernsthaft?!"

„Ja, ernsthaft!", sagt er lachend. „Ich meine-" Er lässt den Satz unbeendet in der Luft hängen.

„Okay. Du stichst aus der Menge heraus.", sage ich. „Aber warte, da wären wir ja wieder beim Thema, wer die Menge festlegt. Du bist einfach ... ich wusste, dass du nicht cool bist, weil du mit mir geredet hast, ehrlich gesagt."

„Weil ich mit dir geredet hab.", murmelt er. „Ich rede also mit den falschen Leuten wenn ich beliebt werden will ..."

„Ich glaube es geht mehr darum, wie man ... naja generell ist. Wer DU bist. Ob du in die Menge passt, oder nicht."

„Die Menge ist scheiße.", stellt Stanley fest.

„Ich weiß."

„Ich mein: Wenn die Uncoolen eigentlich die Coolen sind: Warum sind die Coolen dann die Uncoolen?!"

„Ähm, Stanley: Ich weiß das klingt wahrscheinlich komplett bescheuert, aber kann es sein dass du ... High bist?!", frage ich mich hochgezogenen Augenbrauen.

„Niemals vor der Mittagszeit.", sagt er grinsend und guckt kurz zu mir. „Also, ich meine: Alle in unserem Jahrgang-"

„Ich habs verstanden.", sage ich angespannt. Meine Hände fangen an zu zittern.

„Das ist nichts schlimmes, wir leben alle noch!", meint er schnell.

„Kein Wunder, dass bei euch Köpfe explodieren."

Er lacht: „Nee, wir ..."

„Aber das erklärt den Geruch."

„Welchen Geruch?"

„In diesem Auto riecht es nach Gras."

„Woher weißt du wie Gras riecht?"

„Meine Tante hat geraucht.", sage ich kurz angebunden. „Sie ist vor einem halben Jahr gestorben."

Das Lächeln verschwindet aus Stanleys Gesicht: „Oh. Ich ... das letzte Mal hab ich eigentlich vor einer Woche hier geraucht. Ich dachte man riecht nichts mehr-"

Ich antworte nicht darauf.

Was soll ich auch sagen?!

Sorry dass ich so extrem uncool bin und meine Nase so gut ist?!

Ich finde Zigaretten ekelhaft, außerdem würde ich gerne noch eine Weile leben.

Und am besten auch noch eine Weile durch meine Lunge atmen können.

„Warum rauchst du?", frage ich ihn schließlich. „Weil du es cool findest, oder ... ?"

Er zieht nachdenklich die Luft ein: „Ich hab angefangen, als mein Vater einmal sehr schlechte Laune hatte. Und seitdem: Tja."

„Wie alt warst du?"

„Vierzehn."

„Also seit zwei Jahren.", murmel ich. „Willst du aufhören?"

Er zuckt mit den Schultern: „Wäre vielleicht schlauer."

„Wäre definitiv schlauer.", sage ich scharf und zucke zusammen. „Sorry."

„Was? Alles gut.", sagt er lächelnd. „Ich meine-"

Der Satz bleibt unbeendet in der Luft hängen und wir erreichen die Schule.

„Danke fürs Mitnehmen.", sage ich und steige aus, Stanley nickt lächelnd: „Kein Problem."

Er selbst macht keine Anstalten auszusteigen, ich laufe los in Richtung Schule.

„Hey, Gwen!", ruft Stanley aus dem Auto, ich drehe mich wieder zu ihm um: „Was?!"

„Ich versuch aufzuhören."

„Okay.", rufe ich zurück. Er lächelt mir zu, ich drehe mich wieder um und laufe in die Schule.

Lächelnd.


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