(1/2) Valerio

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"Dort unten. Es ist Öl auf dem Wasser."

Wieder diese Stimme. Wie eine tiefe, metallene Glocke, erhaben und voll in ihrem Klang, traf sie auf seinen Magen und richtete dort etwas an, was er lieber unter Kontrolle behielt. Einen Moment lang war ihm ernsthaft schlecht geworden. Er atmete tief ein, fühlte seinen Herzschlag wie in Zeitlupe, dumpf und drückend. Der faulige Geruch der Algen und Muscheln, der von den unteren Bereichen der Hauswände aufstieg, machte ihm plötzlich zu schaffen. Es musste die Schwäche sein. Seit gestern Abend hatte er nichts Vernünftiges mehr gegessen – und dass er geschlafen hatte, war noch zwölf Stunden länger her.

„Wie – dort unten", fragte er. „Woher willst du das wissen?"

Der Fremde wies mit der Hand hinunter, als könnte er durch den steinernen Boden der Brücke hindurch direkt ins Wasser schauen. Noch immer hielt er den Kopf abwärts geneigt, seine schulterlangen Haare fielen über die markanten Konturen seines schmalen Gesichts. „Lo so – ich weiß es", sagte er in ernstem Ton.

Dort unten sollte also Öl auf dem Wasser sein? Er zögerte ungläubig. Er beugte sich weit über die durchbrochene Mauer hinweg, starrte einen Moment lang auf den Nebel hinunter, der hell von dem dunklen Wasser aufzusteigen begonnen hatte, richtete sich wieder auf. Dieser Kerl war wohl ein wenig verwirrt - man konnte nicht einmal die Wasseroberfläche klar erkennen! Und selbst, wenn der Nebel nicht wäre: Der Kanal lag bereits in den Schatten der anbrechenden Nacht. Es war unmöglich zu behaupten, dort unten sei Öl im Wasser.
Er wollte sich gerade mit einem Lächeln an den Spinner richten und etwas Ironisches entgegnen, da stutzte er. Es kam ihm vor, als sei der seltsame Mann größer geworden. Gerade noch waren sie ungefähr Auge in Auge gewesen. Gut, der andere hatte den Kopf ein wenig gesenkt gehalten, aber das ließ sich kalkulieren, sie hatten dieselbe Schulterhöhe gehabt. Jetzt ging sein Blick jedoch geradewegs gegen den Hals des Fremden! Dabei stand er nicht mehr gegen die Balustrade gelehnt oder über diese gebeugt, sondern so aufrecht, wie es ihm möglich war. Schnell warf er einen Blick auf die Füße und Beine seines Gegenübers, und richtig: Sie beide standen ganz entspannt und aufrecht da. Es gab also eindeutig einen beachtlichen Größenunterschied! Und doch hätte er schwören können, er und der Andere seien bis vor wenigen Sekunden ungefähr gleich groß gewesen. Womöglich spielten ihm die Dunkelheit und der Nebel einen Streich. Sein Blick blieb an den Knöpfen des eigenartigen Mantels hängen, der ihn entfernt an einen Gehrock aus dem späten Barock erinnerte. Diese ziselierten Knöpfe schienen aus Bronze zu sein, da waren feine, verschlungene Muster ...

"Come ti chiami ... Wie ist dein Name?"

Er zuckte zusammen, sah überrascht auf, schaute mitten in dieses blasse, wie gemeißelt wirkende Gesicht. Und da sah er es, den Bruchteil einer Sekunde lang. Beim letzten der drei Worte hatte sich der Mund des Mannes nicht bewegt. Buchstäblich nicht, er war ganz sicher: Die Lippen waren geschlossen geblieben. Für „chiami" musste man sie öffnen. Verunsichert trat er einen Schritt zurück. Der Nebel. Es musste der Nebel sein. Oder die verdammte Müdigkeit. Der Fremde fixierte ihn drei oder vier Sekunden lang, dann lächelte er. Es schien, als amüsierte ihn die Verwirrung, die er auslöste. „Come ti chiami", wiederholte er seine Frage und sah ihn erwartungsvoll an.

"Ich ... mein Name?" Der Blick des Mannes glitt wie geschliffenes Eis durch ihn hindurch und er antwortete mechanisch:

„Magnus ... Ich heiße Magnus."

„ Valerio."

Reflexartig streckte Magnus ihm die Hand hin, aber Valerio nickte nur, ließ ihn stehen und trat an das Geländer zurück. Er nahm etwas aus der Tasche seines eleganten Mantels, es war eine Streichholzschachtel. Als er sprach, sah er ihn nicht an. „Dai. Komm her."

Magnus schauderte. Die Gänsehaut an seinen Armen begann zu schmerzen. Er trat neben Valerio und beobachtete, wie dieser ein Streichholz entzündete, wie er wartete, bis die Flamme wuchs und sich an dem Holz entlang zu arbeiten begann.

Paralysiert starrte er auf die Hand, die der junge Mann schützend um das Feuer legte. Die Haut wirkte so hell, sie schien beinahe transparent. Eine kleine blaue Ader war zu sehen, die von der Innenseite des Zeigefingers zur Fingerkuppe hinauf lief. Magnus war fasziniert von der Intensität, mit der er das Feuer betrachtete. Und von dem Profil seines flackernd erhellten Gesichts, der geraden Nase mit den eleganten Nasenflügeln. Er starrte auf die Augenlider mit den schattigen Linien in der Lidfalte, konnte den Blick nicht von den perfekt geschwungenen Brauen und der edlen Stirn wenden, von der kleinen senkrechten Falte über der Nasenwurzel. Dieser Kiefer, der hart abgegrenzte Schatten unterhalb der Wangenknochen - und die Lippen, wie sie nur in Marmor gemeißelte Jünglinge hatten ... ein erschütterndes Engelsgesicht, das einem die Tränen in die Augen trieb. Er stand nicht auf Männer, aber das hier ... wie lebte man nur mit einem solchen Gesicht in einer so unvollkommenen und grausamen Welt?

Plötzlich schnippte Valerio das brennende Streichholz über die Balustrade hinweg. Magnus erschrak. An der Wasseroberfläche sah er ein kurzes Aufleuchten, dann zuckten Flammen unter der milchigen Nebeldecke und innerhalb von Sekunden fraß sich Feuer in dünnen, feinen Linien über die Oberfläche des Wassers - direkt unter ihren Augen und bis in das Dunkel unter der Brücke hinein.

„Ach du Sch ...", entfuhr es ihm. Er stieß sich von der steinernen Balustrade ab und stürzte die wenigen Schritte zur anderen Seite hinüber, die dicht an den Hauswänden lag. Er war aufgebracht.

Ma sei scemo?", rief er über die Schulter zurück, während er sich weit hinüber beugte. Er war sprachlos über diese Kaltschnäuzigkeit. Ja, er wagte es, diesen Valerio bescheuert zu nennen, denn nichts anderes war er! Ganz offenbar wusste er nicht, was er tat - oder er besaß keinen Funken Verantwortungsgefühl! Glücklicherweise gab es auf dieser Seite der Brücke nur eine einzelne Gondel, aber keine Motorboote. Es wurde heller dort unten, das Feuer durchdrang den Nebel. Da waren keine hohen Flammen, aber ein flacher Brand, der sich in geschätzten ein bis zwei Zentimetern Höhe züngelnd über die Oberfläche bewegte.

Magnus wurde mulmig im Magen. Was, wenn diese dünnen Spuren von Öl die Ausläufer einer größeren Lache waren! Das Feuer leckte bereits an der Gondel, die an dem Pfahl befestigt war. "Das hättest du nicht tun dürfen!", fuhr er Valerio an, der offenbar seelenruhig das brennende Wasser beobachtete.

"Eccome - aber sicher", war die arrogante Antwort. Er drehte sich zu ihm um, lehnte sich lässig gegen die Brüstung. Das Feuer hinter ihm verlieh seiner Silhouette eine dramatische Aura, sein ebenmäßiges Lächeln wirkte beinahe irreal. „Te la sei voluta", sagte er, hob spöttisch die dunklen Augenbrauen und breitete in einer theatralischen Geste die Arme nach beiden Seiten aus.

„Ich?", brachte Magnus heraus, „Ich habe es darauf angelegt? Also hör mal!"

Valerio lachte ihn aus.

"Für wen hältst du dich eigentlich? Das muss gelöscht werden! Kapierst du das nicht?" Er tobte nicht nur in seiner Wut auf den eigenartigen Fremden - er begann nun auch eine Panik zu spüren, die seinen aufgebrachten Worten beinahe den Atem nahm. Ja, er war völlig übermüdet und sein Hunger machte sich inzwischen brüllend bemerkbar. Und er hatte keine Lust auf noch mehr Schwierigkeiten, als er bereits hatte; aber Feuer war immer schon eine Sache für sich gewesen. Er hasste die Unberechenbarkeit von Bränden, die niemand kontrollierte.

Valerios Lachen erstarb innerhalb einer Sekunde. „Tocca a te" , sagte er halblaut und Magnus überfiel bei seiner Stimme ein Schauer, der ihn zittern ließ.

Sein funkelnder Blick und die Art, wie er bei seinen Worten mit dem Kinn auf ihn wies, brachten ihn beinahe zur Weißglut. „Wie – ich bin dran? Was soll das? Was meinst du damit? Was bist du für ein Arschloch!" Er schäumte vor Wut, spuckte ihm die Beleidigung entgegen. Wie konnte er sich von diesem verrückten Kerl nur in Schwierigkeiten bringen lassen! Dieser Idiot schien sich gelangweilt zu haben - und er, ein deprimierter und müder Ausländer an seinem letzten Abend in dieser verfluchten Stadt, kam ihm offenbar gerade recht, um sich auf seine Kosten zu amüsieren. Warum war er heute Abend nicht im Hotel geblieben! Mit wachsendem Unbehagen blickte er um sich, lief unschlüssig zwischen beiden Seiten hin und her, warf mal hier, mal drüben einen Blick in das brennende Wasser hinunter. Noch schien niemand das Feuer bemerkt zu haben, es war still in den Häusern und auch hier draußen an der Brücke war kein Mensch zu sehen.

Eigentlich sollte er weglaufen, diesen selbstüberzeugten Kerl mit seinem Problem allein lassen. Widerwillig griff er in die Hosentasche und zog sein Handy heraus. „Wir müssen den Brand melden", rief er zu ihm hinüber und hielt sein Handy hoch, um zu zeigen, was er vor hatte. "Und dann nichts wie weg hier", murmelte er leise für sich.

Er hatte noch nicht zuende gesprochen, da tauchte Valerio plötzlich vor ihm auf. Das Handy flog wie von selbst über die Balustrade. Es prallte hörbar gegen die nahe Hauswand, platzte in seine Einzelteile auseinander. Wie ein Regen prasselten diese auf das Wasser und verschwanden. Magnus konnte es nicht glauben. Sein Handy! Dieser Scheißkerl hatte sein Handy zerstört! Er hob die Faust, wollte ihm einen Schlag versetzen, da wurde sein Arm festgehalten. Wo Valerio das Handgelenk umfasst hielt, kam buchstäblich kein Blut mehr hindurch. Er fühlte, wie es zu pochen begann und die Hand anschwoll. Die Finger seiner Faust wurden immer dicker und gefühlloser, sie öffneten sich wie von selbst.
Er spürte Valerios intensiven Blick auf sich, sein unglaubliches Gesicht war völlig bewegungslos, so als hätte er mit seinem Griff um Magnus' Arm nicht nur dessen Durchblutung, sondern auch gleich die Zeit angehalten.

"Was soll das alles?" Panisch versuchte er sich seiner Hand zu entwinden. "Du bist ja völlig verrückt, lass mich los!" Die Hand packte zu wie ein Schraubstock. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er Angst hatte. Er überblickte die Situation nicht mehr, verlor die Kontrolle. Er wollte weg hier. Zurück ins Hotel, schlafen bis morgen früh und dann zum Flughafen und nach Hause. Was machte er überhaupt hier, so spät am Abend und zusammen mit diesem Irren? Wenn sein Leben nun nicht noch völlig aus den Fugen geraten sollte, musste er die Situation schnellstens beenden und sich davon machen.
Aber Valerio ließ ihn nicht gehen. Spielend schien er Magnus' Befreiungsversuchen stand zu halten, fixierte ihn weiter, als sei er nicht mehr als ein halbwegs interessantes, aber zufälliges Studienobjekt. Magnus fröstelte, als er ihm in die Augen sah, die eigenartige Distanz in seinem Blick war ihm nicht geheuer. Hier war etwas ganz und gar nicht in Ordnung! Er nahm seinen Mut zusammen und setzte seine bedrohlichste Miene auf. „Se io fossi in te - Wenn ich du wäre", begann er knurrend und nickte in Richtung seines Handgelenks. Er hatte alle Drohung, zu der er fähig war, in seine Stimme gelegt.

Für einen Moment schloss Valerio die Augen. Die steile Falte zwischen seinen Augenbrauen vertiefte sich. Langsam schüttelte er den Kopf, ließ das Handgelenk los und trat einen Schritt zurück.

„Du bist nicht ich", hauchte er. „Vergleiche uns nicht. Ho paura per te."

Die letzten Worte waren kaum hörbar gewesen, so leise hatte er gesprochen. Magnus war nicht sicher, ob, er ihn richtig verstanden hatte.
„Du... du... Hast du eben gerade gesagt, du hast Angst um mich?" Er hatte Mühe, die Wut zu unterdrücken, die sich in seinem Bauch zusammenballte. "Sag mal, spinnst du? Du hättest deine dämlichen Streichhölzer in der Tasche lassen sollen! Alles wäre ok gewesen!"

In diesem Moment hörte er aus einer Gasse Stimmen näher kommen, die aufgeregt klangen – und schon sah er drei Männer und zwei Frauen, die auf die Brücke zuliefen. Oben an der Hausfassade öffnete sich ein Fenster. Hastig schob er nach: „Du hättest mir das hier ersparen können, du irrer Kasper. Aber du stehst wohl auf Schwierigkeiten. ... Hey! Wo gehst du hin? Du lässt mich hier allein mit der Scheiße?"

Valerio hatte sich umgedreht und ging die Brücke hinunter. Gelassen und aufrecht, als hätte er mit dem Brand nichts zu tun. Die Leute hatten die andere Seite der Brücke erreicht.
Man rief Magnus etwas zu, gestikulierte Richtung Wasser, aber er kümmerte sich nicht darum. Er begann zu laufen. Er sprang die wenigen Stufen hinunter, die das Ende der Brücke bildeten. Ohne sich noch einmal umzuwenden, bog er in die schmale Gasse ein, in deren Schatten Valerio verschwunden war.

Ende Teil 2

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