(1/7) Feuer

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Magnus war so erstaunt über Valerios heftige Reaktion, dass er seiner Aufforderung ohne ein weiteres Wort nachkam. Schnell warf er noch eine weitere Scheibe Fleisch und dazu ein Stück von dem großartigen Brot auf seinen Teller, stürzte das restliche Wasser aus seinem Glas hinunter und nahm beides, Teller und Glas, mit zum Kamin hinüber.

Seinen eleganten Gehrock hängte Valerio über die Rückenlehne des roten Ohrensessels. Als Magnus das helle Hemd sah, dass er darunter trug, fühlte er sich schon wieder um Jahrhunderte zurück versetzt; fasziniert beobachtete er, wie sein Gastgeber die weiten Ärmel aufkrempelte und vor dem Kamin niederkniete. Er begann Holz und Späne aufeinander zu schichten und Magnus blieb verzaubert hinter ihm stehen, versunken in den Anblick, den er bot. Dieses Hemd. Es erinnerte ihn an irgendetwas ... Er sah ihm zu, wie er Holz und Späne aufeinander schichtete, betrachtete währenddessen seinen Rücken. Dass ein so junger Kerl so selbstverständlich diese alten Sachen trug! Er kannte sich ganz gut aus mit historischer Kleidung. Dieses Hemd schien nach originalen Vorbildern gefertigt zu sein. Von Schulter zu Schulter verlief die typische Passe, soweit er es im Schein der Kerzen sehen konnte. Darunter war der mit gleichfarbigen Ornamenten durchwebte Stoff stark angekraust, ebenso an den Ärmelansätzen. Der weite Saum hing ihm an der rechten Seite über den Hosenbund hinaus. Man konnte sehen, wie lang es war - und wie gut die Verarbeitung des edlen und feinen Garnes.
Woher Valerio wohl seine Kleidung bezog? Es gab Online-Shops für „Piratenkleidung", wie er diesen Stil insgeheim nannte. Es stand ihm, das musste er zugeben; er konnte das gut tragen! Aber wer - abgesehen von einigen Freaks, mancher hoffnungslos romantischen Frau oder kostümbegeisterten Gleichgesinnten - würde einen Mann ernst nehmen, der sich so kleidete? Gut, dachte er bei sich, dieses fantasieanregende männliche Exemplar würde wahrscheinlich auch im Kartoffelsack und mit einem Zeitungshütchen auf dem Kopf beeindrucken. Aber da draußen in der realen modernen Welt, insbesondere in der Berufswelt, konnte er sich so nicht ernsthaft sehen lassen. Wahrscheinlich hatte er für seriösere Auftritte einen Schrank voll mit ganz normalen Sachen.

Während sein Gastgeber sich mit den Holzscheiten abmühte, stand er bei den Sesseln herum und ließ die eigenartig zeitlose Atmosphäre, die das magische Ambiente des Raumes und der altertümlich gekleidete Mann am Kamin ihm bescherten, auf sich wirken.

Valerio stellte weitere Abschnitte von Buchenholz an den Innenseiten des gewaltigen Kamins auf. „Das Holz ist zu frisch, es muss trocknen", erklärte er über die Schulter hinweg und schüttelte mit einer Kopfbewegung die braunen Haare aus dem Gesicht.

Magnus nickte ein wenig hilflos, wissend, dass Valerio seine Zustimmung nicht wahrnehmen konnte: er wollte nicht unhöflich wirken und sich aber auch nicht nutzlos fühlen, auch wenn er hier nicht helfen konnte. Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, er hatte noch niemals in einem solchen Kamin Feuer gemacht. Sein Gastgeber besaß hier offensichtlich weitaus mehr Erfahrung, er schien ihn nicht als Assistenten zu brauchen. Also beschränkte er sich darauf, interessiert zu wirken und so zumindest passive Hilfsbereitschaft vortäuschen. Aufmerksam verfolgte er, wie Valerios Hände das Holz zu einem sinnvollen und gut brennbaren Gebilde aufrichteten. Die Art, wie er zupackte, passte gar nicht zu dem beinahe feingliedrigen Eindruck, den seine Finger machten. Er hatte die Hände eines Künstlers. Vielleicht malte er oder spielte Klavier - und doch packte er kräftig, gezielt und sicher zu wie ein Seemann oder Maurer, wie einer, der sein ganzes Leben lang nichts anderes getan hatte als solche Dinge. Er erinnerte sich an den festen Griff dieser Finger, als Valerio ihn auf der Brücke davon abgehalten hatte, mit den Funken seines Feuerzeuges das Öl zu entzünden. Es blieb ein Rätsel, wie er davon gewusst haben konnte; gerochen hatte man nichts.

Bald strahlte ein beachtliches Feuer seine Hitze in den kühlen Raum hinein. Magnus spürte es bereits an den Beinen. Feuer war noch nie sein Fall gewesen, er traute ihm nicht. Ein Wohnraum mit offener Feuerstelle gehörte also nicht zu den Dingen, die ihn glücklich machten. Hier und heute jedoch, mitten in der Nacht und im Haus dieses mysteriösen Fremden, konnte er es beinahe genießen. Aber er war um Welten zu müde, um sich jetzt mit solchen Mysterien zu beschäftigen.

„Setz dich doch", sagte Valerio knapp und ohne sich zu ihm umzuwenden. Es war, als spürte er Magnus' Gedankenberge störend in seinem Rücken - seine Worte hatten einen ungeduldigen, ja beinahe unfreundlichen Tonfall. Konnte es sein, dass er noch im Groll mit ihm war wegen der Anspielung auf seine Jugend und fehlende Lebenserfahrung?Junge Leute konnten hier empfindlich sein. Insbesondere unter Männern gab es dieses traditionelle Kräftemessen um Kompetenz und Überlegenheit. Vielleicht hatte er den jungen Mann ernsthaft in seinem Stolz getroffen ... obwohl er es doch gar nicht so gemeint hatte! Er wollte ihm nicht seine Lebenserfahrung absprechen, nicht direkt jedenfalls. Er hatte ihm lediglich sagen wollen, dass er es als Anmaßung empfand, wie dieser junge Kerl zu seiner Geschichte anmerkte, es sei „immer dieselbe Story". Was wusste er schon über Magnus' Geschichte!

Gut, auf gewisse Weise hatte er ja recht. Nur war diese „ewig gleiche" Geschichte so frisch, dass sie gerade furchtbar schmerzte. Und solange das so war, musste man ihm gestatten, sie nicht „irgendeine dieser Geschichten" zu nennen, sondern sie als einzigartig und sehr persönlich zu betrachten. Vielleicht machte sich hier Valerios Unreife bemerkbar: dass ihm diesbezüglich die eine oder andere eigene Erfahrung fehlte und seine Anmerkungen zu diesem Thema daher plump und unsensibel ausfielen. Aber Magnus verstand seinen Stolz und Eigensinn sehr gut. Immerhin war er selbst vor einigen Jahren erst in seinem Alter gewesen.
Nun trat er hier von einem Bein aufs andere und hatte tatsächlich ein schlechtes Gewissen ... Soweit kam es noch, dass er sich vor diesem Milchbart rechtfertigte und entschuldigte! Mit einer ungelenken Drehung sah er sich nach dem dunklen Ledersessel um, der dann wohl seiner sein sollte. Dieser Sessel hatte eine ebenso hohe Rückenlehne wie der rote, dazu einladende, vom Alter beinahe schwarz gegerbte Armlehnen.
Ein gemütlicher alter Sessel, ein Kaminfeuer und ein ungewöhnlicher Zuhörer - sowie eine tragische Story, die zu erzählen war ... Was für eine Nacht war das! Meinte Valerio tatsächlich ernst, dass er seine Geschichte hören wollte? Wenn er nicht so müde gewesen wäre, dass ihm schon beim Anblick der ersten züngelnden Flammen die Augenlider schwer wurden, diese Nacht wäre durchaus nach seinem Geschmack gewesen. Wenn er auch zugeben musste: Die Geschichte, die er zum Besten geben sollte, hätte er viel lieber aus einem anderen Mund gehört. Dann hätte er sich darin gefallen dürfen, aus einer wohltuenden Distanz heraus dem Betroffenen sein Mitgefühl auszusprechen, ab und zu Anteil nehmend zu nicken und dem Erzähler vor dem „Gute-Nacht" als kameradschaftlichen Trost auf die Schulter zu klopfen, bevor er sich sorglos schlafen legte. Stattdessen sah er sich, wie er sich unruhig auf seiner Schlafstatt wälzen würde, nachdem man ihn gezwungen hatte, den Dolch eigenhändig in dieses bereits tödlich verletzte Herz zu stoßen – und dies auch noch vor Publikum, das er kaum kannte und von dem er nur eines wusste: Dieser Mann hier mochte jünger sein als er selbst, aber er schaffte es seit Stunden, wesentlich klarer, souveräner und fokussierter zu wirken, als es Magnus im Leben jemals gelingen würde.

Innerlich lachte er müde auf. Wie wehmütig und voll Selbstmitleid er auf einmal war. Und so melodramatisch! Wahrscheinlich hatte die intensive Betrachtung der romantischen Kostümierung seines Gastgebers bereits jetzt seine Stimmung ins Triefende und Dramatische abrutschen lassen. Nun gut! Er würde das gleich korrigieren und einen Bericht hinlegen, der so trocken wie möglich und so emotional wie nötig war. Um es klipp und klar zu sagen: Er brauchte hier buchstäblich gar keine Gefühlsduselei, nicht heute Nacht, nicht, wenn er sich nicht noch vor dem Morgengrauen in diesen kleinen Kanal dort unten stürzen sollte. Um an einem äußerst uneleganten Genickbruch zu verenden, da die Wasserhöhe sicher nicht einmal zum stilvollen Ertrinken reichte.

Valerio richtete sich auf. Das Feuer brannte jetzt prasselnd, die Flammen stürzten sich auf die kräftigen Scheite.
"Sei stanco? – Bist du müde?"

„Ein wenig", log Magnus. Die Wahrheit war, dass er bereits Spinnweben im Gesicht hatte. Nur das Essen und der nun normalisierte Blutzucker hatten ihn davor gerettet, hier auf dem Teppich in einen hundertjährigen Schlaf zu fallen.

„Mach es dir bequem." Valerio wies auf den Ledersessel, rückte seinen eigenen näher an das Feuer heran und drehte ihn so, dass sie einander gegenüber saßen.

Eine Weinflasche, die unter der grünsamtenen Decke des runden Tischchens gestanden haben musste, wurde mit geschickten Fingern geöffnet. In seinem Kopf verstärkte sich der Schwindel, der ihn bereits den ganzen Abend begleitet hatte. Er sollte heute Nacht nichts trinken, dachte er, als er auf die fragende Geste seines Gastgebers nickte und ihm sein Glas hinschob. Valerio füllte es bis zum Rand. Er prostete ihm zu, sie tranken, er lehnte sich in seinem Sessel zurück. Dann schien er ganz im Anblick des Feuers zu versinken. In der Stille, die entstand, hatte Magnus zunehmend Mühe, seine Augen offen zu halten, da wandte Valerio sich ihm plötzlich zu. Das intensive Interesse, das in seiner Haltung, seinen Augen lag, ließ ihn sofort hellwach werden.
Er war wie paralysiert, konnte unter dem Einfluss seines Blickes kaum darüber nachdenken, wie er diese irritierenden Stimmungswechsel deuten und ob er reagieren sollte – und wenn, dann wie – so sehr nahm ihn die messerscharfe Aufmerksamkeit gefangen, die gnadenlos auf ihn gerichtet war.

Die brennende Intensität wurde ihm gerade unerträglich, da löste Valerio die Spannung auf und begann zu sprechen. Er wandte seinen Blick nicht ab, sah ihm mitten in die Seele hinein. Aus seiner Stimme meinte Magnus einen Anflug von Spott heraus zu hören, ein Mundwinkel regte sich, als wollte er lächeln. Oder war es der Feuerschein auf seinem Gesicht?

"Wo waren wir stehen geblieben, mio amico?" Er hob eine dunkle Augenbraue. "Ah ja ... È sempre la solita storia."

Diesmal blieb Magnus still, er protestierte nicht. Valerio versuchte eine Einleitung. Er hatte die Geschichte also nicht vergessen. Und er konnte seine Provokation nicht bei sich behalten. Er hatte gehofft, das Thema wäre ihm entfallen. Valerio entließ ihn aus seinem Blick und wandte das Gesicht zur Umrandung oberhalb der Feuerstelle. „Nun", sagte er gedankenverloren, während er weiter auf die Schnitzereien starrte, „lass hören, ob deine Geschichte anders ist als das, was die Welt seit jeher in allen Sprachen singt."

Ende Teil 7


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