(12/3) Süße Trauben

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Ihre Augen waren beinahe geschlossen, ihre Wimpern flatterten ein wenig. Als nach diesem leichten, beinahe flüchtigen Kuss neben ihren Mundwinkel nichts weiter geschah, sah sie verwundert zu ihm auf. Sie wirkte irritiert, beinahe, als hätte sie sich mehr erhofft.

Erschrocken von seinem Mut, mit dem er den Moment genutzt hatte, wich Valerio zurück. "Ich... bin ziemlich dreckig, ich wollte nicht..."
Ihr Erstaunen stand ihr ins Gesicht geschrieben. Als sie plötzlich los prustete, war er froh, dass er das Licht der Kerzen im Rücken hatte; er hoffte, dass sie sein Erröten nicht bemerkte.

"Oh", lachte sie schelmisch, "jetzt, wo du es sagst! Das hätte ich beinahe übersehen!" Sie strahlte ihn an, dann biss sie sich auf die Unterlippe und ihre funkelnden Augen wichen auf seine Brust aus. Dort ließ sie ihren Blick umher schweifen. Sie nickte. "Ja, ein Bad wäre wohl gut..."

Er wollte etwas sagen, aber sie war noch nicht ganz fertig - So kam es, dass sie gleichzeitig sprachen und er hörte durch seine eigenen Worte hindurch gerade noch die zweite Hälfte ihres Satzes. "...aber vielen Dank für den Kuss, das war..." Beide brachen zugleich ab, um dem anderen den Vortritt zu lassen.

Oh, wie sehr wollte er, dass sie jetzt zuende sprach! Das Wichtigste enthielt sie ihm vor! Zu gerne hätte er erfahren, was sie über den Kuss dachte. Erwartungsvoll sah er sie an, aber sie schien zu schüchtern, hier nun noch einmal anzusetzen. Wahrscheinlich hatte sie nur aus dem Moment ihres Lachens heraus den Mut gefunden, ganz spontan etwas zu seinem Kuss zu sagen. Er ahnte, was sie ausdrücken wollte. Aber er wollte es von ihr hören.

"Also... dann bist du mir nicht böse?", tastete er sich vor. Wenn er sie richtig einschätzte, würde sie das nun nicht so stehen lassen, sondern ihm den vorgetäuschten Zweifel ausreden wollen. Und richtig, Caterina schüttelte sofort energisch den Kopf.

"Nein", beeilte sie sich zu sagen. "Nein - wirklich nicht! Das war... schön! Und mutig!"

Und viel zu wenig und zu kurz, dachte Valerio und atmete erleichtert auf. Das Blut rauschte durch seinen Kopf und im Bauch spürte er ein glückliches Kribbeln. Der Schwindel, der ihn nun zum wiederholten Mal erfasste, machte ihm jedoch auch bewusst, wie müde er war. Sie konnten hier nicht ewig bleiben! Auch wollte er sie sicher untergebracht wissen, nun, da er sie doch noch gefunden hatte.

"Es ist sehr spät. Ich denke, wir sollten jetzt besser gehen." Er staunte erneut, wie weich seine Stimme klang. Noch einmal versuchte er zu einem kräftigeren Ton zu finden, der Kloß in seinem Hals war jedoch nicht ganz weg zu bekommen. "Wir müssen sehen", begann er nachdenklich, "ob man euch heute Nacht woanders einquartiert hat. Ich weiß nicht, wie sehr der Rauch in das Novizenhaus eingedrungen ist. Das Dach wurde durch den Brand beschädigt."

"Wir schlafen in der unteren Ebene", erklärte sie. In der nächsten Woche sollen wir die einzelnen Kammern beziehen, die im ersten und zweiten Stock liegen. Wenn es nur am Dach gebrannt hat, wird man sicher die unteren Räume erst einmal weiter nutzen können. Aber es gibt ein anderes Problem... Die Tür wird Abends von innen verriegelt. Ich befürchte, ich komme heute Nacht nicht mehr hinein."

"Hab keine Sorge." Mit dem kleinen Finger stupste er ihre Hand an. "Da wird sich eine Lösung finden. Komm, lass uns gehen." Er zögerte noch einen Augenblick, hoffte, sie würde noch einmal seine Hand nehmen, aber sie tat es nicht. Er selbst fühlte sich zu dreckig, um seinem Bedürfnis nachzugeben. Also wandte er sich zur Tür und sie folgte ihm.

"Die Kerzen", erinnerte sie, als sie an den Säulen vorbei gingen, die den Ausgang umstanden. "Wir müssen sie löschen."

"Hier ist alles aus Stein. Die Kerzen können herunter brennen."

"Und die Tür? Was ist damit?"

"Die wird nicht abgeschlossen."

Er ließ sie unter seinem Arm hindurch schlüpfen und zog die schwere Eichentür hinter ihnen zu. Er hörte ihr Flüstern dicht neben sich in der Dunkelheit.
"Aber wenn sie gewöhnlich offen bleibt - ist es dann nicht umso seltsamer, dass sie auf einmal abgeschlossen war?"

Er stutzte. An ihre Geschichte hatte er gar nicht mehr gedacht. "Ja, das ist ein Rätsel", flüsterte er zurück. "Hat dich denn jemand hinein gehen sehen?"

Einige Schritte lang liefen sie still nebeneinander her. "Nein", sagte sie schließlich, " ich denke nicht, dass mich jemand gesehen hat."

"Es ist nicht unbedingt eigenartig, dass eine Tür, die ansonsten immer offen steht, doch einmal abgeschlossen wird. Vor allem nicht gestern Nachmittag. Auf dem Klostergelände liefen wegen des Unglücks viele Leute herum; vielleicht wollte man nicht, dass sie Gebäude betraten, die nicht für die Öffentlichkeit vorgesehen sind. Aber dass die Kapellentür einige Zeit später dann wieder geöffnet wird, ohne dass jemand hinein will und ohne dass es jemand, der drinnen ist, bemerkt... das gibt mir trotzdem zu denken."

"Ja. Das ist wirklich seltsam."

Er spürte, wie müde sie war. Sie musste Stunden dort drinnen verbracht haben; seitdem hatte sie nichts gegessen und getrunken. Er führte sie an der Gartenmauer entlang, dann blieb er plötzlich stehen. "Warte hier! Ich bin gleich zurück."

"Aber wir müssen doch da vorne... Was hast du vor?"

Er legte ihr die Hand auf die Schulter. "Pssst! Leise. Es dauert nur einen Moment."

Innerhalb von Sekunden war er auf die Mauer geklettert. Als er nach dem Sprung auf der anderen Seite aufkam, umhüllte ihn der feuchte, erdige Geruch des Gartens. Der Mond schien über die Wipfel der Obstbäume hinweg. Mit schnellen Schritten lief er an den Büschen und Stauden entlang und bis zur Quelle hinüber, die unter einem Stein hervor sprudelte. Er nahm den Wasserbehälter aus der Tasche, spülte ihn in dem klaren Wasser aus und füllte ihn bis an den Rand. Einige Schlucke trank er davon, dann  wusch er sein Gesicht und die Hände so sauber, wie es ihm möglich war - am Brunnen im Innenhof hatte er kaum genug Zeit und Sinn dafür übrig gehabt. Wer hätte auch gedacht, dass es in dieser Nacht noch irgendwelche Küsse zu gewinnen geben würde!

Schnell stopfte er zwei der süßen Äpfel, die an einem niedrigen Zweig über der Quelle hingen, in seine Tasche, dann lief er zum Pfirsichbaum hinüber und tastete nach einer besonders reifen Frucht, die er ebenfalls mitnahm. An der Ostmauer strömte das Mondlicht über den wuchernden Wein hinweg. Einen Fuß auf die knorrigen Reben setzend hangelte er sich an der Mauer hoch, um an die reiferen Trauben zu gelangen. Er knipste zwei Hände voll ab und ließ sie in die offene Tasche fallen, bevor er wieder hinunter kletterte. Im Laufen schob er die prall gefüllte Tasche auf den Rücken, damit er beim Sprung gegen die Mauer das Obst nicht zerquetschte.

Leise wie eine Katze landete er einige Sekunden später hinter Caterinas Rücken auf dem Boden. Sie hatte träumend zum Mond hinauf geschaut, während sie auf ihn wartete. Der erschrockene Laut, den sie ausstieß, zeigte ihm, dass er sie besser hätte warnen sollen.

"Himmel", keuchte sie, nachdem sie sich gefasst hatte. "Kommst du denn immer von oben, wenn niemand mit dir rechnet - und lautlos? Oder kannst du dich auch auf die übliche Weise nähern?"

Irgendetwas an dem Ton, der in ihren Worten mitschwang, verriet ihm, dass er sie gerade sehr beeindruckt hatte. Er lachte leise und hielt ihr eine Weintraube vor den Mund.

In der Dunkelheit erkannte Caterina nicht, was er ihr mitgebracht hatte. "Was ist das", fragte sie und wollte rückwärts ausweichen.

"Etwas Gutes." Er drückte ihr die Weintraube sanft an die Lippen. "Süß und saftig. Vertraue mir."

Nur kurz zögerte sie, dann öffnete sie den Mund. "Hmm...", seufzte sie schwärmerisch, als sie die Weintraube zerbiß. "Weißt du, wie lange ich schon nichts mehr...?"

Valerio ließ sie nicht zuende sprechen. Wo die Traube verschwunden war, kam sein vorsichtiger Kuss gleich hinterher. Er schmeckte den süßen Traubensaft auf ihren Lippen. Sie waren furchtbar weich - genau so hatte er es sich vorgestellt! Was seine Fantasie sich aber nicht hatte ausmalen können, war, wie viel Wärme ihr Gesicht ausstrahlte... und wie sehr ihn der Luftstrom kitzelte, den sie überrascht durch die Nase ausstieß. Während er ihr Zeit gab, die saftige Traube hinunter zu schlucken, murmelte er an ihren Lippen: "Ich habe noch mehr."

Er spürte ihr Lächeln mehr, als dass er es sah, so dicht waren sie beieinander. Ihre Stimme hatte einen vertraulichen Unterton. "Das hatte ich sehr gehofft." Noch immer blieb sie mit ihren Lippen unmittelbar an seinen.

Erst bei ihren Worten wurde Valerio bewusst, dass die Bedeutung dessen, was er hier gemeint hatte, nicht ganz klar gewesen war. Eine belebende Wärme durchflutete ihn. Er hatte die Trauben gemeint, die er für sie hatte, zunächst jedenfalls... Aber was sie andeutete, war ihm mindestens ebenso recht! Oh ja, dachte er - er hatte noch so vieles mehr für sie als nur diesen einen Kuss! Wenn sie ihm nur erlaubte es ihr zu zeigen!

Sanft nahm er ihr Gesicht in beide Hände und flüsterte: "Ich habe mich ein wenig gewaschen, aber ich bin noch nass..." Er küsste sie noch einmal auf die Lippen, mit leichtem Druck diesmal. Nur das - nicht mehr für jetzt. Als er sich von ihr löste, spürte er ein sehnsüchtiges Ziehen in der Brust. Mit den Daumen streichelte er über ihre Wangen, bevor er auch die Hände wegnahm.

Er hob die Tasche von der Schulter und reichte sie ihr. "Hier. Das ist für dich. Du kannst sie mitnehmen. Das Wasser ist ganz frisch. Und die Früchte, ich dachte... damit du nicht hungrig einschlafen musst."

Ihr leises Lachen empfand er wie Silber in der nachtblauen Dämmerung. In ihren Augen blitzte einen Moment lang der Mond auf. "Du denkst tatsächlich, dass ich schlafen kann?" Mehr sagte sie nicht, aber sein Herz machte bei ihren Worten einen solchen Sprung, dass er dachte, es könnte Schaden nehmen.
"Das kannst du mir ja dann später erzählen."

"Später...", wiederholte sie. "Ja, das werde ich! Morgen..."

"Heute. Es wird bald hell."

Das war ein Versprechen. Sie wollte ihn wiedersehen! Und sehr bald... so bald wie möglich!

Während sie weiter gingen, sagte niemand mehr ein Wort. Aber die Nacht war angefüllt mit ihren Wünschen und Fragen, mit tausend flatternden Schmetterlingen und dem berauschten Taumel ihres jungen Glücks, das beide noch kaum verstanden.

Ende Teil 97





Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro