(12/7) Der verzauberte Garten

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Angelo führte sie nicht zum Eingang des Hauses, sondern quer durch den üppig bewachsenen Garten. Im Gehen beobachtete sie, wie ihm die Zweige einer alten Platane über den Kopf strichen; er duckte sich darunter hinweg. Die großen Blätter raschelten über ihnen, als er hinein griff, es erschien ihr, als würde der Baum ihn begrüßen. Dann ging es weiter über gemähtes Gras und an Kräuter- und Gemüsebeeten vorbei, bis sie in die Schatten dunkler Zypressen traten.

Als hätte er ihre Gedanken erraten, raunte er ihr zu: "Wir nehmen nicht die Vordertür. Hinten kommen wir unbemerkt ins Haus hinein."

Er ließ ihre Hand los, bog einige der gefiederten Zweige beiseite, ließ sie hindurch schlüpfen und folgte ihr. Dann ging es an der Seite des Hauses vorbei. Der Untergrund war hier moosig und weich, offenbar wurde dieser Weg nicht häufig genutzt. Es durftete nach Harz und Erde. Es war so dunkel, dass sie auf seinen Atem horchte, um sicher zu sein, dass er noch da war.

Schließlich war die Mauer zuende und ein großer Garten tat sich auf. Weit hinten öffnete sich der Blick über die Ebene, die schlafend in der Tiefe lag; in der Ferne sah man die Berge. Das Licht des Mondes flirrte durch die Zweige hoher Pinien und breitete seinen nächtlichen Zauber über das geheimnisvolle Paradies, das vor ihr lag.

Obstbäume und Sträucher wechselten sich mit blühenden Stauden und freien Flächen ab und ein schwerer, süßer Duft nach reifen Pfirsichen hing zwischen den belaubten Zweigen. Irgendwo aus den tieferen Schatten webte ihr der betörende Duft von Lilien entgegen. Der leise Nachtwind trug ihn bis an ihre Nase.

Fassungslos blieb sie stehen, verzaubert durch die leuchtenden Spuren der Glühwürmchen, die vor ihrem Gesicht tanzten. Angelo schob sie weiter und zu einem knorrigen Olivenbaum hinüber. Seinen Stamm, uralt und mit rissiger Rinde, konnten sicher drei Männer nicht umfassen.

Bei den mächtigen Wurzeln des Ölbaumes, die aus dem Boden ragten, fand sich ein ungefähr zwei Meter langes Becken im Römischen Stil. Die kurzen Seiten gaben ihm etwas Schlankes und Elegantes - wenn man ihm auch sein Alter ansah, denn das feine Mosaik der breiten Kanten war verblichen und hatte hier und da dicke Moospolster angesetzt. An einer der beiden kürzeren Seiten stand die steinerne Skulptur einer Frau. Ihr marmorweißes Gesicht war wunderschön. Die Augen auf die breite Lücke zwischen den Pinien am Ende des Gartens gerichtet schien ihr Blick in die Ferne zu träumen, in den sternübersäten Himmel hinein, der über der Ebene prangte. Sie hielt ihre Hände vor ihrem nackten Bauch zu einer Schale geformt - aus ihr plätscherte ein Wasserstrahl in das Becken hinein. Das Licht des Mondes fing sich darin und ließ ihn schimmern wie flüssiges Silber.

Angelo trat hinter ihren Rücken und flüsterte ihr über die Schulter: "Das Wasser ist trinkbar. Wir haben unsere eigene Quelle. Warte hier... Ich komme gleich und hole dich." Er beugte sich zum Fuß der Statue hinab. Im Schatten der Umrandung des Beckens konnte Caterina nicht erkennen, was er dort tat. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er einen Schlüssel in der Hand.

Er hatte sich bereits zum Haus gewendet, da kehrte er um und kam zu ihr zurück. Ganz dicht trat er an sie heran. Er küsste sie. Seine Augen funkelten.

"Lauf mir nicht weg", murmelte er leise. "Ich finde dich."

Seine Worte, dazu die warmen Lippen und seine dunkle, weiche Stimme verurachten ein Kribbeln, das ihr an Hinterkopf und Rücken hinunter lief. Er hypnotisierte sie mit seiner eindringlichen, festen und doch so sanften Art... Sie hatte Mühe auf ihren Füßen zu bleiben. Sie widerstand dem Impuls, einfach gegen ihn zu sinken und sich in seine Aura hinein fallen zu lassen. Sie schluckte. "Vergiss mich hier nicht", flüsterte sie schließlich zurück und meinte es ernst. Sie spürte, wie müde er war. Er drückte ihre Hand.

Seine Worte hatte sie noch im Ohr, als er längst im Dunkel zwischen den Olivenbäumen verschwunden war. Sie hob die Hand dorthin, wo ein leichter Wind seine Haare gegen ihre Wange geweht hatte. Einen Moment lang starrte sie in das versonnene Gesicht der marmornen Frau. Etwas in ihren edlen Zügen erschien ihr so vertraut... erstaunt wich sie einige Schritte zurück, um die Gestalt ganz auf sich wirken zu lassen. Als die dünnen Wolkenschleier den Mond freigaben, sah sie es: Das Gesicht erinnerte sie verblüffend an Angelo. Ihren Engel.

Seufzend streckte sie die Arme weit von sich, während sie den Blick durch den Garten schweifen ließ. Der Rücken tat ihr weh und sie spürte ihre müden Füße. Einige Zeit starrte sie zwischen den Zweigen der Olivenbäume hindurch auf das Haus, das immer noch in völliger Dunkelheit da lag. Sie lauschte, aber kein Geräusch drang zu ihr herüber. Nur das leise, helle Plätschern des Wassers, das sich aus den Händen der schönen Frau vor ihr ergoss, mischte sich mit dem Raunen des Nachtwindes in den Büschen und Zweigen ringsum. Die Glühwürmchen tanzen ihre Reigen über den Schatten der Blätter.

Schließlich ließ sie sich in das moosdurchwachsene Gras sinken. Sie saß am Rand des Beckens, an der schmalen Seite, die der marmornen Frau gegenüber lag. Auf den Beckenrand gestützt strich sie mit den Fingern ihrer freien Hand über die Wasseroberfläche. Sie schickte silbrige Wellen durch die Länge des Beckens, und der gespiegelte Nachthimmel mit Mond und Sternen geriet in Bewegung und begann zu zittern. Das Wasser war weich und kühl... Sie hatte das Bedürfnis, ihre Füße hinein zu halten. Im Halbdunkel tastete sie nach den Riemen ihrer Sandalen, streifte sie ab und schob sich ganz auf den Rand des Beckens.

Nacheinander tauchte sie ihre Zehen ins Wasser; dann hob sie ihr Gewand bis zu den Knien an und ließ die Füße tiefer hinein sinken. Das Wasser war himmlisch. Es schmiegte sich mit leichtem Druck um ihre Beine, die erfrischende Wirkung war bis in ihren müden Kopf hinein spürbar. Leise lachte sie vor sich hin, als ihr bewusst wurde, dass sie hier in diesem verwunschenen Garten saß,  bei dieser weißen Göttin, die Angelo auf magische Weise ähnelte, und dem silbernen Plätschern des Wassers lauschte, das da aus ihren marmornen Händen lief. Der Garten atmete die Nacht. Er duftete nach Lilien und nasser Erde, und Wind und Wasser sangen mit der Nachtigall, die irgendwo über ihrem Kopf ihr melodisches Lied begann.

Dieser Garten war ein Sinnbild dessen, was sie gerade erlebte! Er passte zu Angelo, denn er war zauberhaft. Ja, dachte sie, der Garten war wie er! Großzügig und geheimnisvoll, voller Leben und Magie. Und wunderschön.

Es war vollkommen verrückt, dass sie hier war, dass er sie mitgenommen und dass sie zugestimmt hatte, dachte sie, während sie ihre Zehen im Wasser bewegte. Sein Kuss hatte das gemacht ... sie war nicht mehr bei sich, sie war wie von Sinnen und hatte sich vollkommen vergessen. Aber wenn dies entgegen aller Hoffnung nun doch das Erste und Letzte gewesen sein sollte, was sie miteinander teilten, so wollte sie das alles hier in guter Erinnerung behalten, ganz gleich, wie schmerzhaft es werden würde. Sie hatte sich schon an weitaus schlechteren Dingen verletzt, die so viel weniger lohnten. Sie beugte sich vor, um ihre Hände ins Wasser zu tauchen. Immer wieder schöpfte sie von dem Wasser, hob den Arm und ließ es im Mondschein von ihren Fingern tropfen. Sie begann zu summen, ganz leise zuerst, irgendeine Melodie, überlegte, welches Lied wohl in diesen Zaubergarten hinein passen könnte ... es musste eines sein, das den Frieden nicht störte und sich harmonisch in die Düfte und Klänge einfügte.

Sie begann ein altes Schlaflied zu singen. Die gälischen Worte kamen von selbst und verbanden sich mit dem Plätschern des Wassers. Die silbertropfende Hand hoch über die Oberfläche erhoben warf sie einen scheuen Blick ins Antlitz der Göttin. Ob ihr das Lied womöglich missfiel - wegen der Sprache? Das Gesicht der Statue wirkte bei der schwebenden Melodie und den uralten Worten noch schöner als zuvor. Sie schien einverstanden.

Als sie ihre Stimme noch ein wenig mehr erhob, gerade so, dass man es am Haus wohl nicht hören würde, verstummte die Nachtigall. Immer wieder schöpfte sie nun neues Wasser und ließ es langsam, tropfenweise zurück ins Becken rinnen, mondsilberne Fäden und Perlenreihen in den dunklen Samt der Nacht webend, während sie weiter und weiter sang - und die Göttin füllte das Becken endlos aus ihren Händen, den Blick über den Kopf ihres nächtlichen Gastes hinweg auf den Sternenhimmel gerichtet.


"Du hast den Segen meiner Mutter."

Angelos Stimme war warm und dunkel wie die Nacht. Caterina verstummte. Ihre Hand blieb erstarrt in der Luft hängen, ebenso der zuletzt gesungene Ton, als sie sich erschrocken umsah. Ihre Augen tasteten durch die Dunkelheit. Schließlich entdeckte sie ihn, er stand nur einige Meter entfernt. Die Arme vor der Brust verschränkt musste er ihr eine Weile zugesehen haben. Sie wusste nicht, wann er in den Garten zurück gekommen war - obwohl sie doch mit dem Gesicht zum Haus da saß, hatte sie ihn weder gehört noch gesehen.

"Den ... Segen deiner Mutter?", fragte sie irritiert. Ihre Stimme, die eben noch gesungen hatte, konnte sich nicht so schnell auf das Sprechen umstellen. Sie räusperte sich. "Dann hast du ihr von mir erzählt ... sie ist wach?"

Angelo löste sich aus dem Schatten des Baumes, in dem er gestanden hatte und kam langsam zu ihr herüber. Caterina streifte ihr Gewand über ihre Beine zurück und beeilte sich aufzustehen.

"Ich weiß nicht, ob sie wach ist", hörte sie ihn sagen, während sie sich bemühte, ihre nassen Füße in die Sandalen zurück zu schieben.

Sie sah zu ihm auf und stellte ihre Versuche ein. "Aber du sagtest doch..."

"... dass du ihren Segen hast, ja."

"Aber wie das? Hast du nun mit ihr gesprochen oder nicht?"

Er trat näher und der Mond erhellte sein Gesicht. Die Ähnlichkeit mit der Göttin war verblüffend.

"Nein, ich habe nicht mit ihr gesprochen." Er fasste sie bei den Schultern und drehte sie um, so dass er hinter ihr stand, verschränkte ihre Hände ineinander; sie mochte den Druck, den seine Finger zwischen ihren ausübten. Er lehnte sein Kinn gegen ihre Schläfe. Sie spürte ihn warm und fest in ihrem Rücken. Ihr Herz klopfte. "Du hast mit ihr gesprochen, nicht ich", ergänzte er sanft und wies auf die Statue, wobei er ihre Hand mitnahm. "Und sie scheint dich sehr zu mögen." Die letzten Worte flüsterte er gegen ihren Schleier, dort, wo ihr Ohr verborgen war. "So wie ich."

"Du meinst, diese Göttin ... die Frau, sie ist ... deine Mutter?" Warum war sie nicht selbst darauf gekommen!

Er seufzte an ihrem Ohr. "Ja, das ist sie. Mein Großvater hat ihre Statue zu ihrer Hochzeit anfertigen lassen. Er war nicht einverstanden mit ihrer Wahl." Der Ton, der in seinen Worten mitschwang, wurde ernster. "Er wollte, dass sie in dieser Ehe nicht vergaß ... wer sie ist." Sein Zögern war spürbar, als er weiter sprach. "Mein Vater ist jemand, der andere Menschen ihres Wesens beraubt. Er saugt sie aus wie eine Spinne ihr Opfer und ... lässt sie liegen. Meine Mutter war Nahrung für ihn, nicht mehr. Mein Großvater wusste das."

"Wo ist dein Vater jetzt? Ist er ... tot?"

Angelo schüttelte den Kopf. "Er wird in Rom sein. Oder in Athen. Oder Damaskus."

Caterina starrte auf das marmorne Gesicht. Dann wandte sie sich zur Seite. Sie ließ ihren Blick über seine Züge schweifen. "Sie ... sie ist wunderschön. Du bist ihr so unglaublich ähnlich, du bist auch ..." Sie spürte, wie sich die Röte wie ein Feuerbrand über ihr Gesicht zog.

Um seine Mundwinkel spielte ein Lächeln. Er schien schon verstanden zu haben, während sie sich noch dafür auf die Lippen biss, ihre Worte derart unkontrolliert ausgestoßen zu haben. Was machte diese Nacht mit ihr... was machte er mit ihr! Sie konnte solche Dinge unmöglich sagen, nicht in diesem Augengblick, nicht, während sie in Begriff war, ohne weitere Begleitung in seinem Haus zu übernachten! Jetzt erst dämmerte ihr, was er vorhin gemeint hatte, als er sagte, sie bräuchte eine gut durchdachte Geschichte für diese Nacht. Oh Himmel. Er hatte nicht mit seiner Mutter gesprochen.

"Du hast die ganze Zeit gewusst, dass sie nicht da sein würde?" Sie wollte es wissen.

Er nickte. Im Dunkel seiner Augen lag die ganze Magie dieser Nacht. Oh, sie musste aufwachen, sonst würde sie ihr Leben noch vollständig ruinieren! Unter seinem intensiven Blick atmete sie tief ein und trat einen Schritt zurück.

"Hab keine Sorge", sagte er leise. "Sie ist bei den Kranken geblieben, sie hat mir eine Nachricht da gelassen. Heute und auch Morgen in der Frühe kommt sie noch nicht. Du wirst ihr nicht begegnen, wenn wir rechtzeitig aufbrechen."

"Also, dann sind wir hier jetzt ..."

"Allein, ja. Und das ist gut so, auch für mich. Meine Mutter hat offenbar nichts von dem Unglück im Kloster mitbekommen, so sorgt sie sich nun nicht. Das hat also Zeit bis morgen Abend, wenn ich sie sehe. Ich werde ihr nicht sagen, dass du hier gewesen bist. Es sei denn ... du möchtest bei der Wahrheit bleiben. Dann sage ich es ihr natürlich."

"Oh, unter diesen Umständen auf keinen Fall!"

"Ich weiß, was dich ... beschäftigt", sagte er vorsichtig. "Nun komm erst einmal mit hinein. Alles andere fügt sich gleich. Ich muss baden und meine Wunde versorgen. Und wir sollten etwas essen. Ich schlafe heute Nacht dort hinten in der Sommerlaube." Er zeigte irgendwo ins Dunkel hinein. "Und du nimmst mein Bett." Als er ihren bekümmerten Blick sah, fügte er an: "Ich gebe den Schlüssel des Hauses heute Nacht in deine Hand. Du bist vollkommen sicher vor mir."

Sicher vor mir. Sie hätte ihn küssen mögen, allein für den Blick, mit dem er das gerade gesagt hatte! Sie musste an ihre Küsse denken, an seine schweren, langen Arme, die sie eingefangen und gehalten hatten. An den kräftigen Herzschlag in seiner Brust, den salzigen Geschmack seiner Haut. Noch niemals war sie sicherer gewesen. Und nie mehr in Gefahr. Überreden hatte er das scherzhaft genannt - und wie er sie überredet hatte! Und nun wollte er zu ihrer Sicherheit in der Laube schlafen ...

Wenn er wüsste, wie ihr das missfiel! Ja, sie musste auf ihren Ruf achten, sie musste ihren Platz im Kloster bewahren und all das! Aber in einer anderen Welt, zu einer anderen Zeit, da wäre sie ihm vollständig verfallen und hätte sich mit Freude in diese Arme gestürzt. Sie mussten Geduld haben, hatte er gesagt. Und vorsichtig sein. Wie vorausschauend und klug er war. Stumm nickte sie, hob die Tasche mit dem Obst aus dem Gras auf und folgte ihm zum Haus hinüber.

Ende Teil 101






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