(15/3) Lasset die Spiele beginnen

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Ungeduldig nahm er einem Diener, der hinter ihm wartete, eine Platte mit Wild und geschmortem Gemüse ab und stellte sie selbst auf den Tisch. "Bringt Obst. Und Brot fehlt", knurrte er. "Und die Öllampen, was ist damit?" Er fuchtelte jetzt ungehalten mit der Hand in der Luft herum. "Bringt Licht in diesen düsteren Stall! Oder soll ich etwa im Dunkeln sitzen?"

Valerio blieb stehen, bis der Kardinal am Kopfende des Tisches Platz genommen hatte, dann setzte er sich ebenfalls auf seinen Stuhl zurück. Der Inquisitor begann wortlos das Fleisch zu schneiden. Sein Gast beschäftigte die Augen von seinem Platz aus mit den goldgerahmten Bildern an den Wänden. Es war deutlich, dass er Valerios Blick mied.

Er hatte Angst. Ebenso wie der Kardinal. An diesem Tisch saßen nur ängstliche Männer, stellte er fest. Wenn er seine Lage ernst genug nahm, hatte auch er selbst allen Grund zur Angst! In Gedanken schüttelte er den Kopf über seine eigene Dummheit. Aber wer hätte gedacht, dass Mauro ihn nicht nur an den Priester verraten, sondern diesen auch gleich nach Narni begleiten würde, um ihn mit seiner persönlichen Aussage direkt ans Messer zu liefern!

Er wusste längst, dass es der Kaufmann war, der die reisenden Mönche auf ihn aufmerksam gemacht hatte. Aber sein Instinkt sagte ihm, dass etwas nicht stimmte. Etwas fehlte an der Geschichte. Vielleicht würde sich bald zeigen, was hier faul war; Mauro war kein Mann der Sorte, die sich in den Radius mächtiger Kirchenmänner begab. Es sei denn, ein lohnenswertes Geschäft winkte.

Und doch... er hielt den Kaufmann trotz seiner Geldgier für einen, der seine Ruhe haben wollte und sicher nur schwer für Unternehmungen zu begeistern war, die nach Ärger aussahen. Er musste das gestohlene Geld noch bei sich haben. Er hatte etwas gegen ihn in der Hand! Dass er hier nun am Tisch saß, die prunkvoll umrahmten Portraits vergangener Kirchendynastien bestaunte und auf Essen wartete, passte nicht. Wie lohnenswert konnte es für einen unbedeutenden Kaufmann sein, mit dem Inquisitor von Terni in dessen Festung zu speisen und über angebliche Verbrechen zu reden, während er selbst die Taschen voll mit gestohlenem Geld hatte?

Mauro starrte jetzt auf die Scheiben dunklen Fleisches, die der Kardinal von dem großen Braten herunter schnitt. Valerio nutzte den Moment, um aus dem Augenwinkel zur Tür hinüber zu sehen; dort hatten sich zwei der drei Wachen positioniert, die den Kardinal in den Raum begleitet hatten. Sie stützten sich auf langstielige Hellebarden, Dolche steckten griffbereit an ihren Gürteln. Der Mann, der ihn bewacht hatte, stand auch jetzt noch direkt hinter seinem Stuhl. Die gleichmütigen Gesichter der Wachen konnten nicht darüber hinweg täuschen, wie aufmerksam ihre Sinne auf alles gerichtet waren, was im Raum und am Tisch geschah.

Ein vierter Wachmann hatte sich hinter dem Lehnstuhl des Kardinals aufgestellt und fixierte Valerio seit einiger Zeit mit überlegener Miene über den Tisch hinweg. Weil niemand hinsah, schenkte Valerio ihm einen langen und intensiven Blick. Erst versuchte der Mann Stand zu halten, dann jedoch sah er nervös weg und tat, als gäbe es etwas Wichtiges bei den Fenstern zu beobachten. Als er vorsichtig seinen Blick wieder zu Valerio hinüber bewegte, wohl um zu sehen, ob er noch beobachtet wurde, hatte dieser ihn immer noch im Visier. Er legte den Kopf ein wenig schräg, stumm fragend, was es an ihm wohl zu sehen gab, und durchbohrte den Wächter dabei mit einem Blick, der den Mann sofort wieder wegsehen ließ. Die Hand fuhr nervös über den Dolch, seine Brust hob und senkte sich in sichtbarer Aufregung und Atemnot, die rot gefleckten Wangen in dem blassen Gesicht verrieten, wie sehr er gerade seine Haltung verloren hatte.

Vincenzo Grassi ließ es sich nicht nehmen, seinen Zeugen selbst zu bedienen und ihm eigenhändig den Teller zu füllen. Mauro wirkte plötzlich angespannt. Er fühlte sich sichtbar unwohl und mied Valerios Blick auch jetzt, als dieser sich wieder dem Geschehen am Tisch zuwandte.

Der Kaufmann machte eine abwehrende Handbewegung in Richtung des großen Löffels, mit dem ihm von dem geschmorten Gemüse aufgetan wurde. "Danke... das genügt mir."

"Nein, nehmt nur, es ist genug da. Ihr müsst Euch ordentlich stärken, bevor ihr weiter reist", entgegnete Vincenzo Grassi, hob den vollen Löffel über die ausgestreckte Hand hinweg und platzierte eine weitere Portion auf dem Teller des Kaufmanns. "Es lässt sich besser reden, wenn für den Leib gesorgt ist." An Valerio gewandt sagte er: "Aber Ihr werdet Hunger haben..." Er zog Valerios Teller zu sich heran und häufte auch ihm Fleisch und Gemüse darauf.

Als Valerio sich knapp bedankte, hob der Kardinal den Blick. Hand und Löffel blieben über dem Tisch in der Luft stehen. "Oh, Ihr sprecht mit mir? Das freut mich. Ihr seid mir also nicht mehr böse wegen meines... Temperaments vorhin. Ihr müsst wissen: Ungeduld ist eine meiner größeren Schwächen." Er sah Valerio direkt in die Augen. Er lächelte. "Wer mit mir zu tun hat, sollte sich darauf einstellen. Auch ein Kardinal ist schließlich nur... ein Mensch. Gebt Ihr mir Recht?"

Valerio schwieg.

Der Inquisitor schien das Schlachtfeld strategisch präparieren zu wollen; Er spitzte Pfähle, stellte Fallen auf. Einen Augenblick lang wartete er auf eine Reaktion.  Als diese nicht kam, wandte er sich suchend um und klatschte in die Hände. "Was ist denn nun", rief er, "Können wir Wein bekommen - Wenn möglich, noch vor dem Jüngsten Gericht?"

Das Spiel hatte also begonnen. Valerio ließ sich seine Unruhe nicht anmerken. Scheinbar gelassen beobachtete er, wie der Diener mit dem Wein die Runde machte; er bediente zuerst den Inquisitor, dann trat er an Mauro heran, der ihm nickend sein Glas entgegen hielt. Schließlich kam er auf die andere Seite des Tisches und zu Valerio hinüber.

Er konnte den Wein riechen. Der Ausguss des Kruges berührte schon beinahe sein Glas, als eine flache Hand sich dazwischen schob.

"Danke. Keinen Wein für den jungen Mann. Er trinkt Wasser."

Kein Wein für ihn! Der Augenblick stand beinahe still; es verging keine Zeit, während ihm alle Möglichkeiten und Unmöglichkeiten zugleich durch den Kopf rauschten. Sein Geist arbeitete fieberhaft, er war außer sich. Der Impuls, diesen Krug aus der Hand des Dieners zu reißen und so viel wie möglich davon in sich hinein zu schütten, musste quälender Vernunft weichen. Denn was sollte darauf folgen? Wenn er anstrebte, zur äußersten aller möglichen Kräfte zu kommen, musste er nur weiter auf Wein und Trauben verzichten. Er würde ein Schlachthaus zurück lassen, wenn er die Festung verließ. Er brauchte nur zu warten und es würde geschehen. In zwei, drei Tagen. Oder eher.

Es ging hier aber nicht darum, zur Bestie zu werden, ganz im Gegenteil! Der Wein - in dem Fall, wenn er welchen bekäme - würde das verhindern und zugleich seine Kräfte und Sinne stärken... Wenn auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Der vielleicht für eine Flucht genügen würde.

Aber Wein, den er sich in diesem Moment einfach nahm, würde seine Zeit brauchen, bis er so wirkte; hier und jetzt würde sich damit nichts ausrichten lassen. Wenn er nun also am Tisch durch sein Verhalten auffiel und die Wut des Kardinals auf sich zog, würde das unmittelbare Folgen für ihn haben - Heute noch. Jetzt. Und um diesen zu entgehen, müsste er also sofort aktiv werden und flüchten, nachdem er sich den Wein genommen hatte, in dieser Minute... und dazu war er jetzt sofort weder flexibel und stark genug, noch hatte er bereits ein klares Bild von der Festungsanlage und den Bedingungen, die hier herrschten.
Wenn er sich jetzt an unsinnigen und schlecht koordinierten Handlungen verletzte und die Folgen widerspenstigen Verhaltens erfuhr, würde er niemals von hier weg kommen. Denn Eingekerkerte erhielten nicht einmal trinkbares Wasser, wenn sie Pech hatten. Nachdem er dann also schwach und ohne weiteren Wein oder Trauben weggesperrt wäre, würde er früher oder später zu dem Tier werden, das er seit Jahrhunderten auszuhungern gehofft hatte. Er musste es in seinem gemäßigten Zustand schaffen - oder er würde niemals zu Magnus zurück kehren können.

So verging der Moment. Und ein Krug, beinahe randvoll mit Wein, ging an ihm vorbei. Es musste andere, spätere Gelegenheiten für Wein geben. Aber er hatte keine Zeit.

Vincenzo Grassi hob das Kinn und beobachtete ihn über sein Glas hinweg, während der Diener Wasser aus einer Karaffe in Valerios Glas füllte. "Seht mich nicht so an", sagte der Kardinal kühl. Er prostete ihm zu, trank einen Schluck und stellte das Glas neben seinem Teller ab. "Sagt mir lieber ... Wie oft wart Ihr inhaftiert?" Die Frage kam überraschend.

"Noch niemals."

Der Kardinal nickte. "Seht Ihr. Daher wisst Ihr wahrscheinlich nicht, dass bei Verhören kein Wein an die Angeklagten ausgeschenkt wird." Er lächelte süffisant und häufte den Inhalt des großen Löffels neben das Fleisch auf seinem Teller, dann versenkte er das silberne Besteck wieder in dem Berg Gemüse auf der Platte. "Nun esst. Und genießt wenigstens diesen Luxus! Denn auch Essen wird bei Verhören ansonsten nicht gereicht." Er lachte auf, sein schlechter Witz schien ihn zu amüsieren. "Ausgenommen sind natürlich die hohen Stände! Ich als Kardinalpriester und Inquisitor lasse mir gerne einmal etwas Gutes zum Verhör bringen. Nicht wahr, Erasmo?"

Die letzten Worte waren an den Diener gerichtet, der in einigen Metern Abstand auf weitere Order wartete. Erasmo schreckte zusammen, er schien nicht damit zu rechnen, inmitten einer Unterhaltung des Kardinals mit Gästen persönlich angesprochen zu sein. Unsicher nickte er und nahm dann eine noch straffere, offiziellere Haltung ein - wohl als Versuch sich vom Geschehen am Tisch zu distanzieren.

Valerio fing Bilder auf. Die emotionale Seite des Dieners übermittelte ihm etwas; aber es war unklar, undeutlich ... im nächsten Moment war es schon wieder vorbei.

Seine Fähigkeiten schwanden schneller als er befürchtet hatte - dabei brauchte er sie jetzt so dringend! Da waren hell verputzte Mauern gewesen, alt, fleckig... Er hatte das Alte gerochen. Den Geruch von Schimmel und Staub... Jahrhunderte. Oder es war Papier. Pergament. Denn darauf standen Worte. Es waren Zeichen, Buchstaben, in unterschiedlicher Größe. Er hatte sie so schnell nicht lesen können, es waren verschiedene Sprachen ... Die Eindrücke lösten sich auf.

Der Kardinal beobachtete ihn. "Ihr seid nicht einverstanden? Was gefällt Euch daran nicht?"

"Ihr nennt mich angeklagt. Vorhin fragtet Ihr, wer mein Kläger sei. Ich kenne die Gesetze. Ohne Kläger keine Klage. Ohne Klage kein Urteil. Ohne Urteil keine Schuld - und ohne Schuld keine Strafe."

Der Inquisitor lächelte dünn. "Ihr seid gebildet... für Eure Jugend. Und ihr habt Angst. Ihr sorgt Euch, ob alles rechtens ist." Die hochgezogenen Brauen ließen das Gesicht noch länger wirken, die Augen verrieten Spott, als er sich an Mauro wandte. "Nun, werter Zeuge... Euer Mörder sorgt sich um die amtliche Korrektheit. Und Recht hat er! Gerade war er so freundlich mich darauf hin zu weisen, dass uns ein Kläger fehlt. Werdet lhr Kläger sein in dieser Sache?"

Der Kaufmann sah erschrocken von seinem Teller auf. "Also ich... Ich dachte eigentlich, ich würde nur... Also, ich würde mich da gerne heraus halten."

"Das erstaunt mich! Seid ihr doch nicht nur Zeuge, sondern auch Vertreter des Opfers."

Mauro wusste darauf nichts zu sagen. Seine Augen gingen hilfesuchend zu Valerio hinüber, der ihm nur einen fragenden Blick schickte.

"Hochwürden... ich würde mich, wenn es recht ist, nach meiner Aussage lieber wieder meinen gewohnten Geschäften zuwend..."

"Ah", stieß Vincenzo Grassi mit gespieltem Erstaunen aus, "also empfindet Ihr es nicht als Eure Christenpflicht, den armen Jungen zu vertreten? Immerhin ist er tot." Er lachte auf. "Meine Erfahrung mit Toten ist, das sie sich selbst nicht gut erklären können. Kommt nur! Macht den Anfang, und wir werden sehen! Erzählt mir in allen Details, was geschehen ist. Der Reihe nach, damit wir die Sache voll erfassen." Er schob sich ein Stück Fleisch in den Mund und kaute. "Und lasst nichts aus", nuschelte er zwischen zwei Bissen und fuchtelte mit dem Essbesteck in der Luft herum.

Der Kaufmann nahm einen großen Schluck von seinem Wein. Als er das Glas wieder absetzte, schickte er Valerio einen kurzen, schnellen Blick. Valerio war nicht entgangen, dass Mauros Augen sich einen Moment lang geweitet hatten, dann senkten sich die Lider und er besah offenbar seine Unterarme, die er nun auf dem Tisch ablegte. Der Kardinal war damit beschäftigt, ein Feigenstück auf dem Teller einzufangen... Valerio nutzte den Moment. Er folgte Mauros Blick auf dessen Arme hinunter. Ein Unterarm rutschte auf dem Tischtuch ein wenig nach vorne, so dass es die Ärmel ein kleines Stück nach hinten zog...

Sichtbar wurden wunde, geschwärzte Male an den Handgelenken, teilweise war die Haut offen und hatte geblutet. Es war offensichtlich, dass man ihm über Stunden eiserne Handfesseln angelegt hatte - und wer wusste, welchen Mitteln er noch ausgesetzt gewesen war. Den Spuren der Eisen nach zu urteilen war er an eine Wand gekettet gewesen. Dem Kaufmann schien es seit dem Morgen also nicht besser ergangen zu sein als ihm selbst. Mauro wollte ihm zeigen, dass der Kardinal ihn unter Druck setzte.

Valerio bemühte sich seine Mimik unter Kontrolle zu behalten. Er führte sein Glas zum Mund und roch vorsichtig an dem Wasser. Was wurde hier gespielt? Was immer Mauro nun aussagte: Er wurde gezwungen, in dieser seltsamen Sache Kläger zu sein.

Wie zwei verletzte Hähne ließ man sie also aufeinander los, um zu sehen, wer wen vernichtete. Die Spiele hatten begonnen. Es wurde nicht erwartet, dass beide am Leben blieben. Der Inquisitor würde es auch nicht bedauern, wenn beide am Ende über die Klinge sprangen.

"Nun lasst Euch nicht bitten", sagte Vincenzo Grassi ungehalten zu Mauro, "fangt an."

Ende Teil 136

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