(16/8) Inquisition

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Über einige Meter stieg der Pfad in einem weichen Bogen an, dann fiel er plötzlich ab - so steil, dass die Pferde unruhig wurden. Nur Valerios Stute schien sich nicht darum zu scheren, dass sie sich nun eine Weile mit dem Kopf voran, dazu über Baumwurzeln und sandige Löcher, nach unten bewegen musste. Mit ihren kräftigen Beinen überschritt sie sicher die herab gefallenen Steinbrocken und die armdicken Wurzeln, die vereinzelt aus dem Boden ragten.

Er beobachtete den Hengst, der weiter vorne unter dem Kardinal tänzelte und scheute. Vincenzo Grassi war nicht nur ein schlechter Reiter, er machte das große Tier verrückt und ließ ihm keine Möglichkeit, mit dem Weg auf seine Weise fertig zu werden. Innerlich schüttelte Valerio den Kopf über sein Unvermögen. Als er sah, wie Vincenzo dem unruhigen Pferd mit einem gewaltvollen Ruck das Gebiss ins Maul riss, wünschte er ihm, dass das Tier ihn abwarf und in die Schlucht hinunter beförderte. Beinahe wünschte er es. Denn so, wie der Kardinal an dem Pferd zerrte und es aus dem Lot brachte, musste man befürchten, dass es bei einem Absturz mit hinunter gerissen würde.

Oh, es juckte ihn abzuspringen, nach vorne zu laufen und den Hengst zu führen! Er wollte nicht, dass er sich unter seinem unfähigen Reiter noch alle Beine brach. Der Kardinal wäre mit der zahmen Stute besser bedient gewesen. Mit ihr hätte er diesen lächerlichen Machtkampf nicht durchexerzieren müssen, nur um eine Autorität zu beweisen, die bereits mehr als fragwürdig war, wenn er zu Fuß ging.

Der Weg führte nun in einer weiten Kurve um die hoch aufragende Stadtmauer herum. Hier und da standen einzelne Pinien im Weg, so kamen sie mit den Pferden immer wieder gefährlich nahe an den Abhang heran. Valerio verstand, warum niemand diesen Weg befestigt und gesichert hatte: Er wäre so schmal geworden, dass man ihn nur noch zu Fuß hätte nutzen können. Hier brauchte man Tiere, die sich unter solchen Bedingungen sicher bewegten und die Strecke gewohnt waren; er fragte sich, wem Vincenzo Grassi imponieren wollte, dass er hier ein solches Pferd ritt.

An den zerklüfteten Felswänden unterhalb der Stadtmauer entdeckte er in Abständen Halterungen für Fackeln. Man schien diesen Weg am äußeren Rand der Stadt auch nachts zu nutzen. Warum nahm man in der Dunkelheit nicht den sicheren Weg mitten durch die Stadt? Vielleicht brachte man hier ungesehen Gefangene zur Festung hinauf! Vincenzo war Inquisitor einer großen Provinz und Narni war sein Hauptsitz. Er kümmerte sich um das Verhör und die Verurteilung derer, die der Ketzerei verdächtigt wurden. Im Verlies war Valerio jedoch keinem weiteren Gefangenen begegnet, auch hatte er dort unten niemanden gehört; keine quietschende Kerkertür, keine Worte oder Rufe... Da waren nur zwei Wächter im Gang gewesen, die sich unterhielten. Seltsam ... man würde erwarten, dass ein Mann wie Vincenzo Grassi seinen Kerker nicht leer stehen ließ.

Gerne hätte er gewusst, wie viele Menschen der Kardinal bereits auf dem Gewissen hatte. Es war üblich, dass ein Großinquisitor eine kleine Armee von Männern befehligte, die die Gegend, die Dörfer und Städte nach Verdächtigen durchkämmten und die Bevölkerung anhielten, diejenigen an die Inquisition auszuliefern, die ihnen suspekt vorkamen. Eine Gelegenheit, unliebsame Nachbarn oder geschäftliche Konkurrenten loszuwerden - oder Eltern, Geschwister, Ehepartner, die einem erhofften Erbe im Weg waren oder mit denen man aus anderen Gründen im Streit lag. Hinter vorgehaltener Hand sagte man, die Inquisition sei wie die Pest, die ganze Städte und Ortschaften leerfegte, wenn falsche Beschuldigungen und abergläubiger, hysterischer Wahnsinn erst um sich griffen.

Damals hatte man nur diejenigen ausfindig machen und strafen wollen, die sich gegen die heilige Römische Kirche richteten: Man wollte Anders- und Nichtgläubige ausmerzen und denen Einhalt gebieten, die es wagten, andere als die offiziell anerkannten Interpretationen der Bibel zu verbreiten. In Italien, insbesondere im Norden, wurden bereits während der ersten großen Inquisitionswelle mehr Bücher als Menschen vernichtet. Unter dem immer größer werdenden Druck der Kirche und der stetig wachsenden Angst vor Gottesstrafe und Fegefeuer jedoch drängte die Angst vor Hexerei, vor Teufeln und Dämonen in den Vordergrund - und man erkannte, dass sich die Maschinerie der Inquisition, die ursprünglich geschaffen war, um gegen Kirchengegner vorzugehen, auch für die Bekämpfung satanischer und dämonischer Kräfte in der Bevölkerung eignete. Die Folter als fester Bestandteil der Inquisition erwies sich auch hier als überaus effektiv: Unter grausigen Schmerzen und in Todesangst gestand jeder, was immer er gestehen sollte, und denunzierte wahllos den Ehemann, die Schwestern und Freunde, die Mutter, die eigenen Kinder als weitere Täter im Hexenspiel, das doch nur Fantasie und Hysterie war.

Wie lange er dieses Phänomen der Menschheit studiert hatte! Sein Haus war voll mit Büchern über die Inquisition und ihre entsetzliche Wirkweise - die nur deshalb solche Auswüchse annehmen konnte, weil die Menschen so voller Angst und Dummheit waren! Seit seiner Jugend versuchte er zu verstehen, wie sich ein solcher Flächenbrand dreihundert Jahre lang über ganz Europa ziehen und nicht zum Stillstand kommen konnte.

Heute war die Asche der Hexenfeuer kalt. Man vernichtete Menschen auf andere, viel subtilere Weise - und die Verdächtigen waren keine Hexen mehr, die Korn verdarben und Kalbsgeburten missglücken ließen. Aber unter dem Teppich der Zeit schwelte es weiter und weiter, und der Geruch von Angst, Ausgrenzung und Vernichtung fand in die Nasen derer, die sensibel und aufmerksam genug waren. Alle anderen waren blind für die Muster, da diese sich im Denken und Fokus der Menschen verbargen. Die Welt richtete den Blick nach außen und auf die Dinge. Anstatt zu begreifen, dass die Gefahr im Innern lag. Bei der Angst, die Blindheit hervor brachte... und bei den Brillen, die den Blick einfärbten und den falschen Fokus lehrten.

Valerio schüttelte diese Gedanken ab. Sie machten ihn wütend und er musste sich beherrschen, seinen Geist von jedem Zorn und jeder negativen Leidenschaft fern halten, um das Tier in sich zu unterdrücken. Er wollte sich nicht damit befassen, was der Inquisitor sich zur Aufgabe machte und woran er mitwirkte, er musste an das Gute denken. Gut war, dass er noch heute frei kam; alles andere zählte hier jetzt nicht. Dies war nicht mehr seine Zeit. Der Kardinal, alle hier, die Männer - auch die Pferde, die sie ritten und die Vögel, die in der Schlucht sangen - waren längst tot und vergessen. Es gab nur ihn selbst und diese Landschaft, denn sie war wie er: Sie veränderte sich nicht. Aber es war lange her, dass Umbrien seine Heimat gewesen war... Ein ferner, sehnsuchtsvoller Traum, ein altes Lied, das in Vergessenheit versinken wollte.

Erst als sie die weitläufige Kurve, die die Stadtmauer machte, umritten hatten und der Weg wieder geradeaus verlief, sah man, wie weit sich die bewaldeten Berge erstreckten. Zu ihrer Linken lag nun ein gigantisches dunkelgrün bewachsenes Wellenmeer, das bis an den Horizont zu reichen schien - und vor ihnen, in Richtung des Weges, den sie nahmen, bot sich derselbe Anblick, so weit das Auge reichte. Er ließ den Blick nach links schweifen. Dort ging es nach Norden. Nach Assisi, das hinter diesen Bergen lag. Und noch viel weiter, Richtung Nordosten, lag Venedig.

Im trüben Licht des Morgens stieg der letzte Nebel auf und verflüchtigte sich. Einzelne dünne Fetzen hingen nun wie Spinnweben in den Bäumen. Und in der Ferne, auf einem anderen langgestreckten Berg, jenseits der Schlucht, wurden im schwindenden Dunst die Mauern einer alten Abtei zwischen den Bäumen sichtbar. Die sandfarbigen Mauern leuchteten dort hinten zusammen mit dem Grün der Baumwipfel auf, als die Morgensonne hinter der Stadt hervor kam und ihre ersten Strahlen über die Schlucht hinweg sandte. Während sie durch die feuchten Schleier ritten, begann bei der Abtei eine feine helle Glocke zu läuten, der Wind trug den Klang über die Schlucht zu ihnen herüber. Mit der aufkommenden Sonne wurde das Vogelgezwitscher lauter, es erinnerte ihn an Assisi. An den Monte Subasio, seine Jahre im Kloster. Und an Caterina. Er hatte genug. Er wollte nach Hause.

Vincenzo Grassi hatte sein Pferd zum Stehen gebracht. Im ersten Augenblick dachte Valerio, sie seien schon da. Aber als er näher kam, sah er, dass der Kardinal nur vor einem heraus stehenden Abschnitt der Stadtmauer angehalten hatte. Außer einigen wilden Büschen, einer toten Korkeiche und bröckelndem Stein schien es dort vorne nichts zu geben... Ganz still saß er im Sattel, starrte von seinem Pferd auf den Fuß der Mauer hinunter - und die beiden Männer und Valerio warteten weiter hinten auf dem Weg, dass es weiter ging.

Schließlich lenkte Vincenzo Grassi den Schimmel wieder auf den Pfad zurück und ritt voran. Die anderen folgten. Als sie der Stelle näher kamen, an der der Inquisitor angehalten hatte, erkannte Valerio den süßlichen Gestank. Die Männer wandten die Gesichter ab und hielten sich die Unterarme vor die Nasen.

Er sah hin. Da waren schmale Nischen in die vom Alter bröckelnde Stadtmauer eingelassen, es waren acht in einer Reihe. Man musste sie in den Stein hinein gehauen haben, jede beinahe mannshoch und vielleicht einen Arm tief. Flechten und schwarzer Schimmel überwucherten die Steine, die die Kanten säumten. Geschmiedete Gitter verschlossen die Höhlungen - und in jeder einzelnen hing etwas, das mehr nach Mensch roch, als dass es danach aussah. Krähen flatterten kämpfend hinter den eisernen Verstrebungen auf und ließen sich von den Vorbeireitenden nicht bei ihrem Frühstücksmahl stören. Ihre Flügel gaben hier und da einen Arm, ein Bein frei, ein Stück Rippe vom Brustkorb... oder ein Gesicht, halb Fleisch, halb Schädel und mit leeren Augenhöhlen. Der Inquisitor hatte seine Arbeit begutachtet.

Als sie an der letzten Nische vorbei kamen, spürte er Leben. Verzweifeltes, sich windendes Leben. Ein schrilles Piepsen drang an sein Ohr, dann sah er eine schwache Bewegung hinter dem Gitter, hörte ein heiseres, trockenes Flüstern. Eine graue Hand steckte im Eisen, die Finger zuckten. Ein nackter Fuß versuchte die Ratte abzuschütteln, die sich an ihm zu schaffen machte. Als der Mann langsam den Kopf hob und ihm direkt in die Augen sah, erkannte Valerio sein junges Alter. Er mochte höchstens achtzehn Jahre zählen, vielleicht weniger.

Ein schneller Blick nach vorne... Niemand sah zurück. Der Kardinal und seine Männer konzentrierten sich auf den Weg.

Der Tod ist nur ein Durchgang, eine Tür... Er ist nicht die Ewigkeit, sandte er dem Sterbenden hinüber. Und vorsichtshalber, falls es wichtig war: Es gibt keine Hölle. Fürchte nichts.

Während Valerio vorbei ritt, streckte er eine schnelle Hand aus und der junge Mann sackte in seinen Eisen zusammen. Sein Kopf fiel nach vorne, Hände und Füße wurden still. Er rührte sich nicht mehr.

Ende Teil 151

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro