(17/7) Belladonna

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Atropa belladonna... Die schwarze Tollkirsche, die Hexenbeere. Ein Nachtschattengewächs. Bücher... Die vielen Bücher über die Inquisition, die er in seinen Regalen stehen hatte... Regale. Voller Bücher... zuhause... Zuhause.

Er wusste... alles. Seit so langer Zeit. Die "peinlichen" Verhöre, wie die Kirche sie nannte... Pein-lich nicht deshalb, weil man sich dafür schämen musste, was sie mit einem anstellten, sondern... weil sie... Pein verursachten. Folter. Und Belladonna und Aconitum, der giftige Eisenhut, dazu Hyoscyamus, das Bilsenkraut und Conium maculatum, der gefährliche Schierling, gehörten dazu, wenn es darum ging, die Wahrheit aus dem Verdächtigen heraus zu pressen. Und wenn das alles nicht zum erwünschten Erfolg führte... Datura. Stechapfel. Immerhin... Er hatte einen Medicus. In manchem Folterkeller mixte der Henker den Trunk. Nach... Augenmaß und... ohne Wissen.

Valerio verfluchte seine menschliche Naivität, seinen Hang zum Träumen. Er träumte, seit er Magnus zurück gelassen hatte...  Das alte Venedig hatte das mit ihm gemacht. Die Melancholie der Stadt, der er immer schon leicht erlegen war. Er saugte sie auf, jedes Mal. Und wenn er mehr als satt war von der morbiden Atmosphäre, der Musik und Dekadenz, zog es ihn in die Wälder. Als wollte er sich reinigen. Und natürlich... war da Caterina. Wie auf Glas ging er die alten Pfade. Es schnitt ihm in die Seele.

Er wiegte den Kopf hin und her. Fühlte die beruhigende Festigkeit des Bodens an seiner Stirn. Versuchte den Nebel abzuschütteln. Er musste klar bleiben, die Gedanken kontrollieren.

Oh ja, er... träumte! Die Welt war ein Traum und er... der Träumer. Er war... noch überhaupt nicht... wach gewesen auf dieser Reise. Aber jetzt... würde es ein böses Erwachen geben! Euphorische Zustände, in denen er Dinge fantasierte und behauptete, für die man ihn in den Höllenschlund befördern würde. Halluzinationen, die nicht nur ihn selbst, sondern jeden, der ihn währenddessen... erlebte... zu Tode ängstigen würden... Zu Tode. Der Tod... war allgegenwärtig in diesen Mauern. Er spürte sie rings um sich, die Angst... vor dem Tod. Den Schrecken des Ausgeliefertseins. Es stand in der Luft... hier unten in diesem Verlies... Er konnte es spüren.

Seine schärferen Sinne und Instinkte belebten sich jetzt offenbar... Es musste vorübergehend sein, sein Geist wandelte bereits in erstem Nebel. Und... und es verbrauchte seine... Energie, wenn er erweiterte Sinne nutzte. Er konnte nicht anders. Er musste lachen, wenn er an den Tod dachte. Oder an das Tier. Er lachte ihm mitten in die blutige Fratze. Auch das... weil Belladonna ihren Zauber tat.

Sie holten... holten ihn bald, das war sicher. Sicher. Sie warteten nur, bis es wirkte. Und das... tat es immer mehr. In zwei Stunden... vielleicht... eher... würde er toben und um sich beißen und schlagen... rastlos herumlaufen. Hysterisch lachen und reden. Und schreien. Man würde ihn anketten, sich nicht darum scheren, wenn er sich selbst verletzte. Wenn er furchtbare Gestalten, Dämonen sah und sie ihn mitnehmen wollten. Dann würde Fieber folgen, Hitze... und Frieren zugleich. Licht konnte unerträglich werden... Wahrscheinlich hatte er Wutanfälle, weil man redete, ihm Fragen stellte. Worte, Stimmen... würden ihn verrückt machen, ihn bedrohen, ebenso Bewegung... Er würde sie nicht ertragen. Panik und Wahnsinn wären der Rest.

Wenn... es zu viel war, was man ihm gegeben hatte, wenn die Beeren während der vollen Blüte gesammelt und nicht zur Hälfte mit den Blättern vermischt, sondern pur gewesen waren... Dann... konnte er... sterben, allein davon. Zusammenbrechen, in Bewusstlosigkeit fallen... und nicht mehr aufwachen. Und auch, wenn er dann noch lebte... Viele... hatte man lebendig in... Gruben geworfen. Es nicht bemerkt, sie zugeschüttet. Oder ins Wasser und... sie ertranken, weil sie... nicht wach wurden. Oder... sie wurden wach. Und tauchten. Bis sie starben. Weil sie in ihrem Wahn Oben und Unten... verwechselten. Verwechselten! Er hörte sich lachen und wusste zugleich,  er weinte.

Er war es nicht gewohnt, sich solche Gedanken zu machen. Seit Jahrhunderten hatte der Tod jeden Schrecken verloren. Jetzt, wo er in der grauen Zone und in dieser kritischen Phase eine kurze Zeit lang so gut wie sterblich war - während sich entschied, dass erst Belladonna, dann der Inquisitor und letztlich die Bestie ihn haben würden - kannte er nur eine Angst: Dass er ihr nichts mehr entgegen zu setzen hatte. Da war keine Angst vor dem Sterben als ein Wesen, das noch nicht Mensch, aber auch nicht mehr Wanderer war, sondern... Angst vor dem ewigen Leben als verzerrte Fratze des Bösen dieser Welt. Die graue Zone, das Auge des Sturms... Wie viel Zeit hatte er noch? Seine Welt hob sich aus den Angeln. Er hing über dem Abgrund, wartend, dass die Finger abrutschten und er hinab fiel in die dunkle Welt des Tieres.

Er würgte. Seine Finger zitterten. Tod... war anders. Der... Tod... war nur ein Übergang. Sterben... war kein Ende. Alle kamen sie wieder, auf neue und andere Weise. Niemand ging verloren. Man ging bis an die geglaubte Grenze, beherrscht von der Angst vor dem Endgültigen, und dann... löste es sich auf und es gab keine Grenze mehr. Alles war nur... der Blick auf die Dinge. Eine Perspektive, die man einnehmen oder ablegen konnte. Ein Glaube. Eine Idee von der Welt... Die aber zu kurz gedacht war. Es war so viel mehr, so viel anderes als das, was Menschen sich dachten, was sie zu sehen meinten und für das Leben, für die Welt hielten. Oder für den Tod. Nein, er fürchtete nicht Sterben und Tod, das... war es nicht. Er fürchtete ein ewiges Symbol für jeden... vorstellbaren... und unvorstellbaren Abgrund zu werden. Nicht lebend und nicht tot, aber Leben vernichtend mit jedem seiner Schritte.

Er setzte sich auf. Sein Geist, der eben noch einigermaßen klar gewesen war, umwölkte sich plötzlich wieder... Oder waren seine Gedanken über den Tod, die ihm doch so schlüssig erschienen, auch bereits dem Trank geschuldet? Eine furchtbare Unruhe packte ihn, er musste sich bewegen. Die Beine zuckten, er konnte sie nicht stillhalten. Und er spürte den kalten Boden nicht, genauso wenig wie seinen geschundenen Rücken. Und... die Hand. Die Hand... Beinahe hatte er sie vergessen. Erst jetzt fiel es ihm auf. Belladonna... begann ihre schöne Seite zu zeigen. Die Herabsetzung des Schmerzempfindens... Willkommen, Schöne! Aber so früh... So... früh? Keine Zeit mehr... Er musste... Er lachte wieder, lauter diesmal. Oh, der Tod... der Tod! Und die Zeit! Zeit war Leben... Er hatte keine. Hatte kein Leben mehr. Ihm war übel, aber er fühlte sich jetzt leicht. Nein, das Sterben selbst schreckte ihn nicht. Was er fürchtete, war, dass er... Magnus... Er ließ ihn allein. Es war seine Schuld, alles... Er war verantwortlich.

Er musste... Aber... er würde vielleicht Caterina wiedersehen... wenn es so war, wie er glaubte. Er glaubte.... dann alles zu wissen. Alles, was damals geschehen war. Was wirklich... geschehen war. Nicht, was man ihm erzählt hatte. Denn irgendwo... irgendwo hatte irgendwer gelogen. Oder es... es einfach nicht besser gewusst. Und alles... würde... aufgedeckt.

Caterina... Weinte er? Ja... und lachte zugleich. Irrsinn. Verdammtes Gift. Da war etwas... er musste... irgendwas wollte er eben noch. Vorhin. Weg war es wieder, sein Kopf... Er rieb sich die Augen, wischte Tränen weg. Der Mund war trocken. Er legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen. Kein Wasser... kein Wasser hier, lachte er und hörte erstmals, wie die Wände seine Stimme verzerrten. Die Wände sprachen! Er riss die Augen auf, den Kopf noch im Nacken, und sah... sah zum ersten Mal.

Was.... die Zeichen an den Wänden, die Zeichen.... Zeichen. An den Wänden an den... Wänden. Überall...! Überall! Vom... vom Boden bis zur Decke... Zur Decke. Und sie tanzten. Und... oh, die... die Fackel.

Man hatte sie ihm gelassen. Der helle Schein zuckte an der Wand, neben der Tür. Das unruhige Licht verstärkte die Übelkeit. Die Tür hatte kein Gitter.

Wo... wo war er? Ein anderer Raum...? Ein anderer... Ihm fehlte Zeit. Zeit. Wann hatte man ihn hier... Aber ja, er wusste, dass man ihn hergebracht hatte... Ja! Dann... hatte er wohl geschlafen, hier, wo er jetzt saß. Hier. Auf dem Boden. Er blickte auf eine Lache Erbrochenes. Neben... seiner Hand. Da war Blut von Nase... und Mund. Auf dem Boden. War das seines? Sein Blut? Die Peitsche... des Mannes war blutverschmiert, seine Haut über der Brust... Und der Inquisitor. Der Folterknecht und der Inquisitor und der Medicus. Ein Medicus... Ein Medicus heilte! Er... schämte sich für ihn.

Oh... wie konnte... konnte er nicht ernst genug nehmen, womit er... es zu tun hatte. Oder besser, mit wem! Mit wem! Mit... wem! Dieser Kardinalpriester, dieser... grausame und verblendete Mann, Vincenzo... Grassi. Sein Name... Sein Name. Wieso wusste der Inquisitor... von Terni... seinen Namen? Er hatte noch niemals mit ihm zu tun gehabt. Nie zu tun ge... Wer...

Kohle. Kohle! Das Feuer! Ja! Das war... der Gedanke! Er musste... denken. Nachdenken. Auf die Füße kommen... die schmale Bank, da, im Halbdunkel. Die Bank im Dunkeln... Im Dunkeln...


Er brauchte mehrere Versuche, bis er vom Boden hoch kam. Das Gehen war eigenartig, er lachte wieder. Er dachte, er habe mehr als zwei Beine. Wie eine Spinne... Er würgte... Und wurde plötzlich hellwach. Die Bank! Das Feuer! Endlich drang es vollständig in sein Bewusstsein.

Sein Körper versuchte das Gift los zu werden. Einiges davon war noch in seinem Magen, aber er konnte sich nicht übergeben. Vielleicht, wenn er Wasser hätte, nur etwas... Einen Becher voll. Aber vom Wasser wurde man krank... Hier ganz bestimmt. Also kein Wasser.

Es würde schwierig werden. Er richtete sich auf, kniff die Augen zusammen, schüttelte den Kopf, rieb sein Gesicht mit den Händen. Er zwang sich langsam zu atmen, langsamer... seinen Stoffwechsel nicht durch unnötige Hektik und Aktion anzuheizen. Es durfte nicht so schnell ins Blut gehen... Er musste die wirren Gedanken aufhalten, sie unterdrücken, musste vernünftig, logisch handeln. So lange er noch konnte.

Die ruhigen, gezielten Bewegungen fielen ihm schwer. Er hob die schmale Bank an, er wollte damit zur anderen Wand hinüber, wo die Fackel brannte, konzentrierte sich auf seine Füße, versuchte an nichts zu denken, die Unruhe in seinem Kopf zum Schweigen zu bringen. Kalter Stein... Risse in den Wänden, Zeichen überall... Sie bewegten sich, dehnten sich aus. Sie schrumpften und kamen aus der Wand hervor, sprangen ihm entgegen, drängten sich auf. Eine Ewigkeit brauchte er bis zur anderen Seite des Raumes. Er musste sich konzentrieren... Seine Füße schmerzten vor Kälte. Und der Rücken...

Er spürte... Schmerz? Gut... Gut war das! So schlimm war es also noch nicht, dass es ihn völlig betäubte. Aber auch die Kälte kam von dem Gift. Er stellte die Bank hochkant gegen die Flamme, rückte sie ins Feuer hinein.

Es dauerte fünfzehn Jahre und zwei Monate, bis das Holz der oberen Kante in Flammen aufging. Und Caterina arbeitete mit den anderen am Hang. Caterina. Und er... er stahl einen Topf Pflaumenmus aus der Küche, um ihn ihr aufs Feld zu bringen. Aufs Feld... Damit sie ihr Brot hinein tunken konnte. Er wollte... wollte, dass sie ihm ihr Lachen schenkte. Dass sie sah, dass er sie liebte. Er hatte nur Pflaumenmus und es... es war gestohlen. Ihr Lachen...

Er unterdrückte seines. Sein kreativer Geist, der sich gerade spontan diese irrsinnige Zeitspanne ausgedacht hatte, die fünfzehn Jahre und zwei Monate... es war aus irgendeiner Ecke seines Kopfes gekommen... es amüsierte ihn. Fünfzehn Jahre und zwei Monate! Bis die Bank brannte! Tränen rannen ihm über die kalten Wangen. Er war so müde und konnte nicht aufhören zu denken. Die Zeit war knapp, es wurde eng für ihn. Aber er konnte jetzt nichts tun als warten.

Auf das Feuer an der Wand, auf die brennende Kante der Bank starrend, sank er langsam wieder auf den Boden zurück. Es fraß sich durch das alte Holz, eroberte die trockenen spröden Fasern. Knackte laut. Es wurde heller um ihn... Das Knacken machte ihm Angst, es löste einen neuen Schub aus. Schon wieder driftete er in wirre Welten ab, den Kopf hochgereckt sah er lächelnd zu, wie die Flammen dort oben an der Wand leckten. Es musste schneller brennen, mehr brennen. Schneller, mehr. Geduld... Geduld. Er musste warten... musste warten. So lange... Er sank zur Seite, ganz hinunter auf den Boden. Nicht auf den Rücken... Nicht der Rücken... Er wollte sein Blut nicht auf dem Boden hinterlassen, wenn er nach Hause ging. Er wollte nichts... hier lassen.

Nach Hause ging! Das würde er... Ja! Er wollte jetzt nach Hause gehen! Er wollte es so sehr. Die Bank musste nur noch ein wenig brennen, dann. Wenn... das Holz verbrannt war. Wenn... es verbrannt war. Ja. Verbrannt. Warum wollte er, dass... es verbrannte? Vergessen... Er hatte es vergessen. Verdammt! Rauch sammelte sich unter der Decke, senkte sich langsam auf den Boden nieder.

Der Boden... Sein Kopf spürte den Boden nicht. Langsam hob er die Hand, betrachtete sie, wusste, damit war etwas geschehen... aber was... was? Das Feuer dort oben neben der Tür flackerte wild hinter seinen ausgestreckten Fingern... Es zog unter der Tür hindurch, wo er lag, so kalt, so... kalt. Kalt. Er kam nicht mehr vom Boden... vom Boden hoch. Alles umsonst... alles... war umsonst. Alles vergessen. Das schöne Feuer. Die Bank. Er wusste nicht mehr, warum es brannte... Er weinte. Weinte laut und hörte nicht mehr auf.

Er rollte sich auf die Seite, zog die Beine an. Er würde nicht mehr auf die Füße kommen. Alles musste seinen Gang nehmen... Nichts konnte er nun noch tun. Sein Gehirn unterschied nicht mehr Realität und Wahn, spiegelte ihm im Wechsel zuckendes Licht und tiefste Schwärze vor... Der Rauch drang ihm in die Nase.

Er war nicht vorgewarnt, rechnete nicht mit dem, was jetzt geschah. Sie kamen aus den Ecken, aus den Schatten. Die Opfer seiner grausigen Vergangenheit, mit toten Augen, die Arme ausgestreckt, die Hände voran, Männer, Frauen, Kinder, kamen sie im Halbdunkel auf ihn zu, fuhren durch ihn hindurch... Und jedes Mal, wenn das geschah, erlebte er die Angst, den Schrecken, den er verbreitet hatte, als wäre es seiner.


Der Stein unter ihm war eiskalt, seine Muskeln gehorchten ihm nicht mehr, sie zitterten, die Panik und das Gift und der Rauch nahmen ihm die Luft zum Atmen. Keinen Ton brachte er in seiner Starre heraus. Es gab nichts, wohin er flüchten konnte. Mit offenen Augen fand er sich in einem Alptraum gefangen, war ausgeliefert, konnte es nicht beenden, sich nicht retten...

Sein Versuch... war zu spät gekommen. Er war zu schwach, zu unaufmerksam gewesen. Denn das Fenster zum Garten - in dem Raum, in dem man ihm den Dolch in die Hand gestoßen und ihn niedergeschlagen hatte - das Fenster zu diesem paradiesischen Garten hatte weit offen gestanden. Niemand hätte ihn zu diesem Zeitpunkt aufgehalten.

Er zog die Beine weiter an den Körper, kreuzte die Arme vor der nackten Brust. Alles musste seinen Gang nehmen, nichts konnte er nun noch tun. Sein Gehirn meldete ihm keine Realität mehr, spiegelte nur noch die eigenen wahnsinnigen Bilder hin und her, verknüpfte sie zufällig und riss sie wieder auseinander, es ging weiter und weiter und er war so müde, sterbensmüde... Aber es hörte nicht auf.


"Du kommst mich zu bitten. Das ist gut."


Nein. Ich sterbe.


"Du lügst. Du hast Verantwortung. Der Mann in deinem Haus... Er stirbt ohne dich. Du brauchst mich."


Er stirbt durch mich, wenn ich dir verfalle. Ich sterbe... damit er überlebt.


Das Tier lachte sein blutiges Lachen. "Du überraschst mich nicht, Engel. Du hast dich nicht geändert. Dein Glaube an das Menschliche in dir ist unerschütterlich. Lass es los, es ist nichts wert! Der Pakt... ist nicht zu lösen. Wie oft hast du es nun versucht? Du fällst doch nur zurück in meine Klauen. Andere Wege... stehen dir nicht offen."


Valerio antwortete nicht mehr. Er hatte sich entschieden. Er versank in der Dunkelheit, fiel weg aus der Gewalt des Wahnsinns. Endlose tiefe Schwärze war da, sie nahm ihn mit auf ihren Schwingen, jagte mit ihm durch dunkle Wälder, ewig, endlos, immer weiter, ohne Zeit und jenseits allen Raumes, der Silberspur entgegen, die kalt und funkelnd unter Bäumen lag...


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Es dauerte, bis er die Hand bemerkte. Lange dachte er, es sei nur eine Täuschung. Dann spürte er, sie war real. Eine Berührung seiner Finger - Zaghaft erst... so leicht, dass er es kaum als Wirklichkeit empfand. Dann aber wurde der Griff fester, bestimmter. Es störte seine Reise. War... jemand da? Er fühlte hin, er sah mit inneren Augen. Und erkannte diese Hand. Sie ließ nicht los, lag warm auf seiner, dann über seinem Handgelenk. Sie griff den Arm und wanderte ein Stück hinauf, ganz langsam... Lebendigkeit und Wärme durchfluteten ihn. Er war nicht allein! Da war... Magnus! Valerio spürte Sorge, Liebe, Zugewandtheit, und es belebte ihn, erfüllte ihn mit Wärme und Hoffnung, dass er es schaffen könnte, dass da jemand war... Magnus. Er holte ihn aus dem Dunkel zurück. Im letzten Augenblick.


Das Tier, die Bestie, grollte und verschwand.


Magnus! Magnus war... er hatte sich mit ihm verbunden, ohne zu wissen, was er tat! Er würde durchleben, was Valerio gleich erwartete... Er musste es auflösen... trennen, jetzt! Aber mit welcher Kraft? Das würde... kosten. Das Tier, die Bestie... Sie würde wieder kommen, ihren Preis fordern! Er musste es trotzdem wagen. Bevor man ihn holte! Magnus würde klar kommen. Er musste. Es gab keinen anderen Weg.

Im selben Augenblick, als Valerio die Trennung vollzog und Magnus in seiner Dimension weg driftete, knirschte die brennende Bank an der Wand entlang, rutschte weg, riss ihn in die Realität des Raumes zurück. Valerio warf sich gerade noch rechtzeitig zur Seite, bevor sie auf ihn niederging. Es war mehr Instinkt als gezielte Handlung. Krachend, Funken sprühend, schlug sie knapp neben seinem Kopf auf. Der obere Teil, der vollständig verbrannt war, barst in kohlschwarze Stücke.

...Die Kohle! Innerhalb einer Sekunde hatte er sich aufgesetzt. Griff nach den Stücken, achtete nicht darauf, dass er sich die Finger verbrannte. War noch Zeit genug? Die Finger waren egal, aber... so ging es nicht! Die Stücke mussten abkühlen! Er zwang sich vom Boden hoch. Mit nackten Füßen schob er die Kohle zusammen. Er packte den unversehrten Teil der Bank, zog ihn zu sich heran. Drehte die Sitzfläche zuunterst, legte sie über die schwelenden Brocken, stemmte sich mit ganzem Gewicht darauf.

Das knirschende Geräusch, als er die Kohle zermalmte, war vielversprechend. Schnell... Sein Herz hämmerte. Er riss die Bank weg, fuhr mit den Händen über den Boden, schob den Kohlenstaub zu einem Haufen zusammen. Er griff etwas davon und stopfte es sich in den Mund. Nicht atmen... Es war furchtbar trocken... Aber es musste gehen, irgendwie! Er kaute, schluckte, beförderte die erste Menge den Hals hinunter... Mehr war nicht möglich, es war zu trocken. Der plötzlich einsetzende wilde Husten brachte ihn in Bedrängnis, er durfte den Staub nicht einatmen. Er brauchte... Flüssigkeit. So wenig Kohle nur... das würde nicht reichen!

Belladonna... Man hatte ihm zu viel davon gegeben. Er war am Ende, wenn er diese Kohle nicht in seinen Magen hinein bekam. Alles würde er aussagen, alles, was seine Fantasie zusammen spann, unter Folter jeden Irrsinn gestehen. Denn das war es, was sie vor hatten: Sie wollten ihn vernichten. Sie brauchten ein Urteil. Warum - er wusste es nicht.

Eine letzte Möglichkeit gab es.... Dass er darauf nicht gekommen war! Fieberhaft öffnete er seine Hose, schob den kleinen Haufen Kohlenstaub auseinander, so dass eine Mulde entstand, hockte sich davor, zielte und pinkelte hinein. Es war nicht viel, er hatte seit dem Morgen nichts mehr getrunken. Es genügte aber, um einen nassen Brei daraus zu rühren, zwei knappe Hände voll... Die Flüssigkeit verband sich nur schwer mit dem trockenen warmen Staub. Es war nun klumpig, er musste es in der Handfläche kneten, aber so... ließ es sich schlucken. Wenn nur genug Zeit blieb. Wenn sie jetzt noch nicht kamen.

Noch ein bisschen... und noch mehr, den Rest vom Boden noch... Die kleinen Stücke knirschten zwischen den Zähnen, als er hektisch kaute.

Das kreischende Geräusch des Riegels, als er in der rostigen Führung zurück gezogen wurde, ließ Valerio zusammen zucken.

Ende Teil 160



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