(3/2) Harald

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"Morgen, Harald. Hier ist Magnus. Sicher wunderst du dich, dass ich jetzt erst anrufe ... Also, ich wollte dir ..."

"Ach, sieh an! Lebst du noch? Ich dachte schon, du hättest dir Bleigewichte an die Füße gebunden und dich in den Kanal geworfen. Oder rufst du vom Grund des Meeres an? Du klingst so."
"Harald, ich muss dir ..."
"Lass gut sein, Mann. Ich weiß von der Sache mit Giulia. Ist klar, dass du versackt bist, ich verstehe das. Sag mir lieber, wann du wieder in Frankfurt bist! Du hast nämlich einen neuen Teampartner und der wartet hier auf dich. Ich muss wissen, wann ich euch einsetzen kann." Harald zögerte. Dann fügte er in weicherem Ton an: "Das mit dir und Giulia tut mir aufrichtig leid."

Magnus setzte sich gerade im Sessel auf. "Moment ... Ein neuer Teampartner? Das heißt, ihr wusstet, dass Giulia mit mir ...?"
Harald fiel ihm ins Wort. "Nein ... das heißt, doch." Es war deutlich zu spüren, wie er sich wand. "Hör zu, also wir - das heißt, ich - wusste davon."

"Und ... du hast mir nichts gesagt? Na, vielen Dank!" Dass Wut und Enttäuschung mit ihm durchgingen, war ihm in diesem Moment egal. "Es wäre wirklich nett gewesen, wenn du mir wenigstens ..."

"Ja, ich wusste es", unterbrach Harald ihn zum zweiten Mal. "Von Giulia, sie hatte es mir selbst gesagt." Der Tonfall, in dem er die nächsten Worte sprach, ließ zumindest Schuldgefühle anklingen, aber Magnus wollte seine Ausreden nicht hören. Harald schien das Thema unangenehm zu sein. "Sie musste es mir doch vorher sagen", versuchte er ihn zu beschwichtigen. "Sie konnte mich doch schlecht so plötzlich vor vollendete Tatsachen stellen und mich mit allem sitzen lassen!"

"Ach nein?" Magnus konnte kaum glauben, was er da hörte. "Aber mit mir könnt ihr das machen", presste er heraus. Er musste seine Wut unterdrücken, die Wände im Hotel waren dünn. "Du scheinst jedenfalls kein Problem damit zu haben, mich hier völlig ahnungslos auflaufen zu lassen", schickte er etwas leiser hinterher.

Na, wunderbar! Die Sache entwickelte sich zu exakt der Sorte Konflikt, die er jetzt nicht auch noch gebrauchen konnte. Wenn sein alter Freund sich auf seine Chefposition zurück zog, wusste er, er hatte es zu weit getrieben. Haralds nächste Worte und mehr noch der Ton zeigten, wie sehr Magnus ihn offenbar verärgert hatte.
"Also hör mal, lieber Freund. Ich leite eine Firma und sie war meine Mitarbeiterin. Das ist sicher etwas anderes als eine private Beziehungskiste. Sei doch nicht so verbohrt! Sie war mir gegenüber verpflichtet, weil ich hier die Pläne mache! Sie hat gekündigt und mir den Grund genannt. Ich bin ihr dankbar, dass sie so fair war, es mir vor Venedig zu sagen."

Magnus schnaubte wütend. Betrachtete Harald seine persönliche Lebenskatastrophe etwa als eine Firmenangelegenheit? "Du hättest mir einen Hinweis geben können", warf er ihm entgegen. "Als ein Freund."
Einen Augenblick lang herrschte Stille in der Leitung . Er hatte Hoffnung, ihn nun schachmatt gesetzt zu haben, doch Harald schien nicht nachgeben zu wollen; zumindest wollte er nicht auf sich sitzen lassen, dass Magnus ihn für einen miesen Verräter hielt.
"Nun sei doch vernünftig", redete er auf ihn ein. "Ich verstehe, dass du wütend bist. Aber hör mir doch erst einmal zu, ich erkläre es dir."
Magnus rollte sich innerlich zusammen. Welche Art Erklärung würde das schon sein! Buchstäblich nichts konnte dieses Verhalten entschuldigen, die Sache war klar. Als er bemerkte, dass Harald tatsächlich auf seine Erlaubnis wartete, gab er ihm zähneknirschend sein Okay.
"Dann rede schon. Ich höre."

Durch den Lautsprecher erklang ein Seufzen; Harald schien sich zunehmend unwohl zu fühlen. "Ja, Giulia hatte es mir gesagt. Zwei Tage vor eurem Abflug ... und eines darfst du mir glauben: Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie das auf dich wirkt. Aber ich musste es schließlich wissen! Sie wollte mir die Möglichkeit geben, Ersatz für sie zu finden, während ihr unterwegs sein würdet. Nur darum ging es – dass ich die Zeit nutzen und sie ersetzen kann. Damit keine große Lücke entsteht und wir keinen Kunden versetzen müssen, verstehst du? Aber offiziell wusste ich natürlich nichts."
"Da gibt es kein "offiziell" oder "inoffiziell", das ist eine Frage der Freundschaft", giftete Magnus. "So sehe ich das nun einmal."
Harald klang enttäuscht und sehr weit weg. "Du verlangst von mir, dass ich eine Freundin und Kollegin verrate, um einen Freund und Kollegen nicht zu verraten? Wie sollte ich da entscheiden, kannst du mir das sagen? Ich stehe euch beiden gleich nahe! Sie hatte es mir nicht privat und in Freundschaft anvertraut, sondern mich über ihre Kündigung informiert! Ich bin ihr Chef! Und in dieser Position habe ich die Kündigungsgründe meiner Mitarbeiter nicht in der Gegend herum zu erzählen. Ich habe das mit niemandem zu besprechen, auch nicht mit meinem Freund. Und auch dann nicht, wenn dieser Freund privat davon betroffen ist, dass meine Angestellte geht. Magnus, bring mich bitte nicht in einen Konflikt hinein, der nicht meine Sache ist, sondern eure."

"Unsere Sache, alles klar! Wie kann sie dir als Chef etwas mitteilen, was der Freund in dir nicht mithört? Weißt du, was ich denke? Sie hat dich darum gebeten, mir nichts zu sagen, und du hast eingewilligt. Weil ihr befreundet seid! Und nicht etwa, weil du die Firma leitest. Aber was ist mit mir? Sind wir nicht ebenfalls befreundet, du und ich? Zählt unsere Freundschaft nicht ebenso viel?"
Harald schwieg. Als er schließlich antwortete, ging er jedoch nicht auf seine Frage ein; zu Magnus' bitterer Enttäuschung blieb er ihm die Reaktion auf seine provozierenden Worte schuldig.
"Jetzt einmal klar gesprochen ... Die Sache mit eurer Trennung ließ sich doch sowieso nicht aufhalten. Ob du es nun bereits vor Venedig gewusst hättest oder es erst zum Ende eurer Reise erfahren würdest – wo wäre für dich der Unterschied gewesen? Du musst so oder so da durch. Man kann es ja nicht ändern."

"Es hätte einen Unterschied gemacht", sagte Magnus leise. "Ich ... ich hätte um Urlaub gebeten. Ich hätte meine Überstunden genommen und mindestens zwei Wochen Urlaub gemacht. Ich wäre nicht mit ihr nach Venedig geflogen. Ich hätte mir das nicht angetan."
Plötzlich ging ihm ein Licht auf. "Ach, jetzt verstehe ich! Du hattest Sorge, dass der Termin hier platzen würde, wenn man es mir vorher sagt, richtig?"

Das war der Punkt. Er hatte ihn getroffen.

"Also, ich finde, dass wir das nun nicht weiter am Telefon besprechen sollten." Harald klang plötzlich unsicher. "Bitte, Magnus, nun setze dich in den nächsten Flieger und komm zurück nach Frankfurt, wir brauchen dich hier! Es wird dir sicher gut tun, dich hier in die Arbeit zu stürzen! Was machst du überhaupt noch dort? Wir besprechen das alles ganz in Ruhe, wenn du wieder da bist, okay? Wir könnten ..."

"Ich bin nicht reisefähig."

"Was, bitte? Wieso kannst du nicht reisen?"

"Ich hatte einen Unfall. Prellungen, Stauchungen. Eine Gehirnerschütterung." Magnus wartete den Effekt ab, den diese Nachricht ganz sicher auf seinen Freund haben würde. Weil Harald so überrascht war, setzte er nach kurzem Zögern noch obendrauf: "Ich bin gestern erst aus der Klinik gekommen und darf noch nicht fliegen."

"Und das heißt? Ich meine ... wie ist das passiert? Was haben sie in der Klinik mit dir angestellt, ist es schlimm?" Er wirkte kleinlaut; zumindest schien er sich jetzt ein wenig zu schämen, dass er so grob mit ihm umgesprungen war.

"Es geht." Er kostete Haralds Schuldgefühle noch ein wenig mehr aus. „Oder sagen wir besser: den Umständen entsprechend. Ich bin noch im Hotel, hatte Glück, dass man mir ein kleines Zimmer geben konnte. So musste ich keine andere Unterkunft suchen. Wäsche kann ich hier waschen, mein Handy ist geliehen und ein Arzt kümmert sich um mich, falls ich doch noch wieder in die Klinik muss." Heißer Triumph stieg in ihm auf, er konnte sich das Gesicht seines treulosen Freundes in diesem Moment lebhaft vorstellen.

"Also geht es dir noch nicht so gut? Aber eben hattest du doch noch gesagt, es ist nicht so schlimm? Also ... wann kommst du zurück, wie lange wird das dauern?"

Auf diesen Moment hatte er gewartet. Er drehte den Spieß um. "Ich kann verstehen, dass du wissen möchtest, wann ich wiederkomme und einsetzbar bin", antwortete er in dem sachlichsten Ton, den er spontan zustande brachte. "Es ist immer gut, wenn man im Bilde ist, ich weiß das. Aber leider kann ich dazu noch keine näheren Angaben machen. So viele Fragen ... ich denke, das besprechen wir in Ruhe, wenn ich wieder in Frankfurt bin. Exakt so, wie du es wolltest." Das hatte gesessen! Er war zufrieden mit sich.

"Ja, also ... dann rufst du wieder an? Was ist mit deinem Handy passiert? Ich hatte tagelang versucht, dich zu erreichen! Gib mir mal deine Nummer, dann kann ich dich ..."

Sein Handy. Es lag tatsächlich unten auf dem Grund der Lagune! So wütend er auch über ihren Streit war, er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Anrufen? Das wird nichts. "Das Handy, das man mir geliehen hat, funktioniert nur, wenn ich anrufe. Deine kann ich nicht annehmen. Man kann mir nur schriftliche Nachrichten schicken."

"Okay ... aber wo ist denn dein Handy?"
"Eine lange Geschichte. Viel zu lang fürs Telefon und für diese Tageszeit." Er richtete sich im Sessel auf und schlug einen wichtigen Ton an. "Der Doc kommt gleich. Er will nach meinem Kopf schauen."
Harald begann sich für seine Geschichte zu interessieren. Es wurde Zeit, ihn abzublocken. Er sollte ruhig ein wenig schmoren, sich mies fühlen und über sein Verhalten nachdenken. Was er erfahren hatte, würde ganz sicher seine Wirkung tun.
"Ich muss auflegen. Kommt noch einige Tage ohne mich klar, ich melde mich. Ciao."

Er drückte das Gespräch weg und warf das alte Mobiltelefon vor sich auf den Tisch. Enttäuscht lehnte er den Kopf gegen die Sessellehne zurück, starrte auf die gemusterte Tapete neben dem Bett. Als sein Blick zur Balkontür hinüber wanderte und auf dem dunstig zugezogenen, aber gleißend hellen Himmel stehen blieb, begannen seine Augen nass zu werden.

Es dauerte lange, bis er sich eingestehen konnte, dass es nicht der Himmel war, der ihm Tränen in die Augen trieb. Zum ersten Mal hatte er nun mit jemandem über seine Trennung von Giulia gesprochen – abgesehen von dem oberflächlichen Gespräch mit Angelo gestern, in der Halle. Er hatte mit jemandem gesprochen, der sie ebenfalls gekannt hatte – und nicht nur das: Harald hatte es früher gewusst als er und er hatte Ersatz für sie beschaffen müssen. Einen neuen Partner, der ihm nun ewig in Erinnerung rufen würde, warum er da war. Weil sie nicht mehr da war und nicht wiederkommen würde. Sein Leben, seine Realität begann sich den neuen Fakten anzupassen und daran entlang zu verändern.

In den Tagen und Nächten seit Giulias Abreise war so viel Seltsames geschehen. Er hatte noch gar keine Chance gehabt, auch nur einen Teil davon irgendwie zu verarbeiten. Die Dinge, die ihn und Giulia betrafen, hatten dahinter meistens zurück gestanden, dazu war er sehr angeschlagen und irritiert wegen der letzten Ereignisse ... Es war nicht schwer gewesen, sich abzulenken, wegzuschauen, das Geschehene zu verdrängen.
Das Gespräch mit Harald ließ nun keine Möglichkeit mehr, die Trennung nicht als Fakt anzunehmen. Er konnte nicht mehr daran vorbei denken, sich nicht mehr schützen vor dem, was nun folgen würde: Trauer und Wut, ein Gefühl des Versagens, der Minderwertigkeit. Und ja, auch Angst. Eine ganz miese, subtile und nagende, sehr persönliche Angst, denn er wusste genau, woran alles letztlich gescheitert war. Und er konnte sich denken, dass es auch in späteren Beziehungen wieder und wieder diesen Konflikt geben würde, da er ihn überall mit hinein brachte.
Giulia hatte Kinder gewollt, eine Familie. Und sie wollte mit ihm zusammen wohnen. Dass beide mit dem zufrieden gewesen waren, was er für sie seit Langem einseitig inszenierte, stimmte so einfach nicht, er hatte sich etwas vorgemacht.
Die Wahrheit war, dass diese Diskussionen bereits seit Jahren stattgefunden hatten. Sie waren in Wellen gekommen und er hatte das Thema jedes Mal weggeschoben. Er hatte ihre Bedürfnisse ignoriert und war hart und kompromisslos geblieben, auch bereits, was das Zusammenleben betraf. Zuletzt war sie gegangen. Sie war neunundzwanzig und hatte keine Perspektive mit ihm. Sie hatte gewusst, dass sie niemals eine Familie haben oder auch nur eine Partnerschaft unter demselben Dach erleben würde, wenn sie noch weiter bei ihm blieb. Ihre Uhr tickte und es war ihr Lebenswunsch, Mutter zu sein, Kinder zu haben - mit einem Mann, der sich für diese Idee genauso begeistern konnte wie sie. Und das Schlimme war: Er wusste, dass sie das absolut verdient hatte. Sie hatte keine Schuld! Es war vorhersehbar gewesen, wie es schließlich enden musste. Er hatte alles vermasselt.

Es klopfte an der Tür. Hektisch wischte er sich die Tränen weg. "Einen Moment ... ich mache auf."

Ende Teil 19


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