(4/5) Der Deal

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Er hatte Mühe zu atmen. Seine Augen brannten. Er wagte kaum aufzusehen. Er fürchtete sich, Valerios Blick zu begegnen. In seinem schwächsten Moment hatte er ihn erwischt, er wollte ihm nicht unter die Augen treten, ausgerechnet jetzt, wo er geweint hatte.

Das Gesicht und die Hände fühlten sich plötzlich kalt an. Ein vertrauter Schwindel erfasste seinen Kopf und ließ ihn im selben Moment gegen die Hauswand kippen. Diese verdammte Stimme, es lag etwas darin ... darauf war er nicht gefasst. Gerade noch rechtzeitig, bevor ihm die Knie wegsackten, fing er sich wieder, atmete tief und bemühte sich um einen festen Stand. Noch befand er sich im Schutz der Hauswände ...

Schutz? Welch ein alberner Begriff, in Gegenwart dieses Wesens, das da im Mondlicht stand! Eines Wesens, das über die gesamte Stadt hinweg jederzeit seine Aufmerksamkeit – und wer wusste, was noch alles - auf ihn richten konnte, ganz gleich, wo er sich verstecken würde.

Sollte er umkehren, flüchten? Jetzt sofort, bevor es zu spät war? Ein Labyrinth von Wegen lag in seinem Rücken, er konnte nicht einmal raten, wo er sich hier befand. Welcher Platz war das - und gab es ihn überhaupt? Er war sehr vorsichtig damit geworden, logische oder realistische Maßstäbe anwenden zu wollen. Alles, buchstäblich alles konnte möglich sein. Valerio war ihm haushoch überlegen, er hatte keine Chance gegen ihn. Andererseits war es ihm schon einmal gelungen, ihm zu entkommen ... Aber hier und in dieser Situation? Diesmal hatte er keinen Vorsprung, hier standen beide nun sichtbar voreinander. Ganz offensichtlich hatte Valerio ihn erwartet. Auch das wieder: Im Grunde eine Unmöglichkeit. Er hatte Angst, ja. Wie naiv war er gewesen, ihn suchen zu wollen. Als ob das ein abenteuerliches Räuber-und-Gendarm-Spiel werden würde! Aber er konnte hier nun nicht einfach herumstehen und nichts tun.

Vorsichtig spähte er auf den Platz hinaus. Die Strecke von dort, wo er stand, bis zu den untersten Treppenstufen am Ende des Platzes schätzte er auf ungefähr fünfzehn, höchstens zwanzig Meter. Das Mondlicht, das die Szenerie in flimmernde Vibrationen versetzte, machte eine genauere Schätzung unmöglich. Die Häuser, die die schmucklose, gepflasterte Fläche umstanden, erschienen ihm real. Aber er wusste, er konnte sich täuschen. Mehrere schmale Gassen mündeten in diesen Platz, Gassen wie die, in der er noch immer stand. Und wenn auch sie nur Illusion waren? Dort blind hinein zu laufen und sich in das dunkle Labyrinth zu verirren, das sich dahinter verbarg, schien ihm nicht sehr klug.

Valerio rührte sich nicht. Auch er wartete. Still und unbeweglich wie eine Statue stand er dort oben und sah zu ihm hinüber. Magnus musste handeln. Irgendetwas musste er jetzt sagen oder tun.

Die hilflosen Gedanken rasten in Lichtgeschwindigkeit, aber zugleich tropften die Sekunden langsam und träge wie Honig, so als sei der Fluss der Zeit an diesem Ort beinahe ganz zum Erliegen gekommen. Er konnte ihnen zusehen, diesen Tropfen geronnener Zeit, wie sie silbern, zäh, einer nach dem anderen in diese unwirkliche Szenerie hinein fielen, sich darin auflösten und ihr Nahrung gaben – gerade so viel, dass das System von Zeit, Raum und Material, die menschliche Dimension, nicht wegbrach.

Er fürchtete ihn, weil er ihn erlebt hatte. Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen war er von einer ganz normalen Begegnung ausgegangen, aber er hatte seine Lektion gelernt; diesmal rechnete er nicht mit etwas Gewöhnlichem, das war ein Kontakt mit einem ...Geistwesen. Eben gerade, als Valerios Worte hinter seinem Kopf geflüstert hatten, während er zugleich dort vorne über den Stufen gestanden hatte, hatte er gespürt, wie Valerio sein unsichtbares magisches Tuch über ihn breitete, ihn einhüllte und seine Sinne verwirrte. Nichts konnte er dagagen tun, es war wie beim ersten Mal: Er geriet in seinen Bann.

Ja, Angst war es, was ihn hier so gelähmt stehen ließ! Dabei war es doch das, was er wollte, nur deshalb stand er hier nun mitten in der Nacht: Diese eigenartige, brennende Sehnsucht, ihn wieder zu finden, hatte ihn getrieben, er hatte sogar einen Moment daran gedacht, ihn zu rufen in der Hoffnung, dass Valerio ihn hörte ... Und nun stand er vor ihm, ängstlich, mit schweißnassen, klammen Händen und zu keiner vernünftigen Handlung fähig.

Diesmal nicht, sagte er sich trotzig. Diesmal wird es anders laufen. Wenn ich mich nicht beeinflussen lasse, wenn ich wach bleibe, seinen hypnotischen Tricks widerstehe, dann kann ich ...

Dort hinten ging eine Veränderung vor sich. Er spürte es sofort. Er kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Das seltsame Lächeln, das Valerios Mundwinkel zu umspielen begonnen hatte, deutete er als Ausdruck von Spott. Er konnte sein Gesicht sehen. Dieses unirdisch schöne Gesicht, dem er zutraute, Verzweiflung und Verderben zu bringen, wann immer es ihm gefiel.

Lachte er ihn aus? War er Mithörer seiner Gedanken, machte er sich über ihn lustig? Er ballte die Fäuste, biss die Zähne aufeinander und trat aus dem Schatten der Gasse auf die freie Fläche hinaus, die sich zwischen ihnen erstreckte.

Im Licht zögerte er einen Moment, wartete, bis sich sein Herzschlag aus der Umklammerung der Faust befreit und seinen Rhythmus wieder gefunden hatte.

„Hör auf! Hör auf damit", rief er ihm entgegen. Stark, wütend und selbstbewusst sollte es klingen, aber er ahnte, dass er ihn nicht täuschen konnte.

Er bemühte sich trotzdem, seine Schritte, seinen Willen entschlossen und fest wirken zu lassen. Er durchquerte die Mitte des kleinen Platzes, kam den Stufen immer näher - während er spürte, wie Valerio seine innere Haltung abtastete, ihn prüfte. Er konnte seine Angst nicht vor ihm verbergen. Er konnte ihm nichts vormachen, es war unmöglich.

Und wie unglücklich war der Umstand, dass Valerios Position dort oben umso höher und überlegener wirkte, je mehr er sich der Treppe näherte. Gleich würde er an der untersten Stufe stehen bleiben müssen, als würde er bei einem König vorsprechen. Aber er hatte nicht vor, hinauf zu gehen. Sollte er doch zu ihm hinunter kommen, wenn er Wert auf eine faire Auseinandersetzung legte!

Das Lächeln wich einem ernsthaften Ausdruck, als seine fordernden Worte über den Platz hallten. Aus der Nähe entdeckte er nun etwas anderes in diesen Augen; Mitgefühl oder Bedauern schien darin aufzuleuchten, zwei Sekunden nur, kaum länger - dann war es verschwunden, hatte sich verschlossen. Wie ein Fenster, durch das ihm kein weiterer Blick erlaubt war. Aber er konnte sich irren. Valerio war undurchschaubar und so kompliziert, dass er seine Mimik nicht zu interpretieren wagte. Er hütete sich, hier voreilige Schlüsse zu ziehen, er rechnete besser mit allem. Er behielt ihn im Auge, während sich die Distanz zwischen ihnen verringerte. Wenige Schritte vor der untersten Stufe blieb er schließlich stehen und sah zu ihm hinauf.

Valerio neigte den Kopf - nur ein wenig, es war ein beinahe unmerkliches Nicken. Ernste Anerkennung zeigte sich in seinem Gesicht. Vielleicht hatte seine mutige Aktion ihn tatsächlich beeindruckt.

„Ti saluto con affetto. Ich grüße dich ... Magnus."

Er begann die Stufen hinunter zu gehen, sein offener Mantel wehte wie ein Umhang hinter ihm. Beide waren sie schwarz gekleidet. Fasziniert beobachtete Magnus die katzenhaften, fließenden Bewegungen, betrachtete die hohen Stiefel und die schmale Hose, die ihn noch größer wirken ließen. Unter dem Mantel schien er eines dieser altmodischen Kleidungsstücke zu tragen, denn aus den Mantelärmeln fiel etwas über die blassen Hände, das der geraffte Stoff eines barocken Hemdes sein konnte. Genau war es nicht ausmachen, denn die ganze Gestalt, von den langen Haaren bis hin zu den Stiefeln, war in flimmerndes, blasses Licht getaucht und schien darin zu verschwimmen.

Erneut spürte er die klammernde Faust in Hals und Brust, als Valerio vor ihm stehen blieb und der unergründliche Blick seiner dunklen Augen sich tief in sein Innerstes senkte. Er hielt ihm eisern stand, hob abwehrend beide Hände. "Hör auf damit. Du redest jetzt mit mir. Fair und auf Augenhöhe. Du kannst deine magischen Spiele lassen, sprich offen mit mir. Ich ... habe Fragen. Darum bin ich gekommen."

Gebannt beobachete Magnus, wie sich seine Augen weiteten. Valerio öffnete die Lippen, als wollte er etwas entgegnen, schwieg dann aber und sah ihn nur an. Seine Worte schienen ihn zu verwundern, das Glitzern im Dunkel der Iris verriet Überraschung und Interesse zugleich. Dann hatte er sich wieder unter Kontrolle.

Da er noch immer nichts sagte, sprach Magnus weiter. "Du hattest mir Antworten zugesagt. Wo fangen wir also an? Bei dem Abend in deinem Haus? Bei den Tagen und Nächten, die folgten? Erklärst du mir zuerst, was mit mir geschah, woher meine Verletzungen stammen und was du angestellt hast, sie zu heilen – und warum? Oder... wollen wir hierüber reden?" Er griff in die Brusttasche seines T-Shirts und hielt Valerio den Ring unter die Nase. „Was ist das hier?", fragte er, nun in bestimmterem Ton, da er sich in Rage geredet hatte. "Was ist das für ein Ring? Woher kommt er?"

Zu seiner Überraschung wandte Valerio sich ab und ging einige Schritte. „Sag es mir", forderte Magnus ungehalten gegen seinen Rücken. „Du hast mir den Ring gebracht. Warum soll ich dazu Fragen stellen? Was ist es, was du mir sagen möchtest?"

Valerio rührte sich nicht. Das Gesicht zum Nachthimmel erhoben verfolgte er mit abwesendem Blick, wie sich blaue Schleier vor die blasse Scheibe des Mondes schoben. Es war dunkler um sie geworden. Magnus starrte auf sein unbewegtes Profil, während er auf eine Reaktion wartete.

Die plötzliche Kopfwendung erschreckte ihn. Aus schmalen Augen schoss Valerio einen Blick zu ihm hinüber, dann wandte er sich wieder dem Mond zu.

„Es ist nicht so, wie du denkst", sagte er schließlich, so leise, als seien seine Worte nicht für ihn bestimmt. Seine Stimme klang weich, Magnus meinte sogar einen Hauch von Traurigkeit oder Resignation darin zu hören, als er fortfuhr: „Es kommt nicht darauf an, was ich dir dazu sagen könnte. Was du selbst erinnerst, ist wesentlich."

Er entließ den Mond aus seiner Aufmerksamkeit. Was er sah, was er in seinen Gedanken bewegte, Magnus hätte es nicht sagen können. Den Kopf gebeugt, still wie ein steinerner Engel, der auf ein Grab hinunter schaut, verharrte er für einige Sekunden.

Plötzlich strafften sich seine Schultern. Er hob das Gesicht und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er drehte sich zu Magnus um, breitete die Arme aus, die Handflächen gegen den dunklen Himmel gerichtet. „Also was!", rief er fordernd und durchbohrte ihn mit seinem Blick, so dass sich Magnus' Nackenhaare aufrichteten. „Was sagt er dir, dieser Ring?"

Er war verunsichert, irritiert. Was konnte er antworten? Er fühlte sich hilflos unter dem intensiven Blick, den er körperlich zu spüren begann. Wie die Klinge eines Rasiermessers, das trocken über nackte Haut gezogen wurde.

Mit langsamen Schritten begann Valerio ihn zu umkreisen. Er bewegte sich wie ein Panther, lautlos und aufmerksam, während er Magnus nicht aus den Augen ließ.

„Was sagt er, der Ring? Gibt es Bilder, Gedanken – oder Orte?" Valerio verschwand aus seinem Blickfeld. "Einen Namen vielleicht... ein Gesicht?"

Magnus erstarrte, als er Valerios Stimme in seinem Rücken hörte, so unerwartet nahe an seinem Hinterkopf. Valerios Haare streiften seinen Hals. Der Duft von Patchouli und Ambra, der ihn umwehte, entführte seine Sinne. Farbige Bilder, Namen, Gesichter und Musik zogen durch seine Fantasie.

Ein Schauer lief ihm über den Rücken, es brauchte alle Selbstbeherrschung, sich nicht zu ihm umzudrehen oder aus seinem Bannkreis heraus zu treten.

"Was flüstert der Ring, was verrät er dir, Magnus? Sage es mir! Spricht er nicht zu dir, verrät er nicht seine Geschichte?" Valerios Worte umgaben ihn von allen Seiten, er konnte ihnen nicht ausweichen.

Schließlich beendete er seine Runde. Er blieb vor ihm stehen. In seinen nächsten Worten schwang etwas mit, das Magnus nicht einordnen konnte. Valerios Stimme vibrierte tief unter der samtigen Oberfläche. Schmeichelnd, verführerisch.

„Emotionen ... erzähle mir davon."

Magnus zuckte zusammen. Erschrocken hob er das Gesicht - und wich aus, als er Valerios dunklem Blick begegnete. Benommen und verwirrt blinzelte er seine Tränen weg. War es Valerios Stimme ... oder dieser kleine, kunstvoll gefertigte Gegenstand? Der Ring glühte in seiner Hand, er brannte sich in seine Seele, fraß sich in seine Gedanken und wandelte sie zu etwas ... anderem. Da waren so viele Bilder, die ihm irgendwie vertraut waren, etwas kippte alte Inhalte aus seiner Erinnerung aus und füllte sie ganz neu und anders. So, als sei er nicht mehr er selbst, sondern ...

"Genug."

Valerios Hand streckte sich ihm entgegen und Magnus kam vollständig zu sich. Erschrocken sah er zu ihm auf.

„Gib ihn mir. Gib mir den Ring, du leidest." Valerio hatte fordernd und hart gesprochen, aber dann wandelte sich seine Stimme. Die letzten Worte sprach er leise und sanft. "Ich verwahre ihn für dich. Er gehört dir. Aber ich sehe, es ist noch nicht an der Zeit."

Es wirkte nicht so, als würde er ihn manipulieren wollen, im Gegenteil: Magnus meinte eine gewisse Fürsorglichkeit  wahrzunehmen. Da schwang echte, aufrichtige Sorge um ihn mit. Ohne Zögern, wenn auch mit einiger Benommenheit im Kopf, nahm er Valerios Angebot an. Er war dankbar, dass dieser den Ring zurück nahm. Er streckte die zittrige Hand aus und legte das zierliche Schmuckstück auf Valerios Hand.

„Du hast also ... Fragen", sprach Valerio weiter, während er den Ring in einen kleinen Beutel steckte. Er wickelte ein feines Band darum und ließ den Beutel in seine Manteltasche fallen. „Ich hatte gehofft, dass du zu mir kommst. Ich habe Antworten für dich, mehr als du fragen kannst." Sein ernster Blick hob sich, er sah Magnus in die Augen. „Aber wir werden Zeit brauchen. Und ich stelle eine Bedingung."

„Und die wäre?", hörte Magnus sich fragen, verwundert, wie fremd der Klang seiner Worte ihm vorkam. Er konnte nicht vermeiden, dass Valerios Stimme auf seine Wahrnehmung wirkte – ein Teil von ihm schien sich von seinem Denken und Handeln zu entfernen, so als sei er nur noch unbeteiligter Beobachter dessen, was geschah. „Welche Bedingung", fragte er noch einmal. Das Sprechen fiel ihm zunehmend schwerer.

Valerio verschränkte die Arme vor der Brust und warf einen zweiten Blick zum Mond hinauf, der zur Hälfte in einem Teppich aus tintendunklen Wolken versank. Dann erklärte er mit einem Ton, als würde er ein seit alters her festgelegtes Gesetz zitieren: „Du stellst deine Fragen. Wie immer diese sein mögen, ich antworte. Aber was den Ring betrifft, werde ich dir meine Fragen stellen. Du wirst sie beantworten. Und das", er atmete tief ein und sah ihm eindringlich in die Augen, „wird Leid bringen." Er betrachtete ihn nachdenklich. Dann schloss er mit den Worten: "Zu dem Ring gibst du uns beiden zugleich Antwort – dir für deine Fragen ... und mir für meine. Aber du bist es, der sprechen muss."

Magnus nickte, ohne zu verstehen. Das war alles sehr seltsam! Aber Valerio schien es ernst zu meinen, er musste ihm vertrauen.

„Dann komm." Valerio setzte einen Fuß auf die Treppe und winkte ihm. „Lass uns keine Zeit verlieren."

„Warte noch. Von wieviel Zeit reden wir hier?"

"Dura una quarantina di giorni. Vierzig Tage. Und Nächte. Wenn du so lange bleibst."

„Vierzig Tage!" Magnus hatte beinahe geschrien. Unsicher sah er sich um, prüfend, ob jemand sich für ihre nächtliche Unterhaltung zu interessieren begann. Die Fensterläden blieben geschlossen, nirgendwo ging Licht an, nichts regte sich. „Vierzig Tage", wiederholte er, diesmal etwas leiser. „Das ist nicht dein Ernst, oder?"

Valerio lachte leise, seine Augen funkelten. „Aber sicher", entgegnete er in bestimmtem Ton. „Es gibt viel zu besprechen, vieles zu begreifen. Was sind vierzig Tage gegen ..." Er sprach den Satz nicht zuende. "Willst du – oder willst du nicht? Eine einfache Frage."Sein Blick glitt abschätzend über Magnus' Gesicht. "Wie dringend sind deine Fragen? Und was sind die Antworten wert?" Er ließ seine Worte wirken. "Also ... entscheide dich hier und jetzt."

Sein Gesicht hatte einen gespannten Ausdruck angenommen. Er ließ ihn nicht aus den Augen, beobachtete seine Reaktion. Es scheint ihm sehr wichtig zu sein, dachte Magnus verwundert. Aber er musste doch wissen, dass es nicht möglich war!

„Ich ... ich kann nicht so lange wegbleiben, ich muss nach Hause, nach Deutschland. Man wartet auf mich! Ich habe einen Job, Freunde und Familie."

„Valerio lachte wieder. "Ah, sì?"  Er hob eine Augenbraue, was Magnus wütend machte. Aber er hatte Recht. Da war keine Familie, niemand, der ihn jetzt vermisste. Und Freunde? Harald, der Job, Giulia, der neue Teamkollege? Nein, er musste sich eingestehen, dass da nicht viel auf ihn wartete. Dennoch hatte er ernsthafte Bedenken.

„Ich muss arbeiten", wiederholte er beharrlich. „Ich kann nicht einen ganzen Monat oder länger von meinem Job wegbleiben, man wird mir kündigen und ich habe keine ..."

"Ci penso io. Ich kümmere mich darum."

Magnus lachte auf. "Du willst das für mich regeln? Mach keine Witze. Wie willst du das anstellen?"

Valerio sah ihn lange an. Er schwieg. Sein Blick war prüfend, abwägend. Es wirkte, als würde er überlegen, ob er ihm überhaupt antworten sollte. Magnus wartete. Endlich sprach Valerio. „Vertraue mir. Du wirst keine zwei Tage weg gewesen sein, wenn du zurück kommst. Und wenn du abbrechen willst: Ich lasse dich gehen. Jederzeit. Niemand wird dich bis dahin vermissen."

Auf dem kleinen Platz war das letzte Mondlicht verschwunden. Magnus kam sich vor wie in einem magischen Traum. Er stand in der Dunkelheit, die Silhouette des seltsamen Mannes vor sich, dieses Mannes, von dem er inzwischen überzeugt war, dass er kein menschliches Wesen sein konnte. Was immer Valerio sein mochte: Auch das musste geklärt werden.

Aber er vertraute ihm tatsächlich. Was Valerio sagte, klang bizarr, das wusste er. Er hatte ihm absolut keine nachvollziehbare Erklärung gegeben, er hatte nur sehr überzeugend geklungen. Er wirkte offen und aufrichtig.

Wie das alles funktionieren sollte? Er wusste es nicht, er hatte nicht die geringste Ahnung. Aber er spürte, dass Valerio wusste, wovon er sprach. Er meinte es ernst. Magnus hatte bereits einige seiner beeindruckenden Fähigkeiten erlebt, hatte ihn Dinge vollbringen sehen, die unter normalen Umständen nicht möglich waren. Wenn Valerio ihm sagte, es würde letztlich niemand bemerken, dass er weg gewesen war – und dass er Magnus jederzeit auf seinen Wunsch gehen lassen würde – so wirkte das auf ihn glaubwürdig genug. Und ja, er sehnte sich nach etwas Verrücktem, nach einer extremen Erfahrung. Er war so bedient von diesem Leben, alles löste sich auf, nichts schien ihm mehr zuverlässig und er hatte Angst, sich ebenfalls aufzulösen und letztlich nicht mehr zu sein.

Ohne weiter zu überlegen, ohne an dieser Stelle, auf diesem Platz, noch weitere Fragen zu stellen, willigte er ein. Das Abenteuer begann. Vieles würde sich klären, manches vielleicht nicht. Und was sonst geschehen mochte: Er hatte keine Ahnung.

Er öffnete den Reißverschluss seiner Tasche, nahm die Flasche heraus und trank einige Schlucke, während er mit den Augen Valerio verfolgte, der bereits die Stufen hinauf schritt. Eilig schraubte er die Flasche wieder zu, verstaute sie in der Tasche, rückte den Trageriemen über seiner Brust zurecht und beeilte sich, ihm zu folgen.

Ende Teil 30

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